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Dreizehntes Kapitel

Das Alibi

Monsieur Ermanns hatte seinen kleinen Transport über die Rheider Burg dirigiert. Er wollte dort den Untersuchungsrichter sprechen und hören, welche Aussagen Claus gemacht, mit dessen Vernehmung sich der letztgenannte Beamte zu beschäftigen vorhatte, während der Polizeibeamte mit seinem Gefangenen die Exkursion nach dem Hammer machte. Als Ermanns oben auf dem Edelhofe wieder angekommen war und, das Gebäude umgehend, die vordere Seite des alten Schlosses erreicht hatte, sah er ein ungewöhnliches Leben vor demselben – eine vierspännige Equipage, die ein Detachement berittener Guiden umgab, hielt vor dem Haupteingange.

Der Großherzog war in der Burg. Er hatte eine kleine schwarzgekleidete Dame mitgebracht und dieselbe in das Innere geführt.

Monsieur Ermanns ließ seinen Gefangenen unten in den Korridor bringen und hier abseits bewachen. Er selbst eilte die Treppe hinauf, und als er in den alten Saal trat, welcher von dem Wohnzimmer des ermordeten Grafen nur durch ein paar Räume getrennt lag, sah er Murat in einer Fensterbrüstung stehen, vor ihm den Untersuchungsrichter, den jener am Knopf gefaßt hielt und auf den er sehr eifrig einredete, während der Beamte selber ein höchst bestürztes Gesicht machte, wohl mehr aus Beklommenheit wegen dieser durchlauchtigen Nähe seines Souveräns als aus irgendeinem andern Grunde.

»Ah, Monsieur Ermanns,« rief der Großherzog aus, als er den Polizeimann erblickte; und während er dem verlegenen Untersuchungsrichter sofort den Rücken wendete, fuhr er fort: »Kommen Sie herbei, erzählen Sie mir das – Sie haben den Mörder und der Mörder ist nicht dieser verfluchte Hammerschmied, auf den alles als auf den Schuldigen deutete ...«

»So ist es, Hoheit,« versetzte Ermanns, mit tiefen Verbeugungen näher tretend.

»Und dieser Mensch, den Sie hier verborgen gefunden haben, ist der Sohn des Hauses – ein Herr von ... von ...«

»Huckarde, Hoheit.«

»Huckarde–-richtig!«

»Was in aller Welt hat diesen Bösewicht so tief heruntergebracht, daß er zum Meuchelmörder geworden ist?«

Ermanns zuckte die Achseln.

»Was den Menschen herunterbringt, Hoheit, das Elend!«

»Er hat frank und frei gestanden?«

»In der Tat, er hat alles eingestanden – er gesteht wie – ein Angeklagter der einen Henker neben und eine Folterbank hinter sich sieht, gerade so!«

»Was wollen Sie damit sagen, Ermann«?«

»Daß sein Geständnis etwas Höhnisches, Ironisches hat, etwas Erzwungenes – ich habe schuldige Verbrecher noch nicht so gestehen sehen!«

»Nun, es wird ihm der Hohn schon vergehen ...«

»Der Hausmeister beteuert auf seinen Eid, daß Richard von Huckarde erst am heutigen Tage in die Burg gekommen, daß er früher gar nicht habe hineinkommen können,« schaltete hier schüchtern der Untersuchungsrichter ein.

Während Ermanns sich dem letztern zuwandte und auf dessen Mitteilung augenscheinlich Gewicht zu legen im Begriff war, rief Murat aus: »Der Hausmeister ist ein Mitschuldiger, den man, um sicher zu gehen, gut täte, ebenfalls zu hängen.«

»Es ist freilich sehr möglich,« bemerkte Ermanns, »daß der Mörder einen Zugang zu der Burg gefunden hat, ohne daß dieser Tropf von Hausmeister es merkte.«

»Nun, dem sei wie ihm wolle,« sagte Murat laut, »machen Sie kurzen Prozeß mit dem Schurken, meine Herren. Der Mörder gesteht, ich sehe nicht ein, weshalb nicht binnen wenig Tagen alle Förmlichkeiten erfüllt sein könnten. Ich wünsche das und hoffe innerhalb dieser Frist tut die Guillotine ihre Pflicht an diesem Huckarde!«

»Huckarde?!« rief hier eine wohllautende Frauenstimme erschrocken aus.

Alle wandten sich und erblickten auf der Schwelle der Tür des Saales, welche von des ermordeten Grafen Wohnzimmer herführte, eine kleine schwarzgekleidete schmächtige Dame, die jetzt eilig herantrat.

Es war die Gräfin von Epaville, die bei dem Großherzog am Morgen dieses Tages eine Audienz gehabt hatte und die er selber sich entschlossen nach der Rheider Burg zu geleiten, sowohl aus einer Art menschenfreundlicher Teilnahme für sie, wie in seinem Verlangen, sich dort nach dem Stande der Untersuchung zu erkundigen. Es war natürlich, daß Murat, der durch das Geschenk der Rheider Burg an den Grafen von Epaville unwillkürlich die erste Veranlassung zu dem Tode seines unglücklichen Günstlings geworden war, sich lebhaft für diese Untersuchung interessierte.

»Ew. Hoheit sprachen den Namen Huckarde aus?« rief jetzt Madame d'Epaville aus den Zimmern kommend, wo man sie allein gelassen hatte bei der Leiche ihres Mannes.

»So heißt der Mörder Ihres Gatten, Madame,« antwortete der Großherzog.

»Unmöglich, Hoheit!«

»Er ist der Tat geständig!«

»So ist dies nicht Richard von Huckarde, sondern ein anderer, der den Namen führt ...«

»Er nennt sich Richard von Huckarde,« bemerkte Ermanns, »und wir haben die Identität seiner Person ermittelt.«

»Und der ist geständig, den Grafen ermordet zu haben?«

»Sie hören es, Madame.«

»Es ist unmöglich, Hoheit, ich wiederhole es. Ich kenne diesen Mann ...«

»Sie kennen den Mörder?«

»Er ist nicht der Mörder,« versicherte die Gräfin, »wann ist mein armer Mann ermordet worden?«

»In der Nacht von vorgestern auf gestern!«

»Nun wohl, in der Nacht von vorgestern auf gestern habe ich neben dem Herrn von Huckarde in dem Postwagen gesessen, welcher von Arnheim nach Wesel fährt.«

» Sacré mille tonnerres, die Geschichte verwickelt sich!« rief hier Murat aus.

»Können Sie das eidlich zu Protokoll geben, Madame?« fragte Ermanns.

»Mit zehn Eiden, Monsieur,« beteuerte eifrig die kleine Gräfin.

»So sind wir allerdings auf einer ganz falschen Fährte,« bemerkte der Polizeibeamte.

»Das heißt,« fiel der Großherzog ein, »wenn Madame sich nicht in der Person irrt. Wo ist dieser Mensch?«

»Er wird unten von meinen Leuten bewacht,« versetzte der Polizeibeamte.

»Herauf mit ihm! Lassen Sie ihn heraufkommen; augenblicklich,« rief Murat. »Wir werden sehen, woran wir uns zu halten haben!«

Ermanns eilte hinaus, und nach wenigen Augenblicken vernahm man die Schritte mehrerer Männer im Korridor. Die eskortierenden Gendarmen blieben hier zurück; Ermanns trat mit Richard von Huckarde in den Saal.

Murat hatte unterdes der Gräfin einen Wink gegeben, sich in eine der tiefen Fensterbrüstungen zu stellen, wo sie den Blicken des Eintretenden verborgen war.

Der junge Mann machte dem Großherzoge eine ruhige und fast stolze Verbeugung, welche Murat nicht erwiderte.

»Sie haben den Grafen von Epaville ermordet?« sagte Murat wie drohend ihm entgegentretend.

»Ihre Beamten, Hoheit,« versetzte Richard mit einem fast höhnischen Lippenzucken, »haben in mir den Mörder erkannt.«

»Und Sie gestehen ...«

Richard verbeugte sich.

Murat rief jetzt den Namen der Gräfin. Diese trat einen Schritt vor.

»Herr von Huckarde,« sagte sie, »was in aller Welt kann Sie bewegen ...«

»Madame – Sie hier?!«

»Ich bin's, Herr von Huckarde – hier, zu Ihrem Glücke, Sie spielen ein verwegenes Spiel! Erklären Sie mir ...«

»Es war kein Spiel, Madame – es war mir bitterer Ernst!« sagte Richard zu Boden blickend.

»Dies ist in der Tat der Mensch, welcher Ihr Reisegenosse war in der Nacht, in welcher das Verbrechen begangen wurde, Frau Gräfin?« fragte jetzt Ermanns, da Murat schweigend und mit gerunzelter Stirn auf die Gruppe schaute.

»Von fünf Uhr abends, die ganze Nacht und den folgenden Tag hindurch ist er keinen Augenblick von meiner Seite gekommen,« antwortete die Gräfin.

»Was genau mit der Aussage des Hausmeisters stimmt, daß er erst heute morgen hier eingetroffen,« schaltete schüchtern der Untersuchungsrichter ein.

»Warum belogen Sie die Justiz, mein Herr?« fuhr hier Murat barsch den Gefangenen an.

»Hoheit – ich belog sie nicht, ich erfüllte nur den Wunsch derselben. Sie sah in mir einen Mörder –«

»Sie mußten einen Beweggrund haben zu Ihrem Benehmen.«

»Allerdings mehr als einen.«

»Und diese Gründe waren?« fuhr Murat fort.

»Nehmen Sie an, Hoheit, daß ich das Leben abwerfen wollte, weil das Leben für mich keinen Wert mehr hat.«

»Und was macht Sie so unglücklich?« fuhr Murat in seinem Verhöre fort.

»Ich bin verlassen und arm.«

»Aber ein Mann!«

»Ich glaube, das habe ich gezeigt.«

»Gezeigt, wieso? wann?«

»Ich habe mich Ihrer Guillotine ausgesetzt, um andere davon loszukaufen, die ich für unschuldig halte!«

»Behaupten Sie, die Ritterhausen seien unschuldig?«

»Ja, Hoheit.«

»Und was wissen Sie davon?«

»Ich kenne sie und ich habe diese Ueberzeugung.«

»Ach gehen Sie zum Teufel ... man wird sich viel kümmern um Ihre Ueberzeugung!«

Murat wandte sich ab. Er warf einen fragenden Blick in Ermanns Züge.

»Hoheit,« sagte dieser, »auch ich habe fast diese Ueberzeugung. Den Untergang des alten Huckarde hat uns dieser Herr, sein Sohn, sehr glaublich zu erklären gewußt, und was den Mord des Grafen von Epaville angeht, so ist auch in dieser Beziehung meine anfangs sehr feststehende Ueberzeugung wankend geworden.«

» Sacré mille tonnerres ... das junge Mädchen hat in meiner Gegenwart dem Grafen prophezeit, er werde hier umkommen!« fiel der Großherzog zornig ein, »Wenn das sie nicht verdächtig macht, so habt Ihr Herren von der Justiz eine andere Logik als ich!«

Ermanns widersprach nicht. Er blickte schweigend auf den Untersuchungsrichter.

»Aber meinethalb – vorausgesetzt, Ihr schafft mir den Deserteur herbei,« rief Murat ungeduldig mit dem Fuße stampfend aus. »Wozu bezahle ich Eure Spürhunde? Weshalb bringen sie ihn nicht herbei?«

»Wir haben denselben in den Musterrollen seines Regiments ermittelt. Nach den Angaben des Hausmeisters und der Sibylle Ritterhausen über sein Aeußeres muß es derselbe Mann sein, der unlängst aus Düsseldorf desertiert ist. Er war Sergeant und in Holland angeworben, aber deutscher Herkunft. Sein Name war Johannes Schwarz. So hat er ihn wenigstens eintragen lassen.«

»Da habt Ihr viel!« sagte der Großherzog mit verächtlichem Tone.

»Nun,« fuhr er dann fort, »Monsieur Ermanns, ich gebe Ihnen auf, diesem Herrn, der die Justiz belügt, eine Polizeistrafe zu diktieren. Untersuchen Sie weiter und vor allem, schaffen Sie mir den Deserteur herbei. Adieu ... Wenn es Ihnen gefällig ist, Madame,« wandte er sich dann an die Gräfin, »so bringe ich Sie jetzt zur Stadt zurück.«

»Hoheit haben zu befehlen,« versetzte Madame Henriette sich verbeugend, und der Großherzog reichte ihr den Arm, um sie zum Wagen zu führen.

Die Gräfin verschwand an seiner Seite aus dem Raume, jedoch nicht ohne Richard einen Blick voll Teilnahme zuzuwerfen.

Ermanns wandte sich nun zu diesem, »Sie haben Sr. Hoheit Worte gehört,« sagte er. »Ich bin dadurch gezwungen, Sie auf acht Tage in Polizeiarrest zu schicken. Folgen Sie mir!«

Er ging hinaus und gab draußen einem der harrenden Gendarmen den Befehl, Richard von Huckarde zum Polizeiarrest in der Hauptstadt abzuliefern. Dann kehrte er zum Untersuchungsrichter zurück, um sich mit diesem zu besprechen, Richard wurde die Treppe hinab und im aufwirbelnden Staub des großherzoglichen Cortége zu Fuß nach der Hauptstadt eskortiert. Der gedemütigte junge Mann, der wie ein Vagabund als Polizeiarrestant aus dem Hause seiner Väter abgeführt wurde, folgte in willenloser Niedergeschlagenheit.

Er schritt daher ohne des Wegs zu achten, den er geführt wurde, wie mechanisch Schritt auf Schritt den staubigen trocknen Boden der Straße tretend, die sich hügelauf und hügelab vor ihm dahinzog, bis er an seinem Ziele stand, ohne Bewußtsein, wie er es eigentlich erreicht, ohne klares Gefühl, was es ihm bedeute.

Er erwachte erst aus dieser Lethargie, als er sich inmitten einer seltsamen und unheimlichen Räumlichkeit wiederfand, die höchst melancholischer Art war. Es war eine große, sehr niedrige Kammer, an deren Decke jedes Haupt stieß, welche auf einem mit zuviel Schwungkraft in die Höhe geschossenen Körper saß. Die Fenster hatten mehr Aehnlichkeit mit den Oeffnungen, welche man zum Durchlaß von Licht und Luft in den Ställen der Pferde anbringt, als mit den Glasflächen, welche die Wohnungen sonnenbedürftiger Menschen erhellen. Obendrein waren sie mit eisernen Stangen versehen, über deren Zweckmäßigkeit zwischen denen, welche sich innerhalb dieses Raumes befanden und denen, welche draußen in der Freiheit einhergingen, gewiß eine bedeutende Meinungsverschiedenheit herrschte. Zur Bequemlichkeit der Bewohner waren am obern Ende Pritschen angebracht, schräg ansteigende Gerüste, die im Lauf der Jahre durch den Gebrauch eine so dunkle Tinte und eine so vollkommene, spiegelnde Glätte angenommen hatten, daß sie die Knauserei derer beschämen mußten, welche ein so zahlreich besuchtes öffentliches Lokal ohne polierte Möbel gelassen. Was die Wände anging, so waren sie bloße kalte Kalkwände; aber sicherlich waren sie nur in einem Geiste umsichtiger Humanität nicht mit Tapeten bekleidet; zu dem Ende nämlich, um den hier längere öder kürzere Zeit weilenden Gästen nicht die Gelegenheit zu rauben, auf einer gegebenen weißen Fläche dem Drange ihres schöpferischen Talentes und ihrer künstlerischen Anlagen nachzuhängen. In der Tat waren diese Wände benutzt worden zu einer ganz unzählbaren Menge von Uebungen in den zeichnenden Künsten. Alle diese Kohle-, Kreide- oder Bleistiftzeichnungen jedoch deuteten auf eine große Uebereinstimmung der Phantasie bei den darstellenden Künstlern, aber daneben auf eine große Verschiedenheit der Höhe, welche ihre artistische Ausbildung erlangt hatte. Denn was die Phantasie dieser polizeilich abgewandelten Anch'io sono Pittore angeht, so hatte dieselbe sich immer wieder zweierlei Arten von Stoffen zugewendet, wovon die erstere so war, daß sie ganz eigentlich Gegenstände für Behandlung in einem Raume mit geschlossenen Türen, à huis clos, umfaßte, und daß wir uns enthalten müssen, sie näher deutlich zu machen. Die andere Sorte von Künstlern hatte ein Motiv von mehr tragischer Art benutzt; es war die Darstellung eines hampelmannartigen Individuums, welches man an einen Galgen gehängt hat... ein Stoff, der in hundert verschiedenen Darstellungsversuchen wiederkehrte. Nur hier und dort zeigte sich, daß die Wandlungen der neuesten Zeit auch an diesem Raume nicht vorübergeschritten, ohne ihre Spuren zu hinterlassen. Es tauchte zur Abwechselung zwischen den Galgen eine Guillotine auf. Unzählige Massen von Namen bildeten die Arabeskeneinfassung zu diesen Schöpfungen bevorzugter Geister, die in diesem Saal eine kurze Spanne ihres irdischen Daseins verlebt hatten.

Richard wurde von dem Gendarmen, der ihn geleitet, und von dem Gefängniswärter, der ihn in Empfang genommen hatte, in diesen Raum geführt, wobei der Wärter nach einem forschenden Blick auf seine äußere Erscheinung ihm ankündigte, daß er ihm eine besondere Zelle noch vor Nacht einräumen wolle. Der Aufenthalt in dem großen Saal für alles eingefangene Gesindel sollte nur ein provisorischer sein, sagte beruhigend der Mann, der mit einer gewissen Teilnahme in die stolzen und düstern Züge des neuen Gastes blickte, welchen man für die nächsten acht Tage seiner Obhut übergeben hatte.

Richard verlangte, daß man ihm seinen Koffer aus dem Hause seines Freundes herbeischaffe. Als sich dann die Türen hinter ihm geschlossen hatten, wandelte er mit verschränkten Armen langsam in dem dunkeln Räume auf und ab. Er sah, daß er nur zwei Schicksalsgefährten hatte, zwei ländlich gekleidete Individuen, die nebeneinander auf der Pritsche saßen, und nachdem sie den neuen Ankömmling eine Weile neugierig betrachtet hatten, sich flüsternd zusammen unterhielten.

Eine Viertelstunde lang mochte Richard so hin und her geschritten sein, als die Ermüdung, welche er im Anfang nicht beachtet hatte und die nach all seinen Wanderungen am heutigen Tage sehr erklärlich war, ihn zwang, sich niederzulassen.

Er setzte sich auf eine Ecke der Pritsche, entfernt von den zwei flüsternden Männern.

Ohne auf ihr Gerede zu hören, vernahm er doch einzelne Worte ihres Zwiegesprächs, und plötzlich blickte er überrascht auf und beobachtete sie – er hatte den einen dieser Männer den Namen: Mamsell Ritterhausen aussprechen gehört.

Bei dieser plötzlichen Aufmerksamkeit des neuen Ankömmlings auf ihr Gespräch hörten beide zu reden auf und sahen Richard an.

Es war Abend geworden und in dem Polizeigefängnis zu dunkel, um das Aeußere der beiden im Hintergrunde hockenden Gesellen genau zu erkennen. Nur so viel nahm Richard wahr, daß der eine der zwei ein häßlicher Strolch mit einer plattgedrückten breiten Nase und einem auffallend großen Munde war. Der andere sah besser gekleidet und reputierlicher aus; seine Züge schienen feiner und bleicher, als man sie bei Landleuten zu finden pflegt, und seine Augen leuchteten eigentümlich hell und lebendig durch die Dämmerung. In Richard tauchte eine Erinnerung auf... es war ihm, als habe er diesen Menschen mit den leuchtenden Augen schon früher gesehen; er wühlte in seinem Gedächtnis und dabei kam ihm bald der Umstand zu Hilfe, daß die zwei Gefangenen jetzt wieder ihre Unterhaltung begannen und daß die Stimme des Mannes mit bekannten, wenn auch lange nicht vernommenen und aus seinen fernen Kinderjahren herüberklingenden Tönen sein Ohr berührte.

»Berend,« sagte er plötzlich laut und sich ihm zuwendend »seid Ihr es nicht – der Spielberend?«

»Spielberend heiße ich bei den Leuten, wenn ich mich auch nicht so schreibe, Herr,« antwortete der Mann; »und der hier neben mir sitzt,« fügte er hinzu, »das ist der Lügenschuster Matthias von Hebborn, wenn Ihr den kennt. Und da wir so daran sind, Bekanntschaft zu machen, wer seid Ihr denn, Herr?«

»Spielberend,« wiederholte Richard, »also Ihr wandelt noch immer umher mit Eurer Geige und jagt den Kindern Furcht ein, wie Ihr es mir einst getan habt – wie oft! Nun, das ist vorüber, und ich will Euch gern sagen, wer ich bin,« setzte er trübe lächelnd hinzu, »denn Furcht habe ich keine mehr vor Euch wie damals, als ich Reißaus nahm, sobald Ihr den Bergweg heraufgeschlendert kamt mit Euerm Geigensack, von dem wir Kinder glaubten, daß neben der Geige irgendein kleiner Teufel darin stecke. Ich bin Richard von Huckarde!«

Die beiden Männer stießen gleichzeitig einen Ruf der Verwunderung aus und fuhren von ihren Plätzen empor, um an Richard heranzutreten und ihm die Hand zu schütteln und ihn mit ihren Fragen zu umdrängen, woher er komme, welches Schicksal ihn in der Fremde getroffen und wie er nun gar an diesen Ort geraten!

Richard gab kurze Auskunft, soviel ihm gut schien.

»Aber daß ein solcher feiner Herr hierher gebracht wird!« rief der Schuster aus ... »denn wenn's auch keine Schande just nicht ist, es kann ja auch einem ehrlichen Kerl passieren, wie dem Berend und mir, bloß weil sie jetzt allerhand neue Gewerbegesetze und Polizeiverordnungen machen, von denen in der guten alten Zeit niemand nichts wußte und womit sie jetzt die Leute drangsalieren, so daß man, ehe man sich's versieht, eingespunnt sitzt und kommt in Verlust und Schaden und verliert seine Kundschaft, die man acht oder gar vierzehn Tage lang nicht bedienen kann, und das um weiter nichts, als weil man's nicht richtig gemacht hat mit dem Maire und dem Receveur, und was da nun alles einem armen Teufel an seine paar sauer verdienten Stüber will; und darum sage ich, eine Schande ist's just nicht in der heutigen Zeit, aber verwundern tut es einen doch, von einem feinen vornehmen Herrn ...«

Richard hielt es nicht für nötig, den Lügenschuster diesen langen Satz zu Ende führen zu lassen; er unterbrach ihn mit den an Spielberend gerichteten Worten: »Es verlohnt nicht der Mühe, davon zu reden, wie ich hierher gekommen bin; Ihr könnt immerhin annehmen, daß an meinen Pässen und Papieren etwas gefehlt habe – sagt mir, was Ihr vorhin von Mamsell Ritterhausen sprachet.«

»Ich weiß nicht, Herr,« versetzte Spielberend »ob Ihr von allem unterrichtet seid, was in den letzten Tagen vorgegangen ist in dem Hause, welches einst das Eurige war ...«

»Ich weiß alles, Berend, darum redet!«

»Nun seht, so wißt Ihr auch, daß Herr Ritterhausen, und seine Tochter in Verdacht sind, und daß diese Franzosen sich in den Kopf gesetzt haben, von dem Rheider Hammer aus müßte der Streich geführt worden sein, der den fremden Grafen aus der Welt geschafft hat.«

»Ich weiß es, Berend. Was weiter?«

»Nun, weiter sagt' ich nichts zu meinem Freunde, dem Lügenschuster hier, als daß die Franzosen gar dumm sind: denn wären sie nicht dumm, so hätten sie längst sich gesagt, daß ein Mann ist im Lande der Berge, der mehr weiß und mehr sieht als sie alle miteinander, und sie wären gekommen und hätten den Mann gefragt, und er würde ihnen gesagt haben, was für ein Messer das gewesen ist, das den toten Grafen kalt gemacht hat. Auf dem Rheider Hammer ist es nicht geschmiedet, das Messer, das versichere ich Euch, Herr!«

»Ihr versichert es, Berend ... und da Ihr jawohl selber der Mann seid, von dem Ihr sagt, daß er mehr weiß und sieht als andere Leute, so hoffe ich, Ihr haltet gegen mich nicht hinter dem Berge mit dem, was Ihr von der Sache erfahren habt.«

»Erfahren? Nun, wenn Ihr's erfahren nennen wollt, Herr, so bin ich damit zufrieden, weil Ihr es seid, Richard von Huckarde, den ich von klein auf gekannt habe, und der, wenn er auch von Natur und Rechts wegen ein vornehmer Herr ist, doch niemals stolz war gegen unsereinen, und auch heute noch nicht – besonders,« setzte Spielberend mit listigem Augenblinzeln hinzu, »wo man so gemütlich mit ihm zusammen ist wie hier in dieser angenehmen Gesellschaft, zu der uns die Herren Franzosen zusammen geladen haben! Und so sage ich Euch, Herr, daß ich etwas davon erfahren habe. Denn es ist in der Nacht passiert, und wenn ich auch nicht dabei gewesen, Gott bewahre meine Seele, so weiß ich doch, wie es ist zugegangen, und wie der Deserteur aus seinem Versteck, das die Mamsell Ritterhausen ihm gewiesen hatte, ist hervorgekommen und ist an des Grafen Bett getreten und hat davor gestanden und hat ihn betrachtet, wie er dagelegen in seinem Schlaf, und der Deserteur hat dabei allerlei böse Gedanken gehabt in seinem tückischen Kopf. Denn die beiden, müßt Ihr wissen, Herr, waren alte Bekannte, der Deserteur und der Graf, und hatten schon einmal miteinander zu tun gehabt, um ein Weibsbild, mein' ich, ist es gewesen, oder welchen Span sie sonst miteinander mögen gehabt haben. Wie nun der Deserteur so dasteht und denkt, soll ich jetzt dich kalt machen oder soll ich es nicht, da wacht plötzlich der Graf auf. Und weil er ein Licht hat vor seinem Bette brennen lassen, erkennt er den Johannes – Johannes Selke hieß der Mann mit seinem richtigen Namen – erkennt er gleich sein Gesicht, und da hat er einen Todesschreck bekommen und hat nach einem Messer oder Dolch, den er auf seinem Tischlein vor dem Bett liegen gehabt, gegriffen, und ist aufgesprungen und hat dem Selke das in den Hals stoßen wollen. Der Selke aber nicht faul, faßt des Grafen Arm, und nun ringen sie und der Selke erhält mit dem Messer eins in die Rippen, bekommt aber gleich darauf das Messer zu packen und sticht den Grafen damit in die Brust, daß er rücklings überstürzt auf sein Bett zurück. Und da faßt der Selke ihn an die Gurgel und stranguliert ihn mit der Faust, bis er hin ist und kaput!«

»Und der Mörder?« rief hier Richard, der atemlos vor Spannung dieser Erzählung gelauscht hatte, aus.

»Der Johannes? Der macht sich sacht sogleich aus dem Staube, hinten zum Turm hinaus, wo er die Tür leichtlich von innen aufmachen kann; denn das Schloß schließt schon lange nicht mehr und es ist nur ein alter Riegel noch da ...«

»Und alles das, Berend,« fiel Richard ein, »wollt Ihr erfahren haben durch Eure Spukseherei?«

Der Lügenschuster lachte hier.

»Spukseherei!« sagte er. »Wollte Gott, es wäre bloßer Spuk gewesen!«

Berend schwieg. »Um des Himmels willen, Mensch, woher habt Ihr dies alles,« fuhr Richard den Spielmann noch einmal an, »und wenn Ihr es wißt, daß der Mörder und sein Opfer seit früher Feinde waren, weshalb gebt Ihr es dem Gerichte nicht an?«

Spielberend wandte sich ab.

»Alles zu seiner Zeit, Herr,« sagt« er. »Erst sollen sie mich loslassen aus dieser Prison, und dann ...«

»Dann?«

»Dann will ich sehen, ob es so weit ist!«

»So weit – wie weit? Wohin wollt Ihr es kommen lassen? Bis die Ritterhausen schimpflich verurteilt sind und vor der ganzen Welt als Mörder dastehen?«

»Es wird ihnen nicht gleich an den Kragen gehen, Herr.« versetzte Berend, »und dem Herrn Ritterhausen schadet's vielleicht auch nicht, wenn sie ihn ein wenig drangsalieren – ich denke mir, er wird davon etwas höflicher und demütiger werden, als seine Manieren nun sind.«

»Berend,« fuhr Richard zu sprechen fort, »Ihr habt ein paar Männer vor Euch, glaub' ich?«

»Das soll heißen, Herr?« fragte der Spielmann.

»Männer,« versetzte Richard, »und keine Kinder, die sich Märchen aufbinden lassen. Oder meint Ihr, der Schuster Matthias hier glaube Euch, wenn Ihr sagt, Ihr hättet alles das, was Ihr erzählet, durch Euer zweites Gesicht, Eure Spukseherei erfahren?«

»Das glaubt der Schuster von Hebborn nicht,« sagte Matthias spöttisch.

»Und daß ich es nicht glaube, davon werdet Ihr, denk' ich, selber überzeugt sein, ohne daß ich's Euch lange sage! Also, Berend, rückt heraus damit! Gebt es offen an: woher habt Ihr das, was Ihr wißt.«

»Was ich weiß?« antwortete der Spielmann. »Weiß ich denn etwas? Ihr glaubt mir ja, nicht, sagt Ihr. Du nicht, Lügenschuster, und Ihr nicht, Herr von Huckarde. Warum redet Ihr denn von dem, was ich weiß?«

»Weil Ihr das, was Ihr erzähltet, mit dem Tone bei Wahrheit vortrugt. Weil es Euch selbst grauste bei dieser nächtlichen Szene voll Grausamkeit, Mord und Blut, die Ihr schildertet. Weil Eure Augen dabei sprachen wie Euer Mund. Und darum sprecht, sprecht, woher wißt Ihr es?«

»Nun,« sagte Spielberend, und dabei lachte er in ziemlich roher Weise laut auf, »ich weiß es aus der besten Quelle!«

»Das heißt von dem Elenden... dem Mörder?«

Spielberend nickte bloß

»Vom Johannes? Von dem Mörder? Und der hätte sich also nicht geflüchtet – den hättet Ihr nach der Tat noch gesprochen?«

»So ist es,« sagte Spielberend. »Der Johannes ist ein seltsamer Kauz und wenn man ihn reden hört, denkt man nicht daran, was er getan hat, sondern man denkt, er ist doch ein armer Schelm, der viel Unglück gehabt hat und viel Unrecht gelitten, und was er begangen, das kommt einem dann so natürlich vor, als könnte er trotz alledem von Stund' auf doch noch in den Himmel kommen und einfahren in die ewige Seligkeit. Nun, Gott wird's am besten wissen, wo er ihn hintut, und vielleicht ist das jetzt, wo wir davon reden, schon fertig und abgemacht, denn ich glaube, Herr, er ist tot.« »Er ist tot? An der Wunde, welche er erhalten?«

»An der Wunde. Es war keine Kleinigkeit, Herr, es war ein schlimmer Stoß, den er bekommen, so recht in die linke Flanke hinein; und als ich mit dem Manne sprach, da, glaube ich, war er dabei, sich innerlich zu verbluten.«

»Und wo spracht Ihr ihn, Berend?«

»Ja seht, Herr, es kam so. Es war gestern morgen, in der Frühe, wo die Leute noch am Dreschen sind, und noch keine Seele nicht draußen ist auf den Feldern und Aeckern, denn die Pferde fressen ihren Morgenhafer und unter den Kühen sitzen die Mägde in den Ställen und melken. Da gehe ich geruhig vom Hause aus, durch die Dornberger Wiesen; ich wollte nach Hilleswagen, wo gestern Kirmes war und wo ich aufspielen sollte und wo ich auch aufgespielt habe mit meiner Geige, bis daß die Gendarmen kamen und nach meinem Gewerbeschein fragten und mich hierher in die Prison brachten. Nun also, wie ich so durch die Dornberger Wiesen gehe und komme an die rote Heuscheuer, die mitten drin auf dem kleinen Bühel liegt – wenn Ihr die Gegend kennt, Herr – da höre ich ein wunderlich Gestöhne und Geseufze darin, in der Scheuer, und so gehe ich näher und lege mein Ohr an die Wand und nun höre ich richtig eine Menschenstimme drin seufzen und jammern, daß ich denke, es liege irgendein Zigeunerweib drinnen im Heu, die sich just anstrengt, der Welt ein funkelnagelneues Strölchlein zu schenken. So gehe ich um die rote Scheuer herum bis auf die Seite, wo die Tür ist, und stecke meinen Kopf hinein, und da höre ich sagen: Wer ist da? Ist da jemand? Ich denke, die Stimme kennst du, und so gehe ich näher, und da finde ich in das Heu eingewühlt meinen Deserteur, den Johannes, mit einem Gesicht so bleich wie der Tod ...«

»Kanntet Ihr ihn denn?« unterbrach hier Richard die Erzählung.

»Freilich kannt' ich ihn; er hatte sich schon früher, dazumal, wie er von den Soldaten weggelaufen war, an mich gehängt und hatte partout von mir einen Rat haben wollen, wo er bleibe und sich verstecke, denn über die Grenze, ins Preußische hinein, wollte er nicht, da kannten sie ihn wohl schon von früher her, und er mochte vor dem Willkomm bange sein, den er drüben finden werde. Also da finde ich ihn in das Heu versteckt und mit einem Gesicht guckt er mich an, nun, ich kann es Euch nicht sagen, wie; denn Ihr, Herr, kennt solche Gesichter nicht: aber ich, ich kenne sie und habe mehr damit zu tun, wenn auch just nicht bei Tage und hellem Sonnenlicht. Und so sage ich: Was, seid Ihr es, Johannes? Und wie kommt Ihr hierher, in die rote Scheuer, mit Euerm Gestöhn?

»Er aber sagte nichts als: Holt mir Wasser, Spielmann, holt mir Wasser, ich bitte Euch um Gottes willen.«

»Wasser?« – darum habt keine Sorge, wenn es auch ein bißchen braun ist und nach Torf schmeckt in den Wiesengraben, sage ich, und so gehe ich und hole ihm Wasser in meinem Hut. Das trinkt er in sich hinein wie ein Sandhügel, sag' ich Euch, Herr; und dann frag' ich: Aber nun redet, Johannes, was stöhnt Ihr und was ist Euch widerfahren?

»Ich habe den Tod in den Eingeweiden,« sagt er – »der Graf von Epaville hat's mir angetan, da seht her« – und so zeigt er seine Seite, und ich versichere Euch, Herr, sie sah übel aus!

»Johannes, sag' ich, ich will ins nächste Dorf gehn, zum Vorsteher, daß er Euch holen läßt und daß Euch ein Doktor oder Feldscher in die Kur bekommt. Aber er will nichts davon hören; laßt mir den Doktor und den Vorsteher weg, stöhnt er, die können mir doch nichts mehr helfen, ich will nichts von ihnen wissen. Bleibt Ihr bei mir, Spielmann, und holt mir noch einmal Wasser.

»So ging ich abermals ihm Wasser holen, und danach mußt ich bei ihm im Heu sitzen und da hat er mir alles erzählt, ganz der Reihe nach; und wie ich's Euch vorhin gesagt habe, daß es gekommen ist. Auch daß er eigentlich Johannes Selke heiße und schon früher allerlei auslaufen lassen, was nicht wohlgefällig macht bei Gott und den Menschen. Schwarz hat er sich genannt gehabt in der Regimentsliste, aber von Hause aus hat er Selke geheißen. Zwei, drei Stunden habe ich bei ihm gesessen, und es ist nicht besser und auch nicht viel schlimmer mit ihm geworden; und so kommt endlich ein Schäfer mit seinen Schafen in die Wiesen bei der roten Scheuer und dem habe ich gewinkt und habe ihm gesagt, wie daß ein Mann auf den Tod läge in dem Heu und daß er nach ihm sehen solle; und der Schäfer ist auch hineingegangen und hat ihn gleich besser verbunden, als er selbst und ich es verstanden. Und dann habe ich es dem Johannes versprochen, daß ich den Abend desselbigen Weges zurück daherkommen wollte und nach ihm sehen würde. Und so bin ich endlich weiter gegangen, meinem Geschäft nach, gen Hilleswagen; für das Wiederkommen aber haben die Gendarmen gesorgt, die mich mitgenommen haben, hierher – und nun wißt Ihr alles. Aber vor den Gerichten sage ich nichts aus, bis ich wieder frei bin und sehen kann, ob der Mann tot ist. Daß ich gehen und ihn bei Gericht angeben sollte, dazu hat der Johannes mir's nicht erzählt!«

Richard von Huckarde schwieg nach dieser Erzählung des Spielmanns. Er hatte während derselben seinen Entschluß gefaßt.

Als nach einer Weile der Gefängniswärter kam, um ihm ein anderes Lokal, eine Zelle für ihn allein, anzuweisen, drückte er diesem ein Geldstück in die Hand und bat ihn, ihm Schreibzeug und Papier und Licht zu bringen. Der Mann verschaffte ihm das Gewünschte augenblicklich, da es nicht gegen das Reglement eines Polizeigefängnisses verstieß, und Richard setzte sich auf seinen Strohstuhl, um sofort einen langen Brief an die Gräfin von Epaville zu schreiben.

Die Gräfin erhielt noch an demselben Abend den Brief Richards. Mit der Enthüllung, daß der Deserteur Johannes Selke heiße, ward der Mord ihres Gatten alles Rätselhaften für sie entkleidet. Sie wußte, daß dieser Mensch ihm den Tod geschworen, weil Graf Antoine vor Jahren, als er sich am Hofe seines Oheims, des Herzogs von Anglure, aufhielt, den bittersten Haß des Mörders sich zugezogen hatte.


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