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XVII

Die Herzogin von Orléans. Sie will in Saint-Cloud Hof halten. Ihr Verhältnis zur Herzogin von Saint-Simon. Wiederannäherung des Herzogs von Saint-Simon und des neuen Herzogs von Orléans durch Vermittlung von Frau von Fontaine-Martel. Bemühungen des Herzogpaares von Maine, Saint-Simon auf seine Seite zu ziehen. Saint-Simon bleibt unzugänglich. Verstimmung des Herzogs von Maine. Annibale Visconti bei Santa-Vittoria geschlagen. Philipp V. bei der italienischen Armee. Der Tag von Luzzara. Der Tod des Prinzen von Commercy. Prinz Thomas von Vaudémont schwer verwundet. Der Schmerz der Lillebonnes. Rückkehr Philipps V. nach Spanien. Die Engländer verbrennen die französischen Gallionen im Hafen von Vigo. Die Lage am Rhein. Die Einschließung Landaus durch die Kaiserlichen.

 

Ich würde mich nicht mit der Kleinigkeit aufhalten, die ich jetzt erzählen will, wenn sie nicht einen sehr bedeutungsvollen Abschnitt meines Lebens beträfe und nicht außerdem noch zeigte, wie Nichtigkeiten manchmal die größten Folgen haben.

Gegen Ende Juli (1702) machte der König eine Reise nach Marly. Die Herzogin von Orléans, entzückt über die Freiheit und die persönliche Größe, die sie sich durch den Tod Monsieurs zuteil geworden sah, verspürte Lust, sie zu genießen und nach Saint-Cloud zu gehen, um dort Hof zu halten. Der König war damit einverstanden, vorausgesetzt, daß sie dort eine Gesellschaft hätte, wie sie sich für sie schickte, die nur insoweit gemischt sei, als der Rest des intimsten Hofes des verstorbenen Herzogs, den man nicht ausschließen konnte, in Frage käme.

Dieser Plan war schon lange gefaßt worden, und unter den Damen des Hofes, die sie zur Teilnahme an dieser Reise gewann, befand sich Frau von Saint-Simon, die es ihr auf ihre Bitten versprochen hatte. Indessen wollten wir nach la Ferté gehen, um dort sechs Wochen zu verbringen. Die Herzogin von Orléans, die nach Festsetzung der Dispositionen für Marly endlich den Zeitpunkt ihrer Reise nach Saint-Cloud annähernd hatte festsetzen können, fand, daß sie mit der unsrigen zusammenfiel und wollte Frau von Saint-Simon nicht reisen lassen, bevor sie ihr nicht versprochen hätte, an demselben Tage nach Saint-Cloud zurückzukehren, an dem sie dorthin reisen würde. Sie wollte sie davon benachrichtigen lassen, und in der Tat schrieb ihr die Herzogin von Villeroy im Namen der Herzogin nach la Ferté, und Frau von Saint-Simon begab sich, wie sie es versprochen hatte, nach Saint-Cloud.

Die Gesellschaft war gut gewählt, die Vergnügungen und Unterhaltungen hörten nicht auf, der Herzog und die Herzogin von Orléans empfingen die Gäste sehr höflich an diesem schönen Orte, der Glanz und die Freiheit machten den Aufenthalt entzückend, und zum erstenmal sah Saint-Cloud keine Klatschereien und Stänkereien.

Man hat zu Beginn dieser Memoiren gesehen, daß ich von meiner frühesten Jugend an viel mit dem Herzog von Orléans (damaligen Herzog von Chartres) zusammengewesen war. Dieser vertraute Umgang dauerte, bis er ganz in die Welt eingetreten war und sogar bis nach dem Feldzuge von 1693, in dem er die Kavallerie der Armee des Herzogs von Luxemburg befehligte, bei der ich diente. Je kürzer er gehalten worden war, desto größere Ehre setzte er darein, über die Stränge zu schlagen; das wenig geregelte Leben des Herzogs von Condé und des Prinzen von Conti veranlaßte ihn zu einem traurigen Wetteifer, die Ausschweifungen des Hofes und der Stadt bemächtigten sich seiner, der Widerwillen, den ihm seine erzwungene und so ungleiche Ehe einflößte, ließ ihn danach trachten, sich an andern Vergnügungen schadlos zu halten, und der Ärger, den er darüber empfand, sich vom Oberbefehl der Armeen ferngehalten und in dem getäuscht zu sehen, was ihm an Gouverneursposten und anderen Gnaden versprochen worden war, ließ ihn sich vollends einem sehr lockeren Leben in die Arme werfen, das er absichtlich so weit wie möglich trieb, um der Geringschätzung Ausdruck zu verleihen, die er für seine Gattin und für den Zorn empfand, den der König ihm deswegen zu erkennen gab.

Die Herzogin von Orléans, früher von Chartres

Dieses Leben, das nicht zu dem meinigen passen konnte, entfremdete mich diesem Prinzen: ich besuchte ihn seit sechs oder sieben Jahren nur bei den seltenen Anlässen, wo der Anstand es erfordert und dann nur auf Augenblicke; ich begegnete ihm selten an denselben Orten. Wenn dies sich so traf, zeigte er mir immer eine freundliche offene Miene; aber mein Leben paßte ihm ebensowenig wie mir das seinige: und so war die Trennung vollkommen geworden.

Der Tod Monsieurs, der ihn notgedrungen dem Könige und Madame seiner Gemahlin wieder angenähert hatte, war nicht imstande gewesen, seinen Liebschaften ein Ende zu machen. Er benahm sich gegen sie geziemender und gegen den König respektvoller; aber er hatte nun einmal die Gewohnheit der Ausschweifung angenommen: sie hatte sich in seinem Kopfe festgesetzt, wie eine schöne Melodie, die zu seinem Alter paßte und ihm ein Relief gab, das der Lächerlichkeit entgegengesetzt war, die er in einem weniger liederlichen Leben sah. Er bewunderte diejenigen, die in der stärksten Ausschweifung am meisten leisteten und am beharrlichsten darin waren, und jene leichte Änderung in seinem Verhalten aus Rücksicht auf den Hof erstreckte sich weder auf seine Sitten noch auf seine heimlichen Ausflüge nach Paris, das er fortwährend aufsuchte.

Es ist noch nicht der Augenblick, einen Begriff von diesem Prinzen zu geben, den wir so viel und in so verschiedenen Lagen auf der Weltbühne tätig sehen werden.

Frau von Fontaine-Martel war in Saint-Cloud. Sie war eine der Damen des alten intimen Hofes Monsieurs und verbrachte ihr ganzes Leben ausschließlich in der großen Welt. Ihr Gatte war der erste Stallmeister der Herzogin von Orléans, ein Bruder des verstorbenen Marquis d'Arcy, des letzten Gouverneurs des Herzogs von Orléans. Infolge der Charge ihres Gatten verbrachte Frau von Fontaine-Martel ihr Leben am Hofe. Sie nahm an den Reisen teil, manchmal sogar an denen nach Marly; sie aß häufig beim Marschall von Lorge, der abends und morgens eine große und erlesene Tafel hielt, bei der er, ohne darum zu bitten, stets eine zahlreiche Gesellschaft sah, die aus den hervorragendsten Persönlichkeiten des Hofes bestand.

Wir sahen uns dort so häufig, daß Frau von Fontaine-Martel und ich uns miteinander befreundeten, und diese Freundschaft seitdem bestehen blieb. Sie fragte mich manchmal, warum ich mich nicht mehr bei dem Herzog von Orléans sehen ließe, und sagte immer, das sei lächerlich; denn trotz der Verschiedenheit unserer Lebensweise paßten wir in tausend Beziehungen zueinander. Ich lachte und ließ sie reden.

Eines schönen Tages packte sie den Herzog von Orléans in derselben Sache an, während er mit ihr, der Herzogin von Villeroy und Frau von Saint-Simon plauderte. Alle drei fingen an, tausend verbindliche Dinge über mich zu sagen, und der Herzog von Orléans sprach sein Bedauern darüber aus, daß ich ihn zu leichtfertig fände, um mit ihm zu verkehren, und gab seinen Wunsch zu erkennen, wieder mit mir anzuknüpfen. Man kam während des Restes des Aufenthaltes in Saint-Cloud immer wieder darauf zurück, und der Herzog beklagte es sogar, daß dieser Aufenthalt seinem Ende zu nahe sei, als daß er mich noch einladen könnte, nach Saint-Cloud zu kommen. Man versprach sich aber, nach meiner Rückkehr nach Versailles meine Strenge, wie sich der Herzog von Orléans ausdrückte, zu besiegen.

Frau von Saint-Simon wurde gebeten, mir darüber zu schreiben, und ich antwortete, wie es sich schickte. Sie kehrte nach la Ferté zurück und sagte mir, die Sachen ständen so, daß ich mich nicht länger sträuben könne. Ich hielt das alles für eine Marotte Frau von Fontaine-Martels und eine Höflichkeit des Herzogs von Orléans, für einen von jenen Plänen, die man nicht ausführt, und die Verschiedenheit der Geschmacksrichtung und der Lebensweise überzeugte mich, daß der Prinz und ich nicht zueinander paßten und ich gut täte, bei dem bisher beobachteten Verhalten zu bleiben und höchstens bei meiner Rückkehr einen Dankes- und Respektsbesuch zu machen.

Ich täuschte mich; dieser Besuch, den ich, nach Versailles zurückgekehrt, immer wieder aufschob, worüber der Herzog von Orléans den genannten Damen bei der Herzogin Vorwürfe machte, wurde mit Freuden und Herzlichkeit aufgenommen. Sei es, daß die alte Jugendfreundschaft wieder zum Durchbruch gekommen, sei es, daß er das Verlangen hatte, in Versailles jemand zu haben, mit dem er vertraulich verkehren konnte – unsere Begegnung fand mit so viel Liebenswürdigkeit von seiner Seite statt, daß ich mich in unser altes Palais-Royal zurückversetzt glaubte: er bat mich, ihn oft aufzusuchen und drang in mich, mit meinen Besuchen nicht zu sparen. Darf ich es wagen zu sagen, daß er sich meiner Rückkehr zu ihm rühmte und nichts unterließ, um mich wieder an sich zu fesseln?

Die Rückkehr der alten Freundschaft auf meiner Seite war die Frucht eines so vielfältigen Entgegenkommens, mit dem er mich ehrte, und sie wurde bald durch ein vollkommenes Vertrauen besiegelt, das bis zum Ende seines Lebens lückenlos bestanden hat, trotz der kurzen Unterbrechungen, welche die Intrigen zuweilen hervorgerufen haben, als er der Herr des Staates geworden war.

So begann diese enge Verbindung, die mich Gefahren ausgesetzt, eine Zeitlang eine Rolle in der Welt hat spielen lassen und, ich darf wohl wagen, es zu behaupten, dem Fürsten nicht weniger nützlich gewesen ist als dem Diener, und aus der noch größere Vorteile zu ziehen, nur an dem Herzog von Orléans gelegen hat.

Ich muß hier eine andere Bagatelle anfügen, da ich geglaubt habe, ihr Folgen zuschreiben zu müssen, die den eben erzählten gerade entgegengesetzt waren, und die mein Leben stark durchkreuzt haben. Obgleich sie Beschützerin der Jugend seiner Frau: der jüngeren Schwester der Herzogin von Saint-Simon.in eine etwas spätere Zeit fällt, will ich sie doch gleich hier berichten, weil diese verschiedenen Folgen in einem Gegensatz zueinander gestanden haben, der in vielen merkwürdigen oder wichtigen Dingen, die man im folgenden erfahren wird, einen fortwährenden Zusammenhang erkennen ließen.

Herr von Lauzun, der stets nur an den Hof dachte und stets tief betrübt war, daß die Gunst, die er ehemals genossen hatte, nicht mehr wiederkehren wollte, wurde nicht müde, alles in Bewegung zu setzen, um wieder dazu zu gelangen: er benutzte seine alten Verbindungen mit Frau von Heudicourt aus der Zeit Frau von Montespans und die Zessionen, die er an den Herzog von Maine machte, um aus dem Turm von Pignerol herauszukommen, in der Absicht, sich ihrer bei Frau von Maintenon und durch sie beim Könige zu bedienen. Er versuchte, aus Frau von Heudicourt die Hofmeisterin und Beschützerin der Jugend seiner Frau zu machen, um diese ganz an den Hof zu bringen, und führte sie bei der Herzogin von Maine ein. Abgesehen von den Vorteilen, die er für sie zu erreichen dachte und auch erreichte, schmeichelte er sich selbst an sein Ziel zu gelangen.

Seine Frau, die jung, heiter, verständig und liebenswürdig war, fand großen Anklang. Das hohe Spiel, das er sie spielen ließ und bei dem sie Glück hatte, machte sie oft unentbehrlich. Frau von Maine konnte nicht ohne sie sein, und sie war in Sceaux beständig bei ihr. Der Herzog von Maine wollte ihr gute Gesellschaft ins Haus ziehen: er wollte es dahin bringen, auch Frau von Saint-Simon durch ihre Schwester an sie zu fesseln. Es war ein Mittel zu gefallen; sie ließ sich dazu bereit finden, ging aber nicht regelmäßig hin. Ich hatte Anlaß zu glauben, daß der Herzog und die Herzogin von Maine den Plan gefaßt hatten, mich zu gewinnen. Es war ihnen nicht unbekannt, wie sehr ihr Rang mir mißfiel. Für mich selbst war ich nichts weniger als zu fürchten; aber die Politik, die in ihrer Unruhe gegenüber dem, was kommen kann, alles zu gewinnen trachtet, legte ihnen, denke ich, nahe, sich in mir eines Dornes zu entledigen, der sie eines Tages stechen könnte. Sie fingen an, mich in Gegenwart meiner Frau und meiner Schwägerin zu rühmen, sie sprachen ihnen gegenüber den dringenden Wunsch aus, mich in Sceaux zu sehen und machten endlich bald der einen, bald der andern den Vorschlag, mich dorthin zu führen, und drangen in sie, mich in ihrem Namen einzuladen.

Überrascht über dieses unerwartete Bemühen von einer Seite, mit der ich nie den geringsten Umgang gehabt hatte, ahnte ich, was sie dazu veranlaßte, und ebendas hieß mich auf meiner Hut sein. Ich konnte mich nicht mit diesem neuen Rang abfinden; ich fühlte in mir selbst ein Verlangen, ihn erlöschen zu sehen, das mir den Wunsch eingab, eines Tages dazu beitragen zu können; ich fühlte ihn so stark, das ich ihm nicht widerstehen konnte. Wie einen Verkehr anbahnen und sich davor bewahren, ihn sich in Freundschaft verwandeln zu lassen, mit Leuten, die mir soviel Entgegenkommen bewiesen und anscheinend so unentgeltlich, und die in der Lage waren, mich mit dem Könige wieder zu versöhnen, wo doch alles mich fühlen ließ, daß sie nur darauf abzielten, mich zu verpflichten, um mich auf ihre Seite zu ziehen? Wie ihrer Freundschaft nachgeben und sich herbeilassen, Beweise davon anzunehmen und dabei diese Abneigung vor ihrem Rang und diesen Entschluß zu seiner Beseitigung beizutragen, wenn dies jemals möglich sein sollte? Die Rechtschaffenheit, die Geradsinnigkeit konnte sich zu dieser Falschheit nicht entschließen. Es nützte mir nichts, daß ich mich sondierte, daß ich über meine gegenwärtige Lage nachdachte: keine Gunst wog für mich die Einwilligung in die Fortdauer dieses Ranges und den Verzicht auf das Bemühen, mich davon zu befreien, auf.

Ich blieb also unbeirrt bei meinen ausweichenden Komplimenten und ließ mich weder durch die formellen Aufforderungen, die sie mir sandten, noch durch die sanften Vorwürfe, mit denen mich Frau von Maine umzustimmen suchte, bewegen. Ich hatte noch nie mit ihr gesprochen, und sie blieb stehen, als sie mich im Appartement des Königs sah, um persönlich ihr Glück zu versuchen. Endlich brachte ich es dahin, daß sie es müde wurden, mich zu verfolgen. Sie merkten, daß ich mich zu keiner Verbindung mit ihnen hergeben wollte. Wie gekränkt sie sich darüber fühlten, ersah ich daraus, daß sie gar nicht dergleichen taten, sondern im Gegenteil ihre Aufmerksamkeiten gegenüber Frau von Saint-Simon verdoppelten.

Ich habe stets geglaubt, daß der Herzog von Maine seit dieser Zeit bestrebt war, mir zu schaden, daß er Frau von Maintenon gegen mich einnahm, die mich in keiner Weise kannte, mich aber, wie ich erst nach dem Tode des Königs erfuhr, gründlich haßte. Chamillart war es, von dem ich es damals erfuhr; denn er war mit ihr hintereinandergeraten, als er mich wieder mit dem Könige versöhnen wollte. Ich ahnte wohl nach allem, was mir zu Ohren kam, daß sie mir wenig günstig gesinnt war, erfuhr aber nicht, solange der König am Leben war, was ich nachher erfahren habe. mit einer wundervollen Oper auf seine Kosten unterhielt: die Oper Angelica nel Catai kostete den Prinzen Vaudémont und den Herzog von San Pietro 30 000 Taler.
Am 29. Juli: lies: am 26. Juli.
das Serraglio: kleine Landschaft von annähernd dreieckiger Form südlich von Mantua, mit der Basis am Po.
vollendete die Befreiung dieses Platzes: die Blockade dauerte seit Dezember 1701; Tessé befand sich mit dem Herzog von Mantua in dieser Stadt. Die Aufhebung der Blockade erfolgte am 25. Mai 1702.
Geländefalte: diese Geländefalte war nichts anderes als der Deich des Zero.

Von Mailand, wo der Herzog von San-Pietro den König von Spanien mit einer wundervollen Oper auf seine Kosten unterhielt, ging Philipp V. nach Cremona, wohin Herr von Vendôme am 14. Juli zu seiner Begrüßung kam. Die Herzöge von Mantua und Parma erschienen dort ebenfalls, um dem Könige ihre Aufwartung zu machen.

Am 29. Juli, dem Tage, an dem der König von Spanien mit neun Schwadronen zur Armee stoßen sollte, überraschte Herr von Vendôme Annibale Visconti, der mit dreitausend Pferden bei Santa-Vittoria lagerte, warf ihn, brachte ihm eine vollständige Niederlage bei, nahm sein Gepäck und sein vollständig aufgeschlagenes Lager, richtete ein großes Gemetzel an, machte viele Gefangene, und fast der ganze Rest, der die Flucht ergriff, stürzte sich von einer beträchtlichen Höhe in einen breiten Bach, der ganz davon erfüllt wurde.

Der König von Spanien, der seinen Marsch beschleunigt hatte, ließ seine Kavallerie zurück, um schneller an das Feuer heranzukommen, das er vernahm, vermochte es aber erst ganz zu Ende des Gefechtes.

Die Bewegungen unserer Armeen nötigten den Prinzen Eugen das Serraglio zu verlassen. Zurlauben ging aus dem blockierten Mantua heraus, rasierte die Befestigungen und Schanzwerke der Feinde und vollendete die Befreiung dieses Platzes.

Nachdem man auf beiden Seiten mehrmals das Lager gewechselt hatte, und nach der Vereinigung Médavys mit einem starken Detachement der Truppen des Prinzen von Vaudémont, wollte der Herzog von Vendôme das Lager von Luzzara, einem kleinen Flecken am Fuße einer sehr langen Geländefalte, nehmen. Der Prinz Eugen, der die gleiche Absicht hatte, marschierte seinerseits darauf zu, so daß am 15. August die beiden Armeen gegen vier Uhr nachmittags beide am Fuße dieser Geländefalte anlangten, ohne die geringste Ahnung von der gegenseitigen Anwesenheit zu haben, und es erst merkten, als von beiden Seiten die ersten Truppen den kaum merklichen Abhang dieser Geländefalte zu ersteigen begannen.

Der Herzog von Vendôme

Wer zuerst angriff, läßt sich nicht sagen, aber im Augenblick faßte auf beiden Seiten alles Posto und griff sich an, um sich von der Höhe zu vertreiben. Niemals war ein Gefecht so lebhaft, so heiß, so bestritten, so erbittert, niemals gab es soviel Tapferkeit auf beiden Seiten, niemals einen so hartnäckigen Widerstand, niemals ein so andauerndes Feuer und so fortgesetzte Anstrengungen, niemals einen so ungewissen Erfolg. Die Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Jede Partei zog sich eine sehr kurze Strecke zurück und blieb die ganze Nacht unter den Waffen, das leere Schlachtfeld zwischen beiden und Luzzara im Rücken unserer Armee, aber ganz nahe.

Der König von Spanien setzte sich lange mit unerschütterlicher Ruhe dem stärksten Feuer aus; er beobachtete von allen Seiten die gegenseitigen Angriffe auf diesem engen und sehr kupierten Gelände, wo selbst die Infanterie Mühe hatte, sich zu entwickeln, und wo die hinter ihr stehende Kavallerie nicht in Aktion treten konnte. Er lachte ziemlich oft über die Furcht, die er bei einigen Herren seines Gefolges wahrzunehmen glaubte; schließlich machte ihm Louville den Vorschlag, sich unter eine weiter unten stehende Baumgruppe zurückzuziehen, wo er den Sonnenstrahlen nicht so ausgesetzt sein würde, in Wirklichkeit aber, damit er besser gegen das Feuer gedeckt wäre. Er in der Erinnerung an die Schlacht hei Pavia: am 24. Februar 1525, in der Franz I. von Frankreich gefangen wurde.
überlebte seine Verwundung noch zwei Jahre: er starb am 12. 5. 1704 zu Ostiglia nach viertägiger Krankheit.
Er hatte nur den Prinzen Eugen über sich: der Prinz von Commercy, ihr Sohn und Bruder. Er war ursprünglich zum Geistlichen bestimmt, obwohl der älteste Sohn, und hatte mit fünf Jahren die Tonsur empfangen. Er hatte im Oktober 1686 definitiv den französischen Dienst verlassen und war in den des Kaisers getreten.
ging dorthin und verweilte dort mit der nämlichen Ruhe.

Nachdem er den König an diesen Platz gebracht hatte, ging Louville näher an die Kampflinie heran, um zu sehen, was vorging, und ganz gegen Ende kehrte er wieder zum König von Spanien zurück und schlug ihm vor, sich wieder zu nähern, was dieser sich nicht zweimal sagen ließ, um sich den Truppen zu zeigen.

Die beiden gegnerischen Generale leisteten Erstaunliches: der Wetteifer riß sie hin, und die Gegenwart des Königs von Spanien war ein Sporn für den Prinzen Eugen, der ihn in der Erinnerung an die Schlacht bei Pavia Wunderdinge verrichten ließ. Das Gemetzel war auf beiden Seiten groß, und es gab sehr wenig Gefangene. Der Generalleutnant Marquis von Créquy fiel auf unserer Seite. Die Kaiserlichen verloren die beiden ersten Generäle ihrer Armee nach dem Prinzen Eugen: der Prinz von Commercy wurde getötet, und der Prinz Thomas von Vaudémont überlebte seine Verwundung noch zwei Jahre. Sie waren nicht verheiratet, beide Feldmarschälle und der letztere der einzige Sohn des Prinzen von Vaudémont, Generalgouverneurs des Mailändischen für den König von Spanien, der darüber großen Schmerz empfand. Der Schmerz Frau von Lillebonnes und ihrer beiden Töchter war außerordentlich. Er hatte nur den Prinzen Eugen über sich. Sie hatten ihn mehr als zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen und waren auch darauf gefaßt gewesen, ihn nie wieder zu sehen.

Der Dauphin nahm sich ihrer mit einer Sorge an, die das Ansehen, in dem sie standen, noch erhöhte; er hatte keine andere Beschäftigung als sie zu trösten: wie sehr man auch an den Höfen an das Seltsame gewöhnt sein muß, – diese rührende Anteilnahme des Dauphins an einem Schmerze, der hätte verborgen bleiben müssen, fiel stark auf. Es war der Herzog von Villeroy, der die Nachricht nach Marly brachte und einige Tage darauf als Generalleutnant nach Italien zurückkehrte.

Sobald am Tage nach der Schlacht der Morgen graute, fanden sich die Armeen einander so nahe, daß sie anfingen, sich zu verschanzen und es noch eine Menge Toter und Verwundeter durch aufs Geratewohl abgegebene Schüsse gab. Keine der beiden Parteien wollte sich zuerst zurückziehen; jeder Tag vermehrte die Verschanzungen und die Vorsichtsmaßregeln. Man mußte sogar den König von Spanien umquartieren, weil er vor dem Feuer nicht sicher war, und man sprach auf beiden Seiten von nichts weiter als von der Verproviantierung und davon, sich so gut wie möglich in den beiden Lagern einzurichten, in denen die beiden Armeen lange Zeit unter beständiger Gefahr und unausgesetzter Wachsamkeit verharrten. Man berechnete den Verlust auf 3000 Mann, und den der Feinde auf eine viel größere Zahl. Endlich folgte auf diesen Kampf ein Vertrag über die Auswechslung der Kriegsgefangenen.

Während des Restes des Feldzuges passierte in Italien wenig. Der Herzog von Vendôme nahm Guastalla, wo der König von Spanien die Laufgrabenarbeiten fleißig besichtigte. Am 28. September reiste er ab, um nach Mailand zu gehen, und gab dem Herzog von Vendôme beim Abschiede die Kette zum Orden vom Goldenen Vließ. Der Kardinal von Estrées kam von Rom, um sich dem Könige von Spanien anzuschließen, der sich in Genua nach der Provence einschiffte, um von dort, von demselben Kardinal gefolgt, zu Lande er fand sie mit sehr reicher Fracht: man schätzte den Wert dieser Fracht auf mehr als 40 Millionen Taler.
dem Hafen von Cadix anzuvertrauen: der, was Saint-Simon vergißt, von den Engländern blockiert war.
nach Spanien zurückzukehren. In Genua redete Philipp V. nach dem Beispiel Karls V. den Dogen mit Hoheit an und forderte die Senatoren auf, sich zu bedecken.

Der König bekam um ebendiese Zeit Nachricht vom Marschall von Villeroy, der auf Grund des Vertrages über die Auswechselung der Kriegsgefangenen vor seiner Freilassung stand, worüber Seine Majestät große Freude bekundete.

 

Unterdessen wurden die Gallionen, die seit nahezu zwei Jahren auf sich warten ließen, mit äußerster Ungeduld herbeigesehnt. Châteaurenault hatte sich aufgemacht, sie zu suchen; er fand sie mit sehr reicher Fracht und führte sie mit seinem Geschwader heran. Er verlangte Befehle, was er tun solle und wollte unsere Häfen anlaufen: man fürchtete die Eifersucht der Spanier, die doch von allen handeltreibenden Nationen diejenigen waren, die das geringste Interesse an der Fracht hatten; man wagte auch nicht, die Schiffe dem Hafen von Cadix anzuvertrauen, und sie wurden in den von Vigo dirigiert, der nicht weit davon entfernt ist, und den man durch mehrere Werke verstärkt hatte.

Renau, von dem ich seinerzeit sprechen werde, bemühte sich vergebens, die Gefährlichkeit dieses Platzes und die Leichtigkeit, dort den unheilvollsten Schaden zu erleiden, zu beweisen und für die Bevorzugung von Cadix einzutreten: man hörte nicht auf ihn und dachte überall an nichts weiter, als sich der ersehnten glücklichen Rückkehr der Gallionen und der Reichtümer, die sie führten, zu freuen.

Man versäumte nicht, die weise Vorsichtsmaßregel zu treffen und so früh man konnte, das ganze Gold, Silber und die wertvollsten und am leichtesten transportierbaren Effekten, mehr als dreißig Meilen landeinwärts nach Lugo zu schaffen. Man war noch damit beschäftigt, als die Feinde erschienen, landeten, sich der Befestigungen, die man in Vigo angelegt hatte, und der Batterien, die die Einfahrt verteidigten, bemächtigten, die Verpfählung, die man dort gemacht hatte, forcierten, die Kette, die den Hafen schloß, durchbrachen, die fünfzehn Schiffe Châteaurenaults, die er größtenteils selbst hatte anzünden lassen, in Brand setzten und dazu alle diejenigen, welche die Spanier aus Westindien nach Vigo gebracht hatten. Eine kleine Zahl davon wurde in Grund gebohrt. Es waren weder Truppen noch sonst Mittel vorhanden, dieses Unglück zu verhindern. Auf diesen Schiffen waren noch für acht Millionen Waren zurückgeblieben.

Diese Katastrophe ereignete sich am 23. Oktober und verursachte große Bestürzung. Châteaurenault raffte in S. Jago de Compostella alles zusammen, was er konnte, an Matrosen der Flotte, Milizen und Soldaten, die in der Gegend standen, um sich in die Engpässe zwischen Vigo und Lugo zu werfen, durch die man mit einer Unzahl von Ochsen und Maultieren alles nach Madrid schaffte.

 

Der König erhielt vom Rhein keine besseren Nachrichten als aus Flandern. Breisach, Freiburg, das Fort von Kehl und Philippsburg, die infolge des Friedens von Rijswijk zurückgegeben worden waren, engten unsere Armee außerordentlich ein, und der Pfalzgraf, der Schwager des Kaisers, der mit dem Kaiser sehr gut und mit dem Könige schlecht stand, hatte sein Land diesseits des Rheins mit Truppen vollgestopft und besonders Der Marquis von Huxelles: der im Elsaß kommandierte.stark die Verschanzungen am Speyerbach besetzt, die unserer Armee die Verbindung mit Landau und die Verproviantierung aus den weiten und fruchtbaren Ebenen abschnitten, die sich von dort bis nach Mainz hinziehen.

Der Marquis von Huxelles und Mélac, der Gouverneur von Landau, hatten, da sie diese Vorbereitungen bemerkten, den ganzen Winter hindurch darüber nach Versailles berichtet. Landau hatte keinen Wert. Man hatte seine Befestigungen auf den Rat des Marschalls von Lorge durch ein Werk auf einer beherrschenden Höhe verstärkt, aber trotzdem war der Platz noch schlecht. Huxelles kam selbst nach Versailles, um auf die Gefahr hinzuweisen, daß man sich die Feinde am Speyerbach einrichten lasse und Landau nicht besser mit Truppen versehe, dessen Garnison fast nur aus neuen Regimentern bestand.

Man lebte noch in diesem heißen Wunsche nach Frieden, der gegen alle Vernunft die Hoffnung auf einen solchen erweckte, und für den Rhein wie für Flandern in jener Lethargie, die so bald darauf unheilvoll wurde. Man antwortete dem Marquis von Huxelles, man habe von jener Seite nichts zu befürchten und sei ganz sicher, daß die Belagerung von Landau eine Schimäre sei, an die von den Feinden nicht einmal gedacht werde: man täuschte sich darin, wie in bezug auf Flandern.

Catinat hatte nicht so bald seine ziemlich schwache Armee unter den Mauern von Straßburg versammelt, als er gegen Ende Juni erfuhr, daß Landau eingeschlossen und der Speyerbach eine Barriere sei, die ihm vom Gebirge bis zum Rhein jede Verbindung mit diesem Platze abschnitt und seine Bewegungsfreiheit auf den kurzen Raum zwischen Straßburg und dieser Verschanzung beschränkte, die so gut ausgebaut und besetzt war, daß man nichts dagegen ausrichten konnte. Catinat mußte also die Campagne damit hinbringen, sich dort im Kreise herumzudrehen und auf Kosten des Nieder-Elsaß zu leben. Von vier Brüdern war er … sozusagen der einzige: der älteste, Emmanuel-Maurice, Ballei von Auvergne, war nicht lange zuvor – im März 1702 – gestorben, der zweite war Großprobst des Straßburger Domkapitels und Koadjutor von Cluny und der vierte, Frédéric-Constantin, Domherr von Straßburg.


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