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Gehalten nach einer Aufführung der letzten Symphonie von Beethoven.
Florestan stieg auf den Flügel und sprach:
Versammelte Davidsbündler, d. i. Jünglinge und Männer, die Ihr todtschlagen sollet die Philister, musikalische und sonstige, vorzüglich die längsten (S. Comet 1833 die letzten Nummern). –
Ich schwärme nie, Beste! – Wahrhaftig, ich kenne die Symphonie besser als mich. Kein Wort verlier' ich drüber. Es klingt alles so todtledern darauf, Davidsbündler. Ordentliche Ovidische Tristien feierte ich, hörte anthropologische Collegien. Man kann schwerlich wild über manches sein, schwerlich viele Satiren mit dem Gesichte malen, schwerlich tief genug als Jean Paul'scher Gianozzo im Luftballon sitzen, damit die Menschen nur nicht glauben, man bekümmere sich um selbige, so tief, tief unten ziehen zweibeinige Gestalten, die man so heißt, durch eine sehr enge Schlucht, die man allenfalls das Leben nennen könnte. – Gewiß, ich ärgerte mich gar nicht, so wenig als ich hörte. Hauptsächlich lachte ich über Eusebius. Ein rechter Schelm war er, als er einen dicken Mann so anfuhr. Der hatte ihn nämlich während des Adagio geheimnißvoll gefragt: hat Beethoven nicht auch eine Schlachtsymphonie geschrieben, Herr? – Das ist eben die Pastoralsymphonie, Herr, sagte unser Euseb gleichgiltig. – Ah, ah, richtig – dehnte der Dicke fort sich besinnend.
Der Mensch muß wohl Nasen verdienen, sonst hätte ihm Gott keine gegeben. Viel vertragen sie, diese Publicums, worüber ich die herrlichsten Dinge berichten könnte; z. B. als ihr, Kniff, mir einmal umwendetet im Concert bei einem Field'schen Notturno. Das Publicum besah sich zur Hälfte schon inwendig, es schlief nämlich. Unglücklicher Weise erwisch' ich auf einem der abgelebtesten Flügelschweife, der sich je in eine Zuhörerschaft schwang, statt des Pedals den Janitscharenzug, glücklicher Weise piano genug, als daß ich mir den Wink des Zufalls konnte entgehen lassen, das Publicum glauben zu machen, es ließe sich in der Ferne eine Art Marsch hören, den ich von Zeit zu Zeit in leisen Schlägen wiederholte. Natürlich trug Eusebius das Seinige zur Verbreitung bei; das Publicum rauchte aber vor Lob. –
Aehnliche Geschichten fielen mir während des Adagio eine Menge ein, als der erste Accord im Endsatz einbrach. Was ist er weiter, Cantor (sagte ich zu einem zitternden neben mir), als ein Dreiklang mit vorgehaltener Quinte in einer etwas verzwickten Versetzung, weil man nicht weiß, ob man das Pauken-A oder das Fagotten-F für Baßton nehmen soll? Sehen Sie nur Türk, 19ter Theil. S. 7! – »Ah, Herr, Sie sprechen sehr laut und spaßen bestimmt«. – Mit leiser, fürchterlicher Stimme sagte ich ihm in's Ohr: Cantor, nehmen Sie sich vor den Gewittern in Acht! der Blitz schickt keinen Livreebedienten, eh' er einschlägt, höchstens einen Sturm vorher und drauf einen Donnerkeil. Das ist so seine Manier. – »Vorbereitet müssen solche Dissonanzen dennoch« – da stürzte schon die andere herein, Cantor, die schöne Trompetenseptime vergibt euch. –
Ganz erschöpft von meiner Sanftmuth war ich, ich hatte gut mit meinen Fäusten gestreichelt. –
Jetzt gabst du mir eine schöne Minute, Musikdirector, als du das Tempo des tiefen Themas in den Bässen so herrlich auf der Linie trafst, daß ich Vieles vergaß vom Aerger am ersten Satz, in dem trotz des bescheidenen Verhüllens in der Ueberschrift: » un poco maestoso« die ganze langsam schreitende Majestät eines Gottes spricht.
»Was mag wohl Beethoven sich unter den Bässen gedacht haben?« – Herr, antwortete ich, schwerlich genug; Genies pflegen Spaß zu machen, – es scheint eine Art Nachtwächtergesang: – – Weg war die schöne Minute und der Satan wieder los. Und wie ich nun diese Beethovener ansah, wie sie da standen mit glotzenden Augen und sagten: das ist von unserm Beethoven, das ist ein deutsches Werk – im letzten Satz befindet sich eine Doppelfuge – man hat ihm vorgeworfen, er prästire dergleichen nicht, – aber wie hat er es gethan – ja, das ist unser Beethoven. Ein anderer Chor fiel ein: es scheinen im Werk die Dichtgattungen enthalten zu sein, im ersten Satz das Epos, im zweiten der Humor, im dritten die Lyrik, im vierten (die Vermischung aller) das Drama. Wieder ein anderer legte sich geradezu auf's Loben: ein gigantisches Werk wär' es, kolossal, den ägyptischen Pyramiden vergleichbar. Noch andere malten: die Symphonie stelle die Entstehungsgeschichte des Menschen dar – erst Chaos – dann der Ruf der Gottheit: »es werde Licht« – nun ginge die Sonne auf über den ersten Menschen, der entzückt wäre über solche Herrlichkeit – kurz das ganze erste Capitel des Pentateuchs sei sie. – –
Ich ward toller und stiller. Und wie sie eifrig nachlasen im Text und endlich klatschten, da packte ich Eusebius beim Arm und zog ihn die hellen Treppen hinunter mit ringsum lächelnden Gesichtern.
Unten im Laternendunkel sagte Eusebius wie vor sich hin: Beethoven – was liegt in diesem Wort! schon der tiefe Klang der Sylben wie in eine Ewigkeit hineintönend. Es ist; als könne es kein anderes Schriftzeichen für diesen Namen geben. – Eusebius, sagte ich wirklich ruhig, unterstehst du dich auch, Beethoven zu loben? Wie ein Löwe würde er sich vor euch aufgerichtet und gefragt haben: wer seid ihr denn, die ihr das wagt? – Ich rede nicht zu dir, Eusebius, du bist ein Guter – muß denn aber ein großer Mann immer tausend Zwerge im Gefolge haben? Ihn, der so strebte, der so rang unter unzähligen Kämpfen, glauben sie zu verstehen, wenn sie lächeln und klatschen? Sie, die mir nicht Rechenschaft vom einfachsten musikalischen Gesetz geben können, wollen sich anmaßen, einen Meister im Ganzen zu beurtheilen? Diese, die ich sämmtlich in die Flucht schlage, lass' ich nur das Wort Contrapunkt fallen, – diese, die ihm vielleicht das und jenes nachempfinden und nun gleich ausrufen: o, das ist so recht auf unser Corpus gemacht, – diese, die über Ausnahmen reden wollen, deren Regeln sie nicht kennen, – diese, die an ihm nicht das Maaß bei sonst gigantischen Kräften, sondern eben das Uebermaaß schätzen, – seichte Weltmenschen, – wandelnde Werthers Leiden, – rechte verlebte großthuige Knaben, – diese wollen ihn lieben, ja loben? – –
Davidsbündler, im Augenblick wüßt' ich Niemanden, der das dürfte, als einen schlesischen Landedelmann, der vor kurzem so an einen Musikhändler schrieb:
Geehrter Herr,
Nun bin ich bald mit meinem Musikschrank in Ordnung. Sie sollten ihn sehen, wie er prächtig ist. Innen Alabastersäulen, Spiegel mit seidenen Vorhängen, Büsten von Componisten, kurz prächtig. Um ihn aber auf das Köstlichste zu schmücken, bitte ich mir noch sämmtliche Werke von Beethoven zu schicken, da ich diesen sehr gern habe.
Was ich aber sonst noch zu sagen hätte, wüßt' ich meines Erachtens kaum. –
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