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Die kleinen Bergkraxler in der Schule, und wie die Miezel lernt »Häslein in der Grube«. – Von drei, die einen großmächtigen Hunger haben, und von Frau Enderle, die Rat mit den Kleidern weiß. – Warum die Kleinen sich allein behelfen müssen, und wie Fräulein Bland ihnen beisteht.
Was haben das Lenerl, der Fritz und die Miezel für Augen gemacht, als sie am andern Morgen, geführt von der Großmutter, durch die Straßen der Großstadt wanderten! So etwas hatten sie noch nie gesehen, denn sie waren noch nie aus ihrem kleinen Städtchen in den Bergen herausgekommen. Bisher war ihnen der elterliche Laden mit Büchsen für Kaffee und Zucker, mit Schubladen voll Mehl und Rosinen sowie dem Schaufenster mit den vergoldeten Tassen, dem Mohren und den ausgehängten seidenen Tüchlein als das Höchste erschienen. Und nun diese Schaufenster! Frau Friedemann vermochte die Kleinen kaum vom Fleck zu bringen, und Fritz hatte schon in der ersten Viertelstunde eine große Beule am Kopf, weil er im Eifer mitten in eine dicke Glasscheibe hineinlaufen wollte. Dem Lenerl gefielen die großen Puppen am besten, und der Miezel die Plüsch-Affen und Teddybären. Der Fritz aber schrie laut hinaus, als er eine laufende Eisenbahn sah, die in einem Tunnel verschwand und immer wieder nach einiger Zeit auf der anderen Seite herauskam. Noch wunderbarer aber waren die vielen Autos und Omnibusse, die schrecklich rasch hin und her fuhren, und die Großmutter hatte die größte Mühe, die Kinder oben auf dem Bürgersteig zu halten, denn auf der andern Seite erblickten sie wieder so schöne Sachen, und da wollten sie beständig herüber und hinüber laufen. Todmüde kam Frau Friedemann mit ihnen nach Hause. Es war ihr angst und bange, wie es wohl künftig mit dem Schulweg der beiden Großen gehen würde, da sie doch noch gar keinen Begriff von den Gefahren in einer Großstadt hatten. Der Kindergarten für Miezel war zum Glück ganz in der Nähe.
»Kränk' di nit, Großmutterl, mir komm'n unter kein Fuhrwerk, mir geb'n fein Obacht«, beruhigte Fritz, »Und wenn so ein Schnauferl kommt, so hüpfen wir halt einfach auf die Seite – sixt, so!«
Und der Bub machte in der engen Stube einen Sprung, daß der gedeckte Tisch wackelte und zitterte, und Fräulein Bland ganz erschreckt herüberkam und fragte, ob denn ein Erdbeben gewesen sei. Das freute den Buben furchtbar, und er wollte von neuem »Beben« machen, was die Großmutter ihm aber ernstlich untersagte.
»Dahoam hab' i hüpf'n und springen können, wie i g'wollt hab'«, sagte der Bub erstaunt, unterließ aber dann doch diese geräuschvolle Betätigung.
Lenerl, schon etwas vernünftiger, meinte: »Gelt, Großmutterl, am Anfang gehst du halt noch mit uns, dann wissen wir ganz genau, was wir auf der Straß'n tun dürf'n und was net!«
Das versprach die Großmutter, und die Kinder freuten sich furchtbar auf den ersten Schulgang.
Lenerl und Fritz kamen in die gleiche Klasse. Die Großmutter wünschte es so, weil die Kinder doch noch sehr fremd waren, und der Lehrer sagte, es werde sich wohl machen lassen. Ein halbes Jahr hatten sie schon in Bergwies die Schule besucht, so waren sie bereits über die allerersten Anfangsgründe hinüber. Daß die Kleinen noch keine städtischen Kleider hatten, sondern nur die Tracht von daheim, die sie dort immer getragen, machte der Großmutter viel Kopfzerbrechen. Aber augenblicklich, wo es so große Ausgaben gegeben mit Übersiedlung und Reise, mußte die Großmutter mit Neuanschaffungen noch zuwarten, obgleich sie in der Stille befürchtete, die Enkel möchten ausgelacht werden. Denn schon auf der Straße erregten sie jedesmal Aufsehen in ihren grünen Hütchen mit Adlerflaum, der Fritz mit seiner Joppe und die Mädchen mit ihren Miedern. Die Kinder selber dachten sich weiter nichts dabei, und frohen Mutes wanderten sie an der Seite der Großmutter an dem bestimmten Tage zur Schule. Im Vorübergehen hatte Frau Friedemann die jüngste Enkelin im Kindergarten abgegeben, wo ein freundliches Fräulein sie in Empfang nahm, und wo die Miezel sofort von andern kleinen Mädchen an den Händen gefaßt und in ihren Kreis gezogen wurde.
Als Frau Friedemann mit den zwei Großen in die Klasse eintrat und sie dem Lehrer, Herrn Binder, vorstellte, da lief sofort ein Geflüster durch den ganzen Saal: »Maskenkinder, – seht nur, kleine Masken!«
Da Frau Friedemann auch nicht sofort Ranzen kaufen konnte, so hatten die beiden Tafel und Bücher in ihrem Rucksack, so wie sie's von Hause aus gewohnt waren. Den Lehrer vertrauens- und erwartungsvoll anschauend, standen sie da.
»Was krieg' ich denn da? Zwei kleine Bergsteiger?« scherzte Herr Binder freundlich und gab jedem die Hand.
»Bergkrax'ln tät i scho gern, aber hier gibt's jo koane«, erwiderte Fritz schlagfertig, worauf ein schallendes Gelächter ausbrach. Auch Herr Binder mußte lachen; dann aber sagte er: »Jetzt tut ihr eure Rucksäcke herunter und zeigt mir die Bücher, aus denen ihr seither gelernt habt, und dann setzt ihr euch, – du zu den Mädchen und du, Kleiner, zu den Buben. Vorher aber sagt ihr mir auch, wie ihr heißt.«
»Ich bin das Lenerl vom Kramer, und der hoaßt Fritz«, war Lenerls rasche Antwort, worauf der Lehrer sagte: »Also Fritz und wohl Helene Kramer heißt ihr?«
»Na, na«, beeilte sich Lenerl zu erkläre». »Unser Vater war Kramer und hat 'n Lad'n g'habt. Eigentlich schreib'n mir uns Moosbrugger.«
Wieder schallendes Gelächter in der Klasse, das sich noch verstärkte, als das Lenerl entschlossen den Fritz am Arm packte, der zu den Buben hinüber wollte, und sagte: »Do bleibst, – bei mir bleibst sitz'n! So ist's alleweil gwes'n, und i muß di doch neben mir hob'n.«
Der Lehrer sagte freundlich: »Heute könnt ihr's ja noch so machen, aber von morgen an gehört der Fritz zu den Buben auf die andere Seite hinüber, denn er wird doch nicht gerne haben, daß man ihn für ein Mädchen hält.«
»Jetzt scho will i«, rief der Fritz, riß sich von der Schwester los, und sich ohne weiteres an eine der Bubenbänke hinstellend und den zunächst Stehenden puffend, sagte er: »Mach Platz, du, daß i au hersitzen kann!«
Frau Friedemann hatte sich empfohlen, und der Unterricht begann. Kaum aber hatte Fritz gehört, daß es »schreiben« hieß, und daß die andern ihre Hefte zurechtlegten, da schnellte er auch schon auf und lief zur großen Tafel hin. »Willst seg'n, Lehrer, was i kann?«
Und fest die Kreide in seiner kleinen, braunen Faust haltend, malte er ein i und a neben das andere hin.
Das Lenerl rief ihn laut zurück, denn es hatte gleich bemerkt, daß es hier doch ganz anders als in der Schule daheim sei. Ungern ging der Fritz an seinen Platz und verstand gar nicht, warum wieder ein Gekicher losging und einige sagten: »Jetzt sagt er auch noch zum Herrn Binder ›du‹!«
In ein Heft hatten die beiden noch nicht geschrieben, das nächste Mal sollten sie eins mitbringen, sagte der Lehrer. Im Buchstabieren und Lesen von Wörtern waren die zwei so weit wie die hiesigen Kinder, und in der letzten Stunde, der biblischen Geschichte, wußten sie gar noch besser Bescheid. Ganz geschwind floß die Geschichte von Joseph aus Lenerls Mund; nur verstand niemand so recht ihre Mundart, und wieder lachten die Kinder, und einige sagten: »Was welschen denn die herunter? Die versteht man ja gar nicht!«
Herr Binder verwies diese Reden und sagte: »Wenn ihr nach Preußen kommt, so versteht man euer Schwäbisch geradesowenig wie wir hier das Bayrische der beiden!« Zu diesen gewandt, sagte er freundlich: »Sprecht nur vorerst so, wie ihr es gewöhnt seid, nach und nach werdet ihr dann schon hochdeutsch reden lernen.«
Als die Glocke zum Schluß läutete und Herr Binder draußen war, da drängten sich die andern um die zwei Neuen, die ihnen doch recht wichtig waren. Lenerl und Fritz gaben auch bereitwillig Antwort auf die Fragen der Kinder. Als sie aber ihre Rucksäcke wieder hervorholten und die Bücher hineinpackten, da scholl es durcheinander: »Wo habt ihr denn eure Ranzen?« Als die zwei hierauf keine Antwort wußten, nach gewohnter Weise ihre grünen Säcklein auf den Rücken schnallten und sich auf den Weg machten, da rief es in allen Tonarten hinter ihnen drein: »Rucksäckle!« – »Maskenbüble!« – »Rucksäckle!« – »Maskenmädle!« – so daß die Leute auf der Straße aufmerksam wurden, stehen blieben und, teils lächelnd, teils wohlgefällig den zwei kleinen Gestalten nachsahen.
»Recht aufmerken!« hatte ihnen die Großmutter eingeschärft. Und so gingen sie auch brav Hand in Hand den gewiesenen Weg, schauten bei den Übergängen nach allen Seiten, ob nichts kam, worauf sie dann so schnell als möglich hinübersprangen, und so kamen sie nach ihrem ersten Ausflug in die Welt atemlos, aber ganz vergnügt nach Hause.
Fräulein Bland war gerade da und freute sich mit an dem lustigen Erzählen der beiden. Die Miezel war inzwischen auch heimgekommen und wußte viel von ihren Erlebnissen zu erzählen. Sie konnte schon ein paar Zeilen von dem Lied: »Häslein in der Grube«, wobei sie die Bewegungen machte und sich in Ermanglung von andern Kindern allein im Kreise drehte. »So macht man's, – so macht man's!« sagte sie ernsthaft.
Leise flüsterte Fräulein Bland der Großmutter zu: »Zu herzig sind sie, die drei. Ich wollte, ich müßte nicht hinüber zum Studieren; ich könnte ihnen noch lange zuhören, wenn sie so niedlich plauschen!«
Das Plaudern und Erzählen war ganz reizend eine Zeitlang. Wenn's aber gar so lebhaft wurde und die drei von morgens bis abends mit Ausnahme der Schulstunden Großmutters Stube fast umdrehten, weil sie doch nirgends sonst hinaus konnten, woran die frischen, lebhaften Kinder gewöhnt waren, so machte das die Großmutter, die vorher Ruhe und Stille um sich gehabt hatte, so recht müde. Aber wenn sie zu Fritz sagte: »Kannst du denn nicht einen Augenblick ruhig bleiben?« und er erwiderte: »Nein, Großmutterl, in mir ist's grad, wie wenn a Bua allweil juchhe schreien tat«, oder wenn Miezel beständig hüpfte und Lenerl sang, da konnte sie nichts sagen; denn das waren keine Unarten, sondern Äußerungen des Gewohnten. Man mußte sich eben gegenseitig eingewöhnen.
Frau Friedemann mußte nun auch recht eingehend berechnen, wie der kleine Haushalt einzurichten sei, damit vorerst das wenige Geld, das sie aus den Zinsen ihres sehr kleinen Vermögens bezog, reichte. War's schon knapp für sie und den jahrelang kranken Mann gewesen, so hätte sie ja die Kinder gar nicht aufnehmen können, wenn nicht jetzt im Hintergrund ein Verdienst gewinkt hätte.
Und welch große Eßlust hatten die Kinder! So was von Aufnahmefähigkeit hatte die Großmutter gar nicht gekannt, denn sie und ihr Mann waren stets mit wenig Essen zufrieden gewesen. Nun aber schoben die drei ihren Teller bei jedem Gang zwei- oder dreimal wieder her. »Großmutter, bitt schön, no amol a Supp'n!« – »Großmutterl, – i möcht no an Brei hob'n!« »Und i hob no an großmächtigen Hunger! Bitt schön no um a Brot, aber um den ganzen Laib herum!«
Wenn die Großmutter geglaubt hatte, eine Riesenmahlzeit gekocht zu haben, so war's doch nie genug.
Gebieterisch trat nun auch die Frage der Kleidung heran, denn die Kinder begannen nun doch zu merken, daß sie anders waren als die übrigen, und es kränkte sie, wenn sie verspottet wurden. Fritz kam entrüstet nach Hause und rief: »Net g'falln laß i mir's mehr, daß sie mi weg'n meine bloß'n Knie frozl'n«, und das Lenerl sagte: »Mi lachen's immer aus, daß i koa Ärmelschürzen hob' und koane hängende Zöpf!« Als Fritz einmal mit einem großen Loch am Kopf und an den Jackenärmeln heimkam und heulend erzählte, jetzt habe er sich's aber nimmer gefallen lassen, daß die Kinder »Rucksäckle« und »Maskenkinder« ihnen nachschrien, heute habe er rechts und links um sich gehauen, und er hoffe nur, daß es den Buben und Mädeln recht weh getan habe, – da konnte die Großmutter nichts anderes mehr machen, als zu Fräulein Bland hinübergehen und sie wegen neuer Kleider für die Kinder um ihren Rat zu fragen. Eifrig wurde hin und her überlegt, denn auch Fräulein Bland wußte recht wohl, was sparen heißt. Fertige Kleider zu kaufen, war entschieden zu teuer, und so schlug das allzeit hilfsbereite Fräulein vor, für ein paar Tage eine Näherin ins Haus zu nehmen.
»Das kommt immer noch am billigsten«, sagte sie. »Vielleicht kann ich da und dort auch ein Stündchen mithelfen, – das macht mir Freude, und das Ganze verlegen wir in mein Schlafzimmer. Ich kenne eine Frau Enderle, eine geschickte und nicht zu teure Näherin für Kinderkleider, die auch manchmal für mich arbeitet, und der telefoniere ich gleich. Bei ihrer Pflegetochter, der Marietta, die das große Geschäft hat, lasse ich dann und wann einmal ein Kleid für mich machen. Es ist solch ein nettes, liebes Mädchen, – eine Italienerin von Geburt ... Jetzt aber gehen wir gleich zusammen Stoffe einkaufen. Was die Zutaten anbelangt, Knöpfe, Futter und Faden, das brauchen wir nicht, das findet sich schon in meiner Flickschublade zusammen.«
Das Glück war günstig; Frau Enderle, die Näherin, war zufällig frei, und schon nach ein paar Tagen waren unter ihren fleißigen Händen zwei blaue Mädchenkleider entstanden, die zu den blonden Haaren der kleinen Mädchen recht gut paßten. Für Fritz wurden aus noch vorhandenen Hosen des verstorbenen Großvaters kurze Höslein und ein Wämschen gemacht, und aus einem billigen Wollstoff eine Bluse. Ein alter Mantel von Großmutter gab zwei warme Jäckchen. Lange Strümpfe für Fritz, nach denen er besonders verlangte, zwei einfache Filzhüte für die Mädchen und etliche Ärmelschürzen, wie die andern sie trugen, mußten angeschafft werden, was aber alles gewaltig ins Geld riß.
»Gar nimmer so herzig sind sie wie vorher«, sagte Fräulein Bland bedauernd bei den Anproben. Aber was konnte man machen? Es war einmal nötig gewesen, daß die Trachten beiseite gelegt wurden, und die Kinder fühlten sich jetzt erst heimisch und behaglich. Auch dem Einkauf von zwei Ranzen konnte die Großmutter nicht entgehen, obgleich Fritz gemeint hatte: »Im Rucksack trag' i alles viel leichter«, und obgleich das Lenerl versucht hatte, Bücher und Hefte in einem Päckchen zu tragen, wobei aber das eine Mal ihr Federkästchen, und das andere Mal ihr Rechenbuch herausrutschte und sie beides verlor.
Nun hatte Frau Friedemann ihr neues Amt angetreten, und damit war auch die andere Hausordnung eingeführt worden, die aber naturgemäß viel weniger behaglich war. Mit schwerem Herzen dachte sie daran, daß die Kinder fürder viel allein sein würden, denn die Proben waren zu allen Tageszeiten, und auch zu den Mahlzeiten konnte sie manchmal nicht pünktlich zu Hause sein.
Frau Friedemann hatte einen geordneten Haushalt, und daß der nicht herunterkam, war ihr eine große Sorge. Darum nahm sie das Lenerl vor und besprach sich mit ihr. »Siehst du«, sagte sie, »ich kann in Zukunft nicht mehr alles für euch tun, und ihr müßt jetzt in vielem selber für euch sorgen.«
Sie zeigte dem Lenerl, wie man kehrte, abwischte, den Staub hinaustrug und die Stuben in Ordnung brachte. Sehr gerne tat das Lenerl so etwas nicht, sie war's auch nicht gewöhnt, aber sie wollte es doch immerhin versuchen.
Der Fritz war eher bereit zu diesen Geschäften und sagte: »Großmutter, kannst ruhig fortgehen. I putz die Stiefel und wisch die Stieg'n, und wenn'st willst, tu i au G'schirr abtrocknen.«
Das alles machte der Kleine nun wirklich ganz gut, und er holte auch an Tagen, wo die Großmutter nicht kochen konnte, in einem Einsatz das Essen aus einem benachbarten Wirtshaus. Dann saßen die drei beisammen und ließen sich's schmecken, wobei aber immer das eine das andere ermahnte, gewiß so viel übrig zu lassen, daß die Großmutter noch satt wurde, und dann gingen sie wieder in ihre Schule. Bis sie heimkamen, war die Großmutter da, und man konnte sie fragen und ihr erzählen; sie konnte auch für das Nachtessen sorgen, das meist aus Milch und Butterbrot bestand. Aber nun kam das Traurige an dem neuen Leben: das war, daß Großmutter keinen Abend mehr zu Hause sein konnte, sondern alle Tage bis spät in die Nacht hinein ihrem Beruf nachgehen mußte. Wie schön war seither das Beisammensein am Abend gewesen! Großmutter hatte geflickt und dabei erzählt, wie's war, als die Mutter noch ein Kind gewesen, Großmutter hatte die Aufgaben überhört und schließlich noch ein wenig mit ihrem Kleeblatt gespielt. Das war jetzt alles anders, und die Kinder mußten sich selber unterhalten und die Zeit vertreiben.
»D'rhoam ist wenigstens des Abends immer die Nanderl komm'n mit ihrem Strickzeug«, klagte das Lenerl, und der Fritz meinte: »O mei, jetzt wär's halt doch eineweg an der Zeit, daß die Eltern wiederkehrten und uns holten!«
Leise, ganz leise begann in der Kinder Herzen das Heimweh nach den früheren Verhältnissen. Das merkte Fräulein Bland, und da sie wußte, wie übermächtig das Heimweh zu werden vermag, daß man es gar nicht mehr stillen kann, so gab sie sich alle Mühe, die Kleinen davor zu bewahren und ihnen Freude zu machen. Viel Zeit hatte aber auch sie nicht, doch reichte es an etlichen Abenden, wo sie frei war, daß sie herüberkam, und wenn es auch nur auf ein paar Augenblicke war, so wußte sie doch immer etwas Hübsches für die Kinder.
»Wollt ihr euch meine Ansichtspostkarten anschauen und mir den Pack neue einstecken?«, oder: »Kinder, da bring' ich euch einen ganzen Haufen Kataloge und für jedes eine Schere. Die Bilder könnt ihr mir fein sauber ausschneiden; dann machen wir für Weihnachten für unsere Theaterkinder ein schönes Bilderbuch daraus.« Oder aber: »Kinder, sitzt nicht so langweilig herum, sondern schafft etwas! Du, Lenerl, hol dir dein Strickzeug, und du, Fritz, nimm die Tafel und mal mir was, bis ich wiederkomme. Aber weißt, etwas recht Hübsches, daß ich mich auch daran freuen kann.«
Und der Kleinen schob sie die Baublöckchen hin und sagte: »Miezel, wenn du mir ein Schloß baust mit einer Mauer drum herum, so bekommst du nachher ein gutes Zuckerl, mein herziger Schatz du!« Und sie küßte das Miezel auf den roten Mund, nahm die beiden andern einen Augenblick in ihre Arme, und nachher wußte ein jedes der Kinder, was es zu tun hatte, und tat's mit Eifer und Fleiß.