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14.

Es war Nachmittag. Hoff arbeitete. Susanne saß nicht weit von ihm und las. Ab und zu tauschten sie einen schnellen lächelnden Blick.

Da kraute er sich nervös in den Haaren und sagte: »Kuckuck noch 'n mal, ich finde das Adjektiv nicht.«

Sie blickte verdutzt auf.

»Welches Adjektiv?«

Er lachte. »Das richtige. Manchmal bastelt man eine halbe Stunde an solch einem kleinen Beiwort. Adjektiva – das mußt du als Autorsgattin wissen –« dozierte er schalkhaft – »sind das wichtigste. Maupassant hat mal irgendwo gesagt, man muß das Ding so prägnant bezeichnen, daß es sich von allen ähnlichen Dingen der Welt scharf unterscheidet. Ein Baum muß so charakteristisch geschildert werden, daß er keinem anderen Baume ähnlich sieht und du ihn gleich erkennen würdest, wenn er dir einmal begegnete.«

Sie nickte.

»Natürlich sind es die Adjektiva, die vor allem charakterisieren. Da habe ich ein junges Ding, das verfolgen sie als Liebste des Satans. Ich kenne sie genau. Du am Ende auch. Das möchte ich gern herausbringen: diesen Liebreiz, der auf ihrem Antlitz liegt, wenn sie so träumerisch hinausschaut in die Ferne. Diesen Schimmer, der dann auf jedem feinen Härchen ihrer Samthaut zittert wie Tau auf den Gräsern der Nacht. Das krieg' ich nicht raus.«

»Ich werde dir helfen«, scherzte sie und kam zu ihm. »Ich werde dich ansehen, du meine süße Sehnsucht, damit ich auch den rechten Ausdruck bekomme.« Und sie küßte ihn herzlich.

Dann wurde sie ernst und sagte, sie würde nachdenken und sie legte das Gesicht in Falten und dachte ganz schrecklich nach.

»Gott«, meinte sie kläglich, »jetzt sehe ich erst, wie schwer das ist! Über mein edles Gesicht fällt mir gar nichts ein. Nicht ein Adjektiv. Immer fliegen mir die Adjektiva für dich zu. Solch ein Bündel: der klügste Mann, der zarteste Mann, der treueste Mann, der tüchtigste Mann, der – –« Sie stand hinter ihm. Da bog er lachend den Kopf zurück und rief: »Halt, halt! Ich werde größenwahnsinnig.« Und er zog ihr Gesicht herab, dicht an seinen Mund, und flüsterte: »Ich weiß auch Worte für dich, Geliebte. Die sind aber nur für uns beide. Da ist die Suse, mit dem Körper einer windbewegten jungen Birke; und die Suse mit dem Antlitz einer jungen Heiligen, die nach dem Leben dürstet; und vor allem meine Suse.«

»Das ist der Weisheit schönster Schluß«, jubelte sie.

Und dann löste sie sich von ihm und sagte sehr brav hausmütterlich: »Du willst doch arbeiten. Laß die Stelle vorläufig im Manuskript offen. Vielleicht fällt mir doch etwas ein. Ich weiß ganz genau, was du meinst.«

Sie trat an das offene Fenster und grübelte angestrengt. Und blickte hinaus und sah vor lauter vorbeihuschenden Adjektiven nichts. Es dauerte geraume Zeit, bis sie gewahr wurde, daß die beiden Damen dort unten zu ihr heraufstarrten.

Da fuhr sie zurück und flüsterte Hoff zu: »Du – – da unten stehen zwei Damen und blicken so herauf – –«

»Das wird wohl nicht mir gelten«, meinte er unbesorgt und trat zum Fenster neben sie. Sofort aber prallte er zurück und zog sie mit fort. Herta und Esther Honigmann hatten ihn aber doch sehr deutlich gesehen.

»Meine Schwester«, flüsterte er und legte unbewußt den Finger an die Lippen. Dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und lugte hinaus.

»Sie gehen fort«, berichtete er sichtlich erleichtert.

Als er sich umsah, stand Susanne am Tisch. Ihr Gesicht war aschfahl. Das Haupt tief gebeugt Dieses Fortzerren vom Fenster, das Zurückspringen, dieses Tuscheln, sein ganzes Gebaren, als seien sie ertappte Diebe, hatte ihr einen Stoß in die Brust versetzt, daß das Herz in Schmerzen flatterte.

Er begriff sofort. Liebkosend legte er den Arm um sie und zog sie an sich. Sie ließ es willenlos geschehen. Ein kalter, abwehrender Hauch strömte von ihr aus.

»Suse«, entschuldigte er, »du weißt doch, wie die Dinge liegen.«

»Ja«, entgegnete sie tonlos.

»Na – – also, Kind, sei doch vernünftig! Es war nur so in der ersten Überraschung. Du weißt doch, sie werden gegen dich sein. Aber ich werde schon alles ordnen. Du sollst sehen, du wirst noch ihre liebste Freundin und Mutters Schoßkind.«

Er küßte sie, doch ihre Lippen waren spröde und kalt, obwohl sie sich zur Herzlichkeit zwingen wollte. Ein dunkler Schleier hatte sich über die Sonne dieses Tages gebreitet.

Die Überraschung auf Hertas Seite war nicht viel freundlicher.

Esther, die am Tage zuvor zurückgekehrt war, hatte sie am Morgen angeläutet und den Ausflug verabredet. Als sie sich dem Hause näherten, rief Esther plötzlich: »Du, mir scheint, wir dürften dort nicht sonderlich willkommen sein.«

Herta folgte ihrem Blick und – – stand starr.

»Das – – kann unmöglich sein Fenster sein«, stammelte sie.

»Natürlich ist's sein Fenster. Ich weiß es genau. Rechts neben dem Balkon.«

In diesem Augenblick erschien Hoffs Kopf und verschwand sofort wieder.

»Das war ein prompter Beweis«, lachte Esther und bog schnell hinunter zum See.

Herta war fassungslos. Sie begriff es einfach nicht. Und das stotterte sie auch hervor. Doch Esther belustigte es.

»Meine Güte, Herta! Tu doch nicht so. Was ist denn dabei?«

»Es ist unerhört!« protestierte Herta.

»Du bist drollig. Hast du etwa geglaubt, ein Mann wie dein Bruder plagiiere den heiligen Antonius?«

»Das – – nicht – – aber« erboste sie sich kopfschüttelnd.

Und dann fixierte sie die Freundin angstvoll.

Faßte die es wirklich so harmlos auf, oder wollte sie nur keinen Schmerz zeigen?

»Im Grunde ist natürlich nichts dabei«, stellte Herta jetzt besonnen fest. »Irgend ein kleines Mädchen, das ihn da aufsucht. Natürlich ist das weiter nichts. Es ist nur ärgerlich, daß wir gerade dazukamen. Aber wie kann er auch bei hellem lichtem Tage – –«

»Nun«, meinte Esther munter, »jedenfalls ist das weniger verfänglich als bei stockdunkler Nacht. Und was uns anlangt, so wird es deiner Tugend, liebe Herta, nicht schaden, und meiner, weiß Gott, auch nichts. Und vor allem: er hat guten Geschmack. Das ist das einzige, was mich bei solchen Begegnungen ärgern könnte: daß die jungen Herren die Freuden, die wir ihnen versagen müssen, bei Unwürdigen suchen. Ein feines, schönes Gesicht war das.«

»Ich habe sie nicht recht gesehen«, gestand Herta ehrlich und freute sich im stillen über den scharfen Blick – – der Eifersucht.

Als sie nach Hause kam, platzte sie ins Zimmer mit dem Alarmruf: »Ne nette Bescherung hat euer Sohn und Bruder da angerichtet!«

»Um Himmelswillen, was ist geschehen?!« fuhr Frau Hoff in die Höhe. Und Lisbeth wurde einen Schatten bleicher.

Herta berichtete.

»Wie hat Esther es aufgenommen?« fragte Frau Hoff mit versagender Summe.

»Nicht – – übel, wenn sie sich nicht verstellt hat. Das glaube ich aber beinahe. Denn sie hat das Weib in dem Augenblick genau gemustert, wie sie mir nachher gestand. Natürlich voll Eifersucht. Am Ende ist es ganz gut, wenn sie ein bißchen eifersüchtig wird und Angst bekommt. Aber nochmal darf uns das nicht passieren, sonst geht die Geschichte schief. Morgen fahre ich raus und sage dem jungen Herrn Bescheid. Freuen soll er sich.«

Und sie setzte sich mit hellblinkenden Augen an die Arbeit.

Erst allmählich lösten sich aus dem schweigenden Unbegreifen der drei Frauen Gedanken und Worte.

»Es ist doch gar nicht seine Art – – und noch dazu bei Tage!« sann Lisbeth.

»Und zu uns kommt er nicht, weil er zuviel zu arbeiten hat«, lachte Herta auf. »Jetzt wissen wir, was er arbeitet, der Monsieur.«

Und die Mutter schüttelte immer wieder den grauen Scheitel. Gewiß, natürlich. Keuschheit bei einem Mann – – Gut. Das war natürlich. Aber am Nachmittag sich Weiber ins Haus nehmen, wo er wußte, daß Esther kommen konnte! Sie schüttelte und schüttelte das graue, vom Grübeln und Sorgen ermattete Haupt. – –

Am nächsten Tage fuhr Herta hinaus nach Schlachtensee. Als sie sich der Villa näherte, spähte sie vorsichtig nach dem Fenster, »rechts neben dem Balkon«. Doch da war nichts – – Verfängliches zu erblicken. Sie hatte es auch nicht anders erwartet. Er konnte doch unmöglich täglich Besuch haben, der liebe Bruder Luftikus.

Als sie die Treppen hinaufzusteigen begann, öffnete Frau Ebeling ihre Tür.

»Wohin, Fräulein?« rief sie ihr nach.

»Zu Herrn Assessor Hoff.

»Na dann warten Sie man erst hier unten 'n Augenblick. Ich will mal erst eben hören.«

»Ich bin die Schwester«, erklärte Herta etwas hochmütig.

»Na – – scheen. Denn werden wir ja gleich hören«, gab die Alte gleichmütig zurück und kraxelte die Treppen hinauf.

Hoff saß am Schreibtisch, und Susanne las, als Frau Ebeling klopfte.

»Da is 'n Fräulein«, meldete sie, »die will 'n Herrn Assessor sprechen.«

Hoff durchzuckte es schreckhaft.

»Ein Fräulein?« fragte er mechanisch.

»Ja. Und sie sagt, sie wäre dem Herrn Assessor seine Schwester.«

»Blond?« fragte er kurz.

»Ja, blond ist sie wohl. So ins Rötliche.«

»Lassen Sie sie heraufkommen.«

Er blickte Susanne verlegen an. Sie hatte sich erhoben und ging zu der Tür ihrer Stube.

»Bleib doch hier«, rief er, »wir müssen von Anfang an betonen, daß du zur Familie gehörst.«

»Ich möchte lieber erst – –« bat sie scheu. »Du kannst mich ja dann rufen.«

Damit schloß sie die Tür.

Hoff eilte der Schwester entgegen, sie stand bereits vor dem Zimmer.

»Ah – Tag, Herta!« tat er arglos.

»Guten Tag!« antwortete sie und trat ein.

»Nett von dir, daß du mich mal besuchst.«

Sie schnupperte mit ihrem feinen Stumpfnäschen in der Luft herum, als witterte sie die Nähe einer Frau.

»Wie geht's denn zu Hause? Aber setz' dich doch.«

»Danke«, nickte sie kühl und nahm auf der Kante der Chaiselongue Platz. »Hm – was treibst du denn?«

»Ich arbeite, wie du siehst«, deutete er nach dem Schreibtisch.

»Ganz so fleißig bist du wohl nicht immer«, lächelte sie schelmisch – sie hatte beschlossen, die Angelegenheit scherzhaft zu behandeln – »wenigstens scheinst du dich auch mit Hexen zu befassen, die nicht aus dem frühen Mittelalter stammen.«

»Du meinst: gestern?« fragte er, und trotz aller Selbstbeherrschung pochte ihm das Herz, daß die Weste auf und nieder zitterte.

»Jawohl. Du bist ja ein ganz scherzhafter Kumpan. Gehst auf Freiersfüßen und stellst am sonnenhellen Tage in deinem Fenster Damen zur Schau – –«

Da sagte er: »Herta – ich muß dir etwas sagen. Die Dame – das junge Mädchen, das da gestern hier am Fenster stand – ist meine – – Braut.«

Herta hob den Schirm, mit dem sie bisher anmutig gespielt hatte, steif in die Höhe.

»Deine!? – –«

»Meine Braut.«

Herta schüttelte den Kopf, eine Röte innerer Erregung stieg ihr ins Gesicht.

»Ich – – ich – –« versuchte sie zu sprechen.

»Es ist furchtbar schwer, dir das sagen zu müssen, Herta. Das wirst du begreifen, aber – ja, ich kann keine andere heiraten. Ich liebe sie. Ich kann keine andere heiraten.«

Herta warf den Schirm auf die Chaiselongue.

»Laß deine albernen Witze«, sagte sie verdrießlich.

»Ich spaße nicht«, flüsterte er eindringlich. »Ich wollte dieser Tage zu euch kommen und es sagen.«

Da beugte Herta den Oberkörper weit vor und starrte ihm mit blassen Augen ins Gesicht.

»Du bist wohl toll geworden, Ewald!«

»Nein, Herta. Ihr müßt euch darein finden. Wir müssen uns alle mit der Tatsache abfinden. Wir werden es einzurichten versuchen. Ich werde jeden Pfennig, den ich abgeben kann –«

Da sprang sie wie eine junge Katze gegen ihn los, packte ihn mit beiden Fäusten am Rock und schüttelte ihn mit der ganzen Heftigkeit ihrer jungen kräftigen Arme.

»Ewald – Mensch!« schrie sie, »du bist von Sinnen. Komm doch zu dir. Du bist ja wahnsinnig. Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du – –«

Er löste ihre Finger von seinem Rock.

»Ich bitte dich, Herta, endlich einzusehen, daß ich nicht scherze«, sagte er gereizt.

Kleine rote Flecke sprangen auf in ihrem Gesicht.

»Und das – das wagst du so daherzusagen? Davon, daß du es tun wirst, ist ja keine Rede. Aber daß du mit dem Gedanken spielst –«

»Ich spiele nicht, liebes Kind.«

»Was denn? Was denn?« schrie sie immer heftiger. »Was willst du denn eigentlich? Willst du mir nicht endlich einmal sagen, was du eigentlich willst?!«

»Ich habe es dir schon mehrmals gesagt. Ich werde das Mädchen heiraten, das du gestern hier – dort an dem Fenster gesehen hast.«

Da lachte sie gellend auf.

»Also – die willst du heiraten! Diese Dirne, die gestern –« da stand er vor ihr, wie sie ihn nie gesehen hatte.

Die Augen quollen häßlich hervor. Blutige, dicke Striche glühten in den Augäpfeln.

»Wirst du deinen lästerlichen Mund halten!« knirschte er. »Sie hört jedes Wort.«

Herta wich keinen Schritt. Die Geschwister, die beide äußerlich dem Vater glichen, standen einander bleich gegenüber und sprühten sich ihren Haß ins Gesicht.

Im nächsten Augenblick gewann ihre Klugheit die Herrschaft. »Ewald«, begann sie ruhiger, »das ist trotz allem nicht dein Ernst. Das kann dein Ernst nicht sein. Hast du dir nicht klargemacht, was das heißt? Untergang bedeutet das für uns. Einfach Vernichtung. Von mir rede ich nicht. Aber Mama und Lisbeth – –«

»Ich werde es einzurichten suchen«, sagte er mit irrenden Augen. »Sie wird auch arbeiten. Und jeden Pfennig, den ich erübrigen kann –«

Da höhnte sie auf: »Deine Bettelpfennige und das Lumpengeld deiner – Geliebten brauchen wir nicht. Hörst du. So viel verdienen wir noch alle Tage. Dazu brauchen wir dich nicht. Wir sind ja schon lange Jahre ohne deine Hilfe ausgekommen und haben dich noch durchgepäppelt. Um das Leben handelt es sich, wie du sehr wohl weißt. Laß diese dumme Taschenspielerei, mein Lieber. Du hast dich verpflichtet – ja, du hast die verdammte Pflicht und Schuldigkeit – wenn schon nicht gegen Lisbeth und mich – so doch gegen die Mutter. Du hast dafür zu sorgen, daß sie nun endlich aus diesem Jammer herauskommt. Das hast du.«

»Ich will ja –«

»Ach bleib mir mit dem Unsinn vom Leib! Du willst ja! Was willst du? Sag doch, was du willst. Wenn du willst, kannst du Esther heiraten. Das hängt nur von dir ab. Das weißt du sehr gut. Du willst ja! Was willst du? Uns die Abfälle von dem Tisch deiner – Maitresse zuwerfen.«

»Herta!« Er ging drohend auf sie zu.

Sie reckte ihm die Brust herausfordernd entgegen.

»Ja, – vergreif dich nur an mir, du Ehrenmann. Ein Schuft bist du! Ja, daß du's nur weißt. Ich schrei's dir ins Gesicht. Läßt dich jahrelang von uns drei armen Frauen durchfüttern und du weißt, wie wir uns geschunden haben – und jetzt, wo du so weit bist, daß du endlich auf eigenen Füßen stehst – da gibst du uns einen Fußtritt. Uns, die wir gehungert und uns die Seele und die Augen für dich aus dem Leibe gearbeitet haben. Und um wen? Um wen bloß? Um dieses hergelaufene Frauenzimmer!«

Sic rannte im Zimmer einher wie eine gefangene Wildkatze. Plötzlich lachte sie grell auf. »Wenn es nicht ans Leben ginge, könnte man sich totlachen. Eine famose Partie für den Herrn Ministerialassessor Hoff. Gratuliere auch schön, gratuliere bestens!«

Er sagte nichts mehr. Er stand am Fenster und stierte hinaus. Ab und zu zuckte es durch seinen Körper. Doch er bezwang sich.

Sie schwieg atemlos. Dann fragte sie kategorisch:

»Was soll ich zu Hause sagen, Ewald?«

Da wandte er sich um.

»Sag ihnen, daß ich seit langer Zeit ein Mädchen aus guter Familie kenne, daß – –«

»Seit langer Zeit? Wie konntest du da mit Esther –?!«

»Ach, Herta – weil ich – ja, weil ich ein Jammerlappen war. Deswegen. Weil ihr alle mich ganz wirr gemacht hattet. Weil ich euch durchaus helfen wollte auf Kosten meiner Männlichkeit und Ehrenhaftigkeit. Weil – –«

»Laß dieses irrsinnige Gefasel«, fuhr sie wieder auf. »Ich bitte dich zum letztenmal, mir zu sagen, was ich der Mutter von dir bestellen soll?«

»Daß ich ein Mädchen aus guter Familie – –«

» Den Schmarren kenne ich nun nachgerade, weißt du. Sonst hast du nichts zu sagen?«

»Sag' bitte, daß ich versuchen will – – ich kann vielleicht auf meine Lebenspolizze Geld leihen und – –«

»Und an deine Versprechen und an Lisbeths Zukunft und an meine Zukunft – denkst du gar nicht? Wie stellst du dir das alles denn vor, du? – Alle Pflicht und Liebe, die ganze Vergangenheit, unsere blutige Vergangenheit, trittst du einfach mir nichts, dir nichts mit Füßen wegen – deiner Liebschaft zu diesem – ›Mädchen aus guter Familie‹, das bei dir ist, jeden Tag bei dir ist! Kommt dir gar nicht Mutters Verzweiflung zu Sinn, wenn ich nun nach Hause komme? –«

»Ich habe sehr viel an alles das gedacht, Herta. Aber – glaube mir doch – wenn du sie kennen würdest – würdest du es einsehen: ich kann nicht anders. Ich kann's nicht, so wahr ich euch alle lieb habe.«

Da ging sie zur Tür. Dort drehte sie sich um, kniff die Augen im Ekel zusammen, nahm die Haltung ein, als stiege sie über eine Schmutzpfütze, und sagte leise:

»Pfui Teufel, so ein Gelichter. Pfui, bist du ein Kerl!« Damit schlug sie die Tür dröhnend hinter sich ins Schloß.

Hoff stand kerzengerade inmitten des Zimmers. Es war ihm, als wüchsen seine Füße in die Dielen hinein. Irgend eine Macht rammte ihn in den Boden. Mit Anstrengung riß er sich los und ging zur Tür des Nebenzimmers. Sie mußte jedes Wort gehört haben. Als er öffnete, lag Susanne auf dem Bett, hatte die Zähne in die Decke verbissen und preßte mit beiden Händen das Kopfkissen gegen die Ohren.

Sie winselte wie ein Hund unter der Peitsche.


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