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Der Jochwirt in der Jachenau verschenkte noch ausgezeichnetes, altes Hohenburger GebräuSchloß Hohenburg ist z. Z. Eigentum des Herzogs von Nassau., das eine große Anziehungskraft auf die Thalbewohner und Passanten ausübte, denn beim Wirt in der Jachenau ging kein Fremder und kein Einheimischer vorüber, ohne einzukehren. Trotz des Werktages waren mehrere Tische mit Gästen besetzt. Es war nicht das Bier allein, was die Leute herführte, es war die Sucht nach Neuigkeiten, denn wie das ganze Bayernland, so war auch die Jachenau durch die Begebenheiten in der Residenzstadt in eine große Aufregung versetzt.
An der Thüre der Schenkstube war ein großer mit einem Amtssiegel versehener Bogen Papier angeheftet. Er verkündigte die Anwerbe-Bedingungen des bayrischen Truppenkorps für den Dienst Sr. Majestät des Königs von Griechenland. An der Wand aber hing eine Karte von Europa, damit man über die Lage von Griechenland sich genau unterrichten konnte. Das bayrische Volk wußte in damaliger Zeit auf der Karte viel sicherer Griechenland zu finden, als beispielsweise die bayrische Rheinpfalz. Alle Gespräche drehten sich nur um dieses Land, und Hoffnungen und Pläne aller Art entstanden in den jugendlichen Gemütern.
52 Die Kapitulationszeit für den griechischen Dienst war auf vier Jahre festgesetzt und sollten die Truppen bei der Entlassung aus demselben die freie Rückreise bis Triest oder Venedig, sowie eine besondere Gratifikation erhalten. Denjenigen aber, welche nach beendigter Dienstzeit definitiv in griechische Dienste übertreten oder sich in Hellas ansässig machen wollten, sollte von der griechischen Regierung aller Vorschub geleistet werden.
Dieser letztere Artikel gab manchem in der Heimat Unbemittelten zu denken. Die alten Dichter sowohl wie der junge, schöngeistige Schullehrer von Jachenau priesen ja Hellas als ein Paradies, man sah im Geiste nur Rosengewinde, Olivenhaine, mächtige Weinlauben, welche sich an weißen Marmorpalästen emporranken, üppige Kornfelder mit dreifachen Aehren, kurz, alles in Hülle und Fülle. Da dachte mancher, es wäre eine Thorheit, daheim zu bleiben, den Fretter noch länger zu machen, wenn er in Hellas nach vierjähriger Dienstzeit ein Stück Land geschenkt bekomme, das nur darauf warte, in seinen Besitz zu kommen und ihm nicht nur das tägliche Brot, sondern auch Wein und sonstiges für leichte Mühe spende.Hofrat Thierschs Briefe aus Griechenland machten solche Hoffnungen rege. Er schrieb, daß z. B. nicht der zehnte Teil der alten Landschaft Elis angebaut und dieselbe öffentliches Eigentum sei, daß sich dort über eine Million in Wohlstand ernähren könnte, während Elis jetzt nur 80 000 Einwohner enthalte.
Auch unter den Gästen des Jochwirts waren zwei zugegen, welche, der eine in Hoffnung auf Beförderung, der andere aus Hoffnung auf Gutserwerb, den Entschluß gefaßt hatten, sich nach Griechenland anwerben zu lassen. Der erstere war Grenzaufseher, ein sehr schlanker Mann 53 mit blondem Vollbart, der den Namen einer altadeligen, aber verarmten Familie trug. Er hatte sechs Jahre als Regimentskadett gedient, ohne es trotz seiner guten Führung und seinen Bildung zum Offizier zu bringen, und versuchte nun seit einem halben Jahre sein Glück bei der Grenzzollschutzwache, wo er es doch endlich »auf den Gaul« zu bringen hoffte. Herr von Fels hatte bereits bei seiner Behörde um Urlaub nachgesucht, um persönlich seine Sachen in München ordnen zu können. Er gab sich fest der Hoffnung hin, als Leutnant in eins der Freiwilligen-Bataillone eingereiht zu werden, und that sich, von seiner beschwerlichen Patrouille heimkehrend, im Gasthause noch etwas gütlich. Er saß am sogenannten Herrentischchen und strich sich mit Wohlbehagen seinen großen, blonden Schnurrbart, während ihn der gemütliche Wirt ein über das andere Mal als »Herr Baron« anredete, wodurch er sich und den Titulierten zu ehren vermeinte.
Alsbald kam auch der Schullehrer von Jachenau, in jeder Tasche ein Buch von Homer, in der Hand mehrere Nummern der »Landbötin«, in welch letzterem Blatte ein Gedicht von ihm stand. Mit Begeisterung las er es dem Baron vor, und dann auch einige Verse aus der Iliade und Odyssee, und thut überhaupt, als ob er in Griechenland so bekannt wäre, wie daheim im bayrischen Gebirge.
Der andere Philhellene (so wurden die Griechenfreunde genannt) war der Hüter Hannes, der Sohn des alten Hirten am Luitpolderhof. Er hatte seine Militärzeit vollendet und arbeitete nun neben seinem alten Vater, so viel in seinen Kräften stand, bei dem Bauern, in dessen Inwohnerhäuschen er geboren war.
Diese Inwohner sind in einer gewissen freiwilligen 54 Sklaverei ihres Bauern, letzterer befiehlt über sie, benutzt sie für wenige Kreuzer zur Arbeit und überläßt ihnen dafür etliche Stück Acker und Wiese, auf daß sie sich eine oder zwei Kühe halten können. Diese Häuslersleute bleiben ewig arm. Die Armut pflegt sich vom Vater auf den Sohn und von diesem auf den Enkel zu vererben, und selten gewinnt einer so viel Mut über sich, die Fessel abzuwerfen und sich aus den beengenden Verhältnissen zu befreien.
Der Hüter Hannes war eine solche Ausnahme, doch ging eine übergroße Bescheidenheit immer Hand in Hand mit seinen Wünschen.
Schon als Knabe dachte er sich: Kann ich nicht Pfarrer werden, werd ich Ministrant; ist auch ein Kirchendiener – und er wurde Ministrant. Kein anderer Bub versah den Dienst so gut wie er. Und als er zum Militär kam und infolge seiner Unkenntnis im Schreiben nicht daran denken durfte, Unteroffizier zu werden, da dachte er wieder: Ein Gefreiter ist auch ein Vorgesetzter; hat täglich um einen Kreuzer mehr, und in der That hatte er sich diese Charge bald errungen. Und als er vom Militär frei war, da nahm er sich vor, recht, recht fleißig zu arbeiten und zu sparen, vielleicht könne er dann einmal auch sein eigener Herr werden. Aber da ließ ihn das Schicksal im Stich. Wohl arbeitete er vom frühen Morgen bis zum späten Abend, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann, in seines Bauern Kreidebrüchen, beim Holzfällen und überall, wo es galt, doch dieser hielt des Häuslers angestrengten Fleiß anfangs für sehr lobenswert, bald aber für Schuldigkeit, und bezahlte ihm deswegen um keinen Kreuzer mehr als den andern Taglöhnern.
So gärte es schon lange im Innern des gutmütigen 55 Burschen, er fühlte, es müsse anders werden, aber er wußte nicht wie. Da geht plötzlich die Kunde von der griechischen Expedition durch's Land. Das packt den Hannes mit Macht und die heute an der Wirtsthür angeheftete Anwerbebedingung hat er wohl schon ein dutzendmal gelesen. Die Aussicht, in Griechenland begütert zu werden, giebt den Ausschlag: sein Entschluß ist gefaßt. Gleich morgen will er nach München gehen, um sich anwerben zu lassen; er hofft, daß wie ein Phönix aus der Asche aus dem Häuslersbuben dereinst ein griechischer Großgrundbesitzer erstehe, und sieht sich im Geiste schon in dem romantischen Kostüm mit Fez und Fustanella, im Munde die lange Pfeife, durch die blühenden Gefilde wandeln, seinen Sklaven gebietend.
In dieser geistigen Schwelgerei trank er seinen Maßkrug leer und rief dann mit einst gewohntem Gefreiten-Kommando:
»Jochwirt, drei Schritte marsch! Eing'schenkt!«
Aber kaum machte der Wirt Miene, diesem seltenen Kommando Folge zu leisten, als Hannes, die Hand auf dem Krugdeckel, in entschuldigendem Tone sagte:
»Na', na', es pressiert mir ja gar nit; z'wegn mein' Kruag sollst nit extra gehn, dös leid i nit!«
»Warum denn nit?« sagte der Wirt, nach dem Kruge greifend, »dei' Geld is so guat, wie andern Leuten ihres.«
»Ja, ja, mei' bißl Geld schon, aber – mei' Arbeit is nit so guat, wie andere Leut die ihre, dös is bloß a Häuslersarbeit für vier Kreuzer. Aber Wirt, bei mir is ausg'arbet, von mir werd's ös Jachenauer was erleb'n!«
»Gehst ebba aa r ins Griechenland?« fragte der Wirt lachend.
»I schon, extra! Drin mach ich nacha aa r an' Wirt. 56 Aber brauchst koa' Angst hab'n, i schenk bloß Weißbier i mach dir koan Eintrag; und a Kaffeeschenk richt' i ein denn Kaffeebohna bau i mir selm ganze Tagwerk voll.«
»Da wünsch' i dir alles Glück!« meinte der Wirt. »Der Herr Baron geht aa mit, der verhofft, Leutnant z' wern. Wend di an ihn, der macht di vielleicht zu sein' Fourierschütz.«
»Na', na',« wehrte Hannes ab, »den kenn' i schon vom Regiment her; der is viel brav, hat aber weni Geld und i muaß Geld kriegn wegen dem Grundbesitz. I brenn lauter Lohnwachen, tragt jed's Mal vierazwanzg Kreuzer; und in Griechenland is 's schö' warm, da friert oan nit in d' Füaß beim Postensteh'n. Morgen in aller Fruah geh' i nach Wolfratshausen und mach mit'n Stellwagen weiter.«
»Was sagt aber dei' Mirdei dazua?«
»Was will's sagn? Sie is a Hüatadirndl und i bin a Hüatabua. Habn thun ma alle zwoa nix und heiraten laßt uns die Gmoa nit, weil ma nixi san als – fleißi und brav. Drum geh i furt – weit furt und bring i's zu was, zu Grund und Boden – dann kimm i und hol mir 's Mirdei. Um sie arbeit i, um sie stirb i, wenn's sei' muaß. Dös is mei' G'sinnung.«
»So sollst auf dein' Mirdei sei' G'sundheit die Maß trinkn, die i dir einschenk, und d' Rechnung is scho' beglichen.«
Hannes wollte sich bedanken, aber der Wirt eilte davon und kam mit dem vollen Kruge und einem Stückchen Geselchtem wieder, um damit den Jachenauerischen Philhellenen zu traktieren.
»Wir reden schon a Mal über alles,« sagte er. »Und auf d' Roas gieb i dir a Stückl G'selchts mit und die 57 Bauern dort werd i's aa beibringa, was si' g'hört. Durt kommt der Förschta.«
Sofort schritt er dem Ankommenden, einem alten, weißbärtigen Forstwart, entgegen und begrüßte ihn, die grüne Schlegelkappe abnehmend. Der Forstwart entledigte sich mit Hilfe des Wirts seines Rucksacks, welcher einen schönen Gemsbock barg, gab denselben nebst seinem Gewehre dem Wirt, um ihn einstweilen im Nebenzimmer aufzuheben, und setzte sich zu dem Grenzaufseher und Lehrer, die ihm die Hände zum Gruße reichten und seine Jagdbeute lobten.
Ueber dem Kommen des Jägers, nach dem sich die Blicke aller Anwesenden richteten, übersah man fast den Eintritt des Fischers Friedl, der sich in der Nähe des Fensters bei einigen bekannten Floßknechten niederließ.
»Wo hast denn du dein' Fang heunt?« fragten ihn die hochstämmigen Burschen.
»I hon nur a paar Forellen g'fangt, die hon i wegg'schenkt,« antwortete er. »I hon heunt koa' Freud mit 'n Fischen.«
»Trink und sing,« ermutigte ihn einer der Burschen. »Trink dir's aus 'n Sinn. Bist ja a junger Kunt und hast a Geldei nöti, so langst d' Fisch außa aus der Jachna.«
»Wohl bekomm's, Friedl!« sagte der Wirt, dem Gaste den vollen Krug hinstellend.
Und Friedl trank in langen Zügen.
»Hast 'n Kammerwagn g'sehn?« fragte sein Tischnachbar wieder. »I hätt's nit glaubt, daß 's wirkli ernst wird; aber die Dirndln studiert der Teufl aus, i nit.«
»Red'n nit hart,« versetzte ein anderer. »Was rinnt, soll rinna. Halt d' Jachna auf in Lauf und unser ganz's Thal wird überschwemmt. Laß's rinna, was nit dableib'n 58 mag; was oan b'stimmt is, dös bleibt schon. Es kimmt scho' wieder amal an' anders Glück. Laß dir koa' grau's Haar wachsen, bleib a lebfrischa Bua, trink und sing und laß's rinna!«
»Da kunnt oan 's Singa vogehn, gel Friedl?« meinte des Flößers Kamerad.
»Mir is's nit verganga,« sagte jetzt Friedl entschlossen. »Her mit der Zither. I sing Enk heut, wie bislang.«
Schnell wurde dem Liederkundigen die Zither hingereicht und man schenkte dem Burschen allgemeine Aufmerksamkeit, der es verstand, mit prächtigem Tenor auf die Gemüter der Landleute zu wirken. Er that zur Netzung der Kehle noch einen ausgiebigen Trunk und begann dann das auf seine Lage passende Volkslied:
Da drauß steht a Baum
Ganz alloa auf dem Feld,
Da sein wir oft beisamm g'west,
Han Gschicht'ln erzählt.
Da droben am Rain,
Da sein wir g'sess'n,
Ham g'lacht und ham g'scherzt,
Ham 's Hoamgehn vergess'.
Und du hast mi ja gern g'habt,
Du hast mir's oft g'sagt,
Und dös hätt' i mir nie denkt,
Daß du's jetzt a so machst.
Wie is's denn jetzt kommen,
Daß 's mit deiner Treu
Und mit deiner herzigen
Liab is vorbei?
Friedl hatte das mit weicher Stimme gesungen. Alle 59 Anwesenden tranken ihm zu und trösteten nach ihrer Weise den um sein Glück Betrogenen.
Auch der junge Schullehrer, der durch den Gesang in einem Vortrag unterbrochen worden, den er seinen beiden Tischgenossen, dem Förster und dem Grenzaufseher, über Einzelheiten aus der alten griechischen Geschichte, über Miltiades, Themistokles und Leonidas hielt, gestört worden war, sprach dem Friedl seine Anerkennung aus.
Aber Friedl trank bereits den zweiten Krug leer und trank sich in eine trotzige Laune hinein. Er improvisierte einige Schnadahüpfeln, in welche fast alle in der Stube Anwesenden einstimmten, und zwar um so lebhafter, als jetzt Reseis alter Vater mit seiner jüngeren Tochter, der Amrei, in die Stube trat, um hier die Rückkehr seiner ältern Tochter und des Pfarrers abzuwarten.
Friedl hatte den Eintritt der beiden nicht bemerkt, sonst würde er wahrscheinlich seinen Gesang sofort beendigt haben. So aber sang er weiter:
Wie i gmeint hab, jetzt is's was,
Jetzt wird's bald was wern,
Da sagt's mir auf ei'mal:
I hab di nimmer gern.
I daschieß mi nit, i dahäng mi nit,
I lach grad dazua,
Aber triff i dein' Buam an,
So kriegt er Schläg gnua.
Und so groß er aa is,
So fürcht i'n do' net,
I wirf'n in's Gras,
Daß eam 's Aufstehn vogehet.
Die andern sangen die Schlußstrophen lachend mit und ergötzten sich an der Verlegenheit des Singerbauers 60 und seiner bildsaubern Tochter. Diese lebte seit fünf Jahren bei einer Base in Olchstadt am Fuße des Heimgarten und war jetzt zur Hochzeit der Schwester gekommen. Sie sah Resei zum Sprechen ähnlich, nur war sie zarter und – noch hübscher. Und als sich jetzt Friedl auf eine Bemerkung seiner Tischgenossen hin umwandte, konnte er beim Anblick des Mädchens einen Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken.
»Dort is ja –« Weiter kam er nicht.
»'n Resei sei' Schwester,« vollendete einer der Flößer. »Am Singerhof g'raten die Dirndln guat, dös muß ma' sagn.«
»D' Amrei?« rief Friedl. »Jeß, hat si' die sauber herg'wachsen!«
»No', Friedl, hon i nit g'sagt, laß's rinna, es kimmt scho' wieder an' anders Glück,« bemerkte der Flößer, mit 61 dem Fischer anstoßend. »Vielleicht kannst 's Amrei fischen. Aber mach, halt's fest, eh wieder d' Artillerie kimmt.«
Auch Amrei hatte den Fischer-Friedl erblickt und nickte ihm freundlich zu.
Dem alten Singerbauer war es sichtlich hier unbehaglich. Er nahm zwar die Glückwünsche der übrigen Bauern erfreut entgegen, blickte aber dabei nicht ohne ein gewisses Mitleid nach dem Fischer, dessen Trutzgesang er wohl zu deuten wußte.
In der Wirtsstube waren nun die verschiedenen Gruppen in der lebhaftesten Unterhaltung begriffen. Der Lehrer hatte mit seinen Tischgenossen wieder das Gespräch über Griechenland aufgenommen, die ältern Männer hatten sich zu dem Singerbauern gesetzt, während die jüngeren sich um Friedl scharten und ihn aufforderten, im Singen und im Trinken fortzufahren. Aber diesem war um beides nicht mehr zu thun.
Der Hüterhannes hatte sich schon vor längerer Zeit entfernt. Jetzt kam er wieder in die Stube, setzte sich zu den Burschen und sagte: »I weiß enk a Neuigkeit vom Wallerhof. Mir hat's der Lenzl erzählt, der schnurgrad von dort kimmt und 'n Singerbauern Botschaft thun will.«
»Der Singerbauer sitzt ja dort!« sagten die Burschen.
»No', so erfahrt er's halt später. A schlechte Botschaft kimmt no' alleweil z' fruah,« meinte Hannes.
»Was is denn passiert?« fragte man.
Friedl war heftig erschrocken. Plötzlich stand der Duli wieder vor seinem Geiste und die mit ihm gemeinsam verübte geheimnisvolle That. Starr blickte er nach dem Erzähler und sein Gesicht wurd bald blaß, bald rot.
62 »Denkts enk nur,« begann Hannes, »der Waller-Wendl is auf und davon!«
»Wohin,« fragte man.
Jetzt kamen auch die anderen Gäste herbei. Der Singerbauer aber fragte:
»Was red'st da für an' Stiefel?«
»D' Wahret red' i!« sagte Hannes. »Also hört's! Im Wallerhof is alles ganz richti ganga, der Kammerwagn war abg'leert und 's Haus scho' eing'richt', grad sitzens bei der Mahlzeit, da kimmt a Kamerad vom Wendl, a Artillerist, und bringt eam a Botschaft von sein' Hauptmann. Der Wendl ziagt sei' Uniform an und sagt seiner Braut: »Unser Hochzet wird auf zwoa Jahr verschobn, i ruck ein, i geh nach Griechenland!«
»Dös is a Lug!« rief der Singerbauer.
»No', so is's a Lug. Aber der Wendl is scho' furt mit sein' Freund auf Tölz. Es ist so gaach kömma, grad als ob eahna wer ebbas ang'wunschen hätt'.«
»Ang'wunschen?« rief Friedl, und wie um sein Gewissen zu beruhigen, fuhr er fort: »Dös is a Dummheit, dös giebt's nit!«
»Dös glaub i aa nit,« versetzte der Singerbauer, »dös ist ganz gwiß nit wahr!«
»So hat's der Lenzl erzählt,« versicherte Hannes. »Da kimmt er; fragt's 'n selm.«
Der Genannte trat soeben zur Thür herein. Sofort wurde er von allen Seiten mit Fragen bestürmt und er bestätigte alles, was Hannes soeben erzählt. Und auch er schloß mit den Worten:
»Grad is's halt, als ob eahna 's Glück wer abbet't hätt.«
63 »So soll der verfluacht sei', der's am G'wissen hat!« rief der Singerbauer. Dabei sah er Friedl scharf an.
Dieser trank, um seine Verlegenheit zu verbergen, seinen Maßkrug leer, dann schlich er sich, einem Sünder gleich, aus der Stube. Im Fortgehen warf er noch einen Blick auf Amrei, die ihr Gesicht mit der Schürze verdeckt hielt und weinte.
»Aber i glaub's nit!« rief der Singerbauer wieder. »Dös hätt' der Herr Pfarrer nit zulassen!«
»Der Herr Pfarrer?« sagte Lenz. »Der hat si' ganz g'wend't. Der geht selber mit nach Griechenland, hat er g'sagt, als Feldkaplan.«
»Wär nit aus!« rief der Hüterhannes erfreut; »da geh i mit als sei' Meßner.«
Alles lachte.
»Dann laß ich mich als Professor in Hellas anstellen!« sagte der Lehrer mit einer gewissen Begeisterung.
»Und ich als Forstmeister,« lachte der Forstwart.
»Vivat, der König von Griechenland soll leben! hoch! hoch! hoch!« rief der Grenzaufseher und alle stimmten begeistert in diesen Ruf ein. Nur der Singerbauer schwieg und sah bekümmert vor sich hin.
Der Lehrer benutzte diese Gelegenheit und verteilte unter die Anwesenden die Nummern der »Bayrischen Landbötin,« welche sein Gedicht enthielten.
»Melodie zu Heil unserm König Heil,« sagte er, jedem ein Blatt in die Hand drückend, und es verstand sich wie von selbst, daß alle sofort nach obengenannter Melodie zu singen begannen: 64
Hellas, du teures Land,
Dem Bayern wohlbekannt,
Der Großes ehrt!
Heil dir! Gott rettet dich!
Segnet dich väterlich,
Aller Zwist endet sich,
Bald ruht das Schwert!
Otto, dein König wacht,
Den Gott erwählet hat
Für Hellas Thron.
Nimm ihn aus Gottes Hand
Zum sichern Unterpfand.
Gott ist mit Griechenland,
Mit Ludwigs Sohn.