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Am 26sten Juli 1837.
Das Concert, das Hr. MD. Pohlenz vergangenen Sonntag zu einem milden Zweck in der Thomaskirche veranstaltet hatte, war durch Wahl, Besetzung und Ausführung der Compositionen eines der vorzüglichsten. Die Ouvertüre zur Tauris'schen Iphigenie fing an und mag sich in der Kirche wohl prächtiger als irgendwo ausnehmen; sie ist urkräftig und wirkt ewig gleich. Eine Arie aus der Schöpfung folgte, die bekannte des Engel Gabriel »Auf starkem Fittig«, so vollkommen schön gesungen, daß sich weiter gar nichts darüber sagen läßt. Hr. Concertmeister David spielte hierauf einen ersten Satz eines neuen Concerts in H moll auch daß sich darüber nichts sagen läßt, bis auf einige neckische Figuren der Flöten, die mehr in den Concertsaal gehören. Hätte es mit dem Concert keine Eile gehabt, so hätten wir vielleicht ein Bach'sches Violinconcert zu hören bekommen. Bittgesang, Terzett und Schlußchor aus den »Jahreszeiten« von Haydn schlossen den ersten Theil; eine Fülle von Musik. – Mit ganz besonderem Dank gegen den Dirigenten müssen wir aber die Aufführung der neuesten Messe von Cherubini erwähnen, eines der Werke, von denen der Buchstabe auch nicht einen entfernten Begriff beibringen kann. Nenne man es hochkirchlich, wundersam, so sind dies noch alles keine rechten Worte für den Eindruck, den es im Ganzen, aber besonders in einzelnen wie aus den Wolken klingenden Stellen macht, wo es Einen schaurig überläuft; ja was selbst weltlich, curios, beinahe bühnenartig klingt, gehört wie der Weihrauch zum katholischen Ceremoniell und wirkt auf die Phantasie, daß man den ganzen Pomp eines solchen Gottesdienstes vor sich zu haben glaubt. An harmonischer Kunst übertrifft die Messe sogar sein Requiem in C moll, obgleich dies in anderer Beziehung ohne Gleichen in der Welt dasteht. Des Merkwürdigen und Mächtigen enthält aber, wie gesagt, auch die Messe so viel, daß man sich alles Einzelne nur mit der Partitur, die ich leider noch nicht erlangt, wieder vergegenwärtigen könnte. Wie der einzelne Künstler seine »schönen Tage« hat, wo ihm nichts mißlingt, so auch die Masse: und wie an demselben Morgen kein Flecken den blauen Himmel draußen störte, war auch der Vortrag der Messe klar und schön. Den An- und Ausführenden gebührt daher der lebhafteste Dank für den milden und künstlerischen Zweck, den sie diesmal in seltener Vereinigung erreicht haben. –
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Esther, ein Liederkreis in Balladenform in fünf Abtheilungen von L. Giesebrecht, für eine Singstimme mit Pianoforte componirt von C. Löwe.
Werk 52.
König Casimir von Polen verlangt die schöne Jüdin Esther zur Buhlin. Sie ergibt sich ihm unter der Bedingung, daß ihrem aus Ungarn vertriebenen Volke Schutz in seinem Lande zugesichert werde, dagegen sie ihren Erstgebornen christlich taufen lassen muß. Später sterben der König und das Kind. Die Mutter wird aus dem königlichen Schloß gewiesen. Ihr Kind liegt auf dem Christen-Kirchhof.
Dies der Inhalt des Gedichts, das man neu und natürlich erfunden nennen muß, wenn es sich auch erst nach öfterem Lesen in seinen einzelnen Theilen vor uns entfaltet. Namentlich schwankt man bei den ersten Versen, wem sie in den Mund zu legen, – ob dem Königssohne, der noch nicht zum Thron gelangt ist, oder irgend wem. Wie viel musikalische Elemente die Handlung übrigens in sich begreift, sieht Jeder; ein übermüthiger Herrscher und ein gedrücktes Volk, ein großer König und eine schöne Jüdin, der Schmerz der Mutter und die Aufopferung für ihr Volk: Gegensätze, wie sie die Musik wiederzugeben und wie sie, ihrem Charakter nach, Niemand besser als gerade Löwe zu einem Gemälde zu vereinen vermag.
Jedes der Lieder hat seinen besondern Ton. Im ersten heimliches Sehen, feurige Liebeserklärung, Abwehren der Jüdin: »Christ, deine Liebesworte brennen mir in die Seele heiß und scharf; Von Israel sollt' ich mich trennen, das Gott erwählt, das Gott verwarf?« Fast Alles A moll, wenig C dur.
Im zweiten Abschnitt Verlangen des Königs nach Esther, drohender Ton, da sie jenen ausschlägt, drohendere Wiederholung. F dur geht nach Moll. Endlich entschließt sie sich: »doch, König, nur um hohes Pfand, um der Hebräer Heil und Leben und um dein halbes Polenland«. Die Musik ist leidenschaftlich, fast theatralisch.
Im dritten Liede erst Ergebung Esthers und Trost im Heil, das sie über ihr Volk gebracht; dann Schmerz über ihren Erstgebornen: »Wohin, wohin? die Priester kommen, die Taufe hat sein Haupt genetzt«. Das folgende Motiv erinnert an eines aus dem zweiten Abschnitt.
Im vierten Liede Freude Esthers an ihren Zwillingstöchtern, die man ihr gelassen, mit eigenthümlicher Begleitung. Meldung vom Tode ihres Sohnes: »Gott Abrahams, du hast gegeben, was du genommen hast, ist dein«. Prächtige Accorde, die sich in ein Glockengeläute verlieren. Der Marschall sagt den Tod des Königs an. Sie wird fortgewiesen: »Kommt, Kinder, kommt zu unserm Volke, die Judengasse nimmt uns auf«. Der Rückblick auf den Anfang des Ganzen hebt sich in der Musik zart hervor.
Im letzten Liede reiches A dur. Israel ist wohlhabend worden: »Auch meine Zwillingstöchter stehen wie Lilien Gottes aufgeblüht: doch muß ich still im Leide gehen«, spricht Esther. Die Musik kehrt in das ursprüngliche A moll zurück: »das weiße Kreuz das ist das Zeichen, da find' ich meines Sohnes Grab. Hier ist es still, hier möcht' ich weinen« etc. Und der Vorhang rollt leise über die einsame Scene.
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Der Gott und die Bajadere, von Goethe. – Ritter Toggenburg, von Schiller. – Die Braut von Korinth, von Goethe. – Sieben Gedichte aus den Bildern des Orients und der Frithiofssage. – Hymne, von Rellstab. – Drei Gesänge, von Goethe. Sämmtlich comp. für eine Singst. mit Pfte. von Bernhard Klein.
Heft 1-6 der nachgelassenen Balladen und Gesänge.
Wenn Löwe fast jedes Wort des Gedichtes charakteristisch ausmalt in der Musik, so zeichnet B. Klein seinen Gegenstand, gleichviel welcher es sei, nur in den nöthigsten Umrissen hin, in einer Einfachheit, die oft unglaublich wirkt, oft aber auch beengend und quälend. Einfachheit macht das Kunstwerk noch nicht und kann unter Umständen ebenso tadelnswerth sein, als das Entgegengesetzte, Ueberladung; der gesunde Meister aber nutzt alle Mittel mit Wahl zur rechten Zeit. So mag der Gott und die Bajadere, dieses schön-menschlichste aller Gedichte, was dessen ruhige, großartige Stellen betrifft, kaum würdiger aufgefaßt werden, als es B. Klein gelungen ist. Wo die Dichtung aber sinnlicher, malerischer, indischer wird, bleibt die Musik meistens zu ungefällig zurück; man will dann mehr, weichen fleischigen Ton; im gleichen Grad, wie hier Franz Schubert, Löwe und viele der Neueren oft zu materiell auftragen, thut es Klein zu wenig, und, wo er gezwungen es möchte, ohne Freiheit und Lust. Denke man sich nur an manchen Stellen die bedeutenden Worte weg und man findet oft fast nichts als allgemeine Harmonieen, gewöhnliche Rhythmen und Melodieen. Diese Hartnäckigkeit, mit der wir in Klein's Compositionen alle materiellen Mittel vernachlässigt sehen; bei Seite gelassen, empfängt man, wie wir versichern können, in den beiden Goethe'schen Balladen zwei höchst edle ihres Schöpfers würdige Dichtungen, an denen sich der Componist sichtlich selbst gelabt haben mag. Und wenn er vom Genie, das Höhe und Tiefe zugleich, nur einen Theil an der letztern hat, so erhebt er sich namentlich am Schluß von Mahadöh, gleich wie der Gott mit der Bajadere selbst, daß man der seligen Erscheinung, die sich mit dem Aether vereint, noch lange und tiefergriffen nachschaut.
Ebenso schmucklos und ruhig wird uns die Geschichte vom Toggenburg erzählt: einzelne Stellen stehen sogar still. Um zu wirken, bedarf die Musik der Belebung durch zarteste Declamation, wie sie dem Vortrage B. Klein's so eigen gewesen sein soll. Die Musik an sich bietet nichts Besonderes.
Unter den sieben Gesängen zeichnet sich der fünfte durch den unvollkommenen Schluß aus: ein Hindeuten auf etwas Zukünftiges, wie cs das Gedicht ausspricht. Von den orientalischen Bildern von Stieglitz verlangte ich mehr Reiz, Wärme, Neuheit, dagegen die starren Tegner'schen Sagen um so eigner anklingen werden.
Die Hymne von Rellstab beginnt der Componist in G moll und schließt in As dur, gleich als ob, wie in dem Gedicht, die Stimmung eine höhere würde. Im Uebrigen war das Gedicht kaum zu verfehlen, aber auch nicht tiefer aufzufassen.
In den letztangeführten Goethe'schen Liedern scheinen mir das zweite und noch mehr das letzte vortrefflich, dagegen ich in Mignon's Lied »Kennst du das Land«, wenn nicht die schmerzliche Innigkeit, doch alle Grazie vermisse, die uns aus den Worten wie aus einem himmlischen Gesichte entgegenströmt.
Bilder des Orients von H. Stieglitz, für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte componirt von Heinrich Marschner.
Werk 90.
Bilder sind es, die du hier empfängst, lieber Leser, – Bilder in silbernen und goldenen Rahmen, darauf du die Liebesgeschichte zwischen Rose und Nachtigall sehen kannst, oder Hafis seligschauende Gestalt, oder ziehende Carawanen, oder schnaubende Maurenrosse. Schon die Gedichte wie aus einem morgenländischen Quell über Ananasfrüchte hinfließend, und der Sänger fing die Fluth in köstlichen Schalen auf! Erlabe sich Jeder an solcher Musik, an solchem Doppelleben in Sprache und Musik; hier lebt und flüstert Alles, fühlt sich jede Sylbe, jeder Ton; zwei Meister begegneten und verstanden sich. Im ersten Liede stehst du vor Fitnes Zelt in liebeglühender Erwartung. Im zweiten loosen die Husseiniten, »wer Turans Mörder sich dürfte rühmen«; im dritten wird Jussuff Turan rächen. Dann will Fitne den erschlagenen Geliebten mit ihren Küssen erwecken, – ein Gesang so schmerzlich, so wahr; die Töne sind wie fallende Thränen. Im fünften aber steht Maisuna am Brunnen und harrt auf den Geliebten, – und wie sie seines Besitzes gewiß ist, so gibt es auch die Musik fest, mild, dabei immer orientalisch wieder. So scheint sich, wo man nur aufschlägt, Reiz, Frische, Eigenthümlichkeit und Schönheit dieser Lieder nach allen Seiten hin zu steigern, daß ich nicht weiß, welchem einzelnen der Preis gebühre. Ehre also dem Meister!
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Sechs Gesänge für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte: Worte von G. Keil, Musik von Ferdinand Stegmayer.
Werk 13.
Das ausländische Gesinge aus dem Feld zu schlagen und die Liebe des Volkes zur wahren, d. h. zu der Musik, die natürliche, tiefe und klare Empfindungen kunstgemäß ausspricht, wiederum zu beleben, bedarf es vor Allem der Pflege und Schätzung unsers guten deutschen Liedes. Wie wenig es uns überhaupt an Liedern fehlt, weiß Jeder; man könnte ganz Deutschland alljährlich damit überbauen. In dieser Unzahl aber nichts zu übersehen, wer vermöchte das und wie Vieles des Bescheidenen mag hier verborgen geblieben sein! Sei hiermit also der Lieder von Stegmayer gedacht, die, wie sie aus einem innigen Herzen kommen, diesen Ursprung nirgends in ihrer Wirkung verfehlen können. Eben nur ein Deutscher kann solche heimliche trauliche Lieder machen. Dazu singen sie sich, so zu sagen, von selbst; nichts was da aufhielte oder in ein gelehrtes Erstaunen setzen wollte. Gedanken eines Glücklich-Liebenden, Seligkeit des Kusses, ein Lied in der Nacht, eines im Frühling, eines der Spinnerin, zuletzt ein deliciöses Ständchen, Alles in hübschen Worten, von der Musik belebt und verschönt. Ebenso hält sich die Begleitung wie vom alten Triolenschlendrian, so von ultraromanesker Malerei frei und tritt, je nach den Worten, zurück oder mehr vor. Im letzten Lied, das ich eben deliciös nannte, fällt nur der plötzliche Rückgang in die anfängliche Tonart am Schluß auf; es hätte gewiß viel bedeutsamer in Des dur geschlossen. Unwillkührlich schlägt man aber auf der letzten Seite um, ob nicht noch mehr Lieder kommen; mit andern Worten, wir bitten um viele noch.
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Sechs Gedichte aus Wilhelm Meister von Goethe, für eine Singst, mit Begl. des Pfte. comp. von Joseph Klein. Das Schloß am Meere und der Wirthin Töchterlein, zwei Balladen von Uhland, für eine Singst, mit Begl. des Pfte. comp. von Joseph Klein.
Soll ich es gleich gestehen, so scheint es mir, als ob sich der Componist noch zu sehr vor seinem Gedichte, als ob er ihm wehe zu thun fürchte, wenn er es zu feurig anfaßte; daher überall Pausen, Stockungen, Verlegenheiten. Das Gedicht soll aber dem Sänger wie eine Braut im Arme liegen, frei, glücklich und ganz. Dann klingt's wie aus himmlischer Ferne. Sind aber noch formelle Rücksichten zu nehmen oder fehlt es gar an Sympathie, so kömmt nichts Beglückendes zu Stand, was es doch sein soll. Dieses Eckige im Einzelnen, das dem Eindruck des oft gründlich aufgefaßten Ganzen in den obigen Gesängen überall im Wege steht, wird noch durch den Uebelstand vermehrt, daß der Componist in kleinen zwölf Zeilen kurzen Liedchen zu oft den Tact wechselt. Wozu solche Maßregeln? Folgt denn etwa in den Wilhelm Meister-Liedern ein Hexameter nach einer dreifüßigen Jambuszeile und ist's nicht vielmehr der regelmäßigste Pulsschlag eines Dichterherzens, wie es freilich nur eines auf der Welt gegeben hat? Sodann beleidigt mich, daß im »Kennst du das Land« das ausdrucksvolle »dahin« von den meisten Componisten so leicht, wie ein Sechszehntel genommen wird. Gewiß soll es nicht, wie z. B. in der Jessonda, gewiß aber inniger und bedeutender accentuirt werden, als man es in den meisten der bekannten Compositionen findet. Was aber noch schlimmer, überhaupt kenne ich, die Beethoven'sche Composition ausgenommen, keine einzige dieses Liedes, die nur im Mindesten der Wirkung, die es ohne Musik macht, gleich käme. Ob man es durchcomponiren müsse oder nicht, ist eins; laßt es euch von Beethoven sagen, wo er seine Musik her bekommen. Unter den übrigen Liedern aus W. Meister scheinen mir das zweite und fünfte die bedeutendsten, dagegen ich Philinens Lied für mißlungen halte.
Die beiden sinnverwandten Uhland'schen Balladen sind wohl angelegt und enthalten einzelne schöne Stellen. In der zweiten wagt der Componist einen Kampf mit Löwe. Der Gedanke, das Lied mit dem Gaudeamus igitur anfangen zu lassen, wäre zu loben, wenn es nicht der Declamation der Worte hier und da im Wege stünde. Die erste Hälfte der Antwort der Wirthin gefällt mir durchaus, die zweite scheint mir unpassend. Wahrer Schmerz schreit nicht, selbst bei niederen Menschen nicht. Um wie viel zarter hätte Hr. Klein die zweite Hälfte wie die erste, nur in Es moll, singen lassen können. So ist auch, dem Ausdruck des Gedichtes entgegen, der Schmerz des ersten Burschen viel tiefer in der Musik, als der der Uebrigen. Löwe hat uns hier ein Meisterstück geliefert, wie denn das Vergleichen der beiden Compositionen viel Lehrreiches und Anziehendes darbieten muß.
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Vier Gesänge für Baß oder Bariton mit Begleitung des Pianoforte von H. Triest. Werk 1. Sechs Gesänge mit Begleitung des Pianoforte von H. Triest. Werk 2.
Und wie man einem jungen Componisten über sein Opus 1 nichts Erfreulicheres sagen kann, als daß es von Talent zeuge, so soll Hr. Triest gleich vorn herein dies Schönste erfahren. Vieles freilich fehlt, namentlich den Liedern unter Werk 2, zur Vollendung; einige scheinen mir auch, wenn nicht des Druckes nicht unwerth, doch im Verhältniß zu den Ansprüchen, die man der Kraft des Verfassers stellen kann, zu unbedeutend, als daß ich sie veröffentlicht hätte. Zu den verfehlten rechne ich Nr. 4, »Auf der Reise«, deren Musik fast durchaus gegen den Sinn der Worte anstrebt, namentlich in der sich viermal wiederholenden steigenden Sexte, – zu den mißlungenen das »Sehnen« von Heine, für dessen tiefen wunden Schmerz die Musik noch ganz andere Zeichen besitzt, – zu den unbedeutenden endlich das »Thal« und »Engelstöne«, in welchem letzteren ich auch die übel angebrachte Malerei des Nachtigallenschlags wegwünschte, oder, bestünde der Componist durchaus auf Täuschung, sie wenigstens in das begleitende Pianoforte gelegt hätte. Was außer diesen Liedern übrig bleibt, verdient Lob; am bedeutendsten heben sich der erste und dritte Sang in Werk 1 hervor, was um so bemerkenswerther ist, da sie sich gerade in einer Sphäre bewegen, in der Löwe so Einziges geschaffen, – aber auch um so natürlicher, da sich der Componist aus dem Titel einen Schüler von Löwe nennt. Auch das »Lied der Gefangenen« von Uhland gefällt mir bis auf eine kleine harmonische Steifheit am Schluß hin gar wohl; das Lied schließt im Gesange mit einer scharfen Dissonanz. Möge sie dem Verfasser in spätern Compositionen zur reinsten Blüthe aufgegangen sein.
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Vier Lieder von Lord Byron, mit deutschem und englischem Text, in Musik gesetzt mit Begleitung des Pianoforte von Ferdinand Ries. Werk 179. Sechs böhmische Lieder von W. Hanka (mit deutscher Uebersetzung von Swoboda) für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte von W. I. Tomaschek. Werk 71.
Mit großer Theilnahme nahm ich die beiden Hefte zur Hand. Stimmt es doch zu allerhand freudigen und wehmüthigen Betrachtungen, zwei anerkannte Meister in ihren älteren Tagen noch einmal leichte Lieder singen zu hören: zu freudigen – denn wir wissen sie noch am Leben und wirkend: zu wehmüthigen Bildern – denn jeder Abend »mit seinen langen Schatten, die nach Osten zeigen«, weckt ja welche. Ob man nach diesen späten Nachkömmlingen auf das frühere Kunstschaffen dieser Componisten schließen dürfte? Im heutigen Fall beinahe. Die Lieder von Tomaschek sind heiter, lebenslustig, beinahe verliebt: die Texte, die er sich wählte, naive Liebeslieder, die von Nachtigallen, blauen Augen, Veilchen handeln: – die von Ries dagegen düster, unzufrieden, Lord Byron'scher Weltansicht, – beide Hefte durchaus einfach, aus dem Ganzen gearbeitet, meisterlich, im Einzelnen schön.
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Sechs Lieder ohne Worte von F. Mendelssohn Bartholdy.
Drittes Heft. Werk 38.
Wir schicken dem Hefte getrost eine Anzeige ohne Worte nach. Ueber einen Rosenbusch, der ringsum blüht und duftet, über ein Auge, das glücklich in den Mond aufsieht, kann Niemand in Zweifel sein, daß es so ist. Von den ältern Liedern unterscheiden sich diese jüngsten nur wenig und stehen, wie jene, zwischen Gemälde und Gedicht, daß sich leicht Farben und Worte unterlegen lassen, spräche die Musik nicht hinlänglich für sich. Wenn sie nun sämmtlich Kinder einer blühenden Phantasie, so geschieht es doch wohl der treusten Mutter, daß sie bewußt oder unbewußt eines oder das andere bevorzugt, und daß es Andere merken. So möchte ich glauben, das zweite Lied und dann das Duett am Schlusse seien auch die Lieblinge des Dichters, dann auch das fünfte, das leidenschaftlicher ist, wenn man so von den selteneren Wallungen eines schönen Herzens sagen kann. Am wenigsten gefällt mir das vierte, obgleich es gerade das behaglichste, aber mehr prosaischer Natur, mehr wie auf weichen Kissen, als wie draußen unter Blüthen und Nachtigallen ausruht. Beim »Duett« ist es mir nicht recht, daß diese reiche deutsche Sprache kein Wort hat, um so etwas ungeziert auszudrücken; Liebende sind es aber, die hier reden, leise, traulich und sicher.
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Duo's.
Der gütige Leser erhält mit dem Folgenden den Anfang einer Uebersicht der neuerschienenen Kammermusik. Zu bedauern ist freilich, daß Redactionen nicht zugleich Könige, die nur zu winken brauchen nach einer Capelle und nicht nöthig haben, die Stimmen im Kreise um sich zu legen und das Beste, Alles sich herauszusuchen. Wenn Schreiber dieses also deshalb Manches im Detail übersehen hat, so spricht er bei denen, welchen es geschehen, im Voraus um Nachsicht an, wie sie auf seine rechnen können, sollten sie z. B. ein Beethoven'sches B dur-Trio u. dgl. geschrieben haben. Wir fangen mit den Duo's an.
Fr. Kücken, zwei Duo's in Sonatenform für Pianoforte und concertirende Violine (oder Violoncello oder Flöte). W. 13 – M. Hauptmann, drei Sonaten für Pianoforte und Violine. W. 23. – J. P. E. Hartmann, große concertirende Sonate für Pianoforte und Violine. W. 8. – Joseph Genischta, große Sonate für Pianoforte und Violoncello (oder Violine). W. 7.
Hr. Kücken ist, seinen Duo's nach, ein glatter, freundlicher junger Mann, dem man nichts anhaben kann, und schüttelt's aus den Fingern. In Leichtigkeit der Form und Melodie streifen die Sonaten an Reißiger's Compositionen in dieser Art, der indessen bei Weitem besser erfindet und mehr auswählt. Die Form ist eine alte gewöhnliche: C dur, G dur, ein wenig A moll, C dur; die Melodie hält sich zwischen deutscher Prosa und Bellini'scher Weichlichkeit; namentlich klingen im ersten Satz in Nr. 2 die weltberühmten Triolen aus dem Montecchi-Finale doch zu mächtig hindurch. Dem Scherzo fehlt alle Feinheit des Witzes, dagegen er sich im sogenannten« à la Russe« mit Geschick und Natürlichkeit auszudrücken versteht. Die Octaven auf S. 11 Syst. 4 sind gehörige und hoffentlich Druckfehler. Zusammengenommen: die Sonaten werden jungen Talenten weder viel nützen noch schaden, jedenfalls sie unterhalten.
Bei den drei folgenden Sonaten befinde ich mich in einiger Verlegenheit, weil ihr Componist früher einige Sonaten für Clavier und Violine geschrieben, mit denen sich die neuern, meiner Meinung nach, nicht wohl messen können. Liebt Jemand Reinheit und Unverfälschtheit der Gedanken, so glaube man es vom Referenten. Weist aber Jemand auch Alles zurück, was die Sache etwas interessanter machen könnte, so darf es ihn nicht wundern, wenn man sich eben weniger dafür interessirt. Das Genie kann der Schönheitsmittel entbehren, das Talent benutze sie aber alle. Es ist jene Simplicität ein trockener Seitenweg, zur ursprünglichen Classicität der Haydn-Mozart'schen Periode zurückzugelangen. An dem größern Reichthum der Mittel der neuern Zeit liegt es aber sicher nicht, daß keine jenen ähnliche Meister entstehen, wohl aber an deren falscher Benutzung, und dann an hundert anderen Ursachen; vorzüglich muß man gleich als Mozart auf die Welt kommen. So finden wir denn hier die Sonate, wie das Instrument, in ältester Weise behandelt, und ist die Composition freilich deshalb so leicht worden, daß sie leidliche Spieler vom Blatt verstehen. Wollte der Componist aber überhaupt zur Bildung mittlerer Geister schreiben, so hätte er lieber Sonatinen geschrieben, die weniger Raum eingenommen und dasselbe genützt haben würden. Dies Alles hindert aber nicht zu erklären, daß die Sonaten viel gute Musik enthalten. Es ist etwas Ausgelerntes, was man überall gewahren kann, es ist der ruhige Fluß der Formen, bewegt er sich auch in einem breiten und nicht zu tiefen Bette, die Sicherheit der Erfindung, sangbare, natürliche Melodie, äußerste Correctheit, die sich nur einmal (Sonate 2, S. 11, vorletzter Tact) eine kleine Kühnheit erlaubt. Die schwungvollste unter den drei Nummern scheint mir die dritte, namentlich in der Mitte des letzten Satzes; auch das Andante dieser Nummer nimmt mehr für sich ein. Wäre es, daß diese Zeilen den tüchtigen Künstler aus einer zu stoischen Gleichgültigkeit gegen den Zeitumschwung rissen und er sich an ergiebigen Lebens- und Kunstquellen Kraft zu neuen Werken hole: Kenntnisse, Bildung besitzt er genug.
Die Sonate des Hrn. Hartmann ist eine Arbeit, die Einem Freude bereitet; sie hat nichts Außerordentliches, aber Ordentliches immer; alle Kräfte wirken in einer natürlichen Spannung, daß man sich bis zum Ende angezogen fühlt, ja das Interesse wächst von Satz zu Satz und auf den letzten Seiten geht es einmal recht muthig und sicher in die Höhe. Der erste Satz gefällt sich in jener spielenden Art des Ernstes, wie wir etwa an Hummel'schen Compositionen gewohnt sind. In der Form merkt man die Absicht nach alter Gesetzmäßigkeit, weshalb sie auch correct und bündig worden. Frei gehen lassen kann er sich noch nicht. Das Scherzo hat Leben, die Nachahmungen darin geschehen niit Natürlichkeit; vor Allem gelungen in Melodie und Stimmenführung ist das Trio. Das Andante scheint mir zu seiner Länge nicht interessant genug, ist aber brav und ehrlich gemeint. Der letzte Satz nähert sich dem Charakter der Onslow'schen; dem ersten Thema wünschte ich mehr Eigenthümlichkeit und Grazie; desto erfreulicher geht es im Mittelsatz mit seinen geschickten Wendungen und Nachahmungen von Statten. Die beiden letzten Seiten halte ich, wie gesagt, für das Freiste und Schwungvollste in der Sonate.
Lange ist mir aber keine Composition vorgekommen, von der ich beim ersten Blick in das Heft so wenig gehalten und die ich nach genauerer Prüfung so liebgewonnen hätte, als die Sonate von Genischta, ein so klares Gemüth und Talent spricht sich darin aus, das von einem Unterschied zwischen Gut und Schlecht kaum etwas zu wissen scheint und instinctmäßig immer das Erstere trifft. Sie ist durchaus lyrisch, empfindungsvoll, glücklich in sich, daß man keine Wünsche weiter hat: ein musikalisches Stillleben. Nur einmal hätte ich gemocht, daß der Componist den höhern Aufflug fortgesetzt, zu dem er sich schon angeschickt; es ist auf der 19ten Seite. Seinem anspruchlosen Charakter gemäß kehrt er aber gleich von selbst wieder auf die grüne, feste Erde zurück und erfreut auch so. Nimmt man die Violine zur Begleitung, so würde man den schönen Tenorcharakter vermissen, wie er dem Violoncell eigen; überhaupt scheint mir die Sonate gleich von Haus aus nur mit Cello gedacht. Eine nähere Entwickelung bedarf das Werk nicht; es liegt so offen da, daß man über seine Gültigkeit keinen Zweifel haben kann.
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Anton Halm, großes Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello. W. 57. – W. Taubert, 1stes Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello. W. 32. – W. Taudert, 1stes Quartett für Pianoforte, Violine. Viola und Violoncello. W. 19.
Ein deutlicheres Beispiel des besten Willens nach höherem Aufflug, bei gründlichstem Festsitzen auf prosaischem Boden, wie es das erste Trio oben zeigt, gibt es schwerlich auf der Welt noch einmal. Manchmal, gesteh' ich es, kam mir etwas Lachen an, wie über Einen, der mit angeschnallten Schlittschuhen forthumpelt über miserables Pflaster, öfter aber eine Art Rührung über die ungleiche Vertheilung der Glücksgüter und wie ein so Fleißiger so gar Nichts erhalten aus der Hand der obersten Göttin, – Einer, der es besser machen möchte als Beethoven, als Alle zusammen. Wahrhaftig, es kann kaum ein curioseres Trio geben. Man findet hier Vieles, große Intentionen neben possirlichen Sprüngen, Anwandlungen von Eleganz bei vollkommner Körperungelenkheit, geheime Andeutungen neben offenliegenden Fadaisen, Beethoven'sche und Franz Schubert'sche Einflüsse neben Wiener Leckereien, nur aber Phantasie nicht, nicht einmal das, was diese regelt, Geschmack. Nun denke man sich das ästhetische Malheur, das es setzt; ja es verfolgt den Componisten so augenscheinlich, daß er sogar blind gegen das Gelungenere ist, wie auf S. 44, die doch geschmackvoll angeordnet ist und die er nun gerade nicht wiederholt, während er sonst Alles in den Dominanten nachtransponirt. Und dennoch kann man dem Trio nicht böse sein. Es gesteht sein Unvermögen zu gutmüthig, will nicht täuschen, nicht schmeicheln, nur geduldet und in seinem guten Willen anerkannt werden; und dies geschehe ihm auch. Die Natur müßte zerbersten, wollte sie lauter Beethovens gebären. Das Beste im Trio ist übrigens, bis auf die Menge Schnörkeleien, das Adagio. Man sehe sich das Curiosum selbst an.
Ueber das Trio von Taubert kann man nach Lust und Ueberzeugung reden, da (ebenso wie im vorigen) die Clavierstimme zugleich eine Partitur ist; – weniger über das Quartett, obgleich ich es vom Componisten selbst, aber schon vor geraumer Zeit vortragen hörte. Das Trio stell' ich denn bei Weitem höher in Arbeit, Erfindung, Originalität, in Allem, so flüchtig es auch empfangen und wiedergegeben scheint. Es ist ein Ganzes und wird in allen Sätzen wie durch einen innern Knoten zusammengehalten, wie man es nur in den besseren Werken antrifft. Wenn man in frühern Compositionen von Taubert oft eine fremde Anregung merken konnte, vor Allem die Mendelssohn's, so steht das Trio mehr unter Beethoven'schem und Schubert'schem Einfluß; letzterem schreib' ich namentlich Vieles im ersten Satz zu, der im ganzen Charakter wie in einzelnen Stellen an das Schubert'sche Trio in Es dur anklingt, obwohl man es nicht gerade Note für Note nachweisen kann; dagegen im letzten Satz viel Beethoven'sches mit einläuft und im zweiten Hauptthema auch etwas aus der »Meeresstille« etc. von Mendelssohn. Ganz eigenthümlich steht aber das Allegretto da, wie denn der Componist eine glückliche Anlage zum Schalkischen wie zum Derb-Humoristischen hat, wobei ihm noch seine gründlichen Kenntnisse zu Statten kommen, daß es auch immer als musikalische Arbeit interessirt. Es muß Einem durchaus behagen dieses Allegretto, zumal es noch eine nationelle ausländische Färbung hat und mich an manches Lied in Moore's Irish Melodies, die gerade vor mir liegen, gemahnt. Das Adagio ist von einem gewissen allgemeinen Charakter, wie man manche schöne Gesichter schon irgendwo gesehen zu haben glaubt. Der Hauptgesang läßt keine tieferen Spuren zurück: während man ihn aber hört, muß man ihn schön finden; von Wirkung sind auch die träumerischen wie herabträufelnden Accorde an manchen Stellen der Clavierbegleitung. Etwas, was in allen Sätzen günstig auffällt, sind die oft plötzlichen, aber immer glücklich eintretenden Rückgänge; so im ersten Satz auf Seite 9, im zweiten überall, im dritten S. 25, im letzten S. 34. Daß in jedem einzelnen ein entschiedener Grundton durchklingt, braucht man bei einem so weit gediehenen Componisten nicht zu bemerken. – Ueber das Quartett getraue ich mir, wie gesagt, wegen Mangels einer Partitur keine Stimmfähigkeit zu. Der Eindruck nach des Componisten Spiel war ein sehr freudiger, aber nicht, daß es den ganzen Menschen durchdrungen, erwärmt hätte, wovon ich nur das Scherzo ausnehme, das ihm immer in neuer Weise gelingt. In den andern Sätzen, verzeih' er mir, scheinen mir die Hauptmelodieen zu Anfang des ersten und letzten Satzes zu unbedeutend als Quartettmusik, und etwas handwerkmäßig mit der ewigen Ausbeugung nach der Dominante. Im Verlauf finden sich eine Menge Glanzstellen, kräftige und gesunde Gedanken, wie sie nur eines trefflichen Künstlers würdig sein mögen.
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Louis Schuberth, Quartett für Pianoforte, Violine, Alt und Violoncello. W. 23 – C. G. Reißiger, 3tes großes Quartett für Pianoforte, Violine. Alt und Violoncello. W. 103.
Das Quartett des Hrn. Schuberth ist die erste umfangreiche Arbeit, die uns von diesem oft als ausgezeichnetes Talent genannten Componisten zu Gesicht gekommen. Zum Theil fand ich mich getäuscht, zum Theil jenen Ruf gerechtfertigt. Denn Talent blickt überall durch, bei Weitem aber noch nicht die Durchgebildetheit des Geistes, der das Meisterwerk erst geräth. Die Arbeit ist noch zu ungleich: gewöhnliche Sachen stehen zwischen besseren, phantastischere Momente weichen schnell blos mechanischen Ausfüllungen; kein Satz wirkt durchgreifend und am wenigsten das ganze Quartett, nach einander gespielt. Was ich für das Beste halte, das Scherzo, scheint mir, und nicht allein der fremden Tonart halber, einer andern vielleicht spätern Arbeit entnommen und eingeschaltet. Irre ich mich, so bleibt es doch interessant und bringt Lebendiges zu Markte. In den andern Sätzen kommt es, wie gesagt, zu nichts Rechtem, Entscheidendem; es entwickelt sich kein höherer Zustand bei sonst oft guter Grundlage. So wäre mit dem Hauptrhythmus im ersten Satz, ist er auch oft schon benutzt, noch Manches zu machen; aber es bleibt beim bloßen Nacheinandereinfallen der verschiedenen Instrumente; eine Engführung, gar geistigere Concentrirung des Gedankens muß man überall vermissen. – Nach dem spannenden Anfang des Andante hätte man mehr Resultate erwartet; es geht beinahe spurlos vorbei. Vom Scherzo sprach ich schon; es ist geistreich. Das Thema des letzten Satzes, wiewohl an Manches anklingend, muß man dennoch frisch und ergötzlich heißen; das zweite ist eigenthümlicher, hätte aber vielfach besser benutzt werden können. Wir glauben, der Componist geht etwas nachsichtig mit seinem Talente um. So vielen Gaben könnte ein schöner Erfolg nicht ausbleiben.
Das Quartett von Reißiger dachte ich mir schon im Voraus so, wie ich es gefunden habe; sehr unterhaltend, anmuthig, melodisch, für Künstler ein Spiel, für Dilettanten keine Mühe. Man muß ein Capellmeister und in immerwährender schöner Angst sein, beim Componiren von reizenden Gräfinnen überlaufen zu werden, um sich die manchen leicht brillanten Partieen zu entschuldigen, die Reißiger's Compositionen als Kunstwerke nicht entstellen, aber doch herabsetzen. Wir sind überzeugt, Reißiger müsse ein Werk tiefern Gehaltes, eines, das über die kurze Spanne der Gegenwart hinaustöne, schreiben können, wenn er seine Spieler für das Einstudiren des Schwierigeren, Ernsteren nicht zu oft entschädigen wollte durch gewöhnliche Passagen, die ihnen den Beifall des Publicums sichern sollen. Wer ließe sich nicht gern applaudiren? Nur bleibe auch das Lob der strengern, nur auf das Edelste gerichteten Kritik in Ehren, und dieses würde sicherlich nicht fehlen ohne jenes sichtliche Beifall herausfordern. Man findet denn in diesem Quartette sehr Liebenswürdiges und Glückliches, einen leichten lyrischen Schwung, kurz Alles, was man an Reißiger's Compositionen bereits Vorteilhaftes kennt. Der erste Satz ist schon dem Herkommen nach der gewichtigere; er befriedigt, läßt nichts zu wünschen übrig. Der besondere Anfang des zweiten Theiles hätte etwas Schöneres, Poetischeres erwarten lassen; die schnellen Eintritte des Hauptrhythmus erinnern an die in der Jupitersymphonie von Mozart. Das Scherzo hat etwas vortheilhaft Breiteres, als man gewöhnlich findet, und springt deshalb eigentümlicher heraus. Der Gesang im Trio ist schön, wenn auch bekannt und Weber'isch. Etwas zu gedehnt scheint mir das Andante ungeachtet seines freundlichen Charakters; einer meiner Spieler meinte, der Componist habe es gewiß in kürzerer Zeit erfunden, als man es spielen könne. Das Rondo hat keinen tieferen Werth, schließt aber heiter und guter Dinge ab. Daß das D moll und noch ein neuer Rhythmus auf der vorletzten Seite erscheint, war nicht zu vermuthen. Schwer ist das Quartett in keiner Stimme sehr. Das Clavier herrscht vor; namentlich beklagte sich mein Bratschist, daß er fast gar nichts zu thun habe. Der geehrte Componist wolle ihn einmal recht in den Tiefen arbeiten lassen.
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Camill Stamaty, Concert für das Pfte. mit Begl. des Orchesters (A moll).
Werk 2.
Nur ein sehr fester, ja harter Charakter würde den Einfluß einer abstoßenden oder anziehenden Persönlichkeit auf das Urtheil über deren Kunstleistungen gänzlich verleugnen können. In dem Grade daher, wie manche Werke zu verlieren scheinen, wenn wir ihre Schöpfer von Angesicht zu Angesicht sehen, gewinnen andere eben durch Bekanntsein mit dem Urheber. Man kömmt den Fehlern rascher auf die Spur, lernt sie mit den guten Eigenschaften in eine Verbindung bringen und kann so eher helfen und rathen. Ist dies Alles nun in einer Kunst, wo, wie in der unsern, so viel vom Vortrag abhängt, der Gewöhnliches oft so fein zu verdecken weiß, damit das Kostbare um so mehr glänze, so kann es nicht wundern, daß ich obiges Concert, nachdem ich es vom Componisten exemplarisch gut gehört, mit viel mehr Interesse betrachtete, als es vielleicht sonst der Fall gewesen.
Der junge Künstler, der heute zum erstenmal in diese kritischen Hallen eingeführt wird, aus einer griechischen Familie stammend, aber zu Rom geboren, lebte seit früher Kindeszeit in Paris. Daß ein lebhafter strebender Geist in einer Stadt, wo die politischen Häupter kaum rascher wechseln können, als die künstlerischen, noch etwas schwankt, unter welcher Fahne er seine Lorbeeren holen soll, ob unter der Auber's oder Berlioz's, Kalkbrenner's oder Chopin's, kann ihm Niemand zum großen Vorwurf machen. Indeß lernte unserer bei Reicha seinen ordentlichen Generalbaß und Contrapunkt, und bei Kallbrenner ein elegantes Clavierspiel. Damit aber nicht zufrieden setzte er endlich im letzten Herbste den langgefaßten Plan, deutsche Musik auf deutschem Boden zu hören, in's Werk und begann seine Studien unter meisterlicher Leitung auf's Neue mit einem Fleiß, der den französischen Musikern sonst nicht eigen sein soll, und so mit Vortheil, daß sich spätere Compositionen leicht genug von seinen älteren unterscheiden lassen werden. Vor einigen Wochen ging er wieder nach Paris zurück.
Das Concert, über das wir heute Einiges mittheilen wollen. Stamaty's stärkstes Werk, dem Umfang und dem Inhalt nach, fällt, wie gesagt, in jene frühere Periode, wo der junge Künstler, noch nicht recht wissend, wem er angehört, oft poetisch zart, oft auch wild wie ein Chinese in die Saiten griff, höheren Gefühlen, die sich in ihm allerdings, und scheint es zum erstenmal zu regen anfingen, Luft zu machen. Phantasievoll, wie wir den Componisten kennen, führt er uns so durch Täuschung und Wahrheit hindurch, bergauf bergab, immer athemlos, das Nächste überspringend, oft ermüdend, oft wegen seiner Tollheit in Verwunderung setzend. Ich bin überzeugt, daß M – (der Name des unsterblichen Mannes ist mir entfallen), der im Mozart'schen C-Quartett so viel Fehler, als das Jahr Tage hat, herausgefunden mit den Füßen, aus unserm Concert an die Millionen herausbringen kann. Nicht gerade Quinten und Octaven sind's, aber barbarische Ausweichungen, Vorhalte u. dgl. mehr, namentlich im ersten Satz, wo der Componist sich noch nicht so in's Feuer geschrieben und gespielt, wie im letzten, und wo er, wenn die Form sich irgend etwas verwickeln will, der Sache über kurz und lang mit einem Kraftgriff ein Ende macht. So leicht ihm diese Compositionsmanier früherhin gefallen sein mag, so schwer, hoffen wir, soll es ihm in der Zukunft werden, dergleichen hinzuschreiben, ja nur zu denken. Denn wer, wie er, in S. Bach schwelgen gelernt hat, wird von der Entzückung wohl auch etwas in die eigene Phantasie mit hinübernehmen, wie mir dies schon in spätern Compositionen von seiner Hand, die noch nicht gedruckt sind, offenbar geworden.
Das Concert gäbe seiner schwachen wie glänzenden Seiten wegen Stoff zu stundenlangen Gesprächen, Genügen indeß diese Zeilen, unsern Freund der deutschen Aufmerksamkeit zu empfehlen!
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H. Herz, drittes Concert für Pfte. mit Begl. des Orchesters (D moll).
Werk 87.
»Herz, mein Herz, warum so traurig« sang ich immer beim Spielen; dreimal im ersten Satz allein kommen con dolore's vor, der espressivo's und smorzando's nicht zu gedenken. Ueberhaupt spannen aber die ganzen Präliminarien sehr, D moll schon, die Don Juan-Tonart, der seltenere Dreivierteltact, ein leiser Anfang, ein vier Seiten kurzes Tutti; – gewiß sein tiefsinnigstes Werk, dachte ich. Und so ist es auch. Unser geflügelter Liebling hat sich in Eisen und Panzer gehüllt und wenn er sich Manches zur Rüstung von Andern borgte, so leugnet er's gar nicht. Schlagen wir einmal auf! In der Einleitung könnten zwar nur seine boshaftesten Gegner, wie große Seelen dergleichen zu allen Zeiten gehabt haben, eine Verwandtschaft mit der zum G moll-Concert von Moscheles, im ersten Thema eine mit dem Chopin's in F moll, S. 6 Syst. 5 T. 3 einen Anklang an Kalkbrenner's D moll-Concert, S. 8 Syst. 3 T. 3 einen an C. M. v. Weber'schen und S. 14 einen an Thalberg'schen Grundton finden. Aber das Andante müssen auch seine Freunde als eine Apotheose der Romanze aus demselben Concert von Chopin erklären, dagegen im Anfang des Finale ein Beethoven'sches Scherzo (aus der zweiten Symphonie) leicht angedeutet wird, in das das zweite Thema abermals mit einem Chopin'schen Gedanken einfällt, dem S. 35 der Marsch aus Jessonda folgt. Ja, dramatisches Leben hineinzubringen, steht S. 31 oben sogar eine Stelle aus der neunten Symphonie von Beethoven, die Herz doch gewiß nicht kennt, und das ganze Concert schließt S. 43 Syst. 4 T. 2 der Einheit wegen (S. den Anfang) mit einem Gange aus desselben Moscheles Gmoll-Concert. Alles Uebrige aber, gestehe man es, der Schmuck, die chromatischen Perlen, die fliegenden Harpeggiobänder etc. gehören ihm grundeigen. Man sieht, von den Besten will er lernen, und nur etwa bei Kalkbrenner und Thalberg ließ er sich auch zu Helden zweiten Ranges herab. Halte seine Tapferkeit nur an und aus; wir wollen ihm Herolde sein, trotz der allgemeinsten musikalischen Zeitung, die ihn und Hünten schon längst als Meister anerkannt hat und Händel'n auch, und studire man sich das Concert ordentlich ein. Wozu hat man seine Finger?
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William Sterndale Bennett, drittes Concert.
Werk 9.
»Ein englischer Componist, kein Componist«, sagte Jemand vor dem Gewandhausconcerte, worin Hr. Bennett vor einigen Wochen das obige Werk vortrug. Als es aber vorüber war, wendete ich mich wie fragend zu ihm: »ein englischer Componist« – »und wahrhaftig ein englischer«, vollendete der Engländerfeind wortspielend. Wenige Worte genügen für heute. Eusebius hat in der ersten Nummer dieses Bandes mir so aus der Seele heraus gelesen und geschrieben, daß ich jenem Umriß nur Weniges hinzuzufügen wüßte. Wahrhaftig – erwägt man, daß obiges Concert vor schon drei Jahren, also im 19ten Jahre des Componisten geschrieben ist, so muß man erstaunen über diese früh ausgebildete Künstlerhand, über die ruhige Disposition, über den Zusammenhalt des Ganzen, über den Wohllaut der Sprache, die Reinheit des Gedankens. Wünschte ich höchstens vielleicht im ersten Satz einige kleine Breiten weg, so ist das individuell. Im Ganzen trifft man nichts Unwesentliches, nichts, was nicht in inniger Verwandtschaft zur Grundempfindung stünde, und selbst da, wo neue Elemente hinzutreten, schimmern immer noch jene goldnen Fäden hindurch, wie sie nur eben eine Meisterhand fortzuführen versteht. Welche Wohlthat, im ewigen Wust von Schülerarbeiten einmal auf ein organisches lebensvolles Ganze zu stoßen, und welche Freude, daß es das Leipziger Publicum, so wenig es darauf vorbereitet war, rasch und freudig zu erkennen wußte. Das Urtheil des Publicums wird hier nämlich auf eine ganz andre Weise als bei andern Virtuosen auf die Probe gestellt. Hier gilt es nicht, eine Fertigkeit anzuerkennen, eine Schule zu unterscheiden, mit andern Virtuosen Parallelen zu ziehen. Man mußte bei unserm Künstler vielmehr erst der Bescheidenheit, mit der er alles Auffallende von sich wies, auf die Spur kommen, ob sie auch auf einem schönen reichen Boden ruhe, ob man hier eine von den seltneren innigen Künstlernaturen vor sich habe, die, wenn sie einmal dem Außen einen Blick in das Seelenleben erlauben, unbekümmert darum, nur mit sich zu verkehren, in sich zu leben scheinen. Nach dem ersten Satz, einem rein lyrischen Stücke voll so schön menschlichen Empfindens, wie man es nur in den besten Musterwerken trifft, war man in der Hauptsache, daß es sich hier um eine vornehmere Art von Künstler handle, natürlich im Klaren. Doch folgte nicht jener allgemeine aus Boden und Decke donnernde Beifall, wie ihn kecke Virtuosen herausfordern. Man verlangte mehr, man war sichtlich gespannt, nian wollte den Engländer merken lassen, daß er im Lande der Musik wäre. Da begann jene Romanze in G moll, so einfach, daß man die Noten darin zählen kann. Wenn ich es auch nicht aus der ersten Quelle wüßte, daß dem Dichter hier während des Componirens das Bild einer Nachtwandlerin vorgeschwebt hätte, so mußte doch jedem gefühlvollen Herzen all' das Rührende, das eine solche Scene hat, augenblicklich überkommen. Als fürchte man, die Träumerin auf der hohen Zinne zu wecken, wagte da Niemand zu athmen, und wenn die Theilnahme an mancher Stelle sogar gleichsam ängstlich war, so wurde sie durch die Schönheit der Erscheinung zum reinen Kunstgenuß gemildert. Und hier trat jener wundervolle Accord ein, wo die Wandlerin außer aller Gefahr wie auf ihr Ruhebett hingelagert scheint und ruhige Mondesstrahlen darüber fließen. Dieser glückliche Zug entschied über den Künstler und man überließ sich im letzten Satz ungestört der Freude, die wir vom Meister zu erhalten gewohnt sind, mag er uns nun zu Kampf oder Friede führen,
Hab' ich mich in den vorigen Zeilen vielleicht zu sehr hinter das Urtheil des Publicums geflüchtet, oder wollte vollends Jemand einwenden, ich hätte darin zu viel Günstiges herausgelesen, so bin ich auch bereit, Alles, was ich über die Trefflichkeit des Concerts berichtet, allein zu vertreten. Denn zu sehr Noth thut es, daß wahrhaft musikalischen Künstlern die Ehren gesichert werden, mit denen man Virtuosen, die nichts als ihre Finger haben, oft so unbedacht überhäuft, und daß man beide von einander trennen lerne. Ja, gäb' es nur noch viele Künstler, die in dem Sinne wie W, Bennett wirkten, – und Niemandem dürfte mehr vor der Zukunft unsrer Kunst bange sein. –
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Alexander Dreyschock, acht Bravouretuden in Walzerform.
Werk 1.
Niemals ist mir so leicht geworden, meinen Lesern von der Musik, um die es sich handelt, ein deutliches Bild zu geben, als diesmal; niemals konnte ich ihnen auch mit so viel Zuversicht zurufen, daß sie sich sämmtlich ihre Etuden selbst schreiben können, wenn sie nur sonst wollen. Vorausgesetzt wird, daß Jeder den tonischen Dreiklang (populärer ausgedrückt die Noten c e g) und den Dominantenaccord kennt; ist er vollends bis zu einem Uebergang in die nahen Molltonarten gediehen, so kann er, Unglaubliches zu Stande bringen. Hat er diese nun gehörig inne, so ist das Manoeuvre: er lege die Hände ruhig in die gewöhnlichste Accordenlage, springe dann plötzlich im Walzertact mit einer Hand über die andere, rechts und links, aus der Höhe in die Tiefe, schreibe sich Alles auf, hole sich Geld vom Verleger, – und Composition wie Componist sind fertig. Jedes neue Verdienst muß anerkannt werden, und so springe unser, wir hoffen junger Componist nur lustig weiter und gelegentlich auch einmal in das wohltemperirte Clavier von Bach, damit er mehr Accorde kennen lerne und auch anderweitigen Nutzens halber. Noch muß erwähnt werden, daß sich der Verf. auf dem Titel einen »Schüler von Tomaschek« nennt, ein Beisatz, den wir lieber wegwünschten, da man sonst glauben müßte, dieser Tonsetzer habe dem Stücke das Imprimatur ertheilt, was wir aber bei der Achtung, die wir diesem gründlichen Tonsetzer schuldig sind, kaum glauben können. Mit einem Worte: die Etuden hätten nie in der Welt gedruckt, ja nicht einmal aufgeschrieben werden sollen.
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Conrad Lüders, zwölf große Etuden.
Werk 26. 2 Hefte.
Der schätzbare Componist dieser im Süden wenig gekannten Compositionen scheint ein Däne zu sein. Der Lobspruch, den wir ihnen zu machen haben, gilt indeß weniger dem Resultat der Leistung, als dem Streben. Denn von allen zwölf Etuden sind eigentlich nur höchstens zwei gelungen, die in A moll und vielleicht die in As dur; in den andern müßte man Vieles anders stellen oder ganz wegräumen, um sie als vollkommene Kunstgebilde gelten lassen zu können. Die Form ist es nämlich, die dem Verfasser überall zu schaffen macht. Wie gut sich auch die Mehrzahl der Etuden anschickt, so dauert es nicht lange und es ist, als weiche der Boden unter den Füßen, und der Componist kömmt nun auf die entlegensten Dinge, in wild-fremde Tonarten, neue Rhythmen, und nur mit Mühe und sichtlicher Angst wieder in das erste Gleis. Ich würde nicht geradezu verwerfen, daß der Mittelsatz eines Stücks in G moll ganz in Es moll spielt, wie in Nr. 1, oder der eines aus E moll in Es dur, wie in Nr. 3, oder der einer Etude aus Gis moll in D dur, wie in der 5ten; es kömmt eben ganz auf das Wie, auf die Leichtigkeit und Natürlichkeit der Verknüpfung an, wie mir denn das Genie, wie z. B. das Mozart'sche, nie stärker einleuchtet, als wenn aus der wunderbaren Wirre der Harmonieen auf einmal plötzlich der erste Gedanke in seiner ursprünglichen Reinheit wieder zum Vorschein kömmt; von Beethoven ganz zu schweigen. Wie sich aber ein Fehler immer leichter angewöhnen als ablegen läßt, so kann einem Componisten, der noch keine bedeutende Gewalt in der Harmonie besitzt, das Hinkommen in die fremde Tonart noch leidlich von Statten gehen, selten aber der Rücktritt. Dies als eine der hervorstechendsten Schwächen an mehren der Etuden.
Um nun auch die Vorzüge dieser Etuden zu nennen, so ist es besonders das Streben des Componisten, poetische Gebilde verschiedenen Charakters zu geben. Phantastisch im höchsten Sinne sind sie sicherlich nicht, aber meistens beredt, einige aufgeregt und drangvoll. Die 2te und 3te singen auch in einem breiteren edleren Ton, als man sonst gerade in Etuden antrifft, und ein graziöserer Künstler hätte bei gleicher Erfindungskraft dann noch Anmuthigeres hervorbringen können. Auch im kleinern scherzoartigen Genre gelingt dem Componisten manche, so Nr. 8, wenn man die starke Reminiscenz an das Glöckchenthema von Paganini abrechnet, Nr. 6 und 12, die aber nach und nach in der Ausführung an Interesse verlieren, vorzüglich aber die letzte, Nr. 12. – Wenn man sich schließlich fragt, ob sich die Etuden in Form und Geist denen eines gekannten Meisters mit Vorliebe anschließen, und man dies verneinen muß, so mag dies zugleich ein Beweis für einige Eigenthümlichkeit sein, die Studium, Zeit und Verhältnisse zu noch glücklicherer Entwickelung gebracht haben möchten.
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S. Thalberg, zwölf Etuden.
Werk 26.
Viele unserer jungen Phantasieen- und Etudencomponisten haben sich in eine Satzform verliebt, die, früher schon häufig benutzt, durch die reichen Mittel, die man von Neuem im Clavier entdeckt, in verschiedenen Arten wieder zum Vorschein gekommen ist. Man theilt nämlich irgend einer Stimme eine leidlich breite Melodie zu und umschreibt diese durch allerhand Harpeggien und künstliche Figurationen der ihr angehörigen Accorde. Macht man dies einmal neu und interessant, so mag es gelten; dann aber sollte man auch auf Anderes sinnen. Ich wenigstens kann solchen Stücken nicht mehr Werth beilegen, als dem gewöhnlichsten Liede, wie sie zu Hunderten erscheinen. Zu einem Kunstwerk gehört aber mehr; und wer wissen will was und wie viel, schlage nur seine Etuden von Moscheles etc. nach, wo jede etwas Besonderes bezweckt und durch verschiedene Mittel wirkt. In jener Weise gefällt sich namentlich auch Thalberg. Bei einem Virtuosen; der so außerordentliche Wirkung durch seine Behandlung des Instruments hervorbringen soll, muß es auffallen, daß man in sechs ganzen Etuden eigentlich auf nichts Neues trifft. Die erste der Etuden ist eine Trillerübung, die zweite gehört der eben beschriebenen Gattung an, die dritte will in einer schweren Figur- und Tonart üben, die vierte bezweckt schnelles Anschlagen der Accorde, die fünfte gehört ebenfalls zu den Harpeggienetuden, in der letzten endlich unterstützt die rechte Hand ihre Melodie auf eine gewöhnliche Weise, wozu die linke die Bässe angibt. Wirken die Etuden also, vom Componisten gespielt, originell und überraschend, so liegt es an seiner Vortragsweise, Bravour, an Raschheit des Tempo's (das der Metronomangabe nach oft unausführbar scheint) u. dgl.; die Composition an sich zeigt davon nichts. Was dagegen bei sämmtlichen Etuden angenehm auffällt, ist, daß sie gar nicht so übertriebene Schwierigkeiten bringen, wie Mancher an Sprüngen, Spannungen etc. erwartet haben mag, ja daß die meisten im Verhältniß zum Beifall, der ihrer Bewältigung folgen wird, geradezu leicht genannt werden müssen. Denn dankbar, einschmeichelnd, gut in die Finger und Ohren fallend sind sie alle; Thalberg, der immer mehr das Publicum als den Künstler vor den Augen hat, kann überhaupt nicht anders mehr schreiben. Daß mit solchem Ausspruch nicht etwa behauptet wird, man solle für Künstler unbequem und abstoßend componiren, versteht sich; nur daß sich der wahre manchmal aus der weichlichen Salonluft in das freie kräftige Element hinaussehnt, meine ich. Die erste Etude ausgenommen, die zu sehr nach Schülerübung klingt, möchte ich sie daher alle Salonetuden heißen, Wiener Etuden, Etuden für gräfliche Spielerinnen, über deren Augen man wohl einen falschen Ton überhört; dagegen sich männliche Spieler und Charaktere weniger lange bei ihnen aufhalten werden. So ein Zweck schließt natürlich poetische Zustände, wie sie uns der tiefsinnige Chopin enthüllt, ebenso wie die tüchtige Solidität, die an Cramer's Etuden so ergötzt, von selbst aus, wenn auch viele Wendungen auf Thalberg's eifriges Studium der Compositionen des Ersteren schließen lassen.
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William Sterndale Bennett, sechs Etuden in Capricenform.
Werk 11.
Der Leser weiß längst, und die Zeitschrift leugnet es gar nicht, wie sie sich unter den jüngern Componisten eine kleine Schaar von Lieblingen auserlesen, und wie obiger Engländer nicht der Geringste in jener Zahl ist, ja in gewissen Dingen sie sämmtlich hinter sich läßt. Er hat mit einem Wort den geläutertsten Geschmack, den lebendigsten Sinn für das Unverfälschte, das Echte. Schon frühe hat ihn sein angeborner Kunstverstand über das mancherlei dumme Zeug hinüber gehoben, auf das junge muthige Geister, die sich bald hervorthun wollen, so häufig verfallen. Er leistet immer gerade was er kann, und da er eine schöne Natur ist, leistet er es immer schön. Die Etuden sind in keiner Art große Erfindungen. Aber wie er haushälterisch zu Werke geht, wie er klein anfängt, nichts versäumt, nirgends auch zu viel thut, immer die Kraft dahin zu bringen, von wo sie am meisten wirkt, davon können Alle lernen, das sind die Meisteranzeichen, die sich später im schönsten Sinne erfüllt haben. Denn man nmß wissen, daß die Etuden schon im achtzehnten Jahre von ihm componirt wurden, seit welcher Zeit sich seine Wissenschaft und Phantasie um ein Großes bereichert haben. Immerhin strömen aber auch schon hier die Gedanken so frei und ungehindert zum Ende, daß der Etudenzweck überall als der untergeordnete erscheint, wie natürlich ein Künstler, der wie er das Gegentheil alles mechanisch Todten, durch Studium von Etuden etwas mehr erreicht wissen will, als nutzlose Fertigkeit. Der Titel besagt den Inhalt daher ganz deutlich; man erhält Capricen in strengerer Form von jedesmal anderer Schwierigkeit; artige Genrebilder, durch deren Nachzeichnung die Hand Leichtigkeit und Grazie erlangt. Am meisten möchte ich sie den ältern Etuden von Berger vergleichen, wiewohl diese in noch reiferem Mannesalter geschrieben sind. Gewisse Wahrheiten scheinen Einem so klar wie die Sonne, – so traurige Beweise dagegen man im Einzelnen auch erhält; daß aber die Meisten mit dem Sinne des Gesagten übereinstimmen, bin ich diesmal beinahe überzeugt. Die schlagendste der Etuden ist schließlich die letzte in G moll. –
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Ludwig Berger, funfzehn Etuden.
Werk 22.
Unter den älteren Künstlern ist es, außer Moscheles, namentlich L. Berger, der dem neuen Aufschwunge der Claviermusik nicht müßig zugesehen hat. Ueberfallen ihn auch einmal alte Erinnerungen, so rafft er sich doch weit öfter in die Höhe und rührt sich, da es noch Tag ist. In der That, von einem schon bejahrten Künstler, dem im Verhältniß zur kleinen Anzahl seiner Werke ein so großer Ruf zu Theil worden, wie nicht leicht irgend Jemandem, hätte man nach so langem Schweigen etwas Anderes erwartet, als solche Etuden, hätte man erwartet, daß er sich ruhig ergehen würde im Strom der Harmonieen und sich erfreuen am Andenken, an ein langes segensreiches Wirken. Statt dem zeigt sich uns hier ein Blick in ein tiefbewegtes Leben, das sich mit ganzer Anstrengung auf der Höhe der Zeit erhalten will; hier und da dunkle Aeußerungen, geheimnißvolle Anzeichen, auf einmal plötzliches Zusammennehmen der Kräfte, Gefühl des nahen Sieges, – Alles aber aus einer echt poetischen Brust kommend und von einem Künstlerbewußtsein geleitet bis auf die Augenblicke, wo, im heftigeren Drang, es sich gleichsam selbst betäuben möchte. Und gerade hier offenbart sich der Dichter. Hier stehen dem Componisten keine Formen und Verhältnisse im Weg, kümmert ihn kein Unterschied zwischen Alt und Neu; hier geht er seine Bahn Ich will diese Stellen genauer bezeichnen; sie sind in der 1sten Etude nach dem Schluß hin, in der 6ten, die durchaus excentrisch, an mehren Stellen; tu der 8ten auf der letzten Seite; in der 10ten auf der vierten Seite; in der 14ten zum Schluß; in der 15ten an mehren Orten.. Es ist so die Sehnsucht nach Ruhe wie der Drang nach Thaten, was die meisten der Etuden charakterisirt; ein Zwiespalt, der aber der Musik keineswegs ungünstig oder fremd ist. Dadurch hat aber auch in einzelnen die Zeichnung des Ganzen etwas Schwankendes und Unsicheres erhalten, wie man es in Berger's älteren schöngeformten Etuden nicht findet. Ja man müßte es verzeihen, wenn Jemand die beiden Etudenwerke im umgekehrten Lebensalter entstanden, d. h. die früheren bekannten für später geschrieben, als die jetzt erschienenen, glaubte. Wie dem sei, beide fordern zur höchsten Theilnahme auf und uns Liebe und Achtung ab. Gestehe ich auch, daß mir unter den neuen namentlich die 4te und 5te an Idee und Ausführung zurückzustehen scheinen und etwas Veraltetes an sich haben, so erhalten wir doch auch einige, die gar nicht mehr als Etuden zu betrachten sind, sondern in die erste Classe der Kunstwerke in der kleineren Gattung gehören. Dahin rechne ich vor allen die in D moll für die linke Hand allein, die ein Meisterstück an Erfindung und Arbeit bei so geringen Mitteln; ihr zunächst die 1ste in C dur, die großartig und durchaus Berger'n angehörig, die halb freundliche halb traurige in D dur, und die gar zarte und träumerische in As dur. Auch die 8te Etude lasse sich Niemand entgehen, wo das Scherzen nach und nach immer mehr abnimmt und uns hinter der losgebundenen Maske endlich ein ganzes schmerzliches Dichterantlitz ansieht. Es gibt in Leipzig einen Musiker, der mit großem Talent zur Mimik ein vom Lachen zum Weinen übergehendes Gesicht darstellt, daß man Alles selbst nachmacht in seinem eigenen. Etwas Aehnliches kann man bei dieser Etude empfinden. Auch die 2te und l4te Etude dürfen nicht übersehen werden, ihres besondern Wesens halber; namentlich spinnt sich die letztere immer tiefer und leiser in sich hinein, als ob sie sich gar nicht mehr sehen lassen wollte. Den Schluß der Etuden bildet endlich ein Seitenstück zur letzten der ältern Etuden; gleich wie eine Ausforderung des Componisten an sich selbst, ob der ältere Künstler dem jüngern an Schöpferkraft noch gewachsen ist. Muß man das erste Original vorziehen, so hat doch auch der Pendant eine so schöne Excentrität, daß der Zwiespalt, den wir oben genauer bezeichnten, gerade zum Schluß wie eine Besiegelung des Ganzen am stärksten hervortritt. Indeß möge ein freundlicher Geist dem Künstler noch öfters die heiteren lachenden Seiten des Lebens zeigen und ihn zu neuen Werken beseelen.
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Erste Reihe.
S. A. Zimmermann, Rondo. W. 5. – Valerie Momy, Rondo mit Einleitung in F. W. 4. – Cam. Grillparzer, Rondo in A. – I. Benedict, Rondo in As. W. 19. – H. Enckhausen, Rondo in G. W. 38. – F. X. Chwatal, Rondo in A moll. W. 18. – C. Haslinger, Rondo in G. W. 8.
Ueber das erste Rondo würde man sich im Hausbackenthum der mus. Kritik so ausdrücken: »das nicht leichte Rondo geht aus As dur und ist über ein Thema des vielbeliebten, vielschreibenden Auber gearbeitet. Wenn nun dem (muthmaßlich noch jungen) Componisten eine Kenntniß moderner, brillanter Passagen nicht abzusprechen ist, so u. s. f. – Das Werkchen wird sich bei einer gewissen Classe von Pianofortespielern Freunde erwerben u. s. w. – Die Druckfehler sind nicht bedeutend.« Gestehe ich nur, daß mir viele schlechte Recensionen vorgekommen sind, – eine talentlosere Ohnmacht aber, eine trostlosere Nullität, eine gar nicht zu sagende Schlechtigkeit einer Composition noch nie. Hiergegen verschwindet Alles, was je in kurzen Anzeigen angezeigt worden ist, ja aller anspielende Witz aus Säge, Zimmermannsarbeit u. dgl. Zwischen zwei Bretern eingeklemmt, steht man am Ende der Welt und kann weder vor noch zurück. Zum Fenster hinaus! –
Valerie Momy, in schlimmer Stunde nahst du dich mir! Was ich von dir halte? Niemandem will ich's sagen, als dir in's Ohr: Although You have no heart, You possess a finger of the immortal Henri (das Wortspiel ist deutsch) and the hand yields not in whiteness to the keys it touches. I could indeed wish that the Diamonds which adorn it existed in the mind (die Engländer und Franzosen haben kein Wort für unser »Gemüth«), – yet I would take the hand, if You would give it me, with this single promise on Your part that You would never compose any thing.
Dagegen wäre zu wünschen, Hr. Camill Grillparzer (ein Verwandter des Tragöden?) componirte mehr, nicht weil er unentbehrlich wäre (was wäre das auf der Welt überhaupt, nicht einmal die D moll-Symphonie, die allgemeine Zeitung), sondern weil es ein echtes Talent scheint, das sich freilich noch aus dem Rohen herauszuarbeiten. Das Rondo ist ein komisches Gemisch von Dichter- und Philisterblüthe, und eigentlich keines, sondern eher ein Sonatensatz. Ohne Anfang trotz aller Einleitung, ohne Mittelpunkt und ohne Ende trotz des Festsitzens in der Tonart, bewegt es sich in einem kleinen Cirkel von Gedanken und entschlüpft Einem allerwärts. So wirkte es schon vor langer Zeit auf mich und jetzt wieder. Jedenfalls soll folgenden Compositionen nachgespürt werden.
Das Rondo von Hrn. I. Benedict heißt les Charmes de Portici und mißfällt mir durchaus in seinem Bestreben, italienischen Ohren deutsche Gedanken genießbar zu machen; denn dazu ist's offenbar geschrieben. Die wenige Erfindung, die Hr. B. überdies besitzt, kann da vollends nicht aufkommen und eine angeborne Unbeholfenheit macht's noch schlimmer. Von Gemüth, Musik ist hier nicht die Rede; ohne irgend psychischen Zusammenhang, wie es eben die Finger treffen, windet sich das Stück unbequem Tact nach Tact ab. Gerade zum Rondo gehört die ätherische Schaffkraft, der die Form unter der Hand wegläuft und die sich am seltensten findet. Wir haben mehr gute Fugen, als gute Rondo's.
Bessere Anlagen entwickeln ohnstreitig die beiden nachfolgenden, namentlich Hr. Enckhausen, in dessen Rondo sich jüngere Spieler bald und mit Nutzen zurecht finden werden; Eigenthümlichkeit geht ihm durchaus ab und die Leichtigkeit ist die der Prosa, In der »Hardiesse« Hrn. Chwatal rennt dagegen ein Kosak mit der Pike auf uns zu, aber nur um zu erschrecken; ein sehr guter scharfer Holzschnitt, Von allen Nationalitätsnachahmungen gefielen mir bisher die Kosakischen am wenigsten; die Phantasie muß immer ein gemeines bärtiges Bild mit fortschleppen. Es gibt ja auch in Sicilien Menschen und Sicilianerinnen.
Hr. Haslinger weiß das und sein »Frühlingsgruß« kommt aus dem Süden. Es ist ein klares quellendes Gemüth, das uns schon durch eine mus. »Rheinreise« werth geworden, über die ausführlicher auf Seite 222 fg. gesprochen wurde. Das Rondo hat viel Breiten und mehr Gräser als Blumen, aber es verschmilzt sich zu einem wohlthuenden Plan und das gilt in diesen chaotischen Tagen schon genug. Man muß bedauern, daß der musikalische Mann der Muse nur den Hof macht.
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Zweite Reihe.
Vincent Lachner, Rondino in Es. – C. W. Greulich, 3tes großes brillantes Rondo in E. W. 22. – Otto Gerke, Phantasie und brillantes Rondo in F. W. 21. – J. Schmitt, brillantes Rondo in Es. W. 250. – Al. Schmitt, Rondo in Es. W. 78. – Carl Mayer, drei große brillante Rondo's in Des, E moll und H moll.
Der Triumphator heißt Franz mit Vornamen, daher ich nicht diesen, sondern Vincent, wie ich höre, einen von seinen Brüdern, zu loben habe. Das Rondino ist ein kleiner nackter Liebesgott mit Grübchen in den Backen, eben schalkhaft und immer auf der Flucht begriffen; in der Mitte schleppt er sich sogar mit einem Stück Beethoven'scher Löwenhaut (der Componist versteht uns gewiß), läßt aber schnell fahren, da's ihm zu schwer wird. Kurz, das Rondino macht hübsche Bilder und hinterläßt einen ganzen Eindruck: ja es brauchte sich selbst auf einer Franz Lachner'schen Siegerstirn nicht zu schämen als Lorbeerblatt; denn in Aufrichtigkeit, wenn letzterer manchmal nach etwas über oder außer seinen Kräften zu streben geschienen, so unternimmt dieser nichts, dessen Gelingen er nicht voraussähe. Doch wolle man auch nicht zu früh von einem einzigen gelungenen Schlag auf einen ganzen Helden schließen. Bringt er aber, wie er ein echtes Rondino geschrieben, so eine echte Sonatine und arbeitet sich so durch die Sonate bis zum irgend Höchsten hinauf, so soll es nicht verschwiegen bleiben.
So viel Anziehendes das Zusammenstellen mehrer Stücke derselben Gattung hat, so auch das Unvermeidliche des schärferen Contrastes verschiedener Charaktere. Aber auch ohne vom vorigen Rondino befangen zu sein, bleibt das Rondo von Hrn. Greulich sehr steif; geradezu gesagt, zur Grazie mangelt ihm Alles, wenn nicht auch die vollendete Kraft, aus der jene (nicht allein nach Schiller) als Blume hervorsteigt. Sein Rondo stolpert wie ein ungeschickter Tänzer, der in der Ronde die rechte Hand statt der linken hingibt und überall Verlegenheit und Verwirrung in die Kette bringt. Wozu gleich eine Einleitung wie zu einem Alcidor oder Nurmahal? Solche ästhetische Versehen vergebe man schwerer als schülerhafte Quinten. Will ich Jemandem etwas Verbindliches sagen, so bereite ich ihn doch nicht mit einem Caraibengesicht dazu vor. Und auch das wollte man der größern spätern Wirkung entschuldigen, bliebe das Freundliche nur nicht ganz aus. Aber was erhält man auf ganzen fünfzehn Seiten, als mühsam aneinander gearbeitete, auf- und ablaufende Passagen, meistens in Hummel'scher Weise; zu einer Entscheidung, zu einer Pointe gelangt das Stück nirgends. Einiges läßt vermuthen, daß es eigentlich mit Instrumentalbegleitung geschrieben, wo sich dann Manches zu Gunsten der Composition auslegen ließe. Wär' es nicht, so wär' es noch schlimmer; wär' es aber, so hätte es immerhin auf dem Titel bemerkt sein können. Harmonische Fertigkeit, d. h. Kenntnisse und Routine in der Harmonie, besitzt der Componist unbezweifelt; er sollte sie vor Allem zur Ausbildung und Veredelung der Melodie benutzen; denn daran gebricht es ihm gänzlich und dies Urtheil basirt sich nicht auf dieses Werk von seiner Hand allein.
Wie es passive Genies gibt, so auch passive Talente: jene leben z. B. in und von Beethoven, diese in Hummel. Hr. O. Gerke scheint viel gehört, studirt und in sich aufgenommen zu haben; seine Compositionen haben Anordnung, Verhältniß, Sinn; aber nirgends zeigt sich eine primäre Kraft; seine Stimme ist stets wie belegt, gedämpft: er muß noch zu sehr nach dem rechten Ausdruck suchen, sich erst in die Stimmung versetzen, als daß er sich frei und unbewußt in einer höheren ergehen könnte. Das Rondo ist, gegen zehn andere gehalten, jedenfalls schätzenswerth; aber es greift nicht durch, gebietet uns nicht, es anzuerkennen; es fordert nur unser Urtheil heraus, zur Theilnahme, Mitleidenschaft vermag es nicht zu erregen. Indeß kann sich das leicht zum Besten verkehren und eine Umsetzung auf fremden Boden thut oft Wunder. Man müßte ja wahrhaft bedauern, wenn ein gewiß edleres Bemühen, als das von Hunderten, noch dazu bei so vielen technischen Hülfsmitteln, nicht einmal in die Mitte treffen sollte. Was an uns, so wird über spätere Leistungen die Rechenschaft nicht ausbleiben.
Wir kommen zu einem sehr talentvollen Mann, Hrn. Jacob Schmitt, der, wenn er nicht schon an den 250 stände, vielleicht weiter wäre. Mit einem Wort, er schreibt zu viel und nimmt die Sache zu leicht. Ueber die Launenhaftigkeit, mit der die Natur ihre Gaben austheilt, könnte man sich oft grämen. Dem gibt sie Charakter, aber Starrheit; jenem Erfindung, aber Leichtsinn; jenem Ruhmbegierde, aber keine Ausdauer; jenem dichterische Gedanken, aber keine Handhabe dazu; Vielen Manches, den Meisten wenig. Hr. Jacob Schmitt besitzt von alle diesem etwas; seine instructiven Sachen gehören zu den besten ihrer Art, viele seiner freien Erzeugnisse sind voll musikalischen Lebens; aber sein Streben dreht sich im Kreise und kann keinen Mittelpunkt finden; seine ersten Werke sind nicht schlechter als seine letzten; wo man hingreift, Talent, – und ehe man sich's versieht, ist er wieder über alle Berge. Liegt ihm doch in seinem Bruder, Hrn. Aloys Schmitt, ein Beispiel nahe, wie man sich selbst in einem engeren Wirken zu einer vollständigen Virtuosität erheben könne! Hat er nicht dieselben Kräfte, und vielleicht vielseitigere! Aber wie überwiegt ihn der an Bildung, Geschmack (nicht im gewöhnlichen Modesinn), an Künstlerschaft. Hierin liegt Urtheils genug über die Rondo's der Gebrüder S. Das von I. Schmitt hat eine bunte Menge von Gedanken und bis auf die halbgelehrte unpassende Einleitung in Es moll (die Tonart, in der auf der Welt am wenigsten componirt worden) den rechten Rondozug. Wie weise wirthschaftet dagegen A. Schmitt und hält mit fester Hand zwei, drei Dinge fest, zieht sie zum Knoten zusammen, entwickelt sie ebenso gut. Wollte man hier und dort am Speciellen stehen bleiben und mäkeln, so wäre kein Fertigwerden. Es handelt sich darum, wie sich des Künstlers Werk im Ganzen zeigt; im Einzelnen, was wäre da untadelhaft, was unverbesserlich!
Am Schluß dieser zweiten Reihe ergreife ich die Gelegenheit, an drei ältere Rondo's von Carl Mayer zu erinnern. Man kann sie geradezu als Resumé seines Strebens betrachten. Die Gestalt gehört ihm (will man nicht leise an Field denken) beinahe ganz an und klug that er, daß er sie in allen dreien unverändert beibehielt, weil man neugefundene Formen, wenn sie sich Platz in der Welt machen sollen, mehr als einmal wiederholen muß. An Kunstwerth steigen sie mit der Zahl; an phantastischer Bedeutung verhalten sie sich vielleicht umgekehrt; jedoch ist das nur eine Ansicht – und gleicht sich jedenfalls aus. Das Eigenthümliche ist das Einflechten einer langsamen Cantilene in das fliehendere Wesen des Rondos, wodurch die Gattung zwei Physiognomieen bekömmt und von ihrem Ursprung sich entfernend wie ein zusammengedrängter Sonatensatz erscheint. Zu dieser glücklichen Manier gesellen sich alle Vorzüge einer guten Composition, reizender Harmoniefluß, gewählter Schmuck, durchscheinender Bau, inniger Gesang und eine Clavierangemessenheit, die die Compositionen dieses Künstlers eingänglich gemacht und, wenn er fortschreibt, noch weiter verbreiten muß.
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J. Nisle, Thema mit Variationen. W. 44. – C. G. Kulenkamp, brillante und leichte Variationen über einen Fandango. W. 51. – J. Ruckgaber, Variationen über ein Originalthema. W. 32. – J. Stocks, brillante Variationen über ein Thema von Auber. – C. Haslinger, brillante Variationen über ein Thema von Auber. W. 6. – L. Böhner, Variationen über ein bekanntes Thema. W. 99. – X. Chwatal, Einleitung und Variationen über ein Thema von Wolfram. W. 11. – X. Chwatal, leichte Variationen. W. 28. – X. Chwatal, Einleitung und Variationen über ein bekanntes Thema zu vier Händen. W. 29. – X. Chwatal, Variationen über ein bekanntes Thema. W. 33. – X. Chwatal, Variationen über ein Thema von Strauß. W. 34. – W. Hauck, große Variationen über ein Thema aus Aschenbrödel. W. 36. – C. Czerny, Einleitung und brillante Variationen über ein italienisches Thema. W. 302. – G. A. Osborne, brillante Variationen über ein Thema von Halevy. W. 21. – G. A. Osborne, brillante Variationen über ein Thema von Meyerbeer. W. 24. – C. Stamaty, brillante Variationen über ein Originalthema. W. 3. – H. W. Stolze, Einleitung und Variationen über ein russisches Thema. W. 29.
Unsterblich ist keines der obigen Werke, hübsch manches. Es käme nur darauf an zu wissen, was die resp. Componisten selbst über ihre Werke urtheilten. Hielten sie solche für ewig, so müßte man sie von ihrer Idee abzubringen suchen: gäben sie aber lachend zu, daß es ja Kleinigkeiten, über die nicht viel Worte zu verlieren, so müßte man ihre Bescheidenheit loben; denn Bachs können wir nicht in jeder Stunde sein, obwohl solches wünschenswerth.
Nr. 1 und 2 gehören der blanksten Gewöhnlichkeit an. Hr. K. schrieb der Redaction der Zeitschrift einmal einen Brief, in dem er sehr auf sie loszieht und den zurückgesetzten großen Künstler überall durchscheinen läßt. Wären wir seine Feinde, wie könnten wir uns jetzt rächen! Denn wer Compositionen wie Werk 51 herausgibt, darf keine anmaßenden Briefe an die Redactionen schreiben. Aber wozu Feindschaft? Schreibe er also nur nicht noch einmal und ähnlich, sonst müßten wir ganz anders mit ihm reden.
Die Variationen des Hrn. Ruckgaber sind hübsch, etwas fade, aber nicht um darüber in Harnisch zu kommen. Quinten und Octaven, die greulichsten, könnte man nachweisen; – als ob das die größten Sünden der Variationisten wären! Die so gerne von einer Verschmelzung von Deutsch und Italienisch sprechen, können ihre Träume hier verwirklicht hören. Nehmt einen Baß mit einer Triolenfigur in der Decimenlage, singt dazu eine Melodie, werft einige schwindsüchtige Vorhalte hinein, und die deutsch-italienische Schule ist fertig.
In Hrn. Stocks lernen wir einen angehenden Saloncomponisten kennen. Fehlt ihm noch Manches an feinster Tournüre, so läßt sich das durch eifriges Studium der Herz'schen Werke ja nachholen. Ein junger Pariser, der mit hohen Begriffen von der deutschen Musik hierher gekommen und sich weiter bilden wollte, gestand mir, wie er sich nicht genug verwundern könne, daß in Deutschland Musik gedruckt erschiene, die in Frankreich schon wegen Mangels an modischer Eleganz nicht gespielt werden würde. Das ist eben das Unausstehliche, antwortete ich ihm, diese geschmacklose Solidität, in die wir unsere Salonkünste tauchen, gegen welche Herz ein wahrer Engel an Musik. Daß wir indeß unserem Componisten nicht Unrecht thun: – er kann Talent haben: wenigstens hat das Finale Bewegung und guten Zug. –
Ein bekannter deutscher Componist antwortete einmal auf die Frage, wie ihm eine neue Oper von Auber gefalle, die gerade in Paris gegeben wurde: »die Taglioni tanzt wunderhübsch«. Aehnlich würde ich, wollte Jemand mein Urtheil über die Variationen des Hrn. C. Haslinger haben: »die Wiener sind ein lustig Volk«. Loben muß man schon, wenn ein heutiger Componist, der ein kleines scherzhaftes Thema vorhat, nicht mit einer Einleitung anfängt, als gält' es die Mauern von Jericho umzucomponiren. So hält sich denn das ganze Heft in einer natürlichen heileren Stimmung, die sich nur in der zweiten Variation etwas erhöht, dann aber sogar Werthvolleres hervorbringt. Der Schluß ist überraschend.
Mitten unter den jungen Gesichtern sieht uns auf einmal eine alte Ruine an. Die grünen Zweige, die sie noch trägt, wolle man ihr lassen; sie erzählen von alten Zeiten und großen Menschen, die sie gesehen. Nicht ohne Teilnahme kann man's betrachten.
Die Variationshefte des Hrn. Chwatal sind fast sämmtlich instructiven Charakters und enthalten, weniges Trockene abgerechnet, allerliebste Sachen, Stübchenmusik möcht' ich sie nennen. Musikalischen Gehalt hat W. 11 am meisten, und in diesem wieder die Einleitung. Bei der zweiten Variation fällt mir das unleidliche Quinquiliren zwischen kleiner und großer None auf, das noch vor etlichen Jahren zu den Feinheiten des Tages gezählt wurde. Der Componist, sonst ja ein gesunder Harmoniker, erinnere uns nicht mehr an jene Zeiten!
Wenn man die Variationen über ein Thema aus Aschenbrödel demselben Componisten zuschreiben muß, der vor Kurzem gestorben und ein schätzbarer Künstler gewesen sein soll, so scheint diese Composition einer früheren Periode anzugehören, in der sich noch keine edlere Kunstansicht in ihm entwickelt hatte. Die Variationen sind unter jedem Gesichtspunkt unbedeutend und nicht einmal mit der Leichtigkeit geschrieben, die die Trivialität ähnlicher Werke in etwas vergessen macht. Hätte man sie lieber ganz unterdrückt!
Hrn. Czerny kann man nicht einholen, mit aller kritischen Schnelligkeit. Hätte ich Feinde, nichts als solche Musik gäb' ich ihnen zu hören, sie zu vernichten. Die Fadheit dieser Variationen ist wahrhaft remarkabel.
Die zwei folgenden Componisten sind Schüler von Kalkbrenner und vortreffliche Virtuosen, ihre Variationen keine Kunstwerke, aber elegante Pariser Modearbeiten, und immer noch erträglicher als diese deutschen Plumpsäcke, die oben flüchtig berührt wurden, Gut gespielt müssen die Variationen des Hrn. Osborne, W. 21, in Entzücken setzen; sie scheinen mit einer gewissen Selbstgefälligkeit geschrieben und haben den Vorzug, leichter zu sein als sie klingen. In den Variationen über ein Thema aus den Hugenotten kommt im Finale mehr als überraschend der Choral »ein' feste Burg etc.« Bleibt Meyerbeer leben, so werden wir's noch von den Lerchen in der Luft hören.
Besonderer, ausgesuchter, eigenthümlicher sind die Variationen von Stamaty über ein Originalthema, das freilich selbst wie eine Variation scheint, übrigens aber von weichem, zerfließendem Ausdruck ist. Talent findet man durchgängig, in der zweiten Variation auch viel Empfindung. Die vielen vorkommenden Octavengänge haben ihren Grund wohl mehr in der Bravour, mit der sie der Componist spielt, als in einer ästhetischen Nothwendigkeit.
Sehr schätzenswerth, wie Alles was uns von den Arbeiten des Hrn. Stolze bekannt, sind auch die oben erwähnten Variationen, und zeichnen sich durch interessantere Stimmenführung, eignen Zuschnitt und durch etwas Geistigeres aus, was manchen seiner anderen Compositionen abzugehen schien. Wünschte ich dem Componisten etwas, so wäre es ein Verleger, der seine Werke zeitgemäßer ausstattete. Ein so graues Kleid schadet dem ersten Eindruck beim Durchspielen ungemein. In der Phantasie habe ich mir das Werk aber möglichst schön nachgesungen und der besten Empfehlung werth gefunden.
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Erste Reihe.
I. Tedesco, Phantasie über Motive aus Robert der Teufel. W. 6. – C. Schunke, große charakteristische Caprice über ein Thema von Meyerbeer. W. 46. – I. Nisle, brillantes Allegro. W. 45. – I. Schmitt, große brillante Phantasie ( Douleur et triomphe. Inspiration musical). W. 225. – Hommage à Clara Wieck, Recueil pour le Pianoforte. – O. Gerke, Amusement. W. 16. – I. P. G. Hartmann, 4 Capricen. W. 18.
Wer weiß, wie Hr. Tedesco mit obiger Phantasie in Leipzig wenigstens in Erstaunen gesetzt, ja wer sogar jener Execution selber beigewohnt hat, kann es dem Componisten nicht verargen, daß er ein bescheidenes: » Exécutée par l'Auteur dans ses concerts« auf dem gedruckten Titelblatt beifügte. Ueber gewisse Dinge spräche man nicht, wenn man nicht oft gegen seinen Willen dazu gezwungen würde. Wer wird einem jungen reisenden Künstler übel wollen, ihm nicht förderlich sein! Nur das »exécutée« etc. hätte der Virtuos weglassen sollen, dieses »exécutée« etc. läßt mir keine Ruhe und Rast, verfolgt mich seit einigen Tagen in meine Träume, versetzt mir den Athem. Und dann lesen wir in einigen norddeutschen Blättern von einem Wunderspieler, dem Hannibal der Octaven etc. Auch dies möchte sein und verdiente keine Widerlegung. Aber dies exécutée, dies einzige Wörtchen – – Ich kann nicht weiter.
Ueberhaupt wer hat die Schuld am Glücke so vieler junger Componisten? – Meyerbeer. Ich sage nichts vom unmittelbaren Einfluß seiner Werke auf den ganzen Menschen, nichts von dem europäischen Universalstyl, in welchen sich durch Bearbeitung seiner Themen am sichersten einzuschießen; ganz materiell deute ich nur aus das Gold, das göttliche, das eifrige Jünger aus ihm schlagen, auf den Vortheil, hinter den Fetzen eines großen Mannes sich mit in die Unsterblichkeit einschmuggeln zu können. So auch Hr. C. Schunke. Mit Wonne wälzt er sich in des Meisters Tönen, reicht vom großen Gesammteindruck noch einmal aus duftenden Schnapsgläschen, sich tausendfach zu berauschen: kurz Meyerbeer's tapferster Herold ist er. Fragt mich nicht genauer, was ihr auf den 20 Seiten Musik für welche bekommt, gewiß gute Anfänge, verwehende Clavierseufzer, eine Menge delicater Kleinigkeiten, dann das Meyerbeer'sche und allerliebste Ausführung, zum Schluß endlich, worauf ich längst gepaßt, eine Andeutung des Luther'schen Chorals. Doch sind dies nur Worte, Winke, die nur schwach wiedergeben, was ich mir bei den Hugenotten selbst vom Kleiderausziehen der Mädchen an bis zum Choral hinauf gedacht. Daher schwelge man nur von der Quelle selbst!
Beinahe traurig gegen solche Freudenmusik nimmt sich eine unschuldige Polonaise von Hrn. Nisle aus, der die Welt indeß wenig kennt, wenn er solche mit Palestrina'schen Dreiklängen zu packen meint. Das Trio allein hat etwas mehr Farbe und angenehmen Charakter; das Uebrige ergeht sich in den gewöhnlichsten Harmonieen; das Ganze scheint wie eine Composition aus Vanhal's Zeiten.
An der Phantasie des Hrn. I. Schmitt mißfällt mir allein das bombastische Aushängeschild. Warum Douleur et Triomphe? Warum Inspiration musicale? Warum grande Fantaisie brillante? Gewiß bleibt deshalb die Musik dieselbe: aber warum als altes bemoostes Haupt thun, was man beim Schüler belächelt, wenn er in verzeihlicher Selbstbegeisterung seine Schriften mit zolllangen Buchstaben bemalt! Und daß es mit dem Schmerz und gar mit dem Triumph nicht so weit her ist, merken gewiß auch die, auf welche selbige Schilder etwa vorn herein einen Eindruck machen. Nennen wir die Sache also beim Namen: »Introduction, Thema und Variationen«, und urtheilen von dieser Höhe, so erhalten wir in der Phantasie ein sehr angenehm klingendes, mit Geschick und Geschmack gesetztes Musikstück voll einnehmender Melodie und wenn nicht tiefem, doch anmuthendem Charakter. Von Bertini's Compositionen, mit denen unser Componist in harmonischer Behandlung, wie der des Instrumentes, viel Aehnliches hat, zeichnen sich seine durch etwas Deutscheres, Handfesteres aus, während man dort freilich mehr Modisch-Neues antrifft. Das Stück wird sich ohne unser Zuthun beliebt machen.
Scheint es doch, als hätten die sämmtlichen fünf geschätzten Componisten der großen Künstlerin, der sie mit der fünften der obigen Nummern ein Andenken gebracht, zu tief in das Auge gesehen, in so romantischer Weise ergehen sie sich; ja selbst zwei ehrenfeste Organisten schwankten einen Augenblick. Im Ernst, die Sammlung ist interessant. Gleich das erste Stück, eine Caprice von E. Franck, fällt durch Kürze, Frische, Kraft und Einheit auf, während sich die Rhapsodie v. A. Hesse unter dem romantischen Einfluß noch etwas verlegen benimmt, aber mit Talent aus der Schlinge zieht. Die Vision unsers geschätzten Dr. Kahlert bekenne ich nicht ganz zu verstehen, ja bekenne, daß ich sie erst Adagissimo spielte, als ich zu meinem Erstaunen Presto als Tempo fand: nun war es vollends dunkel um mich. Ein kleines Ungeheuer von Romantik hält man sicherlich unter den Händen. Die Toccata von E. Köhler ist auf eine lebendige Figur gebaut und klingt, rasch gespielt, gut und brillant. Daß im zweiten Theil immer dieselben Harmonieen vorkommen, fällt etwas auf. Ein Nocturno von B. E. Philipp schließt; es ist eine Copie, aber mit einem Talent gemacht, das mehr Nahrung und Aufmunterung verdient, als es vielleicht erhalten hat.
Aus dem Amüsement des Hrn. Gerke wünschte ich nur den Walzer und die Polonaise weg, um es als ein gutes empfehlen zu können. Wahrhaftig, man sollte eine besondere Redaction für Manuscripte honoriren, die im Voraus Tod und Verderben jungen, talentvollen Componisten schwören, wenn sie offenbar Verbotenes mit ihren besten Gaben in die Welt einzuschwärzen trachteten. Ohne jene Stücke, bei denen die Achtung, die er sich bei dem Kritiker und Künstler erwerben muß, wieder zur Gleichgültigkeit und zum Verdruß herabfällt: welche werthvolle Sammlung hätte es gegeben! Die andern Sätze, ein Marsch, ein Scherzo, das freilich sehr an das Hummel'sche in der D dur-Sonate erinnert, ein Rondo und eine Mazurka gehören zu dem Gedankenvollsten, das mir jetzt von den Arbeiten dieses Componisten zu Gesicht gekommen. Halte er daran fest: die elegante Sphäre lasse er in Gottes Namen Anderen.
Die vier Capricen von Hrn. P. E. Hartmann sind wohl gearbeitet, verständig, ernst, ja finster. Es scheint aber, als wolle er des Guten zu viel, als hafte er zu lange am Einzelnen; seine Musik spricht noch nicht frei, gleich als ob ein Dämpfer darüber läge. Wo man hinfühlt, Formen und Gedanken, aber – mit einem Wort kein Gesang. In der dritten Caprice, die melodischer werden will, zeigt sich das am stärksten: sie hat wohl Melodie, schweift aber unlustig und unsicher auf und nieder; wo man rechts zu kommen glaubt, geht sie links, wo man in die Tiefe, strebt sie in die Höhe. Die zarte melodische Ader, die sich in den Werken der Meister durch die verwickeltsten Labyrinthe der Harmonie hindurchzieht, kann freilich Niemand mit Gewalt in sich bringen; gewiß läßt sich aber durch stetes Aufmerken, der Harmonie nicht eine zu große Herrschaft über die Melodie einzuräumen, diese von jener nicht gänzlich unterdrücken zu lassen, gar Manches erreichen. Darauf scheint mir der Componist achten zu müssen. Wär' es, daß wir mit unserm Rathe nicht zu spät kämen, und daß er mit freier leichter Brust das Ziel verfolge, dessen glückliche Erreichung wir jeder wahren Bestrebung von so ganzem Herzen gönnen!
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Zweite Reihe.
L. Schuberth, große Phantasie in Form einer Sonate ( Souvenir à Beethoven). W. 30. – C. M. von Weber, Phantasie ( les Adieux). – S. Thalberg, 3 Nocturnos. W. 21. – S. Thalberg, große Phantasie. W. 22. – W. Taubert, brillantes Impromptu über ein Thema von Meyerbeer. W. 25. – W. Taubert, brillantes Divertissement ( Bacchanale). Mit Begleitung des Orchesters. W. 28.
Sollte Einem der obigen Componisten vor einigen Augenblicken das linke Ohr so stark geklungen haben, daß er vor sich selbst hätte fliehen mögen, so ist das natürlich; denn ich ließ mich eben so gegen einen Bekannten aus: Freund, du weißst, ein ganzer Jean Paul'scher Walt von Sanftmuth steckt in mir; in gewissen Fällen aber könnt' ich denn doch getrost aus der Haut fahren. Wir hatten neulich eine Symphonie vor, deren Verfasser so tapfer zusammengestohlen; daß wir uns die einzelnen Sätze recht gut zurückrufen konnten, wenn wir sie bezeichneten mit »Eroica-Satz, Sommernachtstraum-Satz« etc. Der Symphonist ist aber ein Kind gegen unsern Beethovenverewiger ... Sind wir denn dahin gekommen, daß wir Componisten, ehe sie componiren, erst fragen müssen, ob sie Knigge's Umgang mit Menschen gelesen, – dahin, daß wir sie aufmerksam machen müssen, daß man in gebildeter Gesellschaft die Stiefel nicht ausziehen dürfe? Kennen sie nicht den Anfang des ABC der ersten Bildung? Sollen wir sie an die griechischen Schulen erinnern, in welchen den Schülern ausdrücklich gesagt wurde, daß sie die Melodieen ihrer Väter sacht und ernst nachsingen müßten und »daß sie scharfe Schläge bekamen, wenn sie jene Melodieen durch Schnörkeleien verzierlichen wollten«? Vergeht sich die Unbildung so weit, die erhabenen Gedanken eines Meisters zu betasten? Noch mehr, wagt sie es, sie förmlich zu verändern, zu verrücken? Wahrhaftig, an ihrer Verehrung kenn' ich sie. Hidschnu-Chan-Murzach wälzt sich vor einem Klotz im Staube, Peter kneipt seinen Schatz in den Backen, und Componisten schreiben Souvenirs à Beethoven. Mein Freund sagte, ich äußere mich etwas stark. Ich aber gelobte mir von Neuem, gegen Gemeinheit und Verkehrtheit, so lange ein Tropfen Bluts in mir, anzukämpfen.
In der Phantasie mit Weber' s Namen glaubt' ich mich etwas von meinem Verdruß erholen zu können; aber schon auf der dritten Seite schien mir jede Note wie zurufen zu wollen: »ich bin nicht von Weber«. Und wenn man mir seine Handschrift zeigte, ja stände er selbst aus dem Grabe auf und betheuerte, daß die Phantasie von ihm, ich könnt' es nicht glauben. Die Getäuschten thun uns herzlich leid; meine moralische Ueberzeugung kann mir aber Niemand nehmen. Man wird uns vielleicht Papiere vorlegen, niemals aber beweisen können, daß mit der Veröffentlichung eines durchaus schalen, auseinanderfallenden Musikstückes, und trüge es den Namen des Besten an der Stirne, irgend etwas gefördert ist.
Beim Durchgehen der Compositionen von Thalberg war ich von jeher immer in einer gewissen Spannung, nicht als ob ich auf Platituden lauerte, sondern weil er sie immer so gründlich vorbereitet, daß man die kommende kahle Stelle ziemlich genau vorauszubestimmen weiß. In kleineren Compositionsgattungen, die keine so nachhaltende Energie zur Vollendung erheischen, als größere Formen, finden sich solche Stellen natürlich weniger, daher mir auch das Meiste der Notturno's gefallen hat, wenn man vorweg von Vielseitigkeit und Großartigkeit der Erfindung absieht und dem Componisten eine gewisse Süßlichkeit nicht als Schwäche anrechnet. So sind die Melodieen der Notturno's durchweg einschmeichelnd, wenn auch nicht neu und vollkommen edel. Die im ersten scheint mir nur eine Veränderung vom alten: An Alexis etc., ist aber so zu sagen schon instrumentirt. Auch der zweite melodische Gedanke (in As dur) im zweiten Notturno singt recht zart, schleppt aber zuletzt. Am besten will mir das Thema zum dritten Notturno gefallen, da es nicht so breit auseinander fließt und südlicher Natur ist; in der Folge (Tact 13 zu 14) kommt indeß eine Fortschreitung die mir unerträglich. – Die Rückgänge, in denen sich die Meisterhand am ersten kund thut, geschehen noch nicht mit der Leichtigkeit und Natürlichkeit, wie wir es bei Field und Chopin treffen, wie sich Th. überhaupt zu Letzterem verhält, wie Carl Mayer zum Ersteren. – Die Phantasie Werk 22 besteht aus einer Menge kleiner Abtheilungen, die sich um einige Grundharmonieen bewegen, aus denen sich hier und da auch recht schöne Melodieen entwickeln. Sie enthält manches Anmuthige und Zarte, so schwierig und vollstimmig sie geschrieben ist. Ein musikalisches Blatt enthielt jüngst bei Besprechung Thalbergischer Compositionen die Bemerkung, daß man beim Anhören freilich um die Hälfte des Genusses käme, wenn man die Augen zudrücke, d. h. wenn man sie sich vierhändig gespielt dächte. Ich meine aber, daß es nicht gering anzuschlagen ist, wenn ein Einzelner vollbringt, wozu sonst Zwei gehören. Dies könnte also die Achtung nur erhöhen. Daß aber bei Thalberg, wie bei Herz und Czerny, das Hand- und Fingerwerk Hauptsache bleibt und daß er mit glänzenden Mitteln über oft schwächliche Gedanken zu täuschen weiß, könnte zu einem Zweifel veranlassen, wie lange die Welt an solcher mechanischen Musik Gefallen finden möchte.
Von den Compositionen, die durch die Hugenotten hervorgerufen, sind, und deren uns der Himmel nicht zu viele schenken wolle, verdient allein die von Hrn. Taubert den Namen, wenn auch nicht Kunstwerk, doch den eines guten Musikstückes. So wenig originell mir der Chor »Rataplan« etc. vorkömmt, ja beinahe wie eine Brechung der Galoppade aus Wilhelm Tell, so hätte ich ihn doch, wenigstens einmal, unverändert zu hören gewünscht, als so wie ihn sich Herr Taubert gesetzt. Doch ist das Nebensache, und das, was der Arbeit Werth gibt, der Bau des Ganzen, worin es den deutschen Künstlern nun Niemand zuvorthut. Der Verfasser selbst legt vielleicht nur wenig Werth auf sein Hugenottenstück; indeß würden wir gar nicht dagegen sein, schriebe er auch in der Zukunft manches derlei zum Vortheil für das Publicum, wie für seinen eigenen, – für jenes, das von der gediegenen Arbeit der Schale, woraus es von seinen Lieblingsgenüssen zu kosten bekömmt, ungleich mehr lernen kann, als von den windigen französischen Champagnergläsern, – für ihn, daß er von den Feinheiten des Salons so lange für sich nütze, als es einem ernsteren Streben keinen Abbruch thut, wie denn Florestan neulich in einer andern Beziehung meinte: »man müsse Manches in sich hineincomplimentiren, um es nur wieder herauszuprügeln«, welchen Spaß wir ihm gern gönnen.
Im Bacchanale finden wir gerade kein bacchantisches Leben, für das dem Componisten wohl auch der höchste Schwung der Begeisterung mangelt, aber ein lustiges Gelage, dem keine Polizei etwas anhaben wird. Die Instrumente scheinen viel darin zu sagen zu haben, wir können es leider nicht genau angeben, fehlender Partitur halber. Anklänge an Mendelssohn, wohl auch an Weber finden sich hier und da, aber in einer Weise, die ich umgekehrte Nachahmung nennen möchte, indem mancher Componist gerade dem, dem er ähnlich wird, mit allem Fleiß auszuweichen sucht, bis er ihm in einem unbelauschten Augenblick mit dem ganzen Körper in die Arme fällt,
Ausgewählte Tonstücke für das Pianoforte von berühmten Meistern aus dem 17. und 18. Jahrhundert, gesammelt von C. F. Becker.
In der Zeit, wo sich alle Blicke auf einen der größten Schöpfer aller Zeiten, J. Seb. Bach, mit verdoppelter Schärfe richten, mag es sich wohl schicken, auch auf dessen Zeitgenossen aufmerksam zu machen. Kann sich freilich, was Orgel- und Claviercomposition anlangt, Niemand seines Jahrhunderts mit ihm messen, ja will mir alles Andere, gegen seine ausgebildeten Riesengestalten gehalten, wie noch in der Kindheit begriffen erscheinen, so bieten einzelne Stimmen jener Zeit ihrer Gemächlichkeit wegen noch Interessantes genug dar, als daß man sie ganz überhören dürfte. Die neuen Ausrufer alter Musik versehen es meistens darin, daß sie gerade das vorsuchen, worin unsre Vordern allerdings stark waren, was aber auch oft mit jedem andern Namen, als mit dem der »Musik« belegt werden muß, d. h. in allen Compositionsgattungen, die in die Fuge und den Canon gehören, und schaden sich und der guten Sache, wenn sie die innigeren, phantastischeren und musikalischeren Erzeugnisse jener Zeit als unbedeutender hintenansetzen. Die Sammlung, die vor uns liegt, vermeidet diesen Fehler und bringt uns eine Reihe freier, wirklicher Tonstücke, die in ihren naiven schmucklosen Wendungen auch noch eine andere als die Verstandesseite in Anspruch nehmen. Für das Interessanteste halten wir die Sätze von Couperin († 1733), Kuhnau († 1722) und G. Böhm (um 1680). Der von Couperin hat sogar einen provençalischen Anflug und zarte Melodie, während es Einem bei dem steifen Kuhnau'schen Adagio ordentlich schaurig wird; G. Böhm vollends setzt mit einer gespenstigen Caprice dem Ende die Krone auf. –
Const. Decker, leichte Sonate. W. 11. – J. Nisle, große Sonate zu vier Händen. W. 41. – A. L. E. Trutschel, große Sonate zu vier Händen. W. 8. – L. Schuberth, Sonate ( L'espérance). W. 25. – F. Ries, große Sonate (52ste). – H. Triest, Sonate. W. 4. – W. Sterndale Bennett, Sonate. W. 15.
Man sieht, an neuen Sonaten fehlt es keineswegs, obwohl in einem andern Sinne hinlänglich, – wie denn auch fast sämmtliche obengenannte, die zwei letzten ausgeschlossen, als Nachzügler einer ältern Zeit zu betrachten sind. Die von Hrn. Decker ist zwar augenscheinlich für Kinderhände und Köpfe berechnet; indeß wünschten wir ihr eben deshalb etwas von der großen Trockenheit weg, die wenig geeignet, das kleine Volk zum Fleiß aufzumuntern. – Auf der zweitgenannten Sonate findet man den Beisatz: »componirt in Sicilien, am Fuße des Aetna« und eine passende Vignette, weshalb man wohl mit Grund auf etwas Feuerspeiendes etc. aufsehen mag. Statt dessen findet man in ihr das gewöhnlichste Vanhal'sche Treiben, den klarsten Viervierteltact, in dem sich je ein C dur bewegt, kurz eine leidlich breite, wohlgesetzte, Lafontaine'sche Familiengeschichte, wie sie zu Hunderten schon geschrieben, ohne daß man sie gerade hart anlassen dürfte. – Eine ziemlich ähnliche Natur spricht sich im Componisten der folgenden Sonate aus; doch greift er höher aus, möchte mehr interessiren und mehr geben, als seine Kräfte vermögen, daher oft Unordnung und Verlegenheit im Periodenbau, in der Harmonie etc., und das so auffallend, daß es auch einem ungeübteren Blick nicht entgehen wird. Die Sonate ist vielleicht sein erster Versuch in dieser strengen Form; er nimmt, gewöhnlich zu reden, noch alle Tischecken mit, kann sich noch nicht bethun. Dabei fehlt es vorzüglich an Gesang, an ausgebildetem, in dem er sich durch musterhafte Vorbilder vor Allem veredeln muß. Einen auf das Bessere gerichteten Willen, Fleiß und Sorgsamkeit kann man ihm aber keineswegs absprechen. – Die Sonate des Hrn. Schuberth ist von freundlichem, hübschem Ton, aber in möglichster Hast hintereinander geschrieben. Vernachlässigung des Details haben wir bisher allen Compositionen dieses ebenso talentvollen als leichtfertigen Componisten vorwerfen müssen. Er gehört zu den Musikern, die zu jeder Tagesstunde componiren können, gehend und stehend; Vieles geräth, dem Ganzen fehlt aber die edlere musikalische Weihe. –
Einzelne Stellen des ersten Satzes in der Sonate von Ries könnten an Beethoven erinnern, Manches auch, was ein Lob sein soll, von ihm selbst geschrieben sein; die ganze ließe aber, wenn man den Titel nicht wüßte, kaum auf das Werk eines ausgezeichneten Meisters schließen. Es läuft überall zu viel Mittelmäßiges unter, und wo es manchmal in die schöne Höhe möchte, wo wir diesen Künstler früher oft angetroffen, sinkt er kurz darauf wieder zurück, als hing' ihm Blei an den Flügeln. Ueberhaupt scheint mir die Sonate in einer unlustigen Stimmung geschrieben. Das Larghetto hat einige zarte Stellen, aber etwas Veraltetes in der Cantilene; dazu läßt der häufige Tactwechsel keinen rechten Genuß im Zuhörer aufkommen. Das Trio im Scherzo zeichnet sich durch etwas Eigenthümlichkeit mehr aus; doch ist auch in ihm keine rechte Freude, als hätte es dem Componisten selbst nicht gefallen, da er's schrieb. Im vierten Tact des zweiten Theiles vermuthen wir Stichfehler; die Harmonie muß wohl As moll bleiben, wozu die rechte Hand Des Ces angibt (statt, wie gedruckt ist, Es Des). Das Finale hat nichts Hervorstechendes; der Mittelsatz in D dur scheint uns sogar unpassend und arm an Melodie. – Die Sonate von Triest kannten wir bereits aus dem Manuscript, das wir auch früher mit einigen Worten angezeigt. Irren wir nicht, so hat der bescheidene Componist verstanden, was wir namentlich am ersten Satze ausgesetzt, und einige Aenderungen vorgenommen. Ob sie glücklich sind, können wir nicht mehr beurtheilen, da uns die älteren Lesarten entfallen sind; doch zweifeln wir, da uns der erste Satz in der neuen Gestalt jetzt weniger zusagt als damals, bis auf die zwei ersten Seiten, die sich klar und lebendig entfalten; das Folgende scheint uns zerstückelt; es ist keine Axe da, kein Mittelpunkt, und so hinterläßt das Stück einen dunkeln nebelhaften Eindruck. Auch der letzte Satz, dem wir früher die innere und äußere Aehnlichkeit mit einem bekannten Beethoven'schen vorwarfen, scheint uns umgearbeitet. Im ziemlich leidenschaftlichen Charakter schließt er sich genau dem ersten an; doch fehlt auch ihm das schöne Verhältniß der Theile, und dies vergessen zu sollen, reißt er nicht genug fort mit sich. Die Meisterhand erkennt man namentlich an der Einführung des zweiten Gedankens; er muß erwartet werden und dennoch überraschen; hier kömmt die Melodie in As zu absichtlich und gezwungen, noch mehr der eingewebte Marsch in Des dur, dessen Sinn man überhaupt nicht recht versteht. Vom Componisten rasch und feurig gespielt, muß die Sonate indeß von Wirkung sein. Was den Claviersatz insbesondere anlangt, so rathen wir dem jungen Künstler, sich mit allem Neuen bekannt zu machen; mit leichter Mühe würde er dann Manches wohlklingender und reizender gesetzt haben. –
Die vortreffliche Sonate von Bennett führen wir heute nur mit dem Namen auf, da sie die Davidsbündler in ihr »Museum« aufgenommen, wo man bald das Nähere nachlesen kann.
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