Levin Schücking
Eine dunkle Tat
Levin Schücking

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Elftes Kapitel

Die einzigen Personen des Ortes, mit denen Bernhard hoffen durfte einen Verkehr anzuknüpfen, waren der Pfarrer und der gnädige oben auf dem Schlosse. Der erstere war ein guter, freundlicher Mann, aber in seiner Einsamkeit etwas verbauert, so daß sich mit ihm keine Berührungspunkte finden ließen; dagegen war Herr von Kraneck der leutseligste Mann, der je in der stattlichen und im Innern mit einem großen Aufwande an schwerfälliger Pracht ausgebauten Burg Hohenkraneck da oben gehaust haben mochte; und da er an dem jungen Fremden die zwei unschätzbaren Eigenschaften entdeckt hatte, seinem Vikarius die Messe dienen zu können, wenn dieser Sonntags in der Hauskapelle fungierte – es war immer eine große Not um ein dazu passendes Subjekt oben gewesen, seit der Sohn des Freiherrn als Kammerherr am kurfürstlichen Hofe sich aufhielt – und ferner ein geschickter Partner für eine Partie L'hombre zu sein, womit sich Herr von Kraneck die Abendstunden schon lange gern vertrieben hätte, wäre nur jemand dagewesen, der es verstanden – war er die Gefälligkeit und Freundlichkeit selbst.

Er saß einige Tage, nachdem Herr Gerhards sich mit der gehorsamsten Vorstellung des fremden Herrn beehrt hatte, in einem Lehnstuhl am Fenster seines hohen Wohnsaales und schaute auf das reizend schöne Tal mit seinem Kranze dichtbewaldeter Berge vor und unter ihm hinaus, über das seine Blicke jetzt oft gestreift, um von ganz bedeutender Langeweile gesättigt zurückzukehren. Ihm gegenüber auf einer Chaiselongue ruhte seine Gemahlin, eine Dame, die nahe an den Sechzigen war; klein, stark, aber fein gebaut und zierlich in allen Bewegungen. Sie hatte eine Stickerei vor sich, in der sie mit großer Ruhe von Zeit zu Zeit einen Stich anbrachte, ebenso schweigsam wie ihr Gemahl, mit der Ausnahme, daß sie zuweilen ein freundliches Wort ihrem dicken Mops zuflüsterte, der neben ihr wie ein Igel zusammengerollt in der Ecke der Polster lag und bald in tiefem Schlafe befangen schien, bald ganz lebendig mit dem Kopfe auffuhr, wenn ihm eine Fliege um die Nase summte, mit den klugen Augen blinzelte und augenscheinlich dann die wichtige Frage im stillen Gemüte wälzte, ob mit glücklichem Erfolg danach zu schnappen sei oder nicht.

Der Freiherr nahm eine schwere, goldene Dose, klopfte mit dem Finger daran und öffnete sie; dann erhob er sich, trat vor die Dame hin und sprach, indem er sein schwarzes Samtkäppchen von den kargen, schneeweißen Locken nahm: »Ma chère, peux-je vous offrir une prise de tabac?«

Die Dame tunkte zwei ihrer zarten kleinen Finger, an deren einem ein Rubin glänzte, in die dargebotene Dose und versetzte: »Mon cher, tout ce qui vient de vous ne peut-être qu'agrèable.«

Der Mops dankte durch ein freundliches Gekläff für die Aufmerksamkeit, die seiner Gebieterin wurde.

Diese Szene wiederholte sich mindestens jede halbe Stunde an jedem Abend, den Gott kommen ließ. Die guten Leute hatten sich über Freud und Leid, das sie nun seit langen Jahren treu miteinander getragen, vollständig ausgesprochen. Es war alles in Vertrauen auf Gott und mit Dankbarkeit ertragen oder angenommen und nun mit der Zeit dahingeschwunden; und wenn auch ein Leid geblieben war, die Langeweile nämlich, so hatten sie sich dieselbe doch sehr erträglich gemacht, indem sie von Zeit zu Zeit durch diese freundliche Anrede gegenseitig ihre fortdauernde Teilnahme füreinander an den Tag legten.

Für heute aber war das Gespräch damit nicht beendigt. Als der Freiherr wieder Platz genommen hatte, sagte er: »Es ist ein recht angenehmer Mensch.«

»In der Tat, recht angenehm,« erwiderte Frau v. Kraneck.

»Beaucoup de modestie.«

»Er hat sehr viel Bescheidenheit,« fiel die Dame ein.

»Ich finde, daß diese Eigenschaft eine sehr schätzbare sei!«

»Assurement!«

»Erlaubt ma chère amie, daß wir ihn ein für allemal des Abends zur Tafel hier behalten?«

»Tout comme is vous plaira, mon cher.«

Hätte Bernhard, der in diesem Augenblicke eines Zuwachses an innerer Weihe wohl bedurfte, diese Aeußerungen des Wohlwollens für ihn angehört, sie würden ihn gewiß innig gerührt haben. Er saß oben an der Waldkapelle, die über dem Schlosse am Abhange eines Berges lag und blickte dort bald in die scheidende Sonne, bald in den stillen Raum hinter ihm. Durch eine Tür, deren obere Hälfte aus bloßen Gitterstäben bestand, fiel der Schein auf den staubigen Altar im Hintergrunde des kleinen Gotteshauses; der alte Schrein war mit Spinnengeweben überzogen, in denen gelbe Ulmenblätter, vom Winde durch die zerbrochenen Fenster hineingeweht, sich im Luftzuge wiegten. Ein Bild an der einen Wand war unkenntlich schwarz geworden; dem heiligen Aegidius, der aus Holz geschnitzt, ihm gegenüber stand, fehlte Kopf und Arm, und man hätte auch ihn nicht mehr kennen können, wäre nicht noch das Reh dagewesen, das sich vertrauend an ihn schmiegte. Einige Bänke lagen wirr übereinander geworfen, eine zerfetzte Fahne lehnte in der Ecke neben dem ausgetrockneten Steinbecken, das früher das geweihte Wasser enthalten hatte; das Ganze war die schönste Staffage für eine rührende Ostereiererzählung.

Bernhard hätte sich früher herzlich über die Entdeckung einer solchen poetischen Waldklause gefreut, jetzt überblickte er mit einer stumpfen Kälte die zerstörte Stätte. Seine Gedanken waren in eine wilde Irre davon gezogen und fühlten einen Ekel vor allem, auf dem sie früher so gern gehaftet. Wie die Sonne, die so leuchtend stolz den blauen Himmel sich entlang gewiegt und jetzt so blutend versank, schien ihm alles Sein ein wunderbares und unendlich trauriges Gemisch von Lust und Schmerz, das wie von einem Urwelthohne, von einem schöpferischen Behagen an Teufeleien zusammengeschmolzen; ein ewiges Ringen nach stolzem und frohem Aufschwung, ein ewiges Niedergeschleudert- und Zertretenwerden gleich darauf; die Natur hatte nur einen Ton, nur eine Sprache mehr für ihn, ein Nachtigallenlied, worin die fröhlichsten kecksten Wirbel von einer bis zum Sterben schwermütigen Stelle überwältigt und niedergedrückt werden; und dieses rätselhafte Gemisch von Lust und Schmerz, von Kraft, die im nächsten Augenblick ohnmächtig wird, von Jämmerlichkeit, die unversehens beim nächsten Sonnenschein einen prunkenden Pfauenschweif auseinanderschlägt, erbitterte ihn, reizte ihn zu einem unversöhnlichen Grollen jetzt – er kannte sich selbst nicht mehr. Er streckte mit geballter Faust den Arm aus, wie um zu prüfen, wie viel Kraft in ihm wohne; er ließ krampfhaft die Muskeln daran aufschwellen, als gelte es ein Gladiatorspiel mit einem nahenden Feinde zu beginnen; und das Gefühl, daß die Natur eine Stärke hineingelegt habe, mit der er zufrieden war, hatte, zum erstenmal in seinem Leben, etwas Angenehmes, Beruhigendes für ihn. Seine Augen bohrten blitzend ihre Blicke in einen Punkt der Ferne ein.

Sein Gemüt war tief wie ein See; es war spiegelglatt gewesen wie ein See, bis vor wenig Tagen; eine klare Fläche, über der die azurblauen und hellroten duftigen Farbenstreifen lagen, welche stille Luftströmungen und die sachten Züge der Wolken darüber werfen; aber jetzt war ein Blitz hineingeschlagen, es stürmte, es wogte in ihm, und mit einem zornigen Behagen tummelte sich der Leviathan durch diese Wogen – die Leidenschaft.

Der Abend sank immer mehr hinab; die Sonne war geschieden und an ihrer Stelle flammte über dem Bergsattel im Westen eine dunkle Glut, wie ein gewaltig loderndes Osterfeuer. In dem grauen Turm im Dorfe wurde die Abendglocke geläutet. Ein langer Nachhall noch, der durch die Ulmenwipfel über der Kapelle zu summen schien, und die Stille kehrte zurück; dafür fing der Wind stärker in den Zweigen zu rauschen an. In dem Dorfe unten, in den einzeln und zerstreut auf den Halden umher liegenden Häuschen flatterten Lichter an und Schossen zuckende kleine Strahlenpfeile durch das Grün ihrer Baumhöfe; Bernhard gerade gegenüber, auf einem jenseits schwellenden Bergabhang, lag eine Hütte, deren Tür offen stand; er sah das lodernde Herdfeuer im Hintergrunde; zuweilen bewegte sich eine dunkle Gestalt davor; dann eine Zeitlang rasch nacheinander zwei Kinder, die umher zu tanzen schienen, bis die Mutter den Milchtopf darüber hing; ein gebückt schreitender Mann kam und setzte sich in einen Lehnstuhl hart daran. Es war ein freundliches Bild, das durch die grellen Kontraste von Finsternis und Licht einen traumhaften Anstrich bekam.

Es wurde völlige Nacht umher, aber eine milde und mondhelle; hinter Bernhard, in einem morschen Ständer der Kapelle, begann ein Holzwurm zu ticken; ein Wiesel schlich durch das Gras und hüpfte in langen Sätzen an seinen Füßen vorüber; aus dem nächsten Gebüsche tönte das leise Grunzen eines Igels. Dann wieder alles so stille rings, daß das Säuseln der welken Blätter an den Digitalenstämmen hörbar wurde, die über einen Schutthaufen an der Mauer aufgeschossen waren.

In Bernhards Seele ward es ruhiger; die frühere Stille seines Gemütes voll Ergebung, voll Glauben und auch voll jenes vergeistigten Aberglaubens, der in allen tieferen Charakteren irgendein Fleckchen findet, wo er Wurzeln schlagen und seine seltsamen lianenhaften Ranken treiben kann, kehrte in ihm zurück. Nach und nach erfüllte ihn seine eigne unreife und kindische Philosophie, die ihm eben noch mit den zornigen Tränen, die er nicht weinen konnte, die Brust zu zersprengen gedroht hatte – mit demselben Ekel, den er vor allen früheren Gegenständen seiner liebsten Gedanken gefühlt hatte, als sie ihn beherrschte. Er saß eine Zeitlang, die Stirn in seine Hand stützend; dann schloß er die Augen, legte den Kopf auf die Lehne der hölzernen Bank zurück und seufzte kaum vernehmlich: »O Licht! O Liebe! O Licht!«

Er mochte eine Stunde so gelegen haben, als er sich von einem warmen Atem angehaucht fühlte. Als er emporfuhr, sah er eine Gestalt einige Schritte weit von ihm sich bewegen, die jetzt näher trat: »Herr Bernhard,« sagte sie, »die Mutter schickt mich, nachzusehen, wo Ihr so lange bleibt.«

»Lene, Mädchen, bist du da?«

»Es ist spät, Herr,« versetzte Lene mit einiger Bewegung in ihrer Stimme: »Eu'r Essen wird kalt.«

»Standest du eben nicht dicht neben mir?«

»Wer, ich?« sagte sie und sprang ohne weitere Antwort den Bergpfad hinab.

Bernhard folgte ihr schweigend. Als sie einige hundert Schritt gegangen waren, sahen sie am Eingange eines kleinen Fichtengehölzes, durch das der Fußweg führte, einen Menschen auf einem gefällten Stamme sitzen.

»O Gott!« schrie Lene leise auf und blieb stehen.

»Was ist dir, Lene? Fürchtest du dich?«

»O nichts, Herr,« sagte sie und schritt zögernd hinter Bernhard her. Der Fremde blieb ruhig sitzen, als sie an ihm vorüber gingen, und murmelte ein tonloses »guten Abend«. Soviel Bernhard erkennen konnte, war es eine etwas zigeunerhafte Figur.

»Wo bleibt ihr beide so lange draußen?« sagte Frau Margret, die in dem Gärtchen vor ihrem Hause auf einem Feuerstübchen hockte und in den mondhellen Abend hinaus schaute. »Mußtest du dich auch draußen umhertreiben in dieser Nachtstunde, Lene?«

»Ich sollte ja gehen und nachsuchen, wo Herr Bernhard so lange bleibe,« sagte Lene und ging rasch, ohne eine Antwort abzuwarten, ins Haus.

»So? Davon weiß ich nichts!«

»Aber, Mutter, denkt Ihr denn gar nicht an die kühle Nachtluft. Wir sind weit im Herbst, und der Mondschein hat Euch nie gut getan,« sagte Bernhard und faßte die Mutter am Arm, um ihr das Aufstehen zu erleichtern.

»Ich wollte sehen, wo ihr bliebet,« versetzte Margret; »es wurde mir auch so wunderlich zumute allein im Hause.«

Er nahm das Feuerstübchen auf und sie schritt, von ihm unter dem Arm gefaßt, der Haustür zu.

»Habt ein Aug' auf Lene, Mutter,« sagte Bernhard leise: »es saß unterwegs ein Mensch unter den Fichten, der mir wie ein Scherenschleifer vorkam; sie schien ihn zu kennen.«

»So, ist das Gesindel wieder da? Nun, ich will sie schon hüten.«

Lene war die Tochter eines Scherenschleifers, das heißt, sie gehörte einem Volksstamme an, der sich damals vagabundierend viel in Westfalen umhertrieb und denselben Erwerb hatte wie die Zigeuner, mit welchem Volke er verwandt schien, obwohl ein weniger schmutziges, auch minder fremdartiges und orientalisches Aeußere ihn vorteilhaft von denselben unterschied. Man nannte sie Scherenschleifer, weil die Männer, wenn sie wegen eines Diebstahls oder wegen unverschämter Bettelei zur Untersuchung gezogen wurden, behaupteten, in irgendeinem Winkel der Welt einen Scherenschleiferkarren stehen zu haben, mit dem sie ihren Unterhalt suchten und auch einige wenige in der Tat ein solches Gerät mit sich führten. Sie waren, wie gesagt, reinlicher und anständiger als die Zigeuner, ihre Gesichtsfarbe, wenn auch dunkler wie die der Landeseinwohner, doch weniger kupferbraun als die jener; ihre Tracht unterschied sich von der der Bauern durch größere Nettigkeit; die Männer waren kenntlich an Jacken mit zwei Reihen dicht aneinander gesetzter kugelrunder Silber- oder häufiger Zinnknöpfe. Sie lebten unter einem, ich weiß nicht, ob gewählten oder durch Erbfolge eingesetzten Oberhaupt, das die Bauern den Heidenküster nannten und der regelmäßig der pfiffigste und verschlagenste Bursche war, der je Handschellen getragen hat, verwegen und tollkühn, daß alle Bauern seinen Requisitionen an Lebensmitteln und Geld sich schweigend unterzogen, und die damals durch Armenvögte ausgeübte Polizei sich wohl hütete, ihm in den Weg zu kommen. Er war zugleich der Oberpriester des Stammes und gab zum Beispiel den nach Belieben wieder auflösbaren Ehen seine Sanktion, indem er das Brautpaar über seinen ausgestreckten Stab springen ließ. Jetzt ist dieser Stamm fast ausgestorben und niemand hat der Mühe wert gehalten, über ihre religiösen Ansichten und über ihre Sprache sichere Notizen zu sammeln. Ich erinnere mich nur noch, daß ihr letztes Oberhaupt den romantischen Namen Baromantho führte.

Lene war die Tochter eines solchen Scherenschleifers, der vor ihrer Geburt auf eine gewaltsame Art ums Leben gekommen war. Ihre Mutter hatte oft Wohltaten von Frau Fahrstein empfangen und, als sie auf dem Boden eines Schafstalls auf offener Heide im Sterben lag, einem Paar vorübergehender Bauersleute aufgetragen, ihr achtjähriges verlassenes Kind der Frau Fahrstein zu bringen; die werde sich ja wohl seiner erbarmen. Frau Fahrstein mußte sich nun freilich der Waise erbarmen, auch wenn sie keine Lust dazu gehabt hätte. Aber das Mädchen war hübsch, anstellig und versprach eine geschickte und tätige Gehilfin zu werden. So zog Margret sie denn groß, hatte nun und dann auch wohl einen kleinen Aerger an ihr, wenn Lene zum Beispiel laut aufjauchzend jeder Vagabundenschar entgegenlief, die sie von fern über Land ziehen sah, oder wenn sie über irgendeinen Anlaß so in Zorn geriet, daß die kleine Heidenrange blau und rot im Gesicht ward, war aber im ganzen mit ihrer Adoption sehr zufrieden. Margret führte eine strenge und scharfe Zucht; doch als sie heranwuchs, bedurfte Lene dieser nicht mehr; sie ward stille und in sich gekehrt, machte mit einer großen Leichtigkeit und Raschheit ihre Geschäfte ab, wie sie auch in der Schule allen andern Kindern zuvorgekommen war, und gab Margret nie den geringsten Anlaß zur Klage mehr. Sie mochte jetzt zwanzig Jahre alt sein und war nicht sehr groß geworden, aber so hübsch, daß alle Dorfschönheiten mit großer Befriedigung sahen, wie sie sich nie in ihre Kreise mischte und von allen Tänzereien, Hochzeiten und andern Zusammenkünften fern blieb. Die jungen Burschen machten still ein Spalier, wenn sie aus der Kirche kam, um geradeswegs wieder nach Hause zu gehen. Keiner hatte recht den Mut, sie anzureden; sie konnte so verzweifelt stolz mit ihren kohlschwarzen, schmalgeschlitzten Augen drein funkeln; erst wenn sie die Klinke des Kirchhofpförtchens schon in der Hand hatte, ließen sie ihren witzig sein sollenden Bemerkungen über jene freien Lauf. Woher sie den großen, zigeunerhaften Mann kennen könne, der am Eingänge des Fichtenwäldchens saß, begriff Bernhard nicht; freilich, er konnte sich auch geirrt haben und ihr leiser Schrei nur der einer unwillkürlichen Furcht gewesen sein. Aber einige Tage nachher, als er noch sehr spät in seinem Zimmer über seinen Büchern saß, sah er plötzlich einen langen Schatten an der Wand ihm gegenüber auftauchen und rasch entlang gleiten. Er fuhr auf, öffnete das Fenster und steckte den Kopf ins Freie; an der andern Seite des Hauses klirrte ebenfalls ein Fenster, nur Lenes Kammer lag dort hinaus. Bernhard sprang nun über die niedere Brüstung in den Baumhof und schritt um die Hausecke; aber alles war still hier, und das Geräusch, das er vernommen, schienen die Aeste der Apfelbäume gemacht zu haben, die dicht am Hause standen und sich im Nachtwinde bewegten; sie waren wahrscheinlich mit den Spitzen der Zweige an die Scheiben gefahren.


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