Friedrich von Sallet
Kontraste und Paradoxen
Friedrich von Sallet

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Kapitel XXII

Endlich erklärte der Arzt selbst, da es zu augenscheinlich war, den Junius für wiederhergestellt. Aber wie ward ihm, als er das erstemal wieder in den zwölfeckigen Turm trat, um an der Seite seines Vaters Posten einzubuchen! Was ihm vor kurzem noch lächerlich erschienen war – das Automatentreiben der zwölf Federmaschinen, erfüllte ihn jetzt mit unheimlichem Entsetzen. Zu arbeiten vermochte er gar nicht; ihm blieb das einzige Rettungsmittel, sich träumerisch der Zauberwelt seiner Nächte an die Brust zu werfen. Sein beschäftigter Vater merkte erst nichts; plötzlich aber fühlte sich Junius hart gerüttelt und allmählich kam er aus seiner Vertiefung zu sicfc. Eine derbe Ohrfeige brachte sein Selbstbewußtsein in noch rascheren Galopp, und vor sich sah er den dürren Zeigefinger seines Vaters auf sein Buch weisend und vernahm dessen schneidende Stimme: »Was ist das, Schlingel?« Jetzt erst fiel ihm ein, was für einen dummen Streich er gemacht hatte. Er hatte nämlich (o unerhört! denke dir's, praktischer Leser! denke es ganz aus in all seiner Furchtbarkeit!) ins Kassabuch, schreibe: Kassabuch, folgendes geschrieben:

»Ich bin oft wohl geritten
Zur Jagd und zum Turnei;
Geritten und gestritten:
Ob das was Rechts auch sei?«
»Jungfrauen zart, gar vielen,
Sang ich von Liebestausch;
Es war ein eitles Spielen,
Ein schnellvergeßner Rausch.«
»Wo ist die ew'ge Quelle,
Die allen Durst mir stillt?
Wo ist die heil'ge Welle,
Draus junges Leben schwillt?« –
So spricht er von Tannhausen,
Gibt seinem Pferd den Sporn,
Da, durch der Wipfel Brausen,
Ertönt ein sanftes Horn.
Da springt er aus dem Bügel
Und horcht und sinnt dazu,
Da läßt er gehn die Zügel:
»Hier ruh' und grase du?«
Leis zieht das Horn ihn weiter
In grünen Berges Schacht;
Da drinnen wölbt sich heiter
Ein Himmel aus der Nacht.
Da weht's von Blütenzweigen
Wie süßer Harfenton;
Goldwölkchen düftig steigen
Rings um den Sonnenthron.
Da droben schlummert wonnig
Ein Weib, so sah er's nie;
Goldflechten fallen sonnig
Herunter bis zum Knie.
Er hat sich aufgeschwungen,
Trinkt süßen Odem ein;
Da hat ihn warm durchdrungen
Ein volles, frohes Sein.
Frau Venus lächelt milde,
Schlägt auf die Augen leis;
Der Ritter faßt sie wilde:
»Wohl mir! daß ich es weiß!«
»Du bist es, Schaumgeborne!
Dein leiser Odem rührt
Das Erdentraumverlorne,
Daß es sich göttlich spürt.«
»Du bist die ew'ge Schöne,
Drin alles Leben ruht;
Hörst du auf meine Töne,
Dann ist mein Singen gut.« –
Er hat sie süß umfangen,
Sie duldet Kuß auf Kuß;
Wie alles da erprangen
Und rings erklingen muß!
Schau! Schwäne ziehn zur Ferne,
Sterbend in Liedestreu,
Und tauchen dann als Sterne
Empor am Himmel neu.
Und holde Nymphen baden
Sich ewig frisch und jung,
Begeisterte Mänaden
In wildem Gliederschwung.
Mit Schall und Zymbelschlagen
Folgen dem Sieger keck;
Zwei Pardel ziehn den Wagen,
Den Feigen ist's ein Schreck.
Es blitzt, vom Lichte trunken,
Des Gottes Auge weit,
Daß tot ist hingesunken,
Was nicht von Kraft gefeit.
Nichts Halbes darf es geben;
Auf was sein Blick gedroht,
Wacht auf zu Götterleben,
Oder sinkt hin in Tod.
Wo freie Geistesflammen
Verschüttet sind vom Wust –
Er brennt den Wust zusammen,
Die Flamme loht mit Lust.
Auf daß ein göttlich Feuer
Befreit die ganze Welt,
Die fürder mehr kein scheuer
Tyrann gebunden hält. –
Tannhäuser schaut hernieder,
Da wächst ihm Geist und Sinn;
Er schmiegt sich an die Glieder
Der süßen Königin.
Doch kann er nicht bezwingen
Des Glückes Überdrang –
Er hört Betglocken klingen
Und heis'ren Pfaffensang.
»Christ, dich hab' ich vergessen
Und deinen bittren Tod!
Mein Maß ist vollgemessen
Und die Verdammnis droht.«
»Hier schwelgt' ich ohne Scheuen
In eitel Lust und Scherz;
Jetzt will ich's heiß bereuen
Und opfern dir mein Herz.« –
Er ließ von dem Umfangen;
Frau Venus hat geweint.
Er ist hervorgegangen
Und hat sich frei gemeint.
Knieend vorm heil'gen Vater,
Ein niedrer Pilgersmann,
Um Trost und Lösung bat er
Der sieht ihn finster an.
»So lange, bis dein Stecken
Nicht frische Sprossen treibt,
Muß dessen Fluch dich decken,
Den sie für dich entleibt.«
»So schwer ist dein Verschulden,
Bei mir ist kein Verzeihn;
Durch alle Himmelshulden
Wirst du nicht wieder rein.« –
Tannhäuser zieht in Buße
Weithin, bergab, bergauf,
An jedes Berges Fuße
Pflanzt er den Stecken auf.
Am heil'gen Grab er endet,
Der Stecken sprosset nicht,
Bis er zur Heimat wendet
Sein kummervoll Gesicht.
Er ruht im alten Walde
Und sinnt so wehmutvoll,
Als lockend ihm gar balde
Des Hornes Ruf erscholl.
Da zieht es ihn gewaltsam
Fort in den Berg hinein,
Da folgt er unaufhaltsam
Bis in den goldnen Schein.
Dort schläft die Schaumgeborne
Hoch auf dem Sonnenthron;
Auf schwingt sich der Verlorne
Und er umschlingt sie schon.
»Hab' ich Euch wieder funden?
(Er pflanzt den Stecken hin)
Hier werd' ich noch gesunden
Und fühlen, daß ich bin.« –
In seligstem Umschließen,
Er küßt und kost sie wach;
Da muß der Stecken sprießen,
Dran manche Knospe brach.
Da hat er sich verzweiget
Als Baum zum Himmel gar,
Und seine Krone neiget
Sich übers sel'ge Paar.
Es schaut die ew'ge Liebe
Mild durch das Laub daher.
Wo der Tännhäuser bliebe,
Erfuhr man nimmermehr.


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