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»Mütterchen erzählt«

(Als Einleitung.)

 

»Mütterchen! Mütterchen, erzähl' uns was!« betteln die Kinder, wenn es zum Spielen zu dunkel geworden ist und die Lampe noch nicht recht Lust hat, ihre Abendarbeit des Leuchtens anzufangen und deshalb die Hausfrau leise, nur für sie hörbar, mahnt: »Spare doch noch ein bißchen Docht und Petroleum! Wir verbrennen so schon genug.«

Die Mutter ist so gut, so geduldig, so nachgiebig! Sie tut sowohl der Lampe den Willen, was ihr nicht so sehr schwer wird, als auch den Kindern, was trotz alles guten Willens manchmal ein bißchen mühsam ist.

Denn die meisten Geschichten aus ihrer eigenen Kinderzeit haben die Kinder schon gehört. Wenn die Erzählerin nur einmal ein Wort anders setzt, als sie's gewöhnt sind, heißt's gleich, keck und hochweise: »Muttel, das war ja ganz anders! So war's ja gar nicht!«

Die alten, lieben, guten Märchen kennen die Kinder auch. Sie haben so sehr viel Bücher, viel mehr als man zu Mutters Kinderzeit hatte. Und in den Schulen lernt man jetzt auch so sehr rasch lesen. Viel rascher als früher. Die Märchenbücher kennen sie schon fast auswendig.

»Muttel, eben etwas ganz Neues! Und etwas, was wirklich geschehen kann! Denk dir's doch aus, wenn du nichts weißt! Du kannst ja alles!«

Die Mutter seufzt und will eben sagen: »Wie kann einem denn so schnell etwas einfallen?«

Aber ehe sie's gesagt hat, fällt ihr zu ihrem eigenen Erstaunen wirklich etwas ein. Mütter sind doch Zauberinnen! Nein, wirklich da ist man im Handumdrehn mitten in einem Geschichtchen drin, da tauchen Mädels und Buben vor einem auf, von denen man nie etwas gehört hat, machen dumme Streiche, oder tun allerlei Liebes, Gutes, Tapferes, was man ihnen am liebsten auf der Stelle nachmachen möchte. Und man ist nun so gespannt, wie's wird!

Meist gut! Anders liebt es Mütterchen nicht. Wenn's auch mitten drin einmal recht traurig, recht zum Weinen zugeht, am Ende scheint doch immer wieder die liebe Sonne, und die Herzen atmen auf!

Den Armen ist geholfen, die Trotzigen sind gebessert, und wenn's ja einmal nicht ganz glatt zu Ende geht, so heißt es: »Morgen kommt dafür eine ganz fröhliche dran.«

»Ja, Muttel, weißt du denn morgen schon wieder eine?«

»Vielleicht.«

Und am anderen Tage kommt wirklich wieder der Hutzelmann, welcher der Mutter die ganzen Geschichten ins Ohr sagt. Wahrhaftig, schon wieder eine ganz neue!

Die Lampe kann sich dabei pflegen! Sie sagt aber nicht: »Wie schön ist das Faulsein!« sondern nickt der Mutter ganz bieder zu: »Na, sparen wir aber eine Menge Petroleum!«

Von den Geschichten, welche die Mutter so nach und nach erzählt, habe ich mir ein Dutzend abgelauscht und habe sie aufgeschrieben.

Andre Kinder können sie nun lesen, wenn ihre Mutter einmal nicht recht Zeit zum Erzählen hat. Und andere Mütter, die keinen Hutzelmann im Hause haben, lesen sie vielleicht auch und erzählen sie ihren Kindern in der Dämmerstunde.

Die Lampe meint's auch!

Nur, damit sie sich wichtig tun und sagen kann: »Wir sparen etwas!«

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