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XX

Tod der Herzogin von Gesvres. Ihr Aussehen. Sie weist die Prinzessinnen zurecht. Trianon. Hiobsposten. Marlborough gefangen und wieder freigelassen. Der Prinz von Harcourt. Sein Leben. Seine Gattin. Ihr Charakter. Ihre Verfressenheit. Ihr Geiz. Man treibt Schindluder mit ihr. Ihre Dienerschaft. Sie wird von ihrer Kammerfrau verprügelt. Der Marschall von Villeroy vom Könige empfangen. Er mißachtet einen Rat des Ritters von Lothringen. Tod des Ritters von Lothringen.

 

Die Herzogin von Gesvres starb zur gleichen Zeit, getrennt von einem Gatten, der die Plage seiner ganzen Familie war und ihr Millionen durchgebracht hatte. Ihr Name war du Val; sie war die einzige Tochter Fontenay-Mareuils, des französischen Gesandten in Rom zur Zeit der Expedition des Herzogs (Henri II.) von Guise nach Neapel. Sie war eine Art große und hagere Fee und stieg einher wie jene großen Vögel, die man Jungfern aus Numidien nennt. Sie erschien manchmal bei Hofe und besaß, trotzdem sie ziemlich sonderbar und wie die leibhaftige Hungersnot (infolge der Kargheit ihres Gatten) aussah, viel Tugend, Geist und Würde.

Ich erinnere mich, daß eines Sommers, als der König angefangen hatte die Abende sehr häufig in Trianon zu verbringen, wohin ihm zu folgen er dem ganzen Hofe ein für allemal erlaubt hatte, eine große Kollation für die Prinzessinnen, seine Töchter, stattfand, die dazu ihre Freundinnen mitbrachten, und an der die andern Damen auch teilnahmen, wenn sie wollten. Eines Tages kam es der Herzogin von Gesvres in den Sinn, nach Trianon zu gehen und an der Kollation teilzunehmen. Ihr Alter, ihr seltenes Erscheinen bei Hofe, ihr sonderbarer Aufputz und ihr Gesicht reizten die Prinzessinnen, sich ganz leise mit ihren Freundinnen über sie lustig zu machen. Sie merkte es, und ohne darüber in Verlegenheit zu geraten, sagte sie ihnen so trocken und gründlich die Wahrheit, daß sie kein Wort zu erwidern wagten und die Augen senkten. Das aber war noch nicht alles: nach der Mahlzeit äußerte sie sich so freimütig und dabei so spaßhaft über sie, daß sie es so sehr mit der Angst bekamen, daß sie sich bei ihr entschuldigen und regelrecht um Schonung bitten ließen. Frau von Gesvres war durchaus geneigt, ihnen diese zuzugestehen, ließ ihnen aber sagen, daß sie es nur unter der Bedingung tue, daß sie Lebensart lernten. Sie wagten seitdem nie wieder, sie gerade anzusehen.

Nichts war so prachtvoll wie diese Abende von Trianon: in allen Parterren wechselten die Beete täglich ihre Blumen, und ich habe den König und den ganzen Hof sie verlassen sehen infolge der vielen Tuberosen, die an jenem Tage eingepflanzt worden waren, und deren Duft die Luft mit Wohlgeruch erfüllte, aber infolge ihrer Menge so stark war, daß niemand es im Garten aushalten konnte, obgleich er sehr ausgedehnt war und terrassenartig auf einen Arm des Kanals hinabstieg.

 

Der König kehrte am 26. Oktober von Fontainebleau zurück und übernachtete in Villeroy, wo er an dem Ergehen der Familie teilzunehmen schien wie an dem seiner eigenen, und sprach viel und sehr freundschaftlich die Zitadelle von Lüttich: die Stadt kapitulierte am 14. Oktober, die Zitadelle wurde am 23. und das Fort de la Chartreuse am 29. erstürmt. Die Operationen gegen Lüttich waren von Marlborough geleitet worden.von dem Marschall von Villeroy. Als er in Versailles eintraf, erfuhr er die Nachricht von dem Tode des zweiten Sohnes des Herzogs von Noailles, der einen Musketenschuß in den Kopf erhalten hatte, als er bei Straßburg am Rheinufer spazieren ritt. Die Kugel kam vom andern Ufer des Flusses. Gleichzeitig erfuhr er, daß die Zitadelle von Lüttich mit Sturm genommen und der Gouverneur samt der Garnison gefangen worden seien, daß das Fort de la Chartreuse, das wir für gut befestigt hielten, bald nachfolgte, und daß seine durch die Detachierungen an den Rhein stark geschwächte Armee sich hinter die Verschanzungslinien zurückziehen mußte, da sie nicht imstande war, den Feldzug weiterzuführen, der auf diese Weise für dieses Jahr sein Ende fand.

Herr von Marlborough, der seine Armee in zwei Teile teilte, schiffte sich mit Herrn von Opdam, Generalleutnant der Holländer, und Herrn von Geldermalsen, einem der Deputierten der Generalstaaten bei der Armee der Alliierten, auf der Maas ein. Als sie unterwegs waren, erschien am Ufer eine Streifpatrouille von Geldern und zwang sie durch Flintenschüsse zu landen. Der Fang war schön, aber der törichte Führer der Patrouille begnügte sich mit dem Passe, den der Deputierte bei sich hatte, der Marlborough als seinen Stallmeister und Opdam als seinen Sekretär ausgab, und ließ sie ziehen.

 

Nachdem er sich zehn Jahre lang nicht vor ihm hatte zeigen dürfen, erhielt der Prinz von Harcourt endlich die Erlaubnis, dem Könige seine Aufwartung zu machen. Er hatte den König bei allen seinen Eroberungen in den Niederlanden und in der Franche-Comté begleitet, hatte sich aber seit seiner Reise nach Spanien, wohin er und seine Frau die Tochter des Herzogs von ihrem Gemahl, König Karl II., zugeführt hatten: 1679.
nahm Dienste bei den Venezianern: 1688.
Orléans, ihrem Gemahl, König Karl II., zugeführt hatten, nur wenig am Hofe aufgehalten. Der Prinz von Harcourt nahm Dienste bei den Venezianern, zeichnete sich in Morea aus und kehrte erst wieder zurück, als der Friede dieser Republik mit den Türken geschlossen worden war (1699).

Er war ein großer, gutgewachsener Mann, geistreich, machte aber trotz seiner vornehmen Züge ganz den Eindruck eines Schmierenkomödianten. Er war ein großer Lügner, geistig und leiblich ein echter Libertiner, ein großer Verschwender in jeder Beziehung, ein unverschämter Betrüger beim Spiel und einer obskuren Hurerei ergeben, die ihn sein ganzes Lebenlang unmöglich machte. Nachdem er auf seiner Rückreise lange herumgestreift war und weder mit seiner Frau zusammenleben (was gerade kein großes Unrecht), noch sich mit dem Hofe und mit Paris befreunden konnte, ließ er sich in Lyon nieder und lebte dort, dem Wein und den Straßendirnen ergeben, in einer entsprechenden Gesellschaft, hielt sich eine Meute und begann gewaltig zu spielen, um seine Ausgaben zu bestreiten und auf Kosten der Geprellten, der Dummen und der Söhne der großen Kaufleute zu leben, die er in seine Netze zog.

Er machte sich dort das ganze Ansehen zunutze, das ihm der Marschall von Villeroy mit Rücksicht auf Monsieur le Grand geben konnte, und verbrachte dort auf diese Weise eine ganze Anzahl Jahre, ohne darauf zu verfallen, daß es auf dieser Welt eine andere Stadt und eine andere Gegend gebe als Lyon. Endlich wurde er sie aber doch überdrüssig und kehrte nach Paris zurück.

Der König, der ihn verachtete, ließ ihn gewähren, wollte ihn aber nicht sehen, und erst nachdem alle blieb dabei, den Prinzen von Harcourt niemals zuzulassen: doch ließ er ihn am 24. April 1704 nach Marly kommen.Lothringer zwei Monate lang sich für ihn bemüht und um Verzeihung gebeten hatten, erlaubte er ihm, zu erscheinen und seine Begrüßung anzubringen. Seine Frau nahm an allen Reisen des Königs teil und war eine Favoritin der Frau von Maintenon, durch ihren Vater Brancas, der lange mehr als gut mit dieser gestanden hatte. Sie erlebte, was ihren Gatten anging, einen Mißerfolg in bezug auf Marly, wohin, solange ihre Frauen dort waren, alle Männer zu gehen das Recht hatten, ohne dazu aufgefordert zu sein. Sie versagte es sich, hinzugehen, in der Hoffnung, Frau von Maintenon würde es, um sie dort weiter bei sich zu haben, durchsetzen, daß er wieder voll in Gnaden aufgenommen würde. Sie täuschte sich darin: Frau von Maintenon, die sich eine Pflicht daraus machte, sie auf jede Weise zu begünstigen, fühlte sich darum doch oftmals von ihr belästigt und kam sehr gut ohne sie aus. Die Furcht, sie möchte ganz ohne sie auskommen, veranlaßte sie bald, allein nach Marly zurückzukehren, und der König blieb dabei, den Prinzen von Harcourt niemals zuzulassen. Das hatte zur Folge, daß er seltener bei Hofe erschien, doch ging er wenig in die Provinz, und endlich zog er sich nach Lothringen zurück und spann sich dort ein.

Diese Prinzessin von Harcourt war sozusagen eine Persönlichkeit, und es ist gut, mit ihr bekannt zu werden, damit man einen Hof genauer kennen lerne, der Leute dieser Art fortgesetzt zuließ. Sie war sehr schön und galant gewesen; obgleich sie noch nicht alt, waren ihre Reize und Schönheit verblüht. Sie war damals eine große, dicke, sehr unruhige Person von Milchsuppenfarbe, dicken häßlichen Lippen und Flachshaaren, die immer unordentlich waren wie ihre unsaubere, ja schmutzige Kleidung. Sie war immer intrigant, anspruchsvoll, Sie machte Geschäfte aller Art: sie betrieb z. B. Ernennungen zu mehr oder minder hohen Posten und zog daraus Provisionen.verwegen, immer streitsüchtig und immer kriechend liebenswürdig oder auf dem hohen Roß, jenachdem, wen sie vor sich hatte.

Sie war eine blonde Furie, mehr noch: eine Harpyie, deren Unverschämtheit, Bosheit, Spitzbüberei und Gewalttätigkeit sie besaß, dazu ihren Geiz und ihre Habgier, ihre Verfressenheit und ihre Gewandtheit, sich den Magen wieder zu erleichtern. Sie brachte diejenigen, bei denen sie an der Mittagstafel teilnahm, zur Verzweiflung, weil sie nicht verfehlte, sich nach Verlassen der Tafel ihrer verschwiegenen Örtchen zu bedienen; denn ziemlich oft hatte sie nicht mehr die Zeit, sie zu erreichen und besudelte den Weg dorthin mit einer abscheulichen Straße; deshalb wünschten sie die Leute der Herzogin von Maine und Monsieur le Grands manches Mal zum Teufel. Das setzte sie nicht im geringsten in Verlegenheit; sie hob ihre Röcke hoch und setzte ihren Weg fort, und als sie dann zurückkam, erklärte sie, sie habe sich übel befunden: man war daran gewöhnt.

Sie machte Geschäfte aller Art und bemühte sich um hundert Frank ebenso wie um hunderttausend. Die Generalkontrolleure vermochten sich ihrer nicht leicht zu erwehren, und wenn sie es konnte, täuschte sie die Geschäftsleute, um mehr aus ihnen herauszuschlagen. Ihre Keckheit, beim Spiel zu stehlen, war unglaublich, und sie tat es ganz offen. Man erwischte sie dabei: sie schimpfte und sackte ein; und da es mit ihr nie anders war, betrachtete man sie als ein Fischweib, mit dem man sich nicht einlassen wollte. Und so trieb sie es mitten im Salon von Marly, beim Lanzknecht, in Gegenwart des Herzogs und der Herzogin von Burgund. Bei andern Spielen, wie Lomber usw. mied man sie; Sie war nämlich eine große Betschwester von Profession: 1673 hatte man sie zum Zeichen der Frömmigkeit die Schminke von ihrem Gesicht verbannen sehen, um sich eine Stelle als Palastdame zu verschaffen, kaum aber hatte sie ihre Ernennung in der Tasche, als sie nichts Eiligeres zu tun hatte, als »die Kutte in die Nesseln zu werfen«.aber das ging nicht immer, und da sie dabei ebenfalls nach Möglichkeit stahl, verfehlte sie am Ende der Partien nie zu sagen, sie gebe das heraus, was aus einem nicht einwandfreien Spiel stammen könne; sie verlangte aber, daß man es ebenso mache und versicherte sich des Geldes, ohne auf eine Antwort zu warten. Sie war nämlich eine große Betschwester von Profession und meinte auf diese Weise ihr Gewissen zu salvieren, »denn,« fügte sie hinzu, »beim Spiel kommt stets das eine oder andere Versehen vor«.

Sie besuchte alle Andachten und kommunizierte unaufhörlich, in der Regel, nachdem sie bis vier Uhr morgens gespielt hatte. An einem hohen Festtage besuchte sie in Fontainebleau, als der Marschall von Villeroy Dienst hatte, die Marschallin zwischen Vesper und Schlußgebet. Boshafterweise schlug ihr die Marschallin vor, ein Spielchen zu machen, damit sie das Schlußgebet versäume. Sie sperrte sich dagegen und sagte schließlich, daß Frau von Maintenon hinginge. Die Marschallin ließ nicht locker und sagte, das sei doch drollig, als ob Frau von Maintenon alle sehen und bemerken könne, wer nicht in der Kapelle sei. Und schon setzten sie sich ans Spiel.

Als Frau von Maintenon, die fast niemals irgend jemand besuchen ging, aus dem Schlußgebet kam, fiel ihr ein, einmal bei der Marschallin von Villeroy vorzusprechen, vor deren Gemächern sie vorüber mußte, um zu ihrer Treppe zu gelangen. Man öffnet die Tür und meldet sie an; die Prinzessin von Harcourt ist wie vom Donner gerührt. »Ich bin verloren!« schreit sie überlaut; denn sie konnte sich nicht bezwingen; »sie wird sehen, daß ich spiele, statt beim Schlußgebet zu sein!« läßt die Karten fallen und sich selbst ganz fassungslos in ihren Sessel sinken. Die Marschallin lacht aus vollem Halse über ein so gelungenes Abenteuer.

Frau von Maintenon tritt langsam ein, von fünf oder sechs Personen begleitet, und findet die Damen in dieser Lage. Die Marschallin von Villeroy, die unendlich viel Geist hatte, sagt zu ihr, durch die Ehre, die sie ihr erweise, verursache sie eine große Verwirrung und zeigt dabei auf die Prinzessin von Harcourt, die ganz aufgelöst ist. Frau von Maintenon lächelt mit einer majestätischen Güte in den Zügen und sagt zu der Prinzessin von Harcourt gewandt: »So also gehen Sie heute zum Schlußgebet, Madame?«

Daraufhin fährt die Prinzessin von Harcourt aus ihrer Art von Ohnmacht auf, sagt, man habe ihr wieder einmal einen Streich gespielt; die Marschallin von Villeroy habe offenbar den Besuch Frau von Maintenons erwartet und sie deshalb so gequält, ein Spiel zu machen, damit sie das Schlußgebet versäume.

»Gequält!« antwortete die Marschallin, »ich habe geglaubt, Sie nicht besser empfangen zu können, als indem ich Ihnen ein Spiel vorschlug. Es ist wahr, daß Sie einen Augenblick Bedenken gehabt haben, nicht beim Schlußgebet gesehen zu werden, aber die Neigung hat die Oberhand behalten. Das, Madame – und damit wandte sie sich zu Frau von Maintenon – ist mein ganzes Verbrechen.« Und sie lachte noch ausgelassener als zuvor.

Um dem Streit ein Ende zu machen, wollte Frau von Maintenon, daß sie das Spiel fortsetzten; die Prinzessin von Harcourt, die immer weiter brummte und sich nicht fassen konnte, wußte nicht, was sie spielte, und die Fehler, die sie machte, verdoppelten ihre Wut. Kurz, es war eine Posse, die den ganzen Hof mehrere zur Perspektive: die zur Unterbringung der Gäste des Königs bestimmten Pavillons waren ursprünglich miteinander durch eine Mauer verbunden, auf welcher die Maler Rausseau und Meusnier in Fresco eine Landschafts- und Architekturperspektive dargestellt hatten. Diese Mauer wurde 1706 abgebrochen, um Raum für weitere Pavillons zu gewinnen, die durch Bogenlauben verbunden wurden.Tage belustigte, denn diese schöne Prinzessin war ebensosehr gefürchtet wie gehaßt und verachtet.

Der Herzog und die Herzogin von Burgund spielten ihr beständig mutwillige Streiche. Sie ließen eines Tages die ganze Allee lang, die vom Schlosse von Marly zur Perspektive, wo sie wohnte, führt, Petarden legen. Sie hatte schreckliche Angst vor allem: man stellte zwei Träger an, die sich anbieten mußten, sie zu tragen, wenn sie nach Hause wollte. Als sie ungefähr in der Mitte der Allee und der ganze Salon an der Türe war, um das Schauspiel mit anzusehen, fingen die Petarden an loszugehen, und sie begann um Erbarmen zu schreien, während die Träger die Sänfte niedersetzten und davonliefen. Sie schlug in der Sänfte wütend um sich, so daß sie umzufallen drohte und schrie wie ein Teufel. Die Gesellschaft eilte herbei, um sich aus größerer Nähe darüber zu freuen und sie auf alle, die sich ihr näherten, von dem Herzog und der Herzogin von Burgund angefangen, schimpfen zu hören.

Ein anderes Mal brachte dieser Prinz unter ihrem Stuhl im Salon, wo sie gerade Pikett spielte, eine Petarde an; als er gerade im Begriff war, sie anzuzünden, machte ihn eine mitleidige Seele darauf aufmerksam, daß diese Petarde sie verstümmeln würde und verhinderte es. Manchmal ließ man in ihr Schlafzimmer einige zwanzig Schweizer mit Trommeln eintreten, die sie mit diesem Getöse aus ihrem ersten Schlafe weckten. Ein anderes Mal – und diese Szenen gingen stets in Marly vor sich – wartete man bis spät in die Nacht hinein, bis sie zu Bett gegangen und eingeschlafen sei. Sie wohnte während dieses Aufenthaltes in Marly im Schlosse, ganz nahe bei dem Kapitän der Garden vom Dienste, damals der Marschall von Lorge. Es hatte stark geschneit und fror: die Herzogin von Burgund und ihr Gefolge versahen sich auf der Terrasse, die oberhalb des Salons herumgeht und mit den Wohnungen dort oben in einer Ebene liegt, mit Schnee, und um eine größere Menge davon zu bekommen, weckten sie die Leute des Marschalls, die eine große Zahl Schneebälle herstellten. Hierauf schleichen sie sich mit Kerzen bewaffnet mit Hilfe eines Hauptschlüssels leise in das Zimmer der Prinzessin von Harcourt, ziehen plötzlich die Bettvorhänge auf und lassen einen Hagel von Schneebällen auf sie niedersausen. Diese schmutzige Kreatur, die entsetzt im Bett auffuhr, im Gesicht und überall von dem nassen klatschenden Schnee getroffen wurde, schrie, als ob sie am Spieße stecke und sich wie ein Aal hin und her wand, ohne zu wissen, wohin sich retten, bot mit ihren aufgelösten triefenden Haaren ein Schauspiel, das die Gesellschaft mehr als eine halbe Stunde ergötzte. Schließlich schwamm die Nymphe in ihrem Bette, aus dem das Wasser überall herauslief und das ganze Zimmer überflutete. Sie wollte platzen vor Wut. Am andern Tage schmollte sie, aber man machte sich nur noch mehr über sie lustig.

Diese Schmolltouren hatte sie manchmal, entweder wenn der Schabernack, den man ihr spielte, zu arg war, oder wenn Monsieur le Grand sie schlecht behandelt hatte. Er fand mit Recht, daß niemand, der den Namen Lothringen trug, sich so aufführen dürfe, daß man mit ihm Schindluder treiben könne, und da er brutal war, sagte er ihr manchmal bei der Tafel in Gegenwart aller alle Schande, und die Prinzessin von Harcourt fing dann an zu weinen, geriet darauf in Wut und schmollte schließlich. Die Herzogin von Burgund tat dann, als schmollte sie gleichfalls, um sich einen Spaß mit ihr zu machen. Die Prinzessin hielt es nicht lange aus: auf die Vorwürfe der Herzogin, daß sie ihr nicht wohlgesinnt sei, kroch sie herbei, bis zu Tränen gerührt, und bat um Verzeihung, daß sie geschmollt hätte und flehte, man möchte doch nicht aufhören, sich Spaß mit ihr zu machen. Nachdem man sie gehörig hatte klappern lassen, ließ sich die Herzogin von Burgund rühren, aber nur, um es mit ihr schlimmer zu treiben als zuvor.

Alles, was die Herzogin von Burgund tat, galt dem König und Frau von Maintenon für gut, und die Prinzessin von Harcourt fand keinerlei Hilfe; sie wagte nicht einmal, sich an irgendeine von den Damen zu halten, die der Herzogin halfen, sie zu quälen; sonst aber wäre es nicht geraten gewesen, sie zu erzürnen.

Sie bezahlte ihre Leute schlecht oder gar nicht. Eines schönen Tages hielten diese auf Verabredung ihren Wagen auf dem Pont Neuf an. Der Kutscher stieg vom Bock, ebenso die Lakaien, und sie kamen an den Schlag und sagten ihr Dinge, wie sie sie noch nicht gehört hatte. Ihr Stallmeister und ihre Kammerfrau öffneten ihn, und alle zusammen gingen davon und überließen sie ihrem Schicksal. Nun fing sie an, dem Pöbel, der sich inzwischen angesammelt hatte, eine Rede zu halten und war überglücklich, als sie einen Mietskutscher fand, der auf ihren Bock stieg und sie nach Hause fuhr. Ein anderes Mal begegnete Frau von Saint-Simon, als sie in ihrem Wagen von der Messe bei den Rekollekten nach Versailles zurückkehrte, der Prinzessin von Harcourt zu Fuß in der Straße, allein, in großer Toilette, die Schleppe überm Arm. Frau von Saint-Simon ließ halten und bot ihr Hilfe an: alle ihre Leute hatten sie verlassen und ihr den zweiten Band vom Pont Neuf geliefert.

Sie schlug ihre Leute, stark und gewalttätig wie sie war, und wechselte täglich. Unter anderen nahm sie eine starke und robuste Kammerfrau, der sie gleich am ersten Tage Klapse und Ohrfeigen die Menge gab. Die Kammerfrau sagte kein Wort, und da man ihr noch nichts schuldig war, weil sie erst vor kurzem den Dienst angetreten hatte, unterrichtete sie die andern, von denen sie über die Art des Hauses aufgeklärt worden war, und eines Morgens, als sie allein im Schlafzimmer der Prinzessin von Harcourt war und ihr Bündel fortgeschickt hatte, schließt sie die Tür von innen, ohne daß jene es merkt, fordert sie durch eine freche Antwort heraus, sie zu schlagen, wie es ihr bereits geschehen war und wirft sich bei der ersten Ohrfeige auf die Prinzessin, versetzt ihr hundert Maulschellen und ebensoviele Faustschläge und Fußtritte, schlägt sie braun und blau vom Kopf bis zu den Füßen, und als sie sie nach Lust und Vergnügen verprügelt hatte, läßt sie die aus Leibeskräften Heulende ganz wund und verrauft auf dem Boden liegen, öffnet die Tür, schließt von außen zweimal herum, gewinnt die Treppe und verläßt das Haus.

Jeden Tag gab es neue Kämpfe und neue Abenteuer. Ihre Nachbarinnen in Marly sagten, der allnächtliche Lärm ließe sie nicht schlafen, und ich erinnere mich, daß nach einer dieser Szenen alle Welt das Schlafzimmer der Herzogin von Villeroy und das der Prinzessin von Espinoy aufsuchte, die ihr Bett ganz in die Mitte gestellt hatten und allen ihre nächtlichen Taten erzählten.

So war diese unverschämte und für alle Welt so unerträgliche Favoritin Frau von Maintenons beschaffen, die trotz allem eine sehr bevorzugte Stellung einnahm, am Hofe gefürchtet wurde, und mit der sogar die Prinzessinnen und die Minister rechneten.

Der Marschall von Villeroy hatte es der Königin von England zu verdanken, daß er ohne Lösegeld freikam und es ihm endlich gewährt wurde, daß er bei seiner Rückkehr nicht durch die Armee des Prinzen Eugen geleitet werden mußte. Der Herzog von Modena, der Oheim der Königin von England, der sehr gut mit dem Kaiser stand, hatte diese Gnade durchgesetzt.

Es ist überflüssig, ein Wort über die sonderbare Behandlung zu verlieren, die die Deutschen dem Marschall während seiner Gefangenschaft, wie unterwegs und in Graz, der Hauptstadt von Steiermark, wohin sie ihn verbannten, angedeihen zu lassen beliebten. Der Pöbel überschüttete auf die Nachricht von dem Kampfe bei Luzzara hin sein Haus mit Steinen. Sie machten ihn glauben, sie hätten dort einen vollen Sieg errungen, und wir hätten eine Unzahl hervorragender Leute, die sie ihm nannten, verloren. Sie waren so grausam, ihn einen Monat lang im Zweifel über das Schicksal seines Sohnes zu lassen.

Der Rückweg ging über Venedig und Mailand, wo er den König von Spanien sah. Er passierte die italienische Armee, die er kommandiert hatte, und traf am 14. November in Versailles ein. Nichts läßt sich mit der Art vergleichen, wie der König ihn empfing und behandelte, zuerst bei Frau von Maintenon, dann öffentlich. Diese Gunst ging so weit, daß er mit ihm sogar über Staatsangelegenheiten sprach und ihm einige darauf bezügliche Depeschen von Torcy mitteilen ließ.

Der Ritter von Lothringen, sein vertrauter Freund von Jugend an und Genosse in Liebesangelegenheiten, Intrigen und allerlei Geschäften, der unendlich viel Geist und Kenntnis des Königs und des Hofes hatte, riet ihm, den Oberbefehl über die Armeen niederzulegen, in dem er nicht glücklich war, und diesen so außergewöhnlichen Gnadenstrahl festzuhalten, um den Versuch zu machen, in den Staatsrat zu gelangen. Der Ritter von Lothringen, ein Mann mit weitgesteckten Zielen, wäre sicherlich nicht böse gewesen, einen nicht sehr scharfblickenden Freund darin sitzen zu haben, der gewohnt war, kein Geheimnis bei sich zu behalten und sich von ihm in vielen Dingen lenken zu lassen. Er tat alles, was er konnte, um ihn zu überzeugen, bei der so vollkommen gesicherten Stellung, die er einnehme, heiße es, eine dauernde Krönung seines Glückes erreichen, zu der während der Herrschaft Ludwigs XIV. außer dem Herzog von Beauvillier kein anderer Militär gelangt sei.

Der Marschall gab das zu, er gestand ihm sogar, nach dem, was zwischen dem König und ihm vorgegangen sei, könne er sich schmeicheln, daß die Zulassung zum Staatsrat eine Gunst sei, die zu erreichen nicht schwer halten dürfte; er machte aber geltend, die Niederlegung des Oberbefehls über die Armeen würde ihn in Anbetracht des Unglücks, das ihm widerfahren sei, entehren.

Ein Mann von wenig Geist und Verstand, der aber beides zu besitzen glaubt, versteift sich leicht auf etwas, und so waren alle Bemühungen des Ritters von Lothringen, ihn von der Unrichtigkeit dieses Gedankenganges zu überzeugen, umsonst. Es dauerte auch nicht lange, da hatte er es zu bereuen, daß er einem so heilsamen Rate nicht gefolgt war. Er wurde wenige Tage darauf zum General der in Flandern stehenden Armee erklärt, aber der Ritter von Lothringen erlebte den traurigen Erfolg nicht mehr. Er hatte während des Aufenthalts in Fontainebleau einen leichten Schlaganfall erlitt er einen zweiten: alle Lothringer dieses Zweiges waren schlagflüssig. Einer der Brüder, der Abt d'Harcourt, war bereits 1685 auf diese Weise gestorben.
häufig sehr beträchtliche Gratifikationen: »dennoch starb er in so ärmlichen Verhältnissen, daß seine Freunde die Kosten des Begräbnisses übernehmen mußten. Er hatte 100 000 Taler Rente, war aber ein schlechter Haushalter. Seine Leute haben ihn immer bestohlen. Soferne sie ihm nur 1000 Pistolen gaben, wenn er ihrer zum Spiel oder für seine Ausschweifungen bedurfte, ließ er sie sein Hab und Gut nach Belieben verschleudern und plündern«, sagt Elisabeth Charlotte von diesem Intimsten ihres Gatten.
erlitten, was ihn jedoch nicht veranlaßte, sein gewöhnliches Leben aufzugeben. Als er in seinen Gemächern im Palais-Royal nach seinem Mittagessen am 7. Dezember Lomber spielte, erlitt er einen zweiten und verlor gleichzeitig das Bewußtsein. Vierundzwanzig Stunden darauf starb er, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, noch nicht sechzig Jahre alt.

Er war Generalleutnant und hatte dem Könige bei allen seinen Eroberungen gedient. Der Herzog von Orléans hatte ihm die Abteien Saint-Benoît-sur-Loire, Saint-Père-en-Vallée in Chartres, La Trinité in Tiron und Saint-Jean-des-Signes in Soissons verschafft. Er behielt sie bis an sein Lebensende, und abgesehen von den ungeheuren Summen, die er vom Herzog von Orléans bekommen hatte, bezog er vom Könige bedeutende Pensionen und häufig sehr beträchtliche Gratifikationen. Es gab wenige, die ihn betrauerten, zu diesen gehörte Mlle. de Lillebonne, die er, wie man glaubt, vor langer Zeit geheiratet hatte. Ich habe von diesen beiden Persönlichkeiten weiter oben schon hinlänglich gesprochen und brauche dem nichts mehr hinzuzufügen. ohne eine Erlaubnis oder ein Privileg nötig zu haben: vor der Erfindung der Buchdruckerkunst war der Handel mit Handschriften der dreifachen Zensur des Klerus, der Universitäten und der Parlamente unterworfen. Vom 16. Jahrhundert ab mußten sich die Buchhändler vor Verkauf jedes einzelnen Druckwerkes der vorläufigen Erlaubnis versichern und waren Haussuchungen und strengen Strafbestimmungen unterworfen. Diese zuerst den Parlamenten übertragene Jurisdiktion wurde später dem Kanzler allein vorbehalten, und die Zensur, die ursprünglich dem Klerus zukam, wurde von den Beauftragten der Staatskanzlei ausgeübt, doch ohne daß die Parlamente aufgehört hätten, ihrerseits die Werke zu verfolgen, deren Lehren ihnen verderblich schienen.


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