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Der beste Ochs.

Die Kirchgass' ist ganz schwarz vor Leut. Das Amt ist aus und ein bißl am Platz herumstehen und diskurieren, das ist einmal Brauch, und drum darf eins davon nit lassen. Was eine Feder am Hut hat, greift gleich nach der Pfeif und das Diendlvolk drängt sich langsam und lachend durch.

Die Sonn leuchtet und die Luft ist würzig und ring. Die Berge, die das klein Reith hüten, damit es dem Land Tirol nit gestohlen wird, stehen voller Duft gegen Himmel. Das Sonnwendjoch, die Gratlspitz, der Großkogel, kurz alle sind ohne Wolken und Nebel. Ihr Grün leuchtet weit hinaus in die Welt und ihr Tanndunkel ist frisch und wetterhart.

Lustige Gegenreden fallen. Mein Gott, so ein Diendl kann oft einfach nit stillhalten, denn wenn's nit auf der wehrhaften Seiten steht, ist's eh gleich erschossen …

»Saggara,« lacht der Stockerbua, »hast heut fleißig betet, Diendl!«

»Viel leichter käm mir das, Bua,« lacht die Dirn zurück, die Krillies, »wenn i grad wissen tät, daß es was nutzen möcht …«

»Wohl, wohl, Diendl, beten hilft«, mischt sich ein anderer drein. »Der Pfarrer muß das doch wissen.«

»Nit zu fast,« tut das Diendl, »sonst müßt's bei euch endli einmal zu gewahren sein.«

»Da bist falsch, ganz falsch, Diendl, so brave Leut wie die Buam …«

»Grüß die Lies!« drängt sich jetzt ein Soldat, ein Kaiserjäger, heran, und sein Gruß klingt so herzhaft, daß die andern alle ausstellen.

»Jegoßle … der Prosser Wast!« ist das Diendl hellverwundert. »Und Oberjäger bist auch worden. Wie sich grad dein Muatterl freuen wird! Zu gönnen ist's der Haut, der … Wie geht's dir denn, Wast?«

Das klingt freudig und voller Herz.

Die andern machen Platz und so sind die beiden bald in der Gass' und gehen hinterm Samer bergab. Dort am Eck warten zwei andere Diendln, die Sefa vom Prosser und die Krillzenz. »Grüß dich, Prosser!« redet die Zenz, ein braunzopfetes Diendl voller Lust, und streckt ihm herzhaft die Hand hin.

»Wie geht's alleweil, Diendl, kleines?« gegenfragt der Kaiserjäger.

»Mei, zwischen Dunkelwerden und Siggst-mi-nit. Wenn sich unsereins nit am Sonntag aussingen könnt, wär's nimmer zum aushalten auf der öden Welt.« Und dabei lacht die Zenz mit einem Gesicht, das sie den Armenseelen abg'schaut hat. Alle müssen mitlachen.

»Tun s' dich wohl kreuzigen, Zenz?« fragt der Soldat mit lustigen Augen.

»Wie man's nimmt, Wast. Aber christlich-schiedlich verkaufen tät i meine Liesschwester, wennst einen weißt … Gar kein G'schaffen ist mehr mit ihr …«

Bevor der Wast noch einen Laut geben kann, zieht die Sefa das übermütige Diendl mit sich weiter, und gar einen langen Schritt legt sie fürs erste vor.

»Wenn er übermorgen wieder weiter muß, der Wast«, erklärt sie, und ihre Kameradin versteht die Sefa deutlich. Hat nix mehr braucht. Die beiden Dirnen strolchen mit einem extrasteifen Genick voraus, wie sich das wohl auch so gehört in dem Fall.

Kaum war die Luft trocken, fangt der Wast an mit einem ruhigen hellen Glanz in seinen Braunaugen:

»Grad freuen tu i mich, Lies«, und verhaltenes Glück leuchtet aus seinem ganzen Wesen. »So v'l einen guten Hauptmann haben wir. Seit i den jungen Leutnant aus dem Gletscherspalt droben am Schwarzenstein 'zogen hab, weißt eh, bei unserm Übungsmarsch, weiß er rein nimmer, was er mir alles antun soll und wie er mir nutzen könnt. In Österreich unt hat der Herr Graf ein Gut und auf ein Jahr will er mich drunt nehmen. Deswegen bin i heut da, Lies. Sollt i gehen oder willst es nit?«

»Ja wollen, Wast …«

»Mir ist's ja selber hart, Diendl, liebs. Aber schau, was i drunt alles lernen könnt und uns zwei muß es dadrum allein gehen. Um nix anderes.«

»Müssen halt die Zähn zusammenbeißen, Bua, lieber«, redet das Diendl nach kurzem Überlegen voller Zutrauen. »Und besser ist's auf die Weis' auch, denn der Vater hat noch letzte Woch gemeint, einen Dörcher Herumziehender Karrner. mag i heiraten, aber dich auf keine Weis'.«

»Das darf di nit zu fast sorgen, Lies. Es steht wohl öfter ein Wetter am Himmel«, tröstet der Wast und dann schauen sich zwei bis tief ins Herz hinein. Und dadrin in der blutwarmen Tief, da sehen beide was extra Schönes. Aber nur für einen Augenblick, dann faßt sich der Bua wieder und redet weiter:

»Und noch was. Mein Muatterl tut g'wiß, was einmal möglich ist. Tag und Nacht arbeitet sie. Aber weißt schon, heut hängt die Sach nimmer am Fleiß, am Können … am Überblick dadran hängt's. Und daß ein altes Weibele aufgewachsen in einer andern Zeit die Ding nimmer so überschauen kann, das ist was Altes. Der Herr Graf hat mich einmal geschaffen zu einem Herrn von Thurner zu gehen. Der Mensch fragt mich allerhand und etli Wochen drauf haben wir Hypotheken getauscht. Statts 820 Gulden zinsen wir heut grad nur 690 Gulden, und es ist das gleiche Geld. Fein, nit …?«

»Hau, wie so, Wast?« fragt die Lies.

»Wenn i's selber hart begreif. Ist halt ein Glück, und so ein Glück, weißt, das macht grad trachten, wie man's am besten zeigt, daß es nit umsonst ist. Gelt.«

Das Diendl nickt nur, denn das versteht sie genug. Der Gangsteig ist längst drunt im Graben und um und um ist keine Seel mehr.

Ein paar Vögel singen voller Lust, der Wind spielt mit den Blättern und die ganze Welt ist voller heimlichen Duft. Es riecht alles nach Erde und Wachstum.

»So, Wast,« bleibt das Diendl stehen, »da müssen wir Pfiedgott sagen, Bua, lieber. Gelt.« Ein warmer Händedruck, ein kurzes Zögern, ein langer, langer Blick, der tief drin im Herzen eine Latern anzündet, und dann war der Wast wieder allein. Seine Lies aber lauft bergab den beiden andern nach und gönnt dem Buam keinen einzigen Blick mehr aus lauter Furcht, so ein Blick könnt sie wieder zurückziehen und dann wär's ein doppeltes Pfiedgott. Wär nit fein das …

Der Wast zupft sich den Waffenrock zurecht und schaut der laufenden Dirn nach, bis sie hinter der letzten Kehr verschwunden ist. Dann wartet er auf einem moosigen Stein auf sein Schwesterl. Und weil das länger dauert, kommen ihm Gedanken …

»Die Lies ist's heilig wert, daß sie ein Leben kriegt voll ehrlicher Freud …«

So warm und deutlich steht der Gedanken vor ihm. Aber wie das anfangen? Mein Gott, er ein Bergbauernbua, der auch nit mehr tut als raggern und schanzen wie jeder da im Dorf. Ein großmächtiges Brett hat er da in Reith da vorm Kopf alleweil herumtragen, ohne daß er's merkt. Und das Brett hat ihn von der Welt abgesperrt. Erst bei den Kaiserjägern hat er's endlich gespürt, daß außer Reith noch mehr, noch viel mehr Kirchen auf der Welt sind. Rein gar nit helfen hat er sich die erste Zeit können und bald wär er fast ins Sinnieren kommen. Grad daß seine Kameraden noch ungeschickter waren wie er, und so ist halt der Ehrgeiz, das Pflichtgefühl und der Stolz kommen und die haben in ihm ein Streben ruhig und fest, treu und unablässig angezunden. Bald hieß er unser bester Rekrut, dann ist er Unterjäger und letzt Woch gar Oberjäger worden.

»Ja, b'sunder ist das Leben«, sinniert er so für sich weiter. »Meinen möchtest, nett gleich wär's, ob eins bei den Soldaten was wird oder nit. Aber wahr ist das nit … Es ist immer das gleiche. Gar jeder Mensch kann über sich selber hinauswachsen und dann spürt er den Segen schon.« Die vielen Garnisonen in Innsbruck, Bozen, Wien, Cavalese haben ihm eben Aug und Ohr weit mächtig größer gemacht. Und zu allem bekommt der Wast noch zufällig ein Buch in die Hand vom alten Trientl Benefiziat Ad. Trientl, der Begründer der heutigen Tiroler Landwirtschaft., das er frisch nimmer aus der Hand lassen hat können. Lugglassen (Nachgeben), das war nie seine Sach, und während die Kameraden im Wirtshaus sitzen, war er über dem Buch. Und so ist er allmählich das worden, was er heut ist. Ein Mensch, der's deutlich spürt, wie groß grad die Welt ist, wie unzählige Hilfsmittel sie hat, und wie kleinwinzig er selber in all dem eigentlich ist. Eine Flieg und – einen Geier braucht's.

»Geh, sinnier nit so … Die Lies laßt dich schön grüßen«, redet auf einmal sein Schwesterl, das vor dem träumenden Menschen steht wie aus der Erd gewachsen. Wie sie keine Antwort bekommt, lacht die Sefa: »Wenn einer immerlings einwärts hineinschaut, kann er das brennende Haus ja nit sehen.«

Die beiden Geschwister gehen heimzu und die Sefa fangt mit ihrem geistlichen Zuspruch an, wie sie lachend meint:

»Geh, so ein großer Mensch und so kleinverzagt! Schämst dich nit, Wast? Das hat ja keinen Sinn, wo die Lies festhaltet wie der Leim zum Brett. Und ihr Vaterl, das wird sich schon noch geben. Grad nit drauf drucken, als ob eins wartet.«

»Du redest leicht, Sefschwester. Einmal verstehst no nix von solchen Sachen und fürs andere ist es halt hart, das Warten«, tut der Wast mit einem völligen Seufzer. Die Schwester aber lacht dem großen Buam frisch ins Gesicht. »Mensch,« sagt sie, »itzt bist vierundzwanzig Jahr, was versäumst denn, wenn i fragen darf?«

»Nit reden laßt sich mit dir«, ist der Bua ungeduldig.

»Das ist leicht gesagt, wenn eins redet, wie's dem andern grad nit paßt. Ja, wenn du so dreißig Tausend hättest, Bua, ja dann. Unsereins, der grad so stark ist, daß er sich durchwürgen kann, der muß halt warten können, bis sie zeitig sind die Birnen. Bleibt dir nix anders übrig.«

»Ja, ja, recht hast, aber …«

»Schau nit so drein wie ein zerregnetes Schaf droben am Berg, es steht dir so v'l nit gut«, tut die Dirn, und wortlos sind die beiden daheim angekommen.

Beim Krill sitzen achtzehn Leut um den runden Tisch vor den Knödeln. Und zugelangt haben sie alle, daß den Bauern vor lauter Freud der Schlag treffen müßt, wenn's im Heu auch so ging.

»Den Prosser Wast hab i heut g'sehen«, fangt der Bauknecht an mit einem lustigen Aug auf die Lies, die rot wird. »Itzt ist er gar schon Oberjäger. Könnt sein, daß er gar noch Offizier wird.«

»Die Offiziersbefähigungsprüfung haben sie ja abg'schafft, Esel, verdrahter«, meint der zweite Knecht.

»Schad, recht schad«, tut der Bauknecht scheinheilig.

»Der Kaiser, hab i gehört,« redet der Bauer heutrocken, »braucht verläßliche Minister. Könnt gar sein, daß er den Prosser Wast drum fragt.«

»Das nimmt der Wast nit an«, meint die Zenzi und lacht auf und auf. »Wenn er itzt mit lauter eigensinnige Bauern zu tun hätt, da tät er sich schön bedanken.«

»Halt deinen Brotladen, Urschel, dumme«, mault der Bauer. Die Bäuerin aber muß gar ein bißl schmunzeln.

Redet der Bauknecht von was anderm:

»Daß i nit vergiß, Bauer, heut ist ein Wanderlehrer da, da müssen wir hin und zuhören.«

»Habts sonst nix mehr zu tun?!« wehrt der Bauer.

»Aha, dann gehst halt selber, Bauer, gelt«, ist der Knecht unschuldig wie nach der Tauf.

»Könnt mir einfallen, so einem jungen Menschen aufmerken! Ist ja alles herrischer Schwindel!« ist der Bauer ungeduldig.

»Itzt, das wird wohl zu viel g'sagt sein, mein i«, verteidigt der Knecht sein Meinen, »schauen itzt, ob die neuen Kunstwiesen drüben in Münster etwa nit fein sind?«

Da wird der Bauer zornrot, wischt den Löffel ab und ist auch schon bei der Stub draußt.

»Das hättest bleiben lassen mögen,« tut die Bäuerin, »wo du's selber weißt, daß mein Bauer die neumodischen Sachen nit mag. Er kann sie einfach nit leiden.«

»Das wird er schon noch heben müssen,« trotzt der Knecht, »weiß es ja das ganze Dorf, weil seine Küh vor drei Jahr keinen Preis bekommen haben, dessentwegen … Weißt wohl, einem Großbauer gehört ein Preis zu …«

»Narrenturm!«

»Das sagt sich leicht, Bäuerin. Da im Stall haben uns die Küh ja aus der Weis' gut gefallen. Droben bei der Ausstellung aber, wo hundert und hundert Ställ zusammenkommen, hat die Sach alles anders ausg'schaut. Und dem Bauern ist das halt gegen seinen Stolz gangen. Kannst nix machen.«

»Mag alles sein, aber du brauchst ihm auch nit alleweil solche Ding mit Fleiß vorlegen, meinem Bauern«, begehrt die Bäuerin jetzt auf. »Denk doch einmal, ganz dumm waren unsere Eltern und Voreltern auch nicht. Und von so jungen Leuten, die selber noch nix können, ist das Lernen nit fein. Was Jahrhundertlang ausprobiert ist, das ist auch gut, magst sagen was du willst. I begreif es leicht, ganz leicht, daß mein Bauer das alles Schwindel heißt. Verstehst …«

Der Knecht tut, als wollt er sich den Wettermantel anlegen, das heißt, er lupft die Achseln und laßt sie wieder fallen.

»Schau, Muatterl«, fangt statt seiner die Lies an. »Wie sie vor Zeiten bei uns gewirtschaftet haben, ist alles recht und schön, aber hat's damals Eisenbahnen, Maschinen, Telegraph geben? I denk halt so, Muatterl: Das hüten, was die Alten tan haben, aber das Neue, wenn's wirklich zu brauchen ist, nit hinters Haus werfen. Es kommt nix dabei heraus.«

»Was du wohl von solchen Sachen verstehst, Lies«, ärgert sich die Bäuerin, grad weil ihr die Red eingeleuchtet hat und schließlich jedem einleuchten muß. »Der Vater ist doch kein dummer Mensch nit. Wenn's grad keinen Fortschritt gäb, um halbs leichter hätt is …«

Beim Samerwirt hocken auf d'Nacht etli Tisch voller Bauern. Der Krill ist mitten drunter.

»Weißt es schon,« fangt einer an zu foppen, »dein Schwiegersohn, der Prosser, hat heut gar in der Versammlung eine lange Red gehalten?«

»Was, Schwiegersohn?!« springt der Krillbauer auf. »Muß i dich vielleicht …«

»Ja, weißt du denn das nit?« tut der andere heilig und mit einem Gesicht, daß frisch alles am Tisch lachen muß.

Das zürnt den Bauern noch mehr und die Faust in der Luft schreit er:

»Muß i dich niederschlagen, Lümmel, du!«

»Geh, geh, sei nit so. Wirst doch Spaß verstehen«, besänftigen gleich die Umsitzenden.

»Ja, weil's mich zürnt«, redet er ruhiger.

Und weil unsere Bauern das Foppen, Bohren und Sticheln ganz unmöglich lassen können, fangt auch schon wieder einer von neuem an:

»Mir käm vor, alle Finger müßt sich ein Bauer um den Prosser Wast ablecken, wenn er's grad nimmt, das Diendl.«

»Ist wahr,« redet ein anderer, »so wie der schanzt und raggert, gibt's nit viel in der Gegend, und g'scheid ist er auch, der Bua.«

»Ja, mit'n Maul«, schreit der Krillbauer.

»Es gibt Leut, die sind's nit einmal mit dem Maul«, frozzelt wieder einer.

»Laßts mi aus. Die Leut, die alles probieren, mag i nit leiden. Zum Probieren ist der Bauer nit auf der Welt und der Gulden im Sack ist mir lieber wie zehn, die i erst kriegen sollt«, meint der Krill protzig.

»Oha, mei Lieber,« redet ein kleines Bäuerle, »grad macht's mich aufdenken, was der Prosser heut gesagt hat. Gar jeder Mensch muß probieren. Der Pfarrer, der Doktor und jeder. Warum solltens wir Bauern nit? Genossenschaften brauchen wir.«

»So ein dummer Kerl!« höhnt der Krill. »Das Geld, das i verdien, das teil i mit niemand, mit gar niemand.«

»Ja, und hat er gesagt, der Prosser Wast. Die großen Geldfürsten der Welt, die Fabriken, die Arbeiter, alles, alles vereinigt sich. Wenn der Bauer aber die Zeit verpaßt, dann frißt ihn ganz sicher die Katz, weil er der ärmste ist.«

»Mich nit. Dazu hab i zu viel auf der Sparkass'.«

* * *

Beim Prosser ist's um die gleiche Zeit anders zugegangen. Der Wast hockt mit seinem Muatterl am Tisch und die beiden plauschen. Es ist viel abzureden.

»Das hättest nit tun sollen, Wast«, meint die Bäuerin auf einmal. »Eine Red halten. Da lachen ja die Bauern grad. Und das paßt mir schlecht, wenn mein einziger Bua ausg'lacht wird.«

»Aber, Muatterl, laß sie doch. Wie der erste Mensch mit einem Regenschirm über die Straß gangen ist, haben sie ihn gar arretiert. Das gibt sich alles, gar alles. Zuerst lachen die Leut und dann erst denken sie …«

»Mag schon sein, Bua. Aber mußt grad du der sein, über den sie lachen? …«

»Muatterl, geh, laß mir meine Weis'. Schau, i bin ein junger Mensch, der noch nit ganz fertig ist. Und doch seh ich heut in Tirol um und um so viel Arbeit, daß es rein zum verzagt werden ist … Jetzt endlich, um hundert Jahr zu spät möchtest meinen, weht bei uns eine frischere Luft. Und so weit kennst mich schon. Ein Bauer werden, wo zwölf aufs Dutzend gehen, das will i nit, sonst bleib ich frisch in der Stadt. Ist ja ganz ein schönes Verdienen dort. Weißt, Mensch sein, sagt unser Hauptmann, das heißt, jedes Ding so anfassen, daß es besser nimmer geht. So dahinfuhrwerken, wie die meisten, das wär mir zu schlecht. Wenn ich mich schon plagen soll, dann will ich auch was davon haben.«

»Als ob das dein Vaterl nit gehabt hätt?«

»Nein, Muatterl, das hat er auch nit.«

»O mein, die Buam von heutzutag. Ein Kreuz ist das!«

Am andern Tag ist der Wast wieder in der Garnison, und erst beim Abschied hat er's seinem Muatterl gesagt, daß er ins Österreichische hinuntergeht. Das aber war bei dem alten Weibele ganz aus, ganz und gar. Und gejammert hat sie, gejammert … Die Sefa hat die längste Zeit braucht, um zu trösten.

»Aber, Muatterl, der Wast wird ja wieder kommen. Und brav ist er ja.«

»Das schon. Aber grad so ein unruhiger Geist ist der Bua halt. Er denkt zu viel und ein denkender Bauer ist alleweil was dumms. Weißt es noch, voriges Jahr beim Erdäpfelsetzen?«

»Ja, und hat er nit recht gehabt?«

»Das schon …« Viel hilflose Verzweiflung lag in den Worten. Die Sefa muß völlig lachen.

Nun ist übers Land eine unruhige Zeit gekommen, die Reichsratswahlen. Und diesmal ging's ums Leben. Die Konservativen, die im Land herrschen, haben die Zeit verpaßt, viel zu viel zurückgehalten, mit der Regierung zu viel paktiert, und die alten Rechte des Landes sind auch noch zu kurz gekommen. Mit fliegenden Fahnen ist alles ins christlichsoziale Lager. Der Krill, als einer der Angesehensten im Dorf, war eine Stütze der Konservativen, und wie die Wahl einen völligen Zusammenbruch seiner Partei unzweifelhaft gezeigt hat, ist damit sein Ansehen auch zerbrochen. Mein Gott, der Streit war ja weniger um die Sache als um die Form, aber derart heftig wurde auf beiden Seiten gekämpft, daß man ein 1809 vor sich zu haben meint.

Wie ein Hagelschlag, der über Nacht kommt, so wirkte das Wahlresultat. Und nun kam beim Krill der Bauerntrotz. War er früher auf den Fortschritt nit grad gut zu sprechen, jetzt, wenn einmal ein landwirtschaftlicher Vortrag war, zahlte er jetzt beim untern Wirt den Buam Wein, so viel auf den Tisch geht –, damit sie wegbleiben. Aber das Mittel hielt nit lang, gar bald ist der Krill bei solchen Gelegenheiten mitten unter Gelichter gesessen. Von da aber bis zum offenen Spott braucht ein Spatz nur mehr einen halben Schritt.

»Du kannst es nit aufhalten, Krill«, haben ihm Einsichtige gesagt.

»Und wenn schon. Fest stehenbleiben muß der Mensch. Dadrauf kommt's an.« –

So waren anderthalb Jahr vorbei und der Wast ist wieder da. Sein Muatterl hat ihm das Gütel übergeben, und hübsch ein erspartes Geld muß der Bua gehabt haben, denn gleich hat er allerhand richten und machen lassen. Allerhand, was da heroben sonst nit der Brauch ist. Die Hälfte seiner Egarten hat er umgepflügt und dann hat er Hafer gesät, sein Muatterl hat es wenigstens so gewußt. Wie aber dann das Frühjahr kommen ist, freilich, Hafer war auf dem Feld, aber wie schaut er aus! Daß Gott erbarm! Alles vergrast. »Da hast ja mehr Gras wie Hafern, Prosser«, meint ein alter Bauer.

»Ist schon so, weißt, Gras ist auch was Gutes«, tut der Wast.

Alle im Dorf haben den Prosser ausgelacht. Der Krill gar. Beim Wirt ist der Daxl von Münster einmal am Tisch und ein Haufen Bauern trinken mit ihm. Da fangt der Krill von Prosser seinem Hafer an. Und gespöttelt wird, bis es dem Daxl endlich einmal zu dumm wird.

»Ja, Krill«, fangt er an, »kennst du das denn nit, daß das eine Kunstwies'n ist?«

Die am Tisch sind mäuserlstill, nur der Krill lacht laut auf.

»Mein Gott, das ist in Tirol alter Brauch: die am wenigsten verstehen, lachen am lautesten«, tut der Daxl.

»Was nit verstehen! I, wo i der best Bauer bin im Dorf!« fährt der Krill auf.

»Dann halt dich dran, sonst bleibst es nimmer lang.«

»Das geht dich einen Schmarrn an, verstehst!«

»Ja, i mein ja grad …«

Schadenfroh erzählt das der Bauknecht zu Haus am Tisch. Der Lies war das zuwider, denn der Vater ist einmal der Vater. Aber kannst nix machen.

»Da wird er heut wieder einen guten rauchen«, seufzt die Bäuerin.

Indem geht die Tür und der Prosser Wast steht da im Feiertagg'wand.

»Was willst denn du heut da, Wast?« fragt die Bäuerin im hellen Wundern.

»Kannst dir's eh denken, Mutter. Heut möcht i unsere Sach mit der Lies auf gleich richten.«

»Ja, Bua, von meiner Seiten …, o mein Gott, wie froh wär i grad. Aber der Bauer …«

Die Lies glüht und es ist für Augenblick still in der Stub. Da geht die Tür wieder und der Bauer steht herin. Er grüßt nit, grad wie er jetzt den Buam da im Feiertagg'wand sieht, fragt er spitzig:

»Was willst denn du da bei mir?«

»Mein Gott, fragen hat er wollen, ob du ihm morgen nit zwei Roß leihen willst«, lügt die Lies schnell gefaßt.

»Brauch i selber«, fahrt der Bauer her.

»Eigentlich …«, zögert der Wast und dreht sein Hüatel in der Hand.

»Was eigentlich! Selber brauch i die Roß«, schreit der Krill.

Und dann ist der Bua halt gangen. Und es ist wieder gewesen wie alle Tag. Höchstens daß die Bäuerinnen beim Muskochen in der Früh das Wetter besser erraten. Wie der Wind nämlich durch den Kamin auf den Herd herunterfahrt, dadraus kann eins Wetter prophezeien. Für den Tag halt grad. Aber mehr braucht's beim Bauern nit.

Die Prosserin hat allmählich angefangen zu all ihren Bäuerinnen ins Elend zu gehen:

»Na grad mein Bua! So unruhig wie der Mensch ist …«

Sogar aufs Hilaribergl ist sie in ihrer Not wallfahrten gangen und die Zähren sind ihr vor der Mutter Gottes übers Gesicht geronnen. Der Geistliche geht grad durch die Kirch und sieht die Not der Bäuerin. Mild und zutiefst aus dem Herzen heraus klingt sein Fragen. Und gar nit lang dauert es, bis die Bäuerin ins Reden ist kommen. Und je länger sie plauschen, die beiden, heraust vor der Kirch, desto leichter ist der Prosserin worden.

»Ja, ja, Bäuerin«, meint der Herr lieb, wie er das Leiden einmal gewußt hat, »weißt, wir Menschen sind halt dumm. Und das ärgste ist immer das, daß die wenigsten wissen, wer eigentlich der Dümmere ist. Bet grad fleißig, wirst sehen, das richtet sich alles wieder auf gleich.«

Ist der Prosserin ein starker Trost gewesen, die Red.

In Brixlegg, wie die Bäuerin beim Kammerlander vorbei will, steht die Krillzenz. Jetzt gibt sich's von selber, daß man miteinander bergauf geht.

»Ja, mein Diendl, wie's meinem Wast geht? Der zerarbeitet und zerraggert sich ja, der Bua. Und wenn i was sagen will, meint er höchstens: Es fehlt ja noch alles zu viel, Muatterl, in der Wirtschaft. Und i hab g'wiß tan, was einmal möglich war. Das Diendl, die Sefa, hilft ihm noch dabei. Denk dir grad: Itzt hat er mir die Hühner aus der Küch hinausgeworfen. So unfein wie das wieder ist. Einen eigenen Stall hat er dafür baut.«

»Aber, Bäuerin, jetzt hast ja viel mehr Hühner. Und schönere auch«, tröstet die Zenz.

»Wenn schon, aber feiner ist's nit.« – –

»Muatter ist aufs Hilaribergl wallfahrten gangen«, erzählt die Sefa droben beim Prosser ihrem Bruder, der vom Feld kommt.

»Ist recht, Diendl. Einen Segen können wir schon brauchen, gelt«, tut der Wast gedankenvoll. »Schau, Diendl, die Hühner, das paßt Muatter schon kein bißl nit. Drum muß i dir einmal sagen, was i mit die Vögel eigentlich will. Aus den Hühnern will i alle meine Steuern zahlen und noch was übrig will i haben.«

»Oho. Aber bist ganz narrisch, Wast«, tut das Diendl und schaut auf zum Bruder wie zu einem blinden Menschen.

»Wär mir drum, Sefa«, lacht der Wast. »Schau, wo so viel Fremde in Brixlegg, Mehrn, Kramsach und Voldöpp jeden Sommer sind, da muß mit den Eiern ein gutes Geschäft werden. Du mußt mir aber helfen. Hörst.«

»Gern.«

»Dann merk dir's, in dem kleinen Häusl sind zehn Hennen und ein Hahn. Das ist der Stamm. Jeden Tag sechsmal mußt da nachschauen und die Henn aus dem Nest lassen. Dann jedes Ei aufschreiben. Das ganze Geleg dieser Vögel kommt unter die brütende Henn. Die Kücken von den besten Hennen kommen dann zur Herde in den großen Stall. Und die Eier, die die Herde legt, die allein werden verkauft. Verstehst?«

»Gnua.«

»Wenn i mich nur verlassen kann. Mehr braucht es nit. Dafür stell ich einen Knecht ein, damit du am Feld wenig mehr zu tun hast.«

»Du bist so gut. Arbeiten will i gern, Wast.«

»Nix verreden, Diendl, ungeschicktes«, lacht der junge Bauer. –

Beim Krill war die Sach den Tag anders. Eine Woch war der Bauer nit zu Haus und die Lies hat drum die Erdäpfel so anbauen können, wie's der Wast macht. Sogar das Saatgut hat sie vom Wast. Jetzt hat die Dirn natürlich beichten müssen, und einen Tanz hat es geben, nit zum sagen wie. Auf den Tisch hat der Vater gehaut. Ob sich sein Diendl nit schämt, andern Leuten was nachzumachen? Wo's eh aufgelegter Unsinn ist!

»Ja, grad deswegen, Vater«, redet die Lies ruhig dawider. »Wenn's uns nit geht, dann bist du wieder der erste im Dorf, der die andern vor Schaden hütet. Wer kann dann besser reden, daß er dumm ist, der Prosser Wast, wie du?«

»Ist wieder wahr. Nit einmal ungeschickt ist das«, überlegt der Krill und geht dann auf die Tenn.

»Na grad in Gottsnam, Lies, wie du das kannst, den Vater auf der Nas' tanzen!« redet itzt die Bäuerin. »Und i mich weiter so geforchten …«

»Lies,« sagt der Prosser Wast am nächsten Sonntag, »i weiß itzt einen jungen Stier, schon wirklich was Nobles. Mein müßt er werden, wenn i das Geld hätt. Geh, hetz deinen Vater drauf.«

Noch auf d'Nacht hat die Lies geredet und gar nit extra lang hat es braucht, dann war der Bauer so weit, daß der Stier sein werden muß. Und erst wie er ihn zwei Tag drauf gesehen hat! Teigel, wie er da steht, die breite, volle Brust, der gerade Rücken und die wunderschöne Hinterhand. Schon heilig eine Pracht. Jeder muß das sagen, wenn er nit Sand in den Augen hat.

»Teixl, Diendl, wo hast du auf einmal so viel Viehverstand aufklaubt?« fragt der Krill, wie das Vieh dann in seinem Stall steht.

»Man lernt halt, Vater«, tut die Lies scheinheilig, wie das bravste Diendl oft reden kann. Und ihre Augen glänzen. Das Lob gehört ja ihrem Wast zu. Der Bauer nimmt den Glanz für Stolz, die Lies aber freut sich, weil's das erstemal ist, daß der Vater ihren Wast hat gelten lassen. »Wart, Vaterl, dich stecken wir schon noch unters Heu«, lacht sie in sich hinein und arbeitet und sorgt für drei weiter. Freilich, wenn der Bauer gewußt hätt, wie oft grad der Wast geraten, wie oft er stundenlang seiner Lies alles mögliche auseinanderdividiert hat, dann wär die G'schicht wohl anders gelaufen. Mein Gott, die Krillbäuerin hat oft in allen Ängsten hellauf gelacht, wenn sie ihre beiden Liebsleut so beobachtet hat. Einzig ihre Augen sagen dann und wann, aber auch nit oft, daß zwischen beiden mehr wie bloß Hühnerfutter liegt. Sonst aber reden sie von der Bauernschaft und das stundlang. B'sundere Leut sind die heutigen Leut. Die Bäuerin weiß es noch genug, sie hat es anders gemacht.

Im Herbst haben sie beim Krill Erdäpfel gegraben. Bessere Nussen sind in der Erd gewesen und ist einmal ein Knollen größer, so sind seine Brüder die reinsten Vogelbeer. Nur auf den Acker, den die Lies anbaut hat, war die Sach anders. Ganz anders.

Fürs erste hat der Krill den Kopf geschüttelt und gemeint: »Nit zum glauben! Rein nit zum glauben …« Und dann hat die Lies mit ihm gerechnet. So hundertzwanzig Kronen mehr verdient er auf die Weis' das Jahr von den Erdäpfeln.

»Das hast g'scheit g'macht Lies«, lacht er endlich, und viel Anerkennung ist in der Red.

»Ach was, i, Vater! Der Wast hat die Sach gemacht.«

Einen ganzen Riß gibt es dem Bauern. »Teigel! Hört die Sach noch nit auf?«

Dazu sein böses, böses Gesicht.

»Vater!« tut das Diendl voll Festigkeit und heimlichem Weh.

»Ach was. Findest genug Buam, Lies, muß es grad der sein?«

»Gefundene Sachen, das ist nit fein, Vater …«

Ein Brummer und dahin ist der Bauer. Auf dem Weg begegnet ihm der Kramer. Gleich fangt er von seinen Erdäpfeln an zu foppen und prahlen:

»Weißt, was i für gute Erdäpfel das Jahr hab. Ein ganzer Grausen. Vorjahr hab i von einem gleich großen Acker neun Fuhren heimgeführt und das Jahr sind's fünfzehn geworden«, erzählt der Krill.

»Ja, mein Lieber, du verstehst es halt. Bist dein Lebtag ein Bauer gewesen, wie man ihn suchen muß«, redet der Kramer. Ist er ihm leicht noch achthundert Gulden schuldig und da redet eins gern Ding, die man sonst nit gelten lassen möcht, weil's dem andern gefallt.

Wochen gehen dahin. Beim Krillbauern bohrt alles wie nimmer gescheit. So umwegs hat er sich um seine Lies im Dorf herumgefragt und da wohl Ding erfahren, so von der Gattung, daß der Prosser Wast und seine Lies handeleins sind.

»Verflixte Dirn!« schimpft er ein übers andere Mal. Aber heimlich muß er doch schmunzeln. Grad die Bäuerin hat jetzt ein Leben gehabt wie in der Höll. Wenn ihr der Bauer gar noch draufkommt, daß sie alleweil … Nit zum sagen, was das für ein Sturm wird. Und so voll Angst war die Haut, daß sie's gar nit merkt, wie der Bauer schon heut mehr, viel mehr weiß, als ihr lieb sein mag. Er hat die Sach nur alleweil in sein Tüchel bunden, weil er denken muß, denn so was laßt sich nit übers Knie brechen. Macht er einmal eine Anspielung, so ist auf dem Gesicht der Bäuerin grad die hellichte Angst hergangen. Das aber hat ihm wieder gefallen. »Wart, Alte,« redet er so vor sich hin, »ganz so billig verkauf i dasmal mein Diendl nit. Merk dir's grad!« Und dann hat er in seinen Polsterzipfl bissen, sonst hätt er lachen müssen. Der Krillbauer ist nämlich einer von den Leuten, die im Haus alles anschaffen, aber nie mehr, gar nie, als was sie gewiß wissen, daß es geschieht. Und ein Unfried im Haus, lieber die Höll. Der Bauer war ein kunsthafter Mensch, der Theater spielen kann wie kein zweiter. Immer hat er angeschafft, aber immer das, was sein Weib ohnedem tan hätt. Und nur eine hat das nie gemerkt und das war … seine Bäuerin. –

Ist die Krillies einmal bei der Prosserin. Jetzt, seit der Sach mit den Erdäpfeln ist sie offen ins Haus gangen, denn wenn's dem Vater nit paßt, redet er schon, und redet er, ist immer noch Zeit zum Wehren, ist ihr vorgekommen. Der Vater hat aber nit geredet. Er muß es rein nit erfragt haben …

Bei der Gelegenheit meint die Prosserin:

»Der Wast möcht gern, daß dein Vater den Stier auf die Ausstellung nach Rotholz schickt. Einen Preis kriegt er sicher. Dafür legt mein Bua seine Hand ins Feuer.«

Gar nit extra viel hat das braucht. Viel leichter ist das gegangen, wie sich die Lies denkt hat. »Die Leut im Dorf müssen doch auch einmal sehen, was eins für ein Bauer ist. Gelt, Lies. I meld ihn an.«

Das nächste Monat fahrt richtig ein Knecht mit dem Stier gegen Rotholz. Neugierig wie der Krill war, muß der Knecht nachmittags gegen drei in St. Gertraudi sein mit dem Vieh. Der Bauer wird auch dort eins trinken um die Zeit. Hört man doch gleich, wie's ausgegangen ist …

Am gleichen Tag kommt der Prosser auf seinem Radel vom Schloß Lichtwer. Er war beim Exzellenzherrn und hat sich sein Geld von der Eierlieferung geholt. Hundertsechzig Kronen hat er dort eingesteckt. »Und nächstes Jahr gibst uns doch wieder Eier, Bauer?« meint der Exzellenz.

Der Bua sagt natürlicherweise zu, schiebt das Geld bedächtig zu den anderen vierhundert Kronen, die er heut in Rotholz droben für eine Kalbin eingenommen hat.

Mein Gott, der Bauer muß sich sein bißl Geld halt auch zusammensuchen, wie der Spatz sein Nest. Und voller Gedanken radelt er ins Gai, nach St. Gertraudi. Beim Wirt an der Straß steht ein langer Tisch neben der Landstraß und ein Haufen Leut sitzen dort vor ihren Gläsern. Der Krill und seine Lies sind auch drunter.

»Ist g'scheit, Bauer, daß i dich treff«, redet der Wast im Abspringen. »Weißt es schon, daß du heut den ersten Preis kriegt hast?«

»Ist's wahr, Bua?«

»Siggst, Vater, daß i recht hab gehabt!« meint die Lies.

»Das kann i mir gar nit denken. Den ersten Preis«, tut der Krill.

»Das braucht's auch nit, Bauer«, lacht der Wast und der ganze Mensch lacht.

Das erste ist jetzt, daß der Preis einmal ordentlich eingeweicht wird. Ein Liter Wein muß auf den Tisch und noch einer, weil eins einen solchen Preis nit alle Tag kriegt.

Später kommen die beiden Knecht daher mit dem Preisstier. Einen mächtigen Kranz hat das Vieh um den Hals und zwischen den Hörnern ist ein Taferl: »I. Preis« steht drauf. Die zwei Knecht haben den ersten Preis scheint's ordentlich begossen, damit er nit zu brennen anfangt. Das Vieh sieht kaum den Brunnen vor dem Haus, da strebt's dem Wasser auch schon mit aller Gewalt zu. Und nachher kostet es vom Weggras. Die Knecht aber prahlen ihrem Bauern einmal vor, was grad nur möglich ist. Zu viel loben und prahlen, das haben sie gewußt, ist einwegs unmöglich bei einem Bauern in dem Fall. Auf der ganzen Ausstellung war ganz wunderschönes Vieh, das schönste, weitaus das schönste, das war ganz gewiß der Stier da. Aber mit einem Gulden wäre das andere Vieh genug zahlt im Vergleich zu dem Vieh da.

Der Krill kriegt ganz helle Augen und leicht wird ihm ums Herz, und Stolz ist alles, was er im Augenblick fühlt. Völlig verliebt schaut er seinen Stier an, kann das Aug fast nimmer lassen von dem Vieh. Endlich fallt es ihm doch ein:

»Seids wohl durstig, Leut?«

»Das schon bei der Hitz.«

Und gleich steht ein Liter Wein vor den beiden. Der Stier grast am Wegrand und die Leut kommen ins Diskurieren. Man gratuliert und schätzt das Vieh und so ist es nett worden.

Auf einmal biegt ein Automobil um die Eck. Der Wagen ist im rasenden Lauf. Der Chauffeur tutet und tutet. Der Stier schaut auf, denn das Tuten ist ihm zu dumm. Er sieht den rasenden Wagen, senkt die Hörner und hebt den Schwanz. Seine Augen rollen und eh noch einer am Tisch was denken kann, nimmt das verflixte Vieh den Wagen an. Der Chauffeur bremst, alles zu spät, denn das Vieh ist schon wild. Vier, fünf Sprüng macht es und dann ist es unter den Rädern – begraben. Das Automobil ist darüber weg, als wär's gar nit der Müh wert.

Die Leut, die's sehen, haben gar keine Zeit mehr zum Schreien. Sie sehen nur Blut aufspritzen. Der Chauffeur haltet, der Herr springt aus dem Wagen, seine beiden Damen schauen ängstlich grade aus.

»Mein Gott und Herr!« schreit der Krill, wie er's endlich gewahr wird, was geschehen.

»Es tut mir recht leid, aber wir können nichts dafür. Der Ochs ist hin und ich will Sie gern schadlos halten,« fangt der Herr an.

»Ox, sagt das Luder, das dumme«, brüllt der Krill förmlich. Und der Knecht weist ihm das Taferl vor mit dem ersten Preis.

»Da schauen S' her, was S' angestellt haben, Herr«, schreit der Bauer. »Mein bestes Stück Vieh und der beste Stier im ganzen Unterinntal …«

»Aber beruhigen Sie sich doch. Ich will es ja bezahlen.«

»Hab i vielleicht mit dem Geld schon gute Kälber?« braust der Krill auf.

Die Leut umstehen das Gefährt mit drohenden Mienen, und der Herr läßt sich schließlich hinreißen und sagt:

»Ja, mein lieber Herr, der Stier hat ja ganz das gleiche getan, wie der Tiroler Bauer.«

»Wieso?« – schreien alle zugleich.

»Er hat sich eigensinnig, wie ihn der Herr erschaffen hat, dem Fortschritt entgegengestellt und ist unter die Räder gekommen. Das sieht man in Ihrem Land täglich, deswegen brauchen Sie sich nicht so aufzuregen.«

Sagt der Wast nachdenklich: »Erst nit so unrecht hat der Herr eigentlich. Das kannst dir merken, Krillbauer.«

In etli Minuten war der Handel gemacht. 1400 Kronen hat der Krill eingeschoben und die Herrenleut sind endlich wieder davongefahren.

Auf den Weg gingen der Krill, die Lies und der Wast allein bergauf.

»Itzt, recht hat der Herr, sich dem Fortschritt eigensinnig entgegenstemmen, das führt zu nix. Es führt zu nix, ganz g'wiß. Das Neue darf der Bauer nit verpassen, weil das kein einziger Stand heut noch tun kann. Ausprobiert will's sein. Tut dann die neue Sach, ist's recht, und tut's nit, muß er's aufzeigen können, damit wenigstens andere nit damit Geld und Zeit verlieren.«

»Auf die Weis', Wast, hätt der Bauer ja gar keine Ruh mehr«, zweifelt der Krill.

»Ja, Vater,« meint die Lies, »bist du denn dessentwegen Bauer geworden, damit du deine Ruh hast?« Das Diendl redet das mit tiefen grundklaren Augen voll Herzlichkeit und das geht dem alten Mann an ihrer Seite, der sich im Leben genug geplagt und geschunden hat, grundtief. Er wird nachdenklich und es ist, als ob's zusammenläutet jetzt drin in seinem Empfinden.

Das Diendl, das gut im Gesicht des Vaters lesen kann, faßt drum stärker.

»Schau, Vater, wir zwei,« damit stellt sie sich ganz nah zum Wast hin, »wir zwei haben auch schon jahrlang keine Ruh mehr …«

Und die jungen Leute standen so tapfer vor dem alten Mann, daß er sich grad auf eins umdreht, sie brauchen nit zu sehen …, wie's bei ihm aufleuchtet, und wie er sich dann wieder herwärts dreht, sieht er die beiden zusammenhängen, wie der Baum und der Gipfel.

»O du verflixt …!«

Der Wast will reden, aber mit vollem Herzen redet sich schlecht. Das spürt er jetzt deutlich genug. Er zermartert sich den Kopf nach Worten, aber findet keine. Endlich fangt der Bauer an:

»Recht ist's mir kein bißl nit, Dirn. Dein Wast ist mir zu unruhig gewesen«, redet er halb zu sich und halb zu den zwei Leuten.

»Vater!« bettelt die Lies herzig.

»Geh, sei so gut …«, bettelt der Bua.

»Aber alles, was recht ist. Gehalten hast dich gut. So wie du dein Gütel wieder in Schuß kriegst, wird's nit viele geben, Bua. Magst stolz drauf sein. Alsdann geht's zur Muatter, und wenn die Ja sagt …«

»Die sagt Ja, Vater«, jubelt die Lies.

»Woher weißt denn du das so sicher?« lacht der Bauer.

»Weil wir Weiberleut alle z'sammhalten, Vaterl«, lacht die Dirn.

»Wenn's Ja sagt, mir ist's recht. I versteh die Welt nit recht. Mein bester Stier muß mir erst die Brill aufsetzen … Ist ein Kreuz so was. Heilig ein Kreuz.«

* * *

Die jungen Leut greifen mächtig aus den Berg hinauf und bald ist der Krill allein. Sinnierend stapft er Schritt für Schritt in die Höh, heimzu. So kommt er endlich beim Prosser vorbei und dort gibt es ihm einen Riß, denn er sieht die Bäuerin unter der Tür. Eine letzte Gewalt und da steht er schon vor der Prosserin.

»Möchtest nit zu uns kommen itzt, Prosserin«, fangt er an. Zaghaft klingt es und erst wie die Bäuerin ganz verwundert den Mann vor ihr betrachtet, bekommt er Mut. »Weißt, dein Bua hat heut Handschlag mit meiner Lies. Aber gleich muß es sein, weißt, sonst reut's mich am End«, versucht er zu scherzen. O, war das dem alten Mann schwer! Aber er sieht es ein, zum Ruh haben ist der Bauer nit auf der Welt. Der Bauer am wenigsten. Und für sein Diendl ist alleweil besser einer, der weiß, zu was er auf der Welt ist, und nit einer wie er … so ein Narrenturm.

Und wie der Bauer jetzt in seinen Gedanken, die weh tun und froh zugleich sind, die Dorfgass' hinuntergeht, da liegt's wie das Glühen der Berge auf seinem runzeligen Gesicht.

»Na, ist der Mensch heut schön!« sagt die Kramerin, die unter der Tür steht und dem alten Mann nachschaut, bis er hinter dem großen Kirschbaum verschwindet. »Na ist der Mensch heut schön!«


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