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In der neueren europäischen Literatur ist es vor allen andern dem Franzosen Gustav Flaubert gelungen, einen typischen Spießer zu gestalten, in seinem Apotheker Homais. Man ist erschüttert, wenn man die Madame Bovary liest. Die Schuppen fallen einem von den Augen; urplötzlich erkennt man, daß man es schon mit tausend Homais zu tun gehabt hat, selbst in der eigenen Verwandtschaft.
Zum 80. Geburtstage Bismarcks, das heißt des Mannes, der die seit Jahrhunderten ersehnte Einheit der deutschen Stämme mächtig vorwärts gebracht hat, lehnte es der Reichstag am 23. März 1895 mit 164 gegen 143 Stimmen ab, den Fürsten zu beglückwünschen.
Der Abgeordnete v. Kardoff sprach vor der Abstimmung:
Wenn dies Votum von der Mehrheit des Deutschen Reichstags so abgegeben wird, wie es die Herren Abgeordneten Singer (Sozialist ), Richter (Liberaler) und Hompesch (Klerikaler) hier beantragt haben, so sage ich das gegenüber unserem gesamten deutschen Vaterlande, ja gegenüber ganz Europa, und nicht bloß gegenüber ganz Europa, sondern gegenüber der ganzen Welt, und nicht bloß gegenüber der ganzen Welt, sondern für alle Jahrhunderte der Zukunft: Der Reichstag macht sich unsterblich lächerlich!
Jedesmal wenn die sozialistischen Parlamentarier das Vaterland verächtlich machen, um irgendwelche Schildbürgern durchzusetzen, fällt einem Ferdinand Lassalle ein, der einmal gesagt hat: Respekt sollen die andern Völker vor uns haben, weil wir einig und mächtig sind. Mehr wollen wir nicht.
In einer Dresdner Zeitung (vom 21. August 1928) steht unter der fetten Überschrift Mehr bewußtes Sachsentum! zu lesen:
Nach einer Meldung aus Bingen am Rhein hatten sich gestern nachmittag hier auf dem Marktplatze sächsische Wandervögel zur Rast niedergelassen, wobei ein Einundzwanzigjähriger in einem losen Mädchenkleide auftrat. Ein Schutzmann brachte den Jüngling zur Polizeiwache, wo er sich in einer Zelle vom Mädchen zum Manne zurückverwandeln mußte. Sein Verhalten erregte allgemeinen Unwillen. Man kann nur dringend wünschen, daß die wandernden Sachsen alles vermeiden, was Anstoß erregt, damit das Ansehen der Sachsen nicht immer von neuem beeinträchtigt wird.
Unser Ansehen in der Welt, seit wann ist es gefährdet? Sind wir Sachsen nicht als musterhaft artig allbekannt? Nun natürlich kann sich kaum noch ein Elbflorenzler an den Rhein wagen. Ihr braucht bloß einmal aus Gewohnheit: Weeß Kneppchen! zu rufen, sogleich guckt die Binger Moral-Patrouille hochnotpeinlich nach, ob ihr Mädels oder Jungen seid.
Die Berliner Illustrierte Zeitung (1928) Seite 1494 berichtet unter der Überschrift: Die Sportsmama folgenden Weltrekord-Blödsinn:
Die Holländerin Mimi Braun ist eine der besten Schwimmerinnen der Welt. Aber es war ein besonderes Vergnügen, neben ihr ihre Mutter zu beobachten, eine Dame mit silbergrauem Bubikopf, die den Wettkampf ihrer Tochter miterlebte, ja mitschwamm. Neben ihr faßte ein kleines herziges Stoffhündchen Posto: die Glücksbringerin. Kaum war das Schwimmen gestartet, schon war Mascotte in Mama Brauns rechter Hand, und schon kniete die Sportsmama, nein, lag sie bäuchlings am Bassinrande und brüllte ihrer Tochter taktische Ratschläge, Ermunterungen und Verweise zu; und nicht umsonst hielt sie Mascotte soweit zum Wasser entgegen, daß das liebe Hundevieh seine Pfoten fast badete. So erschwamm Fräulein Mimi Braun, bejubelt von ihren begeisterten Landsleuten, Sieg und Rekord, direkt in die sehnig sich sehnenden Arme der Mutter, die nun Weltrekord-Großmama geworden war.
Mag Deutschland immer mehr verblöden: der Spießer schwimmt seit Monaten in tausend Wonnen der Eitelkeit, denn er hört und liest in allen Blättern: Deutscher Sport ist in der Welt voran. Die beiden Reklame-Akrobaten und Ozeanflieger Müller und Schulze sind berühmter als Kolumbus – der letzte Berliner Droschkenkutscher Piefke hat Paris erreicht – der Kilometer-Raser Poppel hat den Raketenwagen erfunden und durch den Mord einer armen Katze öffentlich eingeweiht. Er beabsichtigt, demnächst zu Ehren von tausend Überfahrenen selber das Genick zu brechen. Und Fräulein Elise Schräder aus Dingskirchen hat in Amsterdam im Wettschwimmen rückwärts einen Delphin geschlagen.
Das Leibblatt der Münchner Pfahlbürger hat sich jüngst über eine Äußerung von Thomas Mann gegen die Sportfexerei und Matadorenverhimmlung gelegentlich des Triumphzuges der Ozeanflieger gewaltig aufgeregt und den Verfasser der Buddenbrooks, wohl nicht nur wegen seines nicht unberechtigten Protests, als einen undeutschen Mann gebrandmarkt. Der Vielgelesene hatte den erstaunlich kühnen Ausdruck Fliegertröpfe geprägt.
Leider hat Thomas Mann diesen ihm fatalen Angriff nicht sofort damit erwidert, daß er in der Berliner Dichter-Akademie, die es nötig hat, einmal männiglich hervorzutreten, eine ernste große Rede über den geistigen Anstand des Reiches gehalten hätte.
Die deutschen Autoren, deren Werke im Sportstaumel zu wenig gelesen werden, sollen aber trotzdem nicht gleich allen Mut verlieren, denn es geht die famose Kunde durch die Lande: beim Sportjahrmarkt in Amsterdam hat ein deutscher Dichter einen ersten Preis erhalten: Rudolf Binding für seine Reitvorschrift für meine Geliebte. (Sie hat übrigens eine ergötzliche Parodie erlebt: von Max Schwerdtfeger.)
Also liegt es nur an uns, daß wir nicht die richtigen Bücher schreiben und Sportpreise nicht bekommen.
Wie man hört, ist Herbert Eulenberg, da seine zehn Bände Schattenrisse absolut nicht mehr gehen wollen, dabei, ein: Box-Reglement für meine Schwiegermutter zu verfertigen. Damit hat er sich für die nächste Olympiade in Chicago einen Preis gesichert.
Wenige Jahre vor dem Kriege hat sich Maxim Gorki von seiner Frau scheiden lassen; sie hatte ihre Schuldigkeit getan. Ohne das Standesamt zu belästigen, tat er sich nun zusammen mit der Schauspielerin Andrjewa und machte mit ihr eine Hochzeitsreise nach U.S.A.
Erster Aufenthalt in New York. Am Morgen bringt der Portier des Hotels einen Schutzmann in die Gorkischen Gemächer. Der fragt den überraschten höflichst: Ist die Dame Ihre Ehefrau? Zeigen Sie mir den Trauschein!
Der Verfasser des Nachtasyls, weder im Besitz einer waschechten Ehefrau noch eines Ehedokuments, wird auf das Kriminalpolizeiamt mitgenommen. Vierundzwanzig Stunden später ist er als Wüstling aus den Staaten ausgewiesen. Es hilft kein Protest: Gorki und die Andrjewa müssen sich Schiffskarten bestellen.
Das heißt, einen Ausweg in der Not hätte es gegeben: wenn sich das Liebespaar ins Hotel-Auto gesetzt, den Schutzmann und noch einen Zeugen mitgenommen und gottvergnügt sich zum Standesamt verfügt hätte. Aber der östliche Don Juan war nicht Weltmann genug.
Statt dessen schrieb er ein giftiges Buch: Im Lande des gelben Satans.
Kein Amerikaner hat es gelesen.
Wer ist nun hier der größere Spießer? Gorki oder der Yankee?
Vereinsabzeichen. – Ich habe mir den Spaß oder die Mühe gemacht, eines Nachmittags von 3 bis 7 Uhr auf allen möglichen Straßenbahnen die Abzeichen zu studieren, die der Massenmensch von heute am Rockaufschlag zu tragen pflegt. Auf meine Frage haben mir die meisten Träger dieser scheußlichen Dinger bereitwillig Auskunft gegeben. Nur einer fragte mich brüsk, ob ich eine rein haben wolle. Ich lehnte ab, indem ich ihm, aus Versehen, fest auf sein Hühnerauge trat und mich wortreich entschuldigte. Sofort war er zugänglich. Er trage das Zeichen des Vereins der Kanarienvogelzüchter in den Reichsfarben. Geben Sie mir freundlichst die Adresse, sagte ich und setzte meine Studien an andern Objekten fort. So bin ich bis Nummer 241 gekommen; lauter verschiedene Symbole. Der Vereinsabzeichenträger Nummer 242 erwiderte mir auf meine höfliche Frage artig, aber bestimmt: Auskunft kostet fünf Groschen. Ich gab ihm dies Honorar, worauf er gemütlichst antwortete: Ich bin Sie nämlich Mitglied des Vereins: Nischt umsonst!
Belustigt lud ich ihn zu einem Hennessy im nächsten Kaffeehause ein. Er nahm an. Als der Zahlkellner kam, zog er ein Fünfmarkstück aus der Westentasche und fragte mich: Boom oder Krähe?
Ich war für den Vogel – und er berappte die Zeche.
Nischt umsonst! meinte er würdevoll und empfahl sich.
Ich habe mir vorgenommen, Mitglied dieses nützlichen Vereins zu werden.
Seit Jahrzehnten regt sich der deutsche Spießer über die französische Fremdenlegion auf. Genau so wie es in jedem gutgebauten Hause einen gewissen Ort geben muß, bedarf Europa einer Menschenlatrine. Man sollte sich freuen, die Taugenichtse und Abenteurer so bequem loszuwerden.
Es gibt immer wieder Leute, die Eigenbrötelei in Dingen betreiben, die zweifellos die Zusammengehörigkeit der Kulturmenschen hemmen. Was zum Beispiel hat es für Nutzen, daß der Deutsche eine lateinische und eine angeblich deutsche Schrift beibehält?
Diesem Beharren an Nützlosem steht merkwürdigerweise in Deutschland eine unerhörte Nachgiebigkeit in der sogenannten Rechtschreibung gegenüber.
In seiner Weltgeschichte in Umrissen (Erstausgabe 1897) sagt der Oberst Maximilian Graf Yorck von Wartenburg (gestorben am 27. November 1900 vor Peking):
Feines Sprachgefühl und reges Nationalgefühl hängen innig zusammen. Wie stehen wir dem gegenüber, wir mit unsrer fürchterlichen neuen Rechtschreibung? Wenn jemand den Thau und das Tau gleich schreiben, wenn er das Fremdwort so hoch achtet, daß er der Rhone schreibt, wo die deutsche Zunge sich längst die Rhone zurecht gemacht hat, so zeigt er, daß ihm das feste Gefühl für das geschichtlich Gewordene in der Sprache fehlt und damit auch für das geschichtlich Gewordene in Recht und Politik. Die heutige Schädigung der deutschen Sprache ist in einem Punkte fast schlimmer als die des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts mit ihrem französisch-deutschen Sprachgemisch; denn sie ist revolutionär, jakobinisch; kein anderes europäisches Volk hätte sich durch Beamtenbefehl so eine Sprache zurecht schneiden lassen, da in jedem andern das nationale Gefühl zu stark ist, um solches an seinem teuersten Besitze zu gestatten, an dem Besitze, von dessen Bewahrung das Volkstum abhängt, mit dessen Verluste das Volk zu einem andern wird. So können wir unsern Bismarck auch darin als guten Genius verehren; sagt er doch in einem seiner letzten Erlasse: Die Übertragung des fremdländischen Genus auf deutsch gewordene Wörter ist eine dem Geiste unsrer Sprache fremde Nachahmung.
Andrerseits: der Philister zerbricht sich immerdar den Kopf, für Dinge, auch wenn sie im Auslande erfunden sind, angeblich gute deutsche Namen zu ergrübeln. Ein fürchterliches Unternehmen. Es müßte aller drei Jahre eine Weltkonferenz tagen, die für alle wichtigen neuen (und auch für wichtig gebliebene alte) Erfindungen kosmopolitische Namen festsetzte und einführte, vor allem im Gebiete des Verkehrs, der Technik, der ärztlichen Wissenschaften, des kommenden Weltrechts. Sprache und Schrift sind dazu da, daß die Erdbewohner ohne unnütze Mühe sich verständigen und einander nähern.
Einer meiner Lehrer, und zwar der, der mich jahrelang tückisch und niederträchtig gequält hat, war der ehedem bekannte pedantische Sprachreiniger Professor Hermann Dunger, körperlich wie geistig ein Zwerg. In meinen Jugenderinnerungen spielt er die Rolle des ersten Philisters, der mir in den Weg getreten ist. Ich haßte ihn wie Tristan den Melot, bedauernd, daß es nicht mehr Sitte war wie in der alten Bretagne, seinem Feinde einen wohlverdienten Pfeil in den Buckel zu schießen.
Als Unterprimanern hieß uns dieser gräßliche Pädagog von Stunde zu Stunde zweimal in der Woche je zehn Odyssee-Verse auswendig lernen, was nach zwei Monaten rund zweihundert Hexameter ausmachte, die man vom Katheder aufsagen mußte. Wer stecken blieb, ward wieder hinuntergejagt, um in der nächsten Stunde abermals sein Glück oder Unglück zu versuchen. Noch manchmal, heute nach vierzig Jahren, befinde ich mich im Traum als Rhapsode Homers am hohen Ort und komme nicht über den zwölften griechischen Vers hinaus.
Der Primus meiner Klasse konnte die 444 Verse des ersten Gesanges glatt aufsagen. Er ist Feld-Wald-Wiesen-Anwalt geworden; und auf meine Frage – ich traf ihn zufällig jüngst –, wie er zur nach-homerischen Literatur stehe, erwiderte er mir verschämt: Seit meinem Weggange von der Universität habe ich keine Zeit mehr zur Privatlektüre; ehrlich gesagt: ich habe immer nur gelesen, was ich habe lesen müssen.
Keine Zeit zur Privatlektüre? Barbar! Während er sich damals seine 444 griechische Hexameter einpaukte, träumte ich über Jean Pauls Titan.
Daß ich mich ehrlich über einen mir krassen Schulmeister äußere, werden mir die Philister unter den vierundzwanzig Genossen, mit denen ich mein Abiturium zustande gebracht habe, vermutlich schwer übelnehmen. Ich will deshalb hier an gleicher Stelle einen andern unsrer Lehrer, und zwar einen, den damals keiner verstanden hat, feiern, indem ich ein ungedrucktes Gedicht aus seinem Nachlasse veröffentliche. Es ist Albert Moeser (1835 bis 1900). Im Gesicht ein zweiter Sokrates, weltfremder Pessimist, zum Lehrer sogar in der Oberprima ungeeignet, weder Jugendkenner noch überhaupt Weltlust verstehend, war er uns allen eine groteske Erscheinung. Daß ich und mit mir zwei, drei andre junge Literaturfreunde ihn als Lyriker heimlich kannten, war ihm unbekannt.
Kurz vor dem Großen Kriege war ich daran, seine hundert besten Oden und Gedichte von neuem herauszubringen; schon hatte ich die Genehmigung seiner Verleger und Erben; das Manuskript lag in Reinschrift vor, da spielte das Schicksal dem Außenseiter den letzten Streich: das alte Deutschland war erledigt.
(Spruch Pindars)
Wen aus dem Nichts der Gott berief zum Leben,
Ein Urbild trägt er fest im Seelengrunde,
Dem er, nur er, Gestalt und Form kann geben.
Von allen, die ein irdisch Weib geboren,
Ist Keiner gleich im Urkern einem Andern,
Und Jeder ist zu
seinem Sein erkoren.
In all dem Staub, da falsche Götter gleißen,
Ist Höhenglück: Fremd jedem fremden Ziele,
Verfolge
nur, was Blut und Traum dir heißen!
Todfeindlich ist das Leben solchem Drange;
Jedweden spannt es an den Sklavenwagen
Und heischt von ihm Tribut im Alltagszwange:
Dem Kleinen sollst du dienen, dem Gemeinen;
Sollst nie dir selber, immer Andern leben.
Mag still in dir der Genius wohl weinen.
Nein, füg dich nicht! Zerreiß die Kerkerketten!
Dem Urbild werde niemals zum Verräter!
Bleib willensstark! Du mußt dir selbst dich retten!
Gelassnen Blicks sieh auf des Schwarmes Treiben,
Und mag die Welt dich höhnen und mißachten,
Dein Wahlspruch heiße: Treu mir muß ich bleiben!
Die Masse wird dich nie verstehn. Verzichte
Auf Geld und Gut, auf Stand und äußre Ehre,
Auf Weib und Kind; nur deine Pflicht verrichte!
Erdicht dir
deine Welt, im Bettlerkleide,
Dachkammerphilosoph, in dunklem Winkel,
Im Kampf mit all dem kleinen Erdenleide!
Dein Trost, dein Glück, dein Stolz: Du darfst dir sagen:
Wo sind die, die sich selber nie verleugnen?
Die, was auch droht, ihr eignes Herz nur fragen?
Es war ein seltsames Bild, wenn Albert Moeser, den schwermütigen blassen Kopf gestützt auf die rechte Hand, seinen vierundzwanzig Primanern das Symposion vorlas, übertrug und erläuterte. Zuweilen unterbrach der Menschenfeind, der sich seinen geliebten Autor vorlas, seinen monotonen Vortrag, um einen müden fragenden Blick in seine Hörer zu werfen, von denen keine drei aufmerksam waren. Warum gab er sich überhaupt die Mühe, uns Platon näher zu bringen?
Die berufsmäßigen Biographen bedeutender Männer werden der Jugendzeit ihrer Opfer fast durchweg wenig oder gar nicht gerecht. Ihre Methode erheischt es, die Schulprogramme und Universitäts-Vorlesungsverzeichnisse vorzunehmen, worauf sie nach Herzenslust ihre Märchen um den Helden spinnen. Der Stubengelehrte schwört auf den Einfluß jedes Lehrers auf jeden Schüler. Nichts ist lächerlicher. Begabten jungen Köpfen macht nichts größeren Spaß als die Wahlverwandten und Vorbilder aufs Geratewohl sich selber zu entdecken.
Einmal bei Albert Moeser, über den die Literaturgeschichte wenig berichtet, möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß er seine Schüler zu Literaturfreunden zu machen immer bestrebt war. Ich danke ihm meine Vorliebe für Sallust. Ihm danke ich auch, daß er mich als Erster hingeleitet hat auf die Merlin-Sage, auf R. Hamerling, Grisebach, Heinrich Leuthold, Martin Greif, Hermann Lingg, Wilhelm Raabe, Konrad Ferdinand Meyer, Strachwitz und auf den Grafen Schack. Das war damals die moderne Literatur.
Wenn die meisten von uns nichts von diesem Sonderlinge lernen mochten: eine schöne Lebensregel, die der grimmige Pessimist uns oft vortrug, hätte jedermann beherzigen sollen: Was du auch wirst in der Tretmühle eines sogenannten Berufs, nichts ist auf die Dauer erträglich, wenn man sich keinen Privat-Sonntags-Schimmel hält.
Als ich, inzwischen lebenslustiger Artillerie-Leutnant geworden, den alten Lehrer wieder einmal aufsuchte, brummte er in seiner ironischen Art: Herr Alkibiades, was macht der Privat-Sonntags-Schimmel? – Vorläufig, berichtete ich, kaufe ich mir aller drei Wochen eine Neuerscheinung und füttere das Biest damit. – Also habe ich doch nicht umsonst Literaturliebe gepredigt! frohlockte Moeser. Eines nur nicht vergessen! Niemals den Pegasus in den eigenen Stall stellen! Um Apollswillen: vor allem keine Berufs-Droschkenfahrten!