Levin Schücking
Eine dunkle Tat
Levin Schücking

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Zehntes Kapitel

In der Residenz war wieder der Abend einer glänzenden Fete gekommen. Auch der Kurfürst verherrlichte sie durch seine Anwesenheit. Aber obwohl sonst diese imposante Gestalt jedesmal eine ehrfurchtsvolle und aufmerksame Stille verbreitete und seine Umgebung die unverkennbarsten Zeichen zu geben sich bestrebte, daß sie mit dem Glanze seiner Erscheinung, dem tiefen Geiste seiner ernsthaften Bemerkungen und dem schlagenden Witze seiner Scherze viel zu sehr beschäftigt, entzückt, elektrisiert sei, um noch für etwas andres Sinn zu haben, so bemerkte Klemens August heute doch bald, daß eine außergewöhnliche Bewegung in der Gesellschaft herrsche.

Eine starke Gruppe hatte sich ihm gegenüber am andern Ende des Saales gebildet. Damen und Herren, die im eifrigsten Gespräche sich um Herrn von Kraneck den jüngern, den Kammerherrn, drängten. Der Kurfürst erhob sich von seinem Fauteuil und, obwohl die schmeichelhafte französische Phrase, welche die ihm zur Seite sitzende verwitwete Erbküchenmeisterin sagte, ohne Zweifel sehr viel Wahres und Neues enthielt, konnte er sich doch nicht enthalten, ohne sie zu Ende zu hören, jene Gruppe zu vermehren. Unerhört! Nur die Nächsten nahmen im ersten Augenblicke die Durchlaucht wahr und traten zur Seite, die andern schwatzten fort, bis plötzlich die wohlbekannte tiefe, noch den Dialekt der bayrischen Heimat verratende Stimme des Fürsten ein augenblickliches Verstummen und Zusammenfahren bewirkte.

»Nun, was habt's hier? Herr von Schemmey, Sie sind halt so übermäßig lustig, daß Sie gewiß irgendeine eklatante Niederlage erlitten haben!«

Alles lachte, und Herr von Schemmey versetzte etwas, das man nicht recht verstehen konnte; Herr von Kraneck nahm darauf das Wort und berichtete, was schon den ganzen Abend die Gesellschaft so ungewöhnlich in Anspruch nehme. Er hatte einen Brief von seiner Mutter empfangen, mit der unbegreiflichsten, seltsamsten, alle Teilnehmenden betrübendsten und doch ergötzlichsten Nachricht von der Welt. Das eines schönen Morgens so rätselhaft verschwundene Stiftsfräulein von Plassenstein war eines schönen Abends wieder aufgetaucht auf dem Schlosse Hohenkraneck, wo niemand anfangs hatte ausdenken können, was sie da zu suchen habe. Dies aber war der Briefstellerin nur zu bald klar geworden; es war nichts andres als eine höchst unvernünftige, höchst gewissenlose, höchst strafbare Leidenschaft zu einem jungen Menschen, dem Sohne einer ehemaligen Gutsverwalterin, der mit seiner Mutter in einem Häuschen des Dorfes Kraneck wohne. Fräulein von Plassenstein war einem Roturier der untersten Klasse nachgelaufen!

Obwohl die Umstehenden diese kuriose Nachricht sich jetzt schon zum zehntenmal bis in die genauesten Details, die Herr von Kraneck nur anzugeben vermochte, hatten vorerzählen lassen, so verfehlte sie doch nicht, noch einmal den größten Eindruck auf den ganzen Kreis auszuüben. Der Kurfürst, welcher sah, daß man gewiß schon die allermannigfachsten Aeußerungen, Glossen und Bemerkungen darüber gemächt habe, fühlte die ganze Wichtigkeit des Augenblicks, wo es für ihn darauf ankam, auch etwas zu sagen, das doch nicht schon gesagt sein durfte, was sich für einen Kurfürsten nicht geschickt hätte. Deshalb, als er sah, daß die andern ein ernstes und höchst wichtiges Gesicht über diesen unerhörten Fall machten, nahm er ein lächelndes an und sagte: »Was ist's halt! Die Männer machen oft tolle Streiche; sollen es die Damen nicht auch einmal?«

Diese Bemerkung war an diesem Abende noch nicht gemacht worden und gewiß geeignet, die überaus große Heiterkeit hervorzubringen, welche ihr auf der Stelle folgte.

Der Kurfürst sah nun nicht ein, weshalb er nicht in diesem Tone fortfahren solle und richtete die nächsten seiner scherzhaften Worte an Herrn von Schemmey, welche, da sie nicht sehr zart waren, diesen endlich in einen Zustand der wütendsten Aufregung brachten. Er entfernte sich, ließ Herrn von Kraneck aus der Gesellschaft rufen und zog ihn zum Hause hinaus.

»Sie müssen mich begleiten,« sagte er, »ich will auf der Stelle zum Schlosse Ihrer Eltern. Kommen Sie mit mir, Sie sollen Zeuge sein, wie ich mich rächen will; sie soll sich bis ins Innerste ihrer Seele schämen!«

Dem Kammerherrn von Kraneck war dieser Vorschlag ganz willkommen; es war ein Abenteuer, das ihn noch einen Abend zum glücklichen Löwen der Gesellschaft machen konnte. So eilten beide nach ihren Wohnungen, um satteln zu lassen, und eine Stunde später trabten sie, nur von Peter, dem Stallmeister, begleitet, zum Tore hinaus.

Katharinens Verweilen auf Hohenkraneck war durch den Umstand veranlaßt, daß die alte Margret krank geworden war und in wirren Phantasien lag; man hatte einen Notar kommen lassen, um ihr Zeugnis aufzunehmen, mußte aber von Tag zu Tag abwarten, bis ihr Fieberanfall sich gebrochen habe. Dabei war es nicht möglich gewesen, die gastliche Schloßherrschaft länger im Dunkel über alle Umstände zu lassen, die Katharina hergeführt hatten. Sie war es ihrem Rufe schuldig, der Frau von Kraneck endlich – nachdem aber jener Brief an den Kammerherrn längst abgesandt war – eine rückhaltlose Offenheit zu zeigen; diese weihte ihren Gemahl und dieser sogar den treuen und teilnehmenden Vikar in das Geheimnis ein. Die guten Leute waren nicht wenig erstaunt und erfreut, wie sie auch nicht unterließen, ihren Abscheu gegen Margret in harten Ausdrücken an den Tag zu legen. Ganz besonders freute es sie, daß sie gegen Bernhard immer so aufmerksam gewesen seien und Jetzt keineswegs dem Reichsfreiherrn von Schemmey beschämt gegenüberzustehen brauchten. Frau von Kraneck behauptete auch, sie habe es gleich gemerkt, daß dieser nicht de basse extraction sein könne; sie habe es auch oft gesagt, was Herr von Kraneck aber niemals gehört hatte, gewiß, weil er fast immer so nachdenklich und zerstreut zum Fenster hinausschaute.

Man kann sich nun die Ueberraschung der sämtlichen Bewohner des Schlosses Hohenkraneck denken – auch Bernhard war gebeten worden, sein früheres Zimmer wieder als das seine anzusehen, –, als eines Tages ein Paar Kavaliere auf dem Hofe hielten und gleich darauf ungestüm über die Stiegen heraufeilten, die sich als niemand anders erwiesen, denn Herr von Kraneck der jüngere und Katharinas Anbeter aus der Residenz. Der erstere warf sich in die Arme seiner Eltern und stellte dann Herrn von Schemmey vor, der erhitzt und im höchsten Grade aufgeregt aussah. Es war ein höchst peinlicher Moment; Herr und Frau von Kraneck zeigten bei der Vorstellung ihrem Sohne ein zweifelhaft fragendes Gesicht, Katharina war sich eines Unrechts gegen den Ankommenden bewußt und kam aus der Fassung; dieser selbst fühlte sich verlegen, als er der letztern Aug' in Aug' gegenüberstand. Bernhard aber war aufgesprungen und maß, todbleich vor Zorn, den Eindringling, der ihn gar nicht sah. Ein Glück, daß Herr Gerhards, der immer in seinem Leben gerade auf das Ziel gegangen, da war. Er blickte erstaunt einen nach dem andern an, und als keiner zuerst das Wort nehmen wollte, näherte er sich dem Fremden und faßte ihn plötzlich mit einer sehr breiten und sehr kräftigen Hand an dem gestickten Rockkragen.

»Herr!« sagte er, »wer sind Sie? Sie sind ja ein sauberer Gesell! Sie stehlen Papiere, Herr!«

Der Angegriffene trat einen Schritt zurück: »Mensch, was wollen Sie? Herr von Kraneck, ich verlange Genugtuung für den Schimpf, der mir in Ihrem Hause widerfährt!«

»Ich bedaure,« sagte der Gutsherr mit einem verlegenen Lächeln, aber der Vikar ließ ihn nicht aussprechen; es war das erstemal in seinem Leben, daß seine schlummernde Galle aufgeregt worden, und sein Zorn war deshalb nichts weniger als leicht zurückzuweisen. »Herr,« fuhr er fort, »sind Sie Herr von Schemmey? Herr von Strauchdieb mochten Sie wohl sein, aber –«

Bernhard schob ihn in diesem Augenblick mit einem »Schweigen Sie!« zur Seite und nahm das Wort: »Mein Herr, Sie haben sich auf eine Weise in Besitz von gewissen Urkunden gesetzt, die mir gehören, daß ich nicht weiß, welche Rechenschaft ich von Ihnen verlangen soll und ob es mir erlaubt ist, diejenige zu fordern, die man nur von Männern von Ehre annimmt.«

»Sie verderben alles!« rief Katharina aus.

»Das ist der Reichsfreiherr von Schemmey!« sagte Herr von Kraneck, auf Bernhard deutend und näher tretend; »wir haben die unzweifelhaftesten Beweise, daß Sie den Namen widerrechtlich usurpieren, und begreifen weder Ihre Handlungsweise, noch was Sie hierher führt.«

Der so von allen Seiten Bedrängte stand wie vernichtet; mit einem klagend flehenden Blick sah er in Katharinas Antlitz, und als auch dies keine Spur von dem Erbarmen zeigte, zu dem er sich jetzt in seiner Herzensangst hätte flüchten mögen – mit welchen feindlichen Plänen er auch gekommen war –, so wankte er zurück, warf sich auf einen Stuhl und rief schwer atmend: »Lassen Sie mich nur zu Worte kommen! Fräulein von Plassenstein, ist dies alles wahr? O, sprechen Sie ein Wort, halten auch Sie mich für einen Betrüger?«

»Ich hoffe, ich wünsche mindestens, daß Sie ehrlich genug sind, nicht länger Ansprüche zu machen, die einem andern seine heiligsten Rechte nehmen.«

Der falsche Herr von Schemmey hatte sich wieder insoweit gefaßt, daß er recht wohl bemerkte, wie Katharina zaghaft und in höchster Unruhe diese Worte stotterte; dies ermutigte ihn, und er erhob sich, um mit ruhiger Stimme zu sagen: »Ich sehe Ihnen allen an, daß Ihre Beweise nicht viel wert sind und daß der Besitz der Urkunden, die der Zufall mir in die Hände spielte, mich dreist abwarten lassen kann, welche Schritte Sie gegen mich zu nehmen vorhaben. Dies ist mir von einem außerordentlichen Troste.«

Er machte eine Pause, in der Herr Gerhards sich an die Tür stellte und sie mit der Breite seines Rückens deckte, um dem Feinde die Flucht abzuschneiden.

»Denn,« fuhr jener fort, »ich habe jetzt um so eher Hoffnung, daß Sie der Rechtfertigung meiner Handlungsweise, die ich mir und Ihnen schuldig bin, den Glauben beimessen werden, der mein einziger Trost in dieser Klemme ist, worin das, was ich selbst Leichtsinn nennen muß, mich gebracht hat. Hören Sie mich: Ich bin unter dem Namen St. Pond in einem Pariser Findelhause erzogen worden, ohne je eine Andeutung über meine Herkunft erhalten zu haben, außer daß man mir oft sagte, nach meinem blonden Haare und meinem ganzen Wesen müsse ich aus deutschem oder bretagnischem Blute stammen. Auch fühlte ich schon als Knabe eine besondere Vorliebe für Deutschland, und als ich den Rest einer bedeutenden Geldsumme, die mit mir in dem Findelhause deponiert war, ausgezahlt erhielt, wandte ich mich nach Deutschland, um mir eine Kornettstelle in der P***schen Armee zu erkaufen. Meine Tauglichkeit für den Dienst verschaffte mir bald die Beförderung zum Leutnant. Als solcher ward ich zu einem Werbekommando in dieser Gegend beordert. Hier – es mußte nicht fern von diesem Schlosse sein – stieß ich auf einen Burschen, der zum Soldaten wie geschaffen schien; ich ließ mich auf Unterhandlungen mit ihm ein und fand bei ihm Briefschaften, durch die sich der Besitzer als Erbe eines Namens und eines Vermögens legitimieren konnte, zwei Dinge, die mir gerade das Wünschenswerteste auf der Welt schienen. Während ich las, entwischte der Träger; ich verfolgte ihn, um von ihm nähere Auskunft zu erhalten, aber vergebens; die Urkunden blieben ohne weiteren Schlüssel in meinen Händen. – Ich weiß nicht, was mir in jenem Augenblicke vorspiegelte, eine Laune des Schicksals oder eine höhere Fügung habe mir in die Hände gespielt, was nur in die meinen gehöre; ich war in Paris erzogen, wie der, auf den diese Zeugnisse lauteten, ich hatte ja hundertmal gehört, ich müsse aus Deutschland stammen. Doch ich wollte sicher zu Werke gehen und weitere Erkundigungen einzuziehen suchen; ich begab mich in die Nähe der Güter, die früher der Wohnsitz der von Schemmeyschen Familie gewesen waren, und die Nachrichten, die ich dort erhielt, waren so, daß meine Hoffnungen nicht niedergeschlagen wurden. Ich hätte freilich mehr Gewicht darauf legen sollen, daß von gewissen Frauen in meinen Papieren die Rede sei, die ich nie gesehen hatte; aber wie wußte ich mich aller Umstände einer Kindheit zu erinnern, was verbürgte mir, daß meine Ernährer mir immer die Wahrheit gesagt? Kurz, als nach einer Weile niemand anders kam, um Ansprüche auf meinen Fund zu machen, trat ich kühn damit hervor und drang so leicht durch, daß mein Glaube nur bestärkt wurde. Um den früheren Besitzer meiner Güter nicht zu verdrängen, nahm ich den Vorschlag an, seine Schwester zu heiraten. Das übrige wissen Sie. Ich habe genug gesagt, um Ihnen den Wunsch zu beweisen, in Ihren Augen gerechtfertigt zu sein, und erwarte nun Ihre Gegengründe zu hören.«

Katharina nahm das Wort und teilte dem Leutnant St. Pond diese Gegengründe mit. Als sie schwieg, zog er zwei Schlüssel hervor und überreichte sie Herrn von Kraneck dem jüngern.

»Sie werden in meiner Wohnung in M. in meinem Sekretär das finden, was ich bereitwillig dem Freiherrn von Schemmey überlasse. Eine kleine Geldsumme und meine übrigen Habseligkeiten dort bitte ich Sie in Verwahrung zu nehmen, bis ich darüber verfüge. Ich werde zu meinem Regimente zurückkehren, reicher um einen froh verlebten Winter und,« setzte er mit einem Blick auf Katharina hinzu, »um eine bittere Erfahrung. Leben Sie wohl! – Sie, Herr Kammerherr, werden mir einen freundlichen Händedruck zum Abschied nicht versagen. Sprechen Sie glimpflich in der Residenz von mir, hören Sie! An Fräulein von Katterbach werde ich schreiben.« Er machte eine kurze Verbeugung, schob den Vikar zur Seite und schritt zur Tür hinaus.

»Nun, Stallmeister Peter,« sagte er, als er auf dem Hofe stand, »den Pferden die Stange nur wieder ins Maul! Mit der Stallmeisterschaft ist's zu Ende und mit der Reichsfreiherrnschaft auch! Der Teufel hole den Leichtsinn! Aber es war doch ein lustiger Streich! Jetzt wird's darauf ankommen, daß wir uns beim Oberst in Gnaden lügen und nicht als Deserteur behandelt werden. Aufgesessen!«

Wir stehen am Ende unsrer Erzählung, das sich in wenige Worte fassen läßt. Als Bernhard im Besitz der urkundlichen Zeugnisse für seine Abstammung war, fand der Hofrat Freiherr von Katterbach es für geraten, ihm ohne große Weiterungen seine Güter zu räumen und sich auf eine kleine Besitzung, die Eigentum seiner Familie war, zurückzuziehen. Hier stiftete er mit einem Müller, aus der Nachbarschaft und einem invaliden Feldchirurgus einen Verein gegen die Mäßigkeit, dessen Tendenzen er mit aller Hartnäckigkeit seines Charakters ins Leben führte, bis sie ihn endlich selbst hinausführten, was Herr von Driesch gröber ausdrückte: »Er habe sich totgesoffen.« Auf jener kleinen Besitzung aber hausten noch lange Jahre nachher Philipp und Josine, ein Muster eines guten Ehepaars, täglich in Zank und Streit und doch nicht imstande, länger als einen Tag voneinander getrennt zu leben.

Herr von Driesch, der wieder nach Grünscheidt zog, wurde ein sehr glücklicher Mann; er fand endlich einen Verleger für seine Gedichte, der sie mit sehr kleinen Lettern, die erst einige Jahrzehnte hindurch zu einem Intelligenzblatte benutzt waren, auf Fließpapier druckte; in den M***schen wöchentlichen Nachrichten erschien eine Rezension darüber, die sehr schmeichelhaft und erfreulich für ihn lautete und nur das Verdrießliche hatte, daß ein Druckfehler seinen Namen immer in Priesch entstellte – Johannes, dem er sie diktiert hatte, schrieb so jämmerlich. Eines Morgens erhielt er sogar ein Schreiben mit einem mächtig großen Siegel, das die heilige Jungfrau und den Kaiser Carolus Magnus zusammen auf einem Stuhle sitzend darstellte, was sich höchst feierlich ausnahm – und als er es öffnete, war es sehr lang, fing mit dem Altertume an, ging durch die Zeiten der Völkerwanderung bis in das Mittelalter, wo es bei dem weiland unüberwindlichsten Kaiser und Herrn, Herrn Carolus, dieses Namens des Fünften, sich des weiteren ausbreitete, damit des Säuberlichen Gedichte in unmittelbare Berührung brachte und endlich schloß:

So erkläre ich:

Johann Andreas Segner, I. V. D. und Professor, der Zeit Prorector erwehnter Universität und Comes palatinus, aus habender Macht und Gewalt, in Kraft dieses offenen Briefes und durch beigelegten Lorbeer-Crantz, den des heiligen römischen Reichs Hochwohlgebornen Freiherrn von Driesch usw., usw., usw., zum gekrönten Poeten; als eine Reitzung, seine schöne Gaben ferner zur Ehre Gottes und Ausbreitung der Liebe zur Tugend anzuwenden. Urkundlich ist dieses mit dem anhängenden Siegel der Universität und mit meiner eigenhändigen Namensunterschrift bekräftigt worden.

So geschehen in N., den 28. Mey 1746.
Segner mpp.

Darunter stand klar und schön ausgedrückt das Siegel, wo wieder der große Kaiser Carolus Magnus mit der heiligen Jungfrau auf einem Stuhle saß; und der Lorbeerkranz lag zierlich geflochten in einem eigenen Paket dabei. Wenn dies Schreiben beabsichtigte, Herrn von Driesch eine Freude zu bereiten, so erreichte es seinen Zweck vollständig. Er drückte den Lorbeer auf das Haupt, seine Brille auf die Nase, sah in den Spiegel, hob die Arme in die Höhe und rief mit Horaz:

Me doctarum ederae praemia frontium Dis miscent superis!

Und nun ein Lorbeer sogar! »Heda, Anton, den falben Fritz gesattelt.« Er rannte zum Zimmer hinaus, setzte sich auf den Falben und ritt mit bloßem Haupte, das nur der Lorbeer umschlang, spornstreichs nach Diependahl hinüber.

In diesem Hause war alles verändert; die Unordnung war von Eleganz, Geschmack und Reichtum verdrängt, die wüste, innere Zerfallenheit der frühern Familie war einem wahrhaft rührenden Glücke zweier edlen und neidenswerten Menschen gewichen, die zusammen den lebenden Beweis bilden zu wollen schienen, daß bei tieferen Naturen die Ehe ein noch unendlich seligeres Verhältnis bildet als die Liebe.

Der Freiherr von Schemmey saß in einem Bücherzimmer, wo auch jener kleine Elzevir stand, den er als Geschenk des Herrn von Driesch bei seinem Abzuge von Bechenburg erhalten hatte; im Nebenzimmer war Katharina beschäftigt, mit einem aus Weiden geflochtenen Gehäuse ein unangenehmes, hin und her stoßendes Geräusch zu machen, das nur einen guten Ehemann nicht aus der Ruhe bringt, als der gekrönte Poet das umlorbeerte Haupt zur Tür hineinsteckte und, dann in ganzer Erscheinung vor ihnen auftauchend, in vollen Zügen das Entzücken trank, das ihre unmäßige Verwunderung über seinen Schmuck ihm bereitete. Er kam den ganzen Tag nicht aus dem Lachen, und als er gegen Abend den falben Fritz wieder besteigen wollte, um sich auf den Heimweg zu machen, fiel er in der Aufgeregtheit seines unbändigen Vergnügens an der andern Seite des Sattels wieder hinunter, was für einen kaiserlichen gekrönten Poeten gewiß ein verdrießliches Ereignis war und auch nicht verfehlt hätte, Herrn von Driesch gegen den falben Fritz und den Sattel und Anton, der ihn aufgelegt, und den Sattlermeister, der ihn aus Leder zusammengenäht hatte, in einen unmäßigen Zorn zu bringen, hätte nicht Bernhard die besänftigende Bemerkung gemacht, man sehe, daß der falbe Fritz nicht der Pegasus sei.

Und Margret? Ich habe nicht erfahren können, wie dieses wunderliche Gemisch von Verschlagenheit und Geisteswirre das Ende ihrer Tage zubrachte; nur das weiß ich, daß sie auf demselben Kirchhofe begraben liegt, neben demselben Holunderstrauche, der die Ruhestätte des guten Vikars beschattet, und daß so ein Rasen das unschuldigste und kindlichste Herz, das je geschlagen, und die verwegenste Brust, in der je eine verruchte, unselige Leidenschaft gewütet, bedeckt.

Lene war nicht zu bewegen, von dem Reichsfreiherrn von Schemmey die Wohltaten anzunehmen, mit denen dieser sie überschütten wollte. Ein Handwerker, der große Neigung für sie gefaßt hatte, war so glücklich, ihr Jawort zu erhalten; einige Tage vor der Heirat aber verlangte sie stürmisch, in ein Kloster aufgenommen zu werden, und Katharinas Einfluß verschaffte ihr den Eintritt in ein Ordenshaus, wo sie ruhig und zufrieden noch in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Subpriorin lebte.


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