Paul Schreckenbach
Die letzten Rudelsburger
Paul Schreckenbach

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IV.

In einer Fensternische des großen Saales der Innenburg saß am Morgen des folgenden Tages Werner Kurtefrund und blickte nachdenklich hinüber nach der Saaleck, von deren Türmen und Zinnen unzählige große und kleine Trauerfahnen herniederwehten. Eine Wolke des Anmuts lagerte auf seiner Stirn, und grimmig ruhte sein Auge auf den schwarzen Tuchstreifen, die ihm das Anbrechen einer neuen Zeit für das Bistum Naumburg verkündigten. Der alte Bischof Witticho hatte die Burg da drüben von dem Schenken von Saaleck für schweres Geld gekauft, und damit waren die Kirchenfürsten von Naumburg der Rudelsburg nächste Nachbarn geworden. So lange der friedsame Greis lebte, hatte er das kaum gemerkt; aber wenn an seine Stelle ein anderer kam, so konnte diese nahe Nachbarschaft sehr unbequem, sogar recht gefährlich werden. War das nun zu befürchten unter dem, der die bischöfliche Inful schon so sicher auf seinem Haupte glänzen sah? Johann von Miltitz war ja kein kriegerischer Herr, denn er war bequem und den Strapazen des Feldes abgeneigt, liebte Spiel und Wein und vor allem schöne Frauen, die er zierlich wie kein anderer im Tanze zu schwenken wußte. Aber infolge dieser Neigungen war er beständig in der Geldklemme, und so konnte es wohl geschehen, daß ihm die reichen Naumburger Gewandherren seine Schulden bezahlten und dadurch ihn für sich gewannen. Ja, wenn der Bischof so wirtschaftete, wie der Domherr gewirtschaftet hatte, so kauften sie ihm am Ende noch die Saaleck ab, und dann glich der Rudelsburger Schloßherr einem Fuchse, dem man eine Hundehütte dicht vor seinen Bau gestellt hatte.

Es ward ihm siedendheiß bei diesem Gedanken, und er knirschte mit den Zähnen. Es war doch eine verdammte Welt, in der alles vom Gelde abhing, alles nach dem Gelde sich richtete! Die Händler und Krämer hatten noch vor fünfzig Jahren nichts zu bedeuten und nichts zu sagen gehabt; aber in genau demselben Maße wie ihr Reichtum war auch ihre Macht gewachsen und wuchs immer mehr, und die schloßgesessenen Herren, die nicht schachern und taglöhnern wollten, verloren an sie einen Acker, ein Waldstück, eine Grundgerechtigkeit nach der anderen. Noch einige Jahrzehnte, und vor der Unstrutmündung stand ein zweites Nürnberg, und Burgen und Dörfer gehörten wie dort dem hochmütigen Städtervolk.

Nun, vielleicht hatte ihm der liebe Gott einen Menschen zugesendet, der ihm dasselbe Kampfmittel verschaffte, das die Städter mit so großem Erfolge anwendeten, das Geld. Und dieser Mensch, den er zu sich hatte entbieten lassen, trat soeben in den Saal ein, und wieder überraschte und verblüffte den Ritter die ruhige, vornehme Sicherheit in der Haltung dieses Mannes, der ihn jetzt nach einer kurzen Verneigung in der höflichsten, aber auch bestimmtesten Weise nach seinen Wünschen fragte.

»Kommt,« sagte Kurtefrund, »setzt Euch hierher ans Fenster mir gegenüber. Wir müssen miteinander reden über das, was nun werden soll.«

Er machte eine Pause, räusperte sich stark und fuhr dann fort: »Ihr seid gestern mein geschworener Mann geworden; darum will ich Euch einen Plan kund tun, bei dem Ihr mir helfen sollt. Seit einigen Jahren mühe ich mich, einen Bund zusammenzubringen wider die Naumburger. Sie sind meine geschworenen Feinde, so lange ich Herr bin auf dieser Burg, wie sie schon meines Vaters böse Feinde waren. Jetzt ist das Netz fast fertig, das ich ihnen über die Hörner werfen will. Es fehlt nur noch an einem,« – er stieß einen schweren Seufzer aus – »es fehlt an Geld. Das verfluchte Geld!«

Er machte eine Pause und sah Kyburg mit seinen scharfen Augen an, als ob er ihn durchbohren wollte. «Dazu könnt und werdet Ihr mir verhelfen!« sagte er endlich mit schwerer Betonung.

Kyburg hielt den Blick ruhig aus, und der Gedanke zuckte durch sein Hirn: »Wie wär's, wenn du ihm ganz reinen Wein einschenktest? Wie wär's, wenn du ihm klar und deutlich sagtest: Nein, Herr, Gold zu machen verstehe ich nicht. Dagegen kann ich Euch ein Mittel bereiten, das die festesten Mauern Eurer Feinde in Staub wirft.« Aber er verwarf den Gedanken auf der Stelle wieder. Was er dem Ritter erzählen würde, das mußte diesem wie ein Märchen dünken, und er selbst erschien ihm höchstwahrscheinlich als ein Narr und Schwindler und erhielt mit Hohn und Spott sogleich den Laufpaß. Nur durch den Augenschein war der Schloßherr zu überzeugen, daß er ihm etwas Großes brachte, etwas Wertvolleres als Gold und Silber.

Deshalb gab er ihm vorsichtig die Antwort: »Was ich irgend vermag, das gelobe ich Euch zu tun. Aber Ihr wisset selber, Herr, daß ein Gelingen von vielem abhängt, was niemand im voraus berechnen kann, vor allem von dem Stande der Gestirne.«

Kurtefrund zog die Augenbrauen hoch. »Bis zum Ende des Jahres werden die Sterne doch sicher einmal günstig stehen,« sagte er weit weniger freundlich, als er vorher geredet hatte. Er sah in Kyburgs Worten offenbar den Versuch einer Ausflucht und wurde mißtrauisch.

Der gewandte Kyburg bemerkte das auf der Stelle und lenkte deshalb sofort ein. »Ohne Frage, Herr,« erwiderte er eilfertig. »Wir haben bis dahin noch über vier Monate Zeit.«

Kurtefrund nickte. »Gut. Und wieviel Dukaten braucht Ihr vor der Hand zu Eurem Werke?«

»Zuvörderst nur ein paar, Herr, durch die ich zweierlei beschaffen muß: Salpeter und Schwefel.«

Der Ritter fuhr auf und blickte ihn verwundert an. »Mann, was wollt Ihr mit diesem Zeuge machen? Wollt Ihr das verwandeln in edles Metall? Vermögt Ihr das, so steht Ihr wohl mit dem Teufel im Bunde!«

»Würde Euch das erschrecken, Herr?« fragte Kyburg mit einem seltsamen Lächeln.

Des Ritters Augen wurden noch weit größer als vorher, und er schlug unwillkürlich ein Kreuz. »Mann, Mann! Wie fragt Ihr?« rief er. »Ich bin ein guter Christ und will nichts zu tun haben mit dem Schwarzen in der Hölle. Auf Erden fürcht' ich nichts, das weiß Gott, und meine Feinde mögen sich vor mir vorsehen! Aber mit dem Fürsten der Finsternis« – er bekreuzigte sich von neuem – »binde ich nicht an. Und ich mahne Euch dringend, daß Ihr kein Teufelswerk treibet auf meiner Burg! Das möchte Euch übel gedeihen.«

Kyburg blickte dem Rudelsburger erstaunt, beinahe verdutzt ins Gesicht. Er hatte ihn offenbar falsch eingeschätzt. Ihm selbst war bei seinen Fahrten unter den Ungläubigen der Respekt vor dem Höllenfürsten ebenso abhanden gekommen, wie der Glaube an sehr viele Dogmen der Kirche, die ihm in der Kindheit eingeprägt waren. Nur der Glaube an den einen allmächtigen Gott, den Lenker der Welt und der Menschenschicksale, haftete noch wirklich fest in seiner Seele. Nun hatte er nach der schroffen Weise, in der sich der Ritter über den Unfug der Geißelfahrten geäußert, eine Art Freigeist auch in ihm gesehen. Das war, wie er jetzt erkannte, ein schwerer Irrtum gewesen, und darnach richtete er nun seine Rede ein.

»Es kommt mir nicht in den Sinn, Herr,« sagte er ruhig und kühl, »die Macht des bösen Feindes bei meiner Kunst zu Hilfe zu rufen. Die Heiden, die meine Lehrmeister waren, haben, wie Ihr wißt, einige Kräfte der Natur erkannt und in ihren Dienst gezwungen. Warum Gott gerade ihnen solche Weisheit verliehen hat, ist mir verborgen. Wahrscheinlich aus demselben Grunde, weshalb er ihnen die schönsten Weiber, die schnellsten Pferde und das meiste Gold verlieh: er wollte in seiner abgrundtiefen Erbarmung auch diesen Geschöpfen etwas Gutes erweisen, die dem ewigen Tode verfallen sind, so wie er dem Schmetterling, der nur einige Tage lebt, die schillernden Flügel und die Kunst des Fliegens gegeben hat. Da nun alles von ihm kommt, Herr, wären wir nicht Toren, wenn wir nicht von ihnen lernen wollten?«

Kurtefrunds Gemüt war durch diese kurze Rede vollkommen besänftigt. Er schlug sich mit der Hand auf den Schenkel und blickte den vor ihm Stehenden, der sich bei seinen Worten erhoben hatte, wohlgefällig an. »Ihr habt recht!« rief er, »und Ihr redet, wie es zwei gelehrte Äbte nicht besser vermöchten! So will ich Euch trauen, und was Ihr bedürft, das sollt Ihr in Bälde haben. Es wird von Erfurt leicht zu schaffen sein, denn in diesem großen Krämernest ist alles zu kaufen, was es auf Erden gibt. Auch die Stätte will ich Euch anweisen, wo Ihr Eurer Arbeit obliegen könnt. Ich gehe jeden Morgen rund um die Burg, und Ihr sollt mich heute begleiten. Ich denke, Ihr werdet mir zugestehen,« setzte er mit stolzem Selbstgefühl hinzu, »daß Ihr eine bessere Burg nirgends gesehen habt, weder in deutschen, noch in welschen Landen. Ihre Mauern stehen für ewige Zeiten und schwerlich mag sie ein Mensch bezwingen, wenn ihre Herren sich ehrlich wehren.«

Ueber Kyburgs Antlitz huschte ein Lächeln, denn mit dem wunderbaren Mittel, das er herstellen konnte und nach dem deutschen Lande bringen wollte, schien ihm auch die stärkste Feste wohl bezwingbar. Aber als er nun mit dem Ritter hinaus trat auf den Gang, der innen um die mächtige Mauer lief, da erkannte er, daß die Eroberung dieser Burg in der Tat sehr schwierig sein und viel Blut und Arbeit kosten mußte.

Auf gewaltigen, nach drei Seiten steil abfallenden Felsen, wohl zweihundert Fuß über dem Spiegel der Saale erhob sich die Innenburg. Nach Süden, Westen und Norden war ein breiter und tiefer Zwinger vorgelagert, obwohl der Berg überall steil abfiel. Im Osten schied ein Abgrund, über den eine Zugbrücke führte, die Zitadelle von der Vorburg. Nur von hier aus war an eine Eroberung der Bergfeste zu denken, aber die von Natur schwächste Stelle war durch Kunst fast uneinnehmbar gemacht worden. Mauern von riesiger Stärke und zwei trotzig aufragende Türme schirmten das Tor, und an ein Ausfüllen des Abgrundes war gar nicht zu denken, dazu war er viel zu tief. Als Kyburg neben dem Ritter auf der herabgelassenen Zugbrücke stand, mußte er sich sagen, daß dieses von einem hohen viereckigen Burgfried überragte Schloß nicht nur eine der schönsten, sondern auch eine der festesten Burgen sei, die er auf seinen weiten Fahrten gesehen hatte.

Von der Vorburg, in die sie nun eintraten, konnte das nicht in gleichem Maße gelten. Zwar nach Norden zu war sie durch die Höhe und Schroffheit der Felsen vor jeder Ersteigung gesichert. Aber nach Süden zu war der Abfall des Berges in dm Freirodaer Grund wohl steil, doch nicht sehr hoch, und nach Osten hin war ein natürlicher Schutz überhaupt nicht vorhanden, da war vielmehr alles Befestigungswerk von Menschenhänden aufgerichtet. Allerdings war die südliche Ringmauer gewaltig hoch und breit und wohl bewehrt mit Türmchen und Zinnen, auch war der Zwinger vor dem Tore im Osten tief ausgehoben und von einem ungeheuren Turm bedeckt, aber trotzdem war hier eine Stelle, wo ein starker Feind, dem es auf das Blutopfer von hundert Mann nicht ankam, an ein Stürmen denken konnte.

Schwer genug mochte es immerhin sein, denn die Burg wimmelte von Kriegsvolk. Mit Staunen sah Kyburg die große Menge von Pferdeställen und Wohnungen, vor denen Frauen ihre Wäsche wuschen und barfüßige Kinder herumspielten. Die Burg hatte einen so weiten Umfang und war so mit Menschen angefüllt, daß sie fast einer kleinen Stadt glich. Sogar ein stattliches Wirtshaus war vorhanden, vor dem einige zechende Mönche saßen, »Brüder vom Kloster Pforte«, wie der Ritter seinem Gaste zuraunte. Und da nach einem geheimnisvollen Gesetze des irdischen Daseins in der Nähe eines Wirtshauses auch fast immer ein Gotteshaus zu finden ist, so fehlte es auch hier nicht, und es war keine kleine, dürftige Kapelle, wie zumeist auf anderen Burgen, sondern eine große, geräumige Kirche.

»Da drin«, sagte Kurtefrund, »steht ein Gnadenbild der heiligen Landgräfin Else, das zuweilen ein Wunder tut. Mein Vater wollte es dem Bischof von Naumburg gegen zwei Meierhöfe überlassen, aber kein Mensch konnte es von der Stelle rücken. Der hochwürdige Pfaffe kam selbst und wollte es von seinem Altar heben. Da fuhr ihm ein böses Reißen in den Arm, und er floh von dannen und ließ es stehen. Die Heilige will auf der Rudelsburg bleiben, und ich denke, wenn uns Feinde überziehen, so wird sie ihnen übel auf die Köpfe kommen. Gelobt sei Sankta Elisabeth!« Er neigte sich achtungsvoll gegen die Kirche, und Kyburg tat desgleichen.

Als die beiden die ganze Länge des Burghofes, der einer breiten Straße glich, durchschritten hatten, blieb der Ritter stehen und öffnete die schmale Pforte des Wartturmes. Einen Bau wie diesen Turm hatte Kyburg noch nie gesehen, denn er war vorn rund, hinten kantig, nicht übermäßig hoch, aber so dick, daß er aussah wie ein riesenhafter natürlicher Felsblock.

«Ich gehe voran. Ihr folgt mir,« sagte Kurtefrund und stieg eine knarrende Holztreppe in die Höhe. Sie führte in ein enges, aber von vier kleinen Fenstern erhelltes Gemach, und mit Erstaunen sah Kyburg, daß dieses Zimmer ganz der Küche eines Alchymisien glich. Tiegel und Pfannen lagen und standen überall umher, und an der Wand stand ein ziemlich großer Kamin, dessen Esse durch das Turmdach nach dem Himmel ragte.

»Wie, Herr,« rief er, »betreibt Ihr selbst die Kunst der Alchymie, oder habt Ihr schon einen hier, der sie in Euren Diensten übt?«

«Ich hatte einen,« erwiderte Kurtefrund, und sein Gesicht ward finster. »Der Bursche war ein eidbrüchiger Schuft und Dieb. Zweihundert Golddukaten hatte er mir abgeluchst und geschworen, er wolle sie verzehnfachen. Da stieg er in einer Regennacht heimlich über die Mauer. Aber wir haben ihn eingeholt und mit ihm getan, wie es dem Schelm recht und billig war.« Er wies mit einem grimmigen Lächeln durch das Nordfenster hinaus. »Da drüben haben wir ihn über die Mauer den Felsen hinabgestürzt, und die Raben haben sein Fleisch gefressen!«

Kyburgs Blicke folgten der deutenden Hand, und es überrieselte ihn kalt. Er sah, daß er in eine harte Hand geraten war, und einen Augenblick erzitterte sein Herz bei der Frage, wie wohl das Abenteuer auf dieser Burg enden werde.

»Er war, wie ich sagte, ein meineidiger Betrüger,« nahm Kurtefrund seine Rede wieder auf. »Von Euch, meine ich, hab'ich dergleichen nicht zu befürchten. Ihr seht nicht aus wie ein Schelm, eher, bei Gott, wie ein adliger Mann. In den schweizerischen Landen liegt eine Grafschaft, die Euren Namen trägt. Seid Ihr ein verarmter Sproß dieses Geschlechts oder ein Dienstmann, der den Namen seiner Herrschaft trägt?«

»Mein Vater hatte das Blut der Kyburger in den Adern,« versetzte der junge Mann düster.

»Aber er war in eine schwere Tat verstrickt. Näheres weiß ich nicht darüber. Deshalb mied er das deutsche Land und zog nach Italien. Dort nahm er eines Bürgers Kind aus Mailand zur Ehe, aber sie starb, als ich geboren ward. Da ward ich erst aufgezogen in einer Burg in Tyrol, und als ich zwölf Jahre alt war, kam ich auf die Klosterschule in Bologna und sollt' ein Pfaff werden. Mein Vater wollte wohl damit sühnen, was er in der Jugend gefehlt hatte. Aber ich taugte nicht zu einem Geschorenen, und als ich achtzehn Jahre alt und mein Vater gestorben war, da entlief ich der Klosterzucht und ward ein Reitersknecht.«

»Recht so!« lobte Kurtefrund. »Wer heißes Blut hat und einen starken Arm, der soll sich nicht hinter Klostermauern verkriechen!«

»Das übrige wißt ihr, Herr; ich hab's euch auf der Reise erzählt.«

»Und noch eins,« sagte Kurtefrund, »habt Ihr den Rittergurt empfangen aus eines edlen Herren Hand?«

»Der Bischof von Brixen hat ihn mir verliehen.«

Kurtefrund blies die Backen auf und pfiff durch die Zähne. »Das ist ein übel Ding,« sagte er, »Pfaffenritter stehen hier zu Lande nicht hoch im Preise, und Ihr tut wohl, meinem Gesinde zu verschweigen, daß Euch der Bischof zum Ritter gemacht hat. Nennt lieber den Grafen von Meran oder meinetwegen den griechischen Kaiser. Nachfragen kann ja doch keiner. – Aber, zum Henker, was ist das?«

Vom Tore herauf tönte ein schwaches Kreischen, das Zeichen dafür, daß die Zugbrücke niedergelassen wurde. Gleich darauf hörte man das wirre Geräusch vieler Stimmen.

Einen Augenblick horchte der Ritter auf das Gewirr, dann polterte er eilig die Stiegen hinunter. Kyburg steckte den Kopf durch das Fenster und spähte neugierig hinab in den Hof.

Dort sprang eben ein Mann vom Pferde, der ihm wie Werner Kurtefrunds verjüngtes und verkleinertes Ebenbild schien. Er hatte dasselbe kühntrotzige Gesicht mit der Adlernase und den scharfen Augen, aber sein Gliederbau war zierlicher, und die ganze Gestalt erschien geschmeidiger und zarter als die des gewaltigen Burgherrn.

»Zum Teufel, Heinz!« rief dieser überrascht. »Du bist schon zurück von der Burg Werben? Da mußt du doch vor Tau und Tag abgeritten sein.«

»Ich habe die Burg schon gestern abend verlassen und bei den Mönchen in Pforte genächigt. Heute früh trieb mich etwas aus den Federn, ich weiß nicht was, daß ich zeitig aufbrach. Und siehe da, Bruder, da traf ich einen, der auch früh aufgebrochen war aus seinem Krämerneste und der sich, weiß Gott, auf unserem Grund und Boden mit Weidwerk und Federspiel vergnügte.«

Er wies auf einen etwa siebzehnjährigen Jüngling, der mit gefesselten Händen im Tore stand. Die langen blonden Locken hingen ihm wirr um das angstverstörte Gesicht.

Auf des Burgherrn Stirn erschien eine dicke blaue Zornesader. »Schon wieder ein solcher Schuft? Wer ist der Milchbart? Ein Naumburger Stadtsohn?«

»Wer das ist, Bruder, das rätst du nicht,« frohlockte Heinz Kurtefrund. »Aber ich will dir's sagen: Es ist der Sohn des Ratsmannen, der demnächst wieder Bürgermeister wird, der Sohn Dietzes von Merkwitz!«

Da leuchtete eine unbändige Freude in den Augen des Burgherrn auf, und er streckte beide Hände zum Himmel empor. »Das ist die beste Kunde, die du mir bringen konntest, Heinz! Gesegnet sei dein Fang! Eh' den da die Pfeffersäcke wiederkriegen, sollen sie blechen, daß ihnen die Augen übergehen, ja sie sollen sich arm blechen! In den Turm mit ihm, und du komm zum Frühtrunk!«


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