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Drei Monate waren vergangen. Am Kai lag wiederum die »Montana«, bereit, in der nächsten Stunde ihre Fahrt über den Atlantik nach Südamerika anzutreten. Die Passagiere wogten durcheinander, tauschten mit Daheimbleibenden letzte Abschiedsgrüße aus und wischten sich verstohlen feuchtgewordene Augen.
In einem verschwiegenen Winkel, unberührt von der unter ihnen treibenden Menge, standen zwei Paare.
»Ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, daß wir heute, vereint, die Reise wiederum auf der »Montana« machen, dem Schiff, auf dem wir uns vor vielen Monaten kennenlernten, Geliebter?«
»Es ist kein Zufall, Winifred«, entgegnete der strahlende Hans-Lothar. »Ich habe dieses Schiff mit voller Absicht gewählt. Auf ihm, wo dein Leben in Gefahr kam, sollst du das Glück kennenlernen, Geliebte.«
Sie schmiegte sich fester an seine Brust. Sein Mund verschloß ihr die Lippen. Endlich machte sie sich sanft frei:
»Nun sind wir schon vier Stunden verheiratet«, lachte sie. »Vater war zu nett zu mir. Hast du gesehen, was er mir kurz vor dem Abschiednehmen zusteckte?«
Hans-Lothar schüttelte den Kopf:
»Nein, du Geheimniskrämerin. Was war es denn?«
Verschämt nestelte sie in ihrer Handtasche, die neben ihr auf einer Bank lag. Dann reichte sie ihm ein Blatt Papier, einen Zeitungsausschnitt:
»Lies, Hänschen«, bat sie.
»In der St. Trinitatiskirche fand heute eine Doppelhochzeit statt«,
las er vor.
»Liddy von Weiße vermählte sich mit dem deutschen Gesandten in Montevideo, Gerhard, Baron von Lersdorff. Das junge Paar reist heute mit der ›Montana‹ an den Wirkungskreis des glücklichen, jungen Gatten. An Bord werden sich auch Herr Hans-Lothar von Weiße und dessen neuangetraute Gattin Winifred, frühere Lady Montauban befinden, die sich heute gleichfalls die Hand zum ewigen Bund reichten. Wir wünschen beiden Paaren recht viel Glück, und besonders der jungen Frau von Weiße rufen wir, nach allem, was sie durchmachen mußte, ein herzliches ›Glückliche Fahrt‹ nach.«
»Da steckt sicherlich Vater dahinter, Winifred«, lachte der junge Ehemann. »Er ist ja, wenn dies möglich wäre, in dich noch mehr als ich verliebt.«
»Pfui, wer wird denn eifersüchtig sein!« rügte lächelnd die glückliche, junge Frau. »Komm lieber mit zu den beiden anderen hinüber.«
Gerhard von Lersdorff, die aufblühende Liddy am Arm, kam ihnen entgegen.
»Nun, habt ihr ausgekost?« scherzte er. »Dann will ich euch einen Brief vorlesen, den ich heute von Sir Malcolm erhielt. Hört zu!«
»Mein lieber Baron! Meine lieben neuvermählten Paare! Könnte ich diesen Brief besser einleiten, als mit dem Ausdruck meiner herzlichsten Wünsche für Ihre Zukunft? Nun denn: Alles Schöne und Gute! Wolkenlosen Ehehimmel immerdar! Ich begegnete heute morgen im Kriminalgericht unserem Freund Boscombe. Ich gab ihm Ihren Scheck. Er freute sich, nun, da er außerdem als Inspektor wieder nach Scotland Yard zurückgekehrt ist und dort eine große Rolle spielt, wie ein Kind. Sein Herzenswunsch, zu heiraten, würde, so äußerte er sich, ebenfalls in Erfüllung gehen. Seit vielen Jahren verkehre er mit einer Dame – aber beiden hätten die Mittel zum gemeinsamen Heim gefehlt. Er läßt Sie grüßen und Ihnen ebenfalls alles Gute wünschen.
Leider gibt es auch weniger Schönes zu berichten. Charles Waverley Grosvenor wurde vor einer Woche beerdigt. Er hat in einsamer Zelle zu jener Tat den Mut gefunden, vor der er in Holscombe zurückschreckte. Sein Wärter fand ihn beim Morgenaufschluß mit geöffneten Pulsadern tot vor. Graves und Grootman erwarten in den nächsten Tagen ihr Urteil. Ueber seinen Ausfall besteht kein Zweifel. Beide haben vielfach den Tod von Henkershand verdient. Perth wurde gestern zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Lord Montauban ist zum Einsiedler geworden. Die Schande, die sein Bruder, der Vatermörder, über seinen Namen gebracht hat, hat ihn zerbrochen. Man sieht ihn nirgends mehr.«
Noch einige Mitteilungen enthielt der Brief. Dann schloß er mit weiteren guten Wünschen.
Gerhard zerriß den Bogen in kleine Stücke und warf sie über die Reling.
»So wollen wir auch die Verbindung mit einer trüben Vergangenheit zerreißen und nur noch der Zukunft leben.«
Er neigte sich, während die »Montana« vom Pier antrieb, über Liddy und küßte ihre ihm willig gebotenen Lippen.
Ende.