Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XVI

Catinat zum Oberbefehlshaber der Rheinarmee bestimmt. Seine Unterredung mit dem Könige. Frau von Maintenon. Chamillart. Der Tod des Oraniers. Ludwig XIV. legt keine Trauer an und verbietet auch den französischen Verwandten Wilhelms III. zu trauern. Königin Anna von England. Der Kardinal Borgia und der Fastendispens. Philipp V. trifft in Neapel ein. Der Kardinal Grimani. Seine antifranzösischen Machenschaften. Philipp V. erlangt einen Legaten a latere für Neapel. Der Kardinal de' Medici. Der Herzog von Burgund in Flandern. Sein Zusammentreffen mit Fénelon. Marlborough. Mißerfolge der Franzosen in Flandern. Unfähigkeit des Herzogs von Maine. Der Erbschaftsprozeß des Exjesuiten d'Aubercourt.

 

Für die Rheinarmee mußte man auf Catinat zurückgreifen. Seit seiner Rückkehr aus Italien lebte er fast immer in seinem kleinen Hause auf seiner Herrschaft Saint-Gratien, jenseits von Saint-Denis, wo er nur seine Familie und ganz wenige vertraute Freunde sah und die Ungerechtigkeit und die geringe Schätzung, die man ihm seit seiner Rückkehr aus Italien bewiesen hatte, mit Weisheit ertrug. Chamillart ließ ihm sagen, er habe vom Könige Auftrag erhalten, mit ihm zu reden. Catinat begab sich zu ihm nach Paris: er erfuhr dort seine Bestimmung. Er sträubte sich dagegen; der Disput war lang: er gab nur äußerst ungern und allein aus der Notwendigkeit des Gehorsams nach.

Am Morgen des anderen Tages – es war der 11. März – fand er sich am Schlusse des Lever des Königs ein. Dieser ließ ihn in sein Kabinett eintreten. Das Gespräch war von Seiten des Königs freundlich, von Seiten Catinats ernst und respektvoll. Der König, dem das nicht entging, wollte ihn aber veranlassen, mehr aus sich herauszugehen, sprach ihm von Italien und drang in ihn, sich ihm gegenüber offenherzig über das auszusprechen, was dort vorgefallen war. Catinat widerstrebte und sagte, das seien Dinge, die der Vergangenheit angehörten, die ihm jetzt zu nichts dienen könnten und nur gut seien, ihm eine schlechte Meinung von Leuten beizubringen, deren er sich anscheinend gerne bedient habe, und im übrigen ewige Feindschaften zu nähren.

Der Marschall von Catinat

Der König bewunderte diese Weisheit und diese Tugend; aber er wollte dennoch gewissen Dingen auf den Grund kommen, sowohl um seine eigene Unzufriedenheit über den Marschall zu rechtfertigen, wie um herauszubringen, wer unrecht gehabt habe, der Marschall oder seine Minister, und um sie dann für die Notwendigkeit des Verkehrs, die der Oberbefehl der Armee ihnen auferlegte, einander anzunähern. Er führte Catinat also wichtige Tatsachen an, über die er entweder nicht Rechenschaft gegeben, oder die er gänzlich verschwiegen hatte.

Catinat, der infolge der Besprechung, die er abends zuvor mit Chamillart gehabt, geahnt hatte, daß der König etwas über diese Angelegenheit zu ihm sagen würde, hatte seine Papiere nach Versailles mitgebracht. Seiner Sache sicher, betonte er, daß er dem Könige nichts verschwiegen, noch unterlassen habe, ihm selbst oder Chamillart einen ins einzelne gehenden Bericht über ebendiese Dinge zu schicken, von denen der König ihm soeben gesprochen, und er bat ihn dringend, einem jener blauen Pagen, die stets in den Kabinetten sind, zu erlauben, in seine Wohnung zu gehen und seine Kassette zu holen, er werde ihr dann die Beweise dafür entnehmen, daß das, was er behaupte, wahr sei, und Chamillart würde, wenn er zugegen sei, nicht wagen, es zu leugnen.

Der König nahm ihn beim Wort und ließ Chamillart holen, dem er wiederholte, was zwischen ihm und Catinat vorgegangen war. Chamillart antwortete mit ziemlich unsicher klingender Stimme, es sei nicht nötig, Catinats Kassette abzuwarten; denn er gebe zu, daß der Marschall in jeder Beziehung die Wahrheit sage. Sehr betreten warf ihm der König die Untreue vor, die er durch sein Schweigen begangen, und daß er durch das Vertrauen, das er zu ihm habe, Schuld trage, daß er mit Catinat so außerordentlich unzufrieden gewesen sei.

Gesenkten Blickes nahm Chamillart diese Vorwürfe hin, aber als er merkte, daß der Zorn des Königs wach wurde, sagte er: »Sire, Sie haben recht, aber die Schuld ist nicht auf meiner Seite.«

»Auf wessen denn?« erwiderte der König, »etwa auf meiner?«

»Auch nicht, Sire,« versetzte Chamillart zitternd, »aber ich wage Ihnen als die reinste Wahrheit zu versichern, daß ich keine Schuld habe.«

Da der König reinen Wein eingeschenkt haben wollte, mußte Chamillart wohl oder übel Farbe bekennen und sagte, er habe Catinats Briefe Frau von Maintenon gezeigt, weil er der Meinung war, daß ihr Inhalt, derselbe, dessen Verschweigung der König tadle, ihm viel Unruhe und Verlegenheit bereiten würde. Frau von Maintenon habe aber durchaus nicht gewollt, daß sie bis zu Seiner Majestät gelangten, und als er ihr ernstlich zu bedenken gegeben habe, daß es gegen seine Treupflicht sei, etwas zu unterdrücken und aus sich selbst heraus etwas anzuordnen, als habe es der König so bestimmt, und daß er verloren sei, wenn dieser so schwere Verstoß jemals würde entdeckt werden, da habe ihm Frau von Maintenon erklärt, sie übernehme alle Verantwortung, und habe ihm so strikt verboten, dem König die geringste Kenntnis von diesen Briefen zu geben, daß er niemals gewagt habe, dawider zu handeln. Er fügte hinzu, Frau von Maintenon sei ganz in der Nähe, und er bitte den König dringend, sie zu fragen, ob seine Darstellung auf Wahrheit beruhe.

Da sagte der König, der noch verwirrter war als Chamillart, indem er ebenfalls die Stimme dämpfte, es sei unglaublich, wie weit Frau von Maintenon in ihrer Sorge gehe, ihm alles fernzuhalten, was ihn verstimmen könnte, und ohne sich noch über irgend etwas aufgebracht zu zeigen, wandte er sich zu dem Marschall und sagte zu ihm, er sei hocherfreut über eine Aufklärung, die ihm zeige, daß niemandem eine Schuld beizumessen sei. Darauf sagte er dem Marschall noch tausend Liebenswürdigkeiten, bat ihn, mit Chamillart ein gutes Verhältnis zu pflegen, und beeilte sich, sie zu verlassen und sich in seine hintersten Gemächer zurückzuziehen.

Catinat, der mehr Scham über das, was er eben gesehen und gehört, als Zufriedenheit über eine so vollkommene Rechtfertigung empfand, richtete einige freundliche Worte an Chamillart, der sie, noch ganz außer Fassung über eine so gefährliche Erklärung, entgegennahm und so gut erwiderte, wie er es gerade vermochte. Sie setzten sie nicht fort; sie verließen zusammen Er legte Trauer an in Violett: es war dies eine Art seine Ansprüche als König von England auf eine vollkommene Gleichheit mit dem Könige von Frankreich zu bekräftigen; so kam auch der Erbe Jakobs II. im großen violetten Mantel von Saint-Germain nach Versailles (1701). Als die französischen Kardinäle einmal anmaßenderweise violette Trauer anlegten, bewirkte der Herzog von Orléans, daß ihnen dieses verboten wurde.das Kabinett, und die Wahl Catinats für die Rheinarmee wurde bekannt gegeben.

Die Überlegungen drängen sich hier von selbst auf. Der König vergewisserte sich am Abend bei Frau von Maintenon, daß Chamillart die Wahrheit gesagt hatte, und die Folge war, daß sie sich nur noch besser standen. Sie billigte es, daß Chamillart, der in die Enge getrieben worden war, alles gestanden hatte, und dieser Minister wurde von ihr und dem Könige nur um so besser behandelt.

 

Der König Wilhelm, der eifrig damit beschäftigt war, ganz Europa gegen Frankreich und Spanien zu bewaffnen, hatte eine Reise nach Holland gemacht, um die letzte Hand an dieses große Werk zu legen, das er seit dem Augenblicke begonnen hatte, da er von den letzten Bestimmungen Karls II. von Spanien unterrichtet worden war, und er befand sich auf seinem Jagdschlosse Het Loo mitten in dieser wichtigen Tätigkeit, als er auf die bereits erzählte Weise die Nachricht von dem Tode seines königlichen Schwiegervaters und von der Anerkennung des Prinzen von Wales als König von England durch Ludwig XIV. erhielt, eine Nachricht, die dem König Wilhelm alle Freiheit gab, überall gegen Ludwig XIV. aufzutreten und offen zu handeln.

Er legte Trauer an in Violett, wie es der König und der Prinz von Wales getan hatten, ließ seine Karossen violett ausschlagen und beeilte sich, in Holland alles zu Ende zu führen, was diese furchtbare Liga sicherte, der sie den Namen der »Großen Allianz« gaben. Dann kehrte er nach England zurück, um die Nation anzufeuern und sein Parlament um Geldhilfe zu ersuchen.

Dieser Fürst, vorzeitig verbraucht durch die Arbeiten und Geschäfte, die das Gewebe seines ganzen Lebens bildeten, im Besitze einer Fähigkeit, einer Geschicklichkeit, und einer Überlegenheit des Geistes, die ihm die oberste Macht in Holland, die Krone Englands, das Vertrauen und, die Wahrheit zu sagen, die vollkommene Diktatur über ganz Europa mit Ausnahme von Frankreich verschafften, war in eine starke Erschöpfung seiner Kräfte und seiner Gesundheit verfallen, die jedoch die Spannkraft seines Geistes nicht beeinträchtigte und ihn trotz der Atemnot, die seit einigen Jahren durch Asthma sehr vergrößert worden war, nicht dazu bewegen konnte, von den unendlichen Arbeiten seines Kabinetts etwas abzugeben.

Er fühlte seinen Zustand, und dieses gewaltige Genie leugnete ihn nicht. Er ließ die berühmtesten Ärzte von Europa unter angenommenen Namen konsultieren, unter anderen Fagon unter dem Namen eines Pfarrers; und dieser glaubte daran und gab sein Gutachten ohne Schonung ab und ohne einen andern Rat, als sich auf einen nahen Tod vorzubereiten. Das Übel machte stärkere Fortschritte, Wilhelm konsultierte die Ärzte von neuem, diesmal offen. Fagon, der ebenfalls konsultiert wurde, erkannte die Krankheit des Pfarrers: er änderte seine Ansicht nicht, aber er war rücksichtsvoller und verordnete mit gelehrten Erläuterungen diejenigen Heilmittel, die er für die geeignetsten, wenn auch nicht zur Wiederherstellung des Kranken, so doch für die Verlängerung seines Lebens, hielt. Diese Mittel wurden angewandt und schafften Erleichterung; aber schließlich war die Zeit gekommen, da Wilhelm fühlen mußte, daß die größten Männer endigen wie die kleinsten und die Nichtigkeit dessen erkennen mußte, was die Welt die größten Geschicke nennt. Er ritt noch ebensowenig mit Religion beschwert: doch war der Bischof Barnet bei seinen letzten Augenblicken zugegen, und er empfing das Sakrament aus den Händen des Erzbischofs von Canterbury; immerhin war der König außerordentlich schwach, und wenn man einem von Dangeau mitgeteilten holländischen Berichte glauben darf, in den letzten Monaten seines Lebens Augenblicken geistiger Verwirrung ausgesetzt.manchmal aus und fühlte sich dadurch erleichtert, aber da er infolge seiner Magerkeit und seiner Schwäche nicht mehr die Kraft hatte, sich im Sattel zu halten, stürzte er vom Pferde, was durch die Erschütterung sein Ende beschleunigte.

Seine letzten Tage waren ebensowenig mit Religion beschwert, wie sein ganzes Leben. Er traf Bestimmungen über alles und sprach mit seinen Ministern und Vertrauten mit einer überraschenden Ruhe und mit einer Geistesgegenwart, die ihn bis zum letzten Augenblicke nicht verließ, obgleich er in der letzten Zeit durch Erbrechen und Durchfall geschwächt und ermattet war. Einzig von den Dingen erfüllt, die sein Leben beschäftigt hatten, sah er es ohne Betrübnis mit sich zu Ende gehen, befriedigt, daß er das Werk der Großen Allianz vollendet, so vollendet hatte, daß er nicht zu fürchten brauchte, sie würde durch seinen Tod verfallen, und voll Hoffnung auf den Erfolg der großen Schläge, die er durch sie gegen Frankreich geplant hatte. Dieser Gedanke, mit dem er sich bis zum Augenblicke seines Todes schmeichelte, vertrat bei ihm die Stelle alles Trostes.

Man erhielt ihn während der beiden letzten Tage durch starke Süßweine und alkoholhaltige Sachen. Seine letzte Nahrung war eine Tasse Schokolade. Er starb Sonntag, den 19. März, gegen zehn Uhr morgens.

Seine Schwägerin, die Prinzessin Anna, die Gemahlin des Prinzen Georg von Dänemark, wurde gleichzeitig zur Königin ausgerufen. Wenige Tage darauf ernannte sie ihren Gatten zum Großadmiral und Generalissimus, berief den Grafen von Rochester, ihren Oheim mütterlicherseits, und den Grafen von Sunderland, der berühmt ist durch seinen Geist und seine Verrätereien, in ihren die unziemlichen Torheiten: über die Freudenkundgebungen, denen die Pariser und das übrige Frankreich sich überließen, vgl. das Journal de Dangeau III, S. 183-186, die Mémoires de Sourches, III, S. 273 f., die Mémoires de la Fare, S. 295. Es gab aber auch verständige Leute, die das unglaubliche Treiben, das den Vorgeschmack einer Revolution gab, verurteilten. Von einem solchen stammt folgender Sechszeiler, der damals gemacht wurde:
Peuple, cette fureur si grande
Contre le vainqueur d'Irlande
Bien plus qu'à lui vous fait du tort.
Toutes ces marques d'infamie
Qu'on lui donne en le croyant mort
Font le triomphe de sa vie.
Leider fehlt es hier an Platz, den Bericht der Mémoires de Sourches in extenso zu bringen.
durch sie allen ihren Verwandten: die von einer Schwester Wilhelms des Schweigers abstammten.
Rat und sandte den Grafen Marlborough, der in der Folge so bekannt wurde, nach Holland, damit er dort alle Pläne seines Vorgängers verfolge.

Wilhelm von Nassau Prinz von Oranien, Statthalter von Holland, König von England

Der König erfuhr die Kunde von diesem Tode erst den folgenden Samstag morgen durch La Vrillière, bei dem ein Kurier aus Calais eingetroffen war: trotz der Wachsamkeit, welche die Häfen verschlossen hielt, war eine Barke hinausgelangt. Der König bewahrte Schweigen darüber, außer dem Dauphin und Frau von Maintenon gegenüber, welch letzterer er es nach Saint-Cyr meldete. Am andern Tage kam von allen Seiten die Bestätigung, und der König machte nicht länger ein Geheimnis daraus; aber er sprach wenig davon und trug große Gleichgültigkeit zur Schau.

Da man sich an alle die unziemlichen Torheiten erinnerte, die sich Paris geleistet hatte, als man während des letzten Krieges König Wilhelm in der Schlacht an der Boyne in Irland (1690) gefallen glaubte, traf man auf Befehl des Königs die nötigen Vorsichtsmaßregeln, um nicht wieder in denselben beschämenden Fehler zu verfallen. Er erklärte nur, daß er keine Trauer anlegen werde und verbot es auch dem Herzog von Bouillon, den Marschällen von Duras und von Lorge und durch sie allen ihren Verwandten.

Die Große Allianz wurde sehr empfindlich durch diesen Verlust getroffen, sie erwies sich aber als so gut gefestigt, daß der Geist Wilhelms fortfuhr, sie zu beseelen, und Heinsius, sein intimster Vertrauter, der von ihm zum Pensionär von Holland erhoben worden war, erhielt ihn lebendig und flößte ihn allen Häuptern dieser Republik, ihren Verbündeten und ihren Generälen ein, so daß es gar nicht den Anschein hatte, daß Wilhelm gestorben sei. Ein Mißbrauch dieser Art geht über alle Vorstellung hinaus: de Boislisle bemerkt hierzu: »Man muß hier vom Standpunkt der Gebräuche Spaniens oder Italiens und nicht Frankreichs urteilen, wo die Enthaltung sehr viel strenger beobachtet wurde und noch wird, als in jenen südlichen Ländern. Tatsache ist jedenfalls, daß die Päpste des XVI. Jahrhunderts den »Großen der Erde« für die Fastenzeit die weitestgehenden Dispense erteilten, namentlich Karl V. und dem Kardinal Ximenez.«

Der Kardinal Borgia war ein sehr unwissender Mensch, ein höchst serviler Höfling und ganz außergewöhnlicher Mann. Louville reiste mit ihm im Gefolge Philipps V. von Spanien und wurde von ihm am Karfreitag zur Mittagstafel eingeladen. Noch nie war ein Mensch so verblüfft wie er, als er an der Tafel Platz nahm und bemerkte, daß nur Fleisch aufgetragen war. Der Kardinal, der es bemerkte, sagte ihm, er habe in seinem Hause eine Bulle Alexanders VI., die ihnen die Erlaubnis gebe, an jedem Tage, welcher es auch sei, und besonders am Karfreitag, Fleisch zu essen und alle Leute essen zu lassen, die sich bei ihnen befänden.

Die Autorität eines so sonderbaren Papstes, die noch dazu auf eine so seltsame Weise geltend gemacht wurde, machte auf die Gesellschaft keinen Eindruck. Der Kardinal wurde zornig: er behauptete, jeder Zweifel an der Macht seiner Bulle sei ein Verbrechen, das die Exkommunikation nach sich ziehe. Die Ehrfurcht vor dem Tage überwog aber den Respekt vor der Bulle und vor dem Beispiel des Kardinals, der Fleisch aß und alle diejenigen essen ließ, die er durch sein Drängen, seinen Zorn und seine Drohungen, sie würden in Kirchenstrafen verfallen, dazu bewegen konnte. Ein Mißbrauch dieser Art geht über alle Vorstellung hinaus.

 

Philipp V. von Spanien, der am 8. April (1702) abgesegelt war, hatte am Ostersonntag Neapel erreicht. Er zeigte sich auf einem Balkon seines Schlosses einer ungeheuren Volksmenge, die auf dem Platze zusammengeströmt war, und ging darauf in eine benachbarte Kirche, wo das Te Deum gesungen wurde. Der Kardinal Cantelmi, Erzbischof von Neapel, und sein Bruder, der Lisola: der Baron von Lisola war seit 1674 tot; Saint-Simon denkt an seinen Neffen Chassignet (François, Baron v. Ch., geb. Besançon 1651, früherer Präzeptor des Erzherzogs Joseph, war Sekretär des Grafen v. Mansfeld, dann des Fürsten v. Liechtenstein und des Grafen von Martinitz, die kaiserliche Gesandte in Rom waren, gewesen. Er wurde 1701 bei dem Aufstandsversuch in Neapel verhaftet, in der Bastille gefangen gesetzt und erst nach dem Frieden von Rastatt wieder freigelassen, worauf ihn der Kaiser zum Granden von Spanien machte).
der die Investitur nicht aus den Händen des Papstes empfangen habe: die Investitur war auch Karl VIII. 1495 verweigert worden.
Herzog von Popoli, wurden außerordentlich gut empfangen. Der letztere hatte im vergangenen Jahre die Revolte zugunsten des Erzherzogs Karl von Österreich im Keime erstickt.

Der Kaiser hatte in Rom als seinen Geschäftsträger den Kardinal Grimani, der viel Geist und diplomatische Geschicklichkeit besaß, dabei aber ein Bösewicht erster Ordnung war und sich nicht einmal die Mühe nahm, zu verbergen, daß er aller und jeder Verbrechen fähig und kein Neuling darin sei; dazu war er der gewalttätigste Mensch von der Welt und der wütendste Parteigänger des Hauses Österreich. Man mußte alles von seinen Machenschaften fürchten.

Der Vorwand, dessen er und Lisola sich bedient hatten, um Neapel zum Aufstand zu bringen, war, daß die Völker des Königreichs einen Prinzen, der die Investitur mit einem Königreich, das Lehen der Kirche war, nicht aus den Händen des Papstes empfangen habe, nicht als ihren König anerkennen könnten, noch ihm zur Treue verpflichtet seien. Obgleich der Papst den Bischöfen dieses Königreichs zur Pflicht gemacht hatte, von der Kanzel und durch Anschlag zu verkündigen, daß er Philipp als König von Spanien anerkenne und allen Untertanen dieses Königreichs befehle, ihm treu zu sein und wie ihrem legitimen Könige zu gehorchen, ganz als wenn er bereits seine Investitur erhalten hätte, bestand stets die Gefahr, daß ein von Natur so leichtsinniges und zu Aufständen geneigtes Volk, aufgestachelt von vielen mächtigen Herren, die ebenso leichtsinnig waren und ebenso große Freunde des Aufruhrs wie dieses Volk, die zudem von dem Kardinal Grimani gestützt und geleitet wurden, wiederum viel Unruhe verursachen und vielleicht viel zu schaffen machen würden, während die Armeen in der Lombardei alle Hände voll zu tun hätten.

Diese Erwägungen ließen die Entsendung eines Legaten a latere außerordentlich wünschenswert erscheinen, dessen Glanz und Feierlichkeit allen denen den Mund schlösse, die unter dem Vorwande der mangelnden Investitur Unruhen stifteten. Der spanische Gesandte in Rom, Herzog von Uceda, betrieb diese Sache mit großem Nachdruck, der Kardinal Grimani und seine ganze Partei widersetzten sich ihr heftig und mit Drohungen, der Papst endlich schwankte hin und her und wußte nicht, wozu er sich entschließen sollte.

Louville wurde nach Rom gesandt, um im Namen des Königs von Spanien einen Druck auszuüben, und um den Papst anläßlich der Ankunft dieses Fürsten in Neapel zu begrüßen und ihm zu sagen, daß die Schwierigkeiten des Zeremoniells und die Angelegenheiten, die ihn in die Lombardei riefen, ihn hinderten, ihm persönlich seine Ergebenheit auszusprechen, wie er wohl gewünscht hätte. Louville stieg beim Herzog von Uceda ab, der ihn, um ihm in Rom mehr Gewicht zu verleihen, als Günstling, der das ganze Vertrauen des Königs von Spanien besitze, ausgab. Auf diesem Fuße wurde er denn auch vom Papste und den Kardinälen empfangen.

Grimani verdoppelte seine Drohungen und seine Zornausbrüche und ging sogar so weit, daß er sagte, er werde Louville erdolchen lassen. Wenn er ihn damit zu erschrecken glaubte, so täuschte er sich: Louville nahm daraus Veranlassung, von diesem Kardinal mit aller Verachtung zu reden, die er verdiente, und die sein Charakter gerechtfertigt erscheinen ließ, und darauf hinzuweisen, wie beleidigend diese Drohungen für den Der Gesandte des Kaisers: der Graf von Lamberg. San Quirico liegt in der Toscana; er verließ Rom am 11. Mai, kehrte aber bald darauf zurück, um die aufständischen Neapolitaner mit seinem Schutze zu decken.
dessen Familie sich … nach Frankreich geflüchtet hatte: Voltaire hat in seinem Essai sur les mœurs den »Krieg der Barberini« ins Lächerliche gezogen. Die Wiederversöhnung mit Innozenz X. erfolgte durch die Heirat des Fürsten von Palestrina-Barberini mit einer Enkelin der allmächtigen Donna Olimpia, der Schwägerin des Papstes.
Bruder des Großherzogs: Cosimo III. de' Medici.
Papst seien, dem dadurch Gewalt angetan würde, und bis zu welchem Grade auch die Ehre des Königs von Spanien in einer Angelegenheit in Mitleidenschaft gezogen sei, die von den Kaiserlichen in einer so verwegenen, den Papst und Rom meisternden Weise, behandelt werde. Wenige Tage darauf wurde ihm ein Legat a latere zugesagt.

Der Kardinal Grimani drohte, er werde im Schoße des Konsistoriums Verwahrung einlegen. Der Papst ließ ihm sagen, wenn er dies als Geschäftsträger des Kaisers tun wolle, so müsse er sich an ihn selbst und nicht an das Konsistorium wenden, wolle er es aber als Kardinal tun, so befehle er ihm zu schweigen. Das schloß ihm den Mund; der Gesandte des Kaisers aber verließ Rom und zog sich nach San Quirico zurück. Der Kardinal Carlo Barberini, Großneffe Urbans VIII., wurde als eine Frankreich sehr genehme Persönlichkeit gewählt. Er war ein sehr reicher und sehr glänzender Kardinal, dessen Familie sich während ihrer Verfolgung durch Innozenz X. Pamfili nach Frankreich geflüchtet hatte und dort mit Gnadenbeweisen und Besitzungen überhäuft worden war. Er empfing das Kreuz des Legaten a latere im Schoße des Konsistoriums und reiste zwei Tage darauf ab.

Der Kardinal von Janson, der damals die Geschäfte Ludwigs XIV. in Rom führte, bewies in dieser Angelegenheit große Gewandtheit und Festigkeit. Der Legat hielt seinen feierlichen Einzug in Neapel zwischen dem Kardinal von Medici und ihm. Medici war ein Bruder des Großherzogs. Er war der beste und ungezwungenste Mann von der Welt und hatte eine große Vorliebe für Frankreich. Er war gleich nach der Ankunft Philipps V. nach Neapel gekommen, um ihn zu sein Neffe keine Kinder hatte: Ferdinando, Erzgroßherzog von Toscana, geb. 9. August 1663, starb vor seinem Vater, dem regierenden Großherzog, am 20. November 1713 ohne Nachkommenschaft. Seine Frau war Violante (Yolande) Beatrix von Bayern (1673-1731.)sehen: sie waren beide voneinander so befriedigt, daß eine warme Freundschaft, ja Familiarität zwischen ihnen entstand. Der König behandelte ihn mit aller erdenklichen Auszeichnung, und der Kardinal lebte als Hofmann mit ihm und seinem Hofe. Er trug niemals sein Käppchen und war fast wie ein Kavalier gekleidet; seine roten Strümpfe waren das einzige Kennzeichen seiner Würde. Man sah ihn nur gezwungen als Kardinal gekleidet und nur bei den Zeremonien. Er konnte Neapel nicht verlassen, solange Philipp V. dort war und trennte sich von ihm in Livorno, bis wohin er ihn begleitet hatte, nur unter Tränen.

Er hatte die Weihen nicht empfangen, und da er sah, daß sein Neffe keine Kinder hatte, legte er in der Folge seinen roten Hut ab und verheiratete sich mit einer Gonzaga, einer Schwester des Herzogs von Guastalla.

Der Legat wurde mit all den Ehren empfangen, die seit langer Zeit den Legaten in so reichem Maße erwiesen worden sind: Philipp V. besuchte ihn, und alles ging zur vollsten gegenseitigen Befriedigung vor sich. Da es sich nur um eine Demonstration und nicht um irgendwelche Verhandlungen handelte, blieb Barberini in Neapel nur wenige Tage. Sein Kommen hatte die Abreise des Königs von Spanien verzögert; er hatte es eilig nach der Lombardei zu gehen und reiste unmittelbar nach dem Legaten ab, um sich nach Mailand zu begeben und sich an die Spitze der Armee zu stellen.

 

Am 25. April reiste der Herzog von Burgund nach Flandern ab. Da es notwendig war, daß er seinen Weg über Cambray nahm, das er nicht vermeiden konnte, ohne daß es so aussah, als geschehe es mit Vorbedacht, hatte er die strenge Weisung erhalten, nicht allein dort Saumery hatte Befehl erhalten, scharf über die Ausführung dieser Weisung zu wachen: Saint-Simons Kritik an Saumery scheint zu weit zu gehen; denn der Herzog von Burgund schrieb von Péronne, wo er am 25. April ankam, an Fénelon: » Je ne puis me sentir si près de vous sans vous en témoigner ma joie, et en même temps celle que me cause la permission que le Roi m'a donnée de vous voir en passant. Il y a mis néanmoins la condition de ne vous point parler en particulier; mais je suivrai cet ordre et néanmoins pourrai vous entretenir tant que je voudrai, puisque j'aurai avec moi Saumery, qui sera le tiers de notre première entrevue après cinq ans de séparation. C'est assez vous en dire de vous le nommer, et vous le connoissez mieux que moi pour un homme très sur, et, qui plus est, fort votre ami.« Auf dem Rückwege hatte der Herzog noch einmal eine Begegnung mit Fénelon an derselben Stelle.nicht zu übernachten, sondern sogar nicht einmal dort haltzumachen, um die Mittagsmahlzeit einzunehmen. Und um das geringste Privatgespräch zwischen ihm und dem Erzbischof zu verhindern, hatte ihm der König außerdem verboten, seinen Wagen zu verlassen. Saumery hatte Befehl erhalten, scharf über die Ausführung dieses Befehls zu wachen, und er entledigte sich dieser Mission wie ein Argus, mit einer gebieterischen Miene, die bei aller Welt Anstoß erregte.

Der Herzog von Burgund

Der Erzbischof fand sich an der Poststation ein. Er näherte sich dem Wagen seines Zöglings, als er ankam, und Saumery, der bereits ausgestiegen war und ihm die Befehle des Königs bekanntgegeben hatte, wich ihm nicht von der Seite. Der junge Prinz erfüllte die Volksmenge, die ihn umringte, mit Rührung durch die Äußerungen des Jubels, die ihm trotz all des ihm auferlegten Zwanges entfuhren, als er seines Lehrers ansichtig wurde. Er umarmte ihn mehrmals und lange genug, daß sie sich trotz der zudringlichen Nähe Saumerys einige Worte ins Ohr sagen konnten. Man wechselte nur die Pferde, aber ohne sich zu beeilen. Neue Umarmungen, und man trennte sich, ohne daß man über etwas anderes gesprochen hätte als über Gesundheit, Weg und Reise.

Die Szene hatte sich viel zu öffentlich abgespielt und zu viel Interesse gefunden, um nicht von allen Seiten geschildert zu werden. Da die Befehle des Königs genau befolgt worden waren, konnte er weder das übelnehmen, was sich während der Umarmungen der Aufmerksamkeit zu entziehen vermocht hatte, noch die zärtlichen und ausdrucksvollen Blicke des Prinzen und Fénelons. Der Hof schenkte dem Vorfall große Beachtung und noch mehr die Armee. Die Hochschätzung, der Bruder der Mätresse des Königs: Arabella Churchill, gest. 15. Mai 1730 mehr als 90jährig in Whitehall.die der Erzbischof sich trotz seiner Ungnade in seiner Diözese und sogar in den Niederlanden zu erwerben gewußt hatte, teilte sich der Armee mit, und die Leute, die an die Zukunft dachten, nahmen seitdem ihren Weg lieber über Cambray als über einen anderen Ort, wenn sie nach Flandern gingen oder daher kamen.

 

Der Feldzug in Flandern war traurig. Der Kurfürst von Brandenburg und der Landgraf von Hessen belagerten Kaiserswerth frühzeitig. Blainville verteidigte den Platz glänzend; es fanden dort viele Gefechte statt. England und Holland erklärten den beiden Kronen feierlich den Krieg. Ihre vereinigte Armee wurde für die Generalstaaten von dem Grafen von Athlone und für die Engländer von dem Grafen von Marlborough befehligt.

Marlborough war der Mylord Churchill, der Günstling König Jakobs, der ihn aus dem ganz kleinen Edelmann, der er war, zum Grafen von Marlborough machte und ihm eine Kompagnie seiner Leibwache gab. Er war der Bruder der Mätresse des Königs, von der dieser den Herzog von Berwick hatte. Jakob vertraute ihm auch den Oberbefehl über seine Truppen zur Zeit der Invasion des Prinzen von Oranien an, dem Marlborough ihn ausgeliefert hätte, wenn der Graf von Feversham, der auch Kapitän seiner Garden war, ihn nicht verhindert hätte, in sein Lager zu gehen, um eine Revue abzunehmen; denn dort war, wie er erfahren hatte, die Falle gestellt.

Marlboroughs Frau war von jeher mit der Prinzessin von Dänemark verbunden, deren Favoritin und Ehrendame sie war, als die Prinzessin zur Krone gelangte. Sie bestätigte sie in diesem Amte, schickte gleichzeitig und als General der Armee, die sie zu bilden im Begriffe war: Wilhelm III. hatte ihn in der letzten Zeit seines Lebens bereits in den gleichen Eigenschaften berufen.
und ging auf das andere Ufer: am 11. Juni; die Alliierten waren nur 25 000 Mann stark gegen 40 000 auf französischer Seite.
ihren Gatten als ihren Gesandten und als General der Armee, die sie zu bilden im Begriffe war, nach Holland und machte ihn bald darauf zum Herzog und Ritter des Hosenbandordens. Es wird sich nur zu oft Gelegenheit finden, in der Folge von ihm zu sprechen, dem unsere Niederlagen einen so großen Namen machten.

Marlborough

Herr von Boufflers wurde beschuldigt, durch Zaudern eine günstige Gelegenheit, ihn zu Beginn des Feldzuges zu schlagen, verpaßt zu haben. Sie kehrte nicht wieder. Man verpflegte sich im Lande des Feindes. Man glaubte ihn in der Umgebung von Nijmegen gefaßt zu haben: man behauptete, man hätte dort noch einmal einen großen Erfolg über ihn davontragen können; nichts trennte von ihm oder fast nichts. Die Kanonade dauerte den ganzen Tag; man nahm ihm einige Packwagen und etwas Munition ab und tötete ihm einige Leute. Allmählich zog er sich unter die Mauern Nijmegens zurück und ging auf das andere Ufer (der Waal).

Kaiserswerth, Venloo, Ruremonde, die Zitadelle von Lüttich und verschiedene kleine verlorene Posten waren die Früchte ihres Feldzuges und die Erstlinge ihres Glückes. Der Herzog von Burgund zeigte sich sehr leutselig, eifrig und tapfer; da er aber unter Vormundschaft stand, konnte er nichts anderes tun, als sich leiten lassen, sich dem Geschützfeuer freiwillig aussetzen und verschiedene Vorschläge machen, die seinen Betätigungsdrang zu erkennen gaben. Da die Armee nicht mehr in der Lage war, den Feinden Furcht einzuflößen, wurde er nach Versailles zurückberufen, nach einer weiteren Kanonade, die ebensowenig entscheidend war wie die erste.

Der Herzog von Maine folgte ihm bald darauf nach. der den früheren wieder lebendig machte: vgl. Band I, S. 170 ff.Er hatte Veranlassung und Gelegenheit gehabt, seine Stellung als erster Generalleutnant der Armee, die ihm der König mit List verschafft hatte, zur Geltung zu bringen. Herr von Boufflers hatte gehofft, daß er es tue, während die Armee sich keiner Täuschung darüber hingab. Der König empfand darüber einen Schmerz, der den früheren wieder lebendig machte. Er begriff endlich, daß die Lorbeeren sich ungern diesem vielgeliebten Sohne darboten, und faßte mit Bitterkeit den Entschluß, ihn nicht mehr Gefahren auszusetzen, die so wenig nach seinem Geschmacke waren.

 

Der Requetenmeister Pontcarré, später erster Präsident des Parlaments von Rouen, erstattete dem Könige Bericht über einen merkwürdigen Prozeß. Der Pater d'Aubercourt, der mehrere Jahre nach Ablegung seines Gelübdes aus dem Jesuitenorden ausgetreten war, behauptete, er sei nunmehr wieder Weltgeistlicher, und verlangte sein Erbteil von seiner Familie. Die Jesuiten, die allein von den gelübdeablegenden Ordensleuten in der Kirche ein viertes Gelübde haben, das sie nur von denjenigen ablegen lassen, von denen sie es für gut finden, und das so verborgen bleibt, daß die Mehrzahl der Jesuiten selbst diejenigen nicht kennt, die dazu zugelassen worden sind, behaupteten, sie seien ihren Mitbrüdern nicht verpflichtet, diese hingegen ihnen, das heißt, daß die Jesuiten, welche die drei Gelübde abgelegt hätten, nicht verlangen könnten, die Gesellschaft zu verlassen, diese aber jederzeit das Recht habe, diejenigen zu entlassen, die zu entlassen sie für gut finde, vorausgesetzt, daß sie das vierte Gelübde nicht abgelegt hätten, – folglich daß diejenigen Jesuiten, die manchmal nach fünfzehn oder zwanzig daß … das Edikt von 1603 widerrufen ward: ein formeller Widerruf fand nicht statt, dazu war der König zu sehr in den Händen der Jesuiten.Jahren entlassen wurden, das Recht hätten, sich über ihren Vermögensanteil Rechenschaft ablegen zu lassen und in den Besitz dessen zu treten, was ihnen zugefallen wäre, wenn sie nicht in den Orden getreten wären.

Sie hatten im Jahre 1603 von Heinrich IV. eine Erklärung erlangt, die diesen Anspruch zu begünstigen schien, und sie hatten daraus stets Nutzen zu ziehen gewußt, wenn der Fall eingetreten war. Die Familie d'Aubercourt zeigte sich schwieriger; die Jesuiten traten für Aubercourt ein und setzten es durch ihr Ansehen durch, daß die Sache vor den König gezogen wurde, wo sie besser auf ihre Rechnung zu kommen gedachten. Sie täuschten sich in der Tat nicht: der König war den Jesuiten durchaus günstig und wünschte, daß die Richter sich darüber klar würden.

Pontcarré, der übrigens von gutem Willen für sie getragen war, und den zum Berichterstatter ernennen zu lassen sie die Geschicklichkeit besessen hatten, erfüllte ihre Erwartung nicht: weder er noch die Mehrzahl der Richter suchten bei dieser Gelegenheit dem Könige zu gefallen. Die Zerrüttung der Familien durch diesen veralteten Anspruch auf Herausgabe des Erbteils, die verderbliche Ungewißheit in all denen, die Jesuiten zu Mitgliedern hatten, bestimmte sie. Der Kanzler Pontchartrain sprach vor allem mit so viel Nachdruck, daß d'Aubercourt und die Jesuiten abgewiesen wurden und, um jeden Anspruch mit der Wurzel auszurotten, das Edikt von 1603 widerrufen ward.

Der König wollte gegen ein für das Vermögen der Familien so wichtiges Urteil nichts unternehmen, aber er konnte sich nicht enthalten, zu wiederholten Malen sein Mißfallen darüber an den Tag zu legen und schließlich wenigstens teilweise seiner Vorliebe für die Jesuiten war dieses Urteil für die Jesuiten ein großer Schmerz: der Jesuitenpater le Tellier betrieb die Sache 1714/15 von neuem und setzte sie, da der König seine Stimme zugunsten der Jesuiten in die Wagschale warf, durch.zu unterliegen, indem er aus eigener Machtvollkommenheit aussprach und dem Urteil anfügen ließ, daß die von der Gesellschaft verabschiedeten Jesuiten eine von den Richtern der betreffenden Orte festzusetzende lebenslängliche Rente beziehen sollten. Nichtsdestoweniger war dieses Urteil für die Jesuiten ein großer Schmerz. Aubercourt blieb ihnen stets sehr anhänglich, und bald darauf erlangten sie für ihn Pfründen und eine Abtei.


 << zurück weiter >>