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XIV

Cavoye und Fräulein von Coëtlogon. Frau von Miramion. Ihre Entführung durch Bussy-Rabutin. Ihre Tochter. Frau von Sévigné. Die Predigten des Paters Seraphin. Der Tod La Bruyères. Die Eifersucht des Herzogs von Lauzun. Frau von Boutteville. Der Marquis von Chandenier. Erkrankung des Königs. Der Hofstaat der Prinzessin von Savoyen. Die Herzogin von Lude. Wie sie Ehrendame der Prinzessin wurde. Die Tochter der Marschallin von Rochefort. Die Herzogin von Arpajon. Dangeau. Seine Heirat. Frau Scarron.

 

Der Großquartiermeister der königlichen Haustruppen, Cavoye, war einer der bestgewachsenen und schönsten Männer Frankreichs und trug sich auch am besten. Das verschaffte ihm Erfolg bei den Damen. In dieser Zeit duellierte man sich trotz aller Verordnungen sehr viel: Cavoye, der ebenso tapfer wie gewandt war, erwarb sich dadurch einen solchen Ruf, daß er unter dem Namen »der tapfere Cavoye« bekannt wurde. Fräulein von Coëtlogon, eine der Ehrendamen der Königin Maria Theresia, verliebte sich in Cavoye, und zwar zum Rasendwerden. Sie war häßlich, klug, naiv, beliebt und sehr gutherzig. Niemand fiel es ein, ihre Liebe seltsam zu finden, alle Welt hatte vielmehr – und das ist ein wahres Wunder – Mitleid mit ihr. Sie kam ihm in jeder Weise entgegen. Cavoye aber zeigte sich grausam, manchmal sogar brutal; ihre Liebe war ihm in den Tod zuwider. Seine Unliebenswürdigkeit ging so weit, daß der König und sogar die Königin ihm darüber Vorwürfe machten und von ihm verlangten, er solle menschlicher sein.

Er mußte zur Armee gehen, fand jedoch keine Verwendung vor dem Feinde. Da geriet Fräulein von Coëtlogon in die größte Aufregung, weinte und schrie, legte für die ganze Dauer des Feldzuges jeglichen Putz ab und nahm ihn erst wieder auf, als Cavoye zurückgekehrt war. Das Gelächter darüber wollte nicht aufhören. Im Winter gab es einen Zweikampf, bei dem Cavoye als Sekundant diente und in die Bastille gesteckt wurde. Da ging der Jammer von neuem los. Sie legte allen Schmuck ab und kleidete sich so schlecht, wie sie konnte. Sie legte beim König ein Wort für Cavoye ein, da sie jedoch seine Freilassung nicht erwirken konnte, machte sie ihm eine Szene und verstieg sich bis zu Beleidigungen. Der König lachte aus vollem Halse; sie wurde dadurch so aufgebracht, daß sie mit gezückten Nägeln auf ihn zukam. Der König begriff, daß es klüger sei, sich ihnen nicht auszusetzen, und retirierte.

Der König tafelte täglich mittags und abends mit der Königin vor den Augen des Hofes. Bei der Mittagstafel bedienten die Herzogin von Richelieu und die Ehrenfräulein der Königin. Solange Cavoye in der Bastille war, wollte Fräulein von Coëtlogon niemals servieren, auch dem Könige nicht. Entweder vermied sie es oder sie weigerte sich rundweg, indem sie erklärte, er verdiene es nicht, daß sie ihn bediene. Sie bekam die Gelbsucht, Nervenzufälle, Verzweiflungszustände, und endlich kam es dahin, daß der König und die Königin ernstlich von der Herzogin von Richelieu verlangten, daß sie Fräulein von Coëtlogon in die Bastille führe, damit sie Cavoye sehen könne. Dies wurde zwei- oder dreimal wiederholt. Endlich wurde er entlassen, Fräulein von Beauvit; die Geschichte mit dem allerdings unfeinen Namen Beauvit soll von Amelot de la Houssaye, der aus Orléans war, in die Welt gesetzt worden sein. Jedenfalls findet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die Beauharnais so geheißen hätten.Coëtlogon war entzückt, schaffte sich eine ganz neue Toilette an und putzte sich wieder, doch kostete es Mühe, sie zu bewegen, daß sie mit dem König Frieden schloß.

Madame de Miramion

Das Mitleid und der Tod des Großquartiermeisters von Froulay kamen ihm zu Hilfe. Der König ließ Cavoye holen, bei dem er bereits vergeblich wegen der Heirat mit Fräulein von Coëtlogon auf den Busch geklopft hatte. Diesmal erklärte er ihm, er wünsche die Heirat, er werde dann auch für seine Zukunft Sorge tragen, aber nur unter dieser Bedingung. Um ihm einen Ersatz für die Mitgift bei einem Mädchen, das nichts hätte, zu geben, wolle er ihm die Charge eines Großquartiermeisters seiner Haustruppen schenken. Cavoye wollte immer noch nicht recht anbeißen, mußte sich aber doch dazu bequemen. Er hat seitdem gut mit ihr gelebt, und sie betet ihn auch heute noch ebenso an wie damals, und es ist sehr drollig mitanzusehen, wie zärtlich sie vor aller Welt mit ihm tut, und mit welch ablehnender Steifheit er ihre Liebesbeweise aufnimmt.

Im Herbst starb Frau von Miramion im Alter von 66 Jahren, und das war ein großer Verlust. Sie nannte sich Bonneau und ihr Vater, der Sohn sehr reicher Pariser Bürger, Herr von Rubelles. Sie hatte einen ebenfalls sehr reichen Bürger von Orléans geheiratet, dessen Vater die Erlaubnis erhalten hatte, seinen schmutzigen und lächerlichen Namen Beauvit in Beauharnais umzuändern. Sie heiratete 1645 und wurde im selben Jahre Witwe.

Die Tochter, mit der sie damals schwanger ging, verheiratete sie an Herrn von Nesmond, den sie lange das Amt eines Parlamentspräsidenten in Paris bekleiden sah und von dem sie keine Kinder hatte. Als junge, Die Histoire amoureuse des Gaules, ein freier Roman, der zum Teil auf den wohlbekannten Galanterien gewisser Hofdamen beruht, war 1660 von Bussy geschrieben worden und ging seit mehreren Jahren von Hand zu Hand, als die erste Ausgabe 1665 gedruckt erschien. Man glaubt, daß es nicht dieses Buch, sondern ein satirisches Couplet auf die Liebschaft des Königs mit Fräulein von la Vallière gewesen sei, was Bussy damals ein Jahr in der Bastille und eine lange Ungnade eintrug. – Bussy entführte die noch nicht 20jährige Frau von Miramion im August 1648.schöne und reiche Witwe wurde Frau von Miramion außerordentlich bestürmt, sich wieder zu verheiraten, wollte sich aber nicht dazu verstehen. Bussy-Rabutin, so bekannt durch seine Histoire amoureuse des Gaules und die tiefe Ungnade, die sie ihm zuzog, mehr noch durch die Leerheit seines Geistes und die Gemeinheit seines Herzens (wiewohl er im Kriege sehr tapfer war), wollte sie durchaus heiraten. Von dem Prinzen von Condé unterstützt, der keinen Anlaß hatte, Zeit seines Lebens mit ihm zufrieden zu sein, entführte er sie und brachte sie auf ein Schloß. Kaum war sie dort angelangt, als sie vor allen Leuten, die sich dort befanden, ein Keuschheitsgelübde ablegte und dann zu Bussy sagte, er möge nun zusehen, was er tun wolle. Dieser so energische und vor so vielen Zeugen erfolgte Schritt brachte ihn vollkommen außer Fassung, und er dachte nur noch daran, seine Beute in Freiheit zu setzen und die Sache so gut es ging, wieder in Ordnung zu bringen. Von diesem Augenblick an weihte sich Frau von Miramion ganz der Frömmigkeit und allen Arten guter Werke. Sie war eine Frau von bedeutendem Verstande und großer Sanftmut, die durch ihre geistige und materielle Mitwirkung an mehreren gemeinnützigen Anstalten in Paris Anteil hatte, und vollendete die Sainte-Geneviève-Gemeinschaft am Quai de la Tournelle, wohin sie sich zurückzog. Diese Anstalt, die sie in sehr erbaulicher Weise leitete, ist von großem Nutzen für die Erziehung so vieler junger Mädchen und als Zufluchtsort so vieler andrer Mädchen und Witwen. Der König hatte stets eine große Wertschätzung für sie, in ihrer Demut bediente sie sich derselben jedoch nur mit großer Zurückhaltung und zum Wohle anderer. Ebenso verhielt sie sich der Achtung gegenüber, die ihr Zeit ihres Lebens von den Ministern, den kirchlichen Obern und den Behörden entgegengebracht wurde. Ihre Tochter, deren Haus an das ihrige stieß, machte sich nach ihrem Tode eine Ehre daraus, dafür Sorge zu tragen; und als sie Witwe geworden war, wurde sie sozusagen von Amts wegen und aus Stolz fromm, zog sich von der Welt aber nur insoweit zurück, als es nötig war, um sich zu erbauen, ohne sich zu langweilen. Sie hatte sich bei Lebzeiten ihrer Mutter dort Zutritt verschafft, wo diese Zutritt hatte, und verstand es nach deren Tode, diese Verbindungen zu pflegen, vor allem die mit Frau von Maintenon, deren sie sich in bescheidener Weise rühmte. Sie war die erste Frau ihres Standes, die auf ihre Türe » Hôtel de Nesmond« schreiben ließ. Man lachte darüber und hielt sich darüber auf, aber die Aufschrift blieb und wurde die Mutter der Aufschriften aller Art, die nach und nach Paris überschwemmt haben.

Madame de Sévigné

 

Frau von Sévigné, diese so liebenswürdige Frau und so ausgezeichnete Gesellschafterin, starb einige Zeit darauf zu Grignan bei ihrer Tochter, die ihr Abgott war und es nur wenig verdiente. Ich war mit ihrem Enkel, dem jungen Marquis de Grignan, sehr befreundet. Diese Frau gab durch ihre Ungezwungenheit, ihre natürliche Liebenswürdigkeit und das Einnehmende ihres Geistes in der Unterhaltung auch denen Geist, die keinen hatten. Ihre Güte kannte keine Grenzen, und ihr Wissen war auf allen möglichen Gebieten außerordentlich, nie aber wollte sie, daß es so aussähe, als wisse sie etwas.

Der Pater Séraphin, ein Kapuziner, hielt dieses Jahr bei Hof die Fastenpredigten. Obwohl er in seinen Kanzelreden häufig dieselben Phrasen zweimal hintereinander wiederholte und sehr kapuzinermäßig redete, fand der König großes Gefallen daran, und es wurde Mode, ihn zu hören und zu bewundern. Von ihm stammt, nebenbeigesagt, das seitdem so oft wiederholte Wort: »Ohne Gott kein Gehirn«, – ein Ausspruch, der in Gegenwart eines Fürsten, der mit dem Amte das Talent zu verleihen glaubte, immerhin kühn war. Bei der betreffenden Predigt war der Marschall von Villeroy zugegen, und unwillkürlich richteten sich alle Blicke auf ihn.

Der König machte dem Herzog von Vendôme und dann auch dem Herzog von la Rochefoucauld Vorwürfe, daß sie niemals die Predigt besuchten, nicht einmal die des Paters Séraphin. Der Herzog von Vendôme antwortete ihm freimütig, er könne es nicht über sich bringen, einen Mann anzuhören, der alles sage, was ihm beliebe, ohne daß irgend jemand die Möglichkeit habe, ihm zu erwidern, und brachte den König durch diese witzige Bemerkung zum Lachen.

 

Die Welt verlor bald danach einen Mann, der berühmt war durch seinen Geist, seinen Stil und seine Menschenkenntnis, – ich meine la Bruyère, der in Versailles am Schlagfluß starb, nachdem er Theophrast, den er zur Grundlage seiner Werke gemacht, übertroffen und die Menschen unserer Zeit in seinen »Neuen Charakteren« unnachahmlich geschildert hatte. Er war ein sehr vortrefflicher Mann, ein ausgezeichneter Gesellschafter, einfach, ohne jede Pedanterei und sehr selbstlos. Ich hatte ihn gut genug gekannt, um ihn und den Verlust der Werke zu betrauern, die sein Alter und seine Gesundheit noch von ihm erhoffen ließen.

D'Aquin, der ehemalige erste Arzt des Königs, vermochte seine Ungnade nicht lange zu überleben; er reiste nach Vichy, wo er eine Verlängerung seines Lebens zu erreichen hoffte, und starb dort bei seiner Ankunft, und mit ihm seine Familie, die wieder ins Nichts zurücksank.

La Bruyère

 

Die Veränderung in der Lage des Marschalls von Lorge führte alsbald eine Veränderung in der Lage seiner Familie herbei. Herr von Lauzun, der nur deshalb so hartnäckig die zweite Tochter des Marschalls hatte heiraten wollen, weil er hoffte, durch einen Schwiegervater, der eine Armee führte, beim König wieder in Gunst zu kommen, verzieh es ihm nicht, daß er allen seinen Bemühungen widerstanden hatte und ihm in keiner Weise behilflich gewesen war. Er wußte nicht, daß der König sich anläßlich seiner Heirat ausdrücklich dagegen verwahrt und sich jeden Versuch in dieser Richtung verbeten hatte, und selbst, wenn er es gewußt hätte, so hätte er es doch nicht weniger übel genommen, daß der Marschall den Widerstand des Königs nicht zu besiegen gewußt. Er war übrigens ein Mann, der nicht recht wußte, was er wollte, und mit sich selbst uneins war. Seine Launen und Schrullen hatten ihm mehr als einmal die höchste und bestfundierte Stellung gekostet. Verärgert darüber, daß er nichts erreicht hatte und durch einen Schwiegervater, der keine Armee mehr befehligte, auch zu nichts gelangen konnte, rechnete er nicht mehr genug auf seine Charge, um sich noch länger Zwang aufzuerlegen. Er war nicht der Mann, es am Tische und im Hause anderer lange auszuhalten, und die Eifersucht, die ihn sein ganzes Leben lang vorzugsweise beherrscht hatte, konnte sich nicht an ein Haus gewöhnen, das für Paris und den Hof abends und morgens offen war und zu jeder Stunde von der glänzendsten Gesellschaft wimmelte, ohne daß die Abgabe des Oberbefehls diesen zahlreichen und fortwährenden Besuch vermindert hätte.

Er hatte besonders die Neffen des Hauses im Magen, die dort wie Kinder gehalten waren, und stieß sich außerordentlich an ihrem Alter und ihrem Gesicht, weil sie in demselben Alter standen wie seine Frau und große Ähnlichkeit mit ihr hatten. Indes wich sie ihrer Mutter nie von der Seite, und weder die Welt noch er selbst hatten bisher das geringste an ihr zu tadeln gefunden. Er witterte aber eine beständige Gefahr für sie, und da seine ehrgeizigen Pläne ihm keine Zurückhaltung mehr auferlegten, widerstand er seinen Schrullen nicht länger. Unbestimmte Klagen, Launen, ärgerliche Auftritte um ein Nichts, Warnungs- oder Drohbriefe, beständige Verstimmungen. Endlich ersah er seine Zeit; als der Marschall von Lorge den Marschall von Duras in Marly zu vertreten hatte, verließ er eines Morgens das Hôtel de Lorge und ließ seiner Frau sagen, sie solle zu ihm in die Wohnung kommen, die er eingerichtet habe (sie lag dicht neben der Himmelfahrtskirche in der Rue Saint-Honoré), ein Wagen werde sie gegen sechs Uhr abholen, und sie solle von jetzt ab bei ihm wohnen. Obgleich man durch alles, was bisher vorgefallen war, auf diese letzte Szene hätte vorbereitet sein müssen, gab es nun bei Mutter und Tochter Tränen und laute Klagen. Aber es half alles nichts: es mußte gehorcht werden. Sie wurde im Hause des Herrn von Lauzun durch die Herzoginnen von Foix und von Lude, Verwandte und Freundinnen des Herrn von Lauzun, empfangen. Er gab ihr eine ganz neue Dienerschaft, schickte noch am selben Abend alle ihre Domestiken fort und gab ihr zwei Jungfern, deren Tugend ihm bekannt war und die er bei Frau von Guise gesehen hatte, damit sie sie nie aus den Augen verlieren sollten. Er verbot ihr jeden Verkehr mit Vater und Mutter und allen ihren Verwandten. Ausgenommen war nur Frau von Saint-Simon, aber auch sie ließ er in der ersten Zeit selten zu ihr, doch sorgte er nach Kräften für Gesellschaft, die ihm unverdächtig war. Nach den ersten Tagen der Niedergeschlagenheit und Verblüffung gewannen die Jugend und die natürliche Heiterkeit bei Frau von Lauzun die Oberhand und halfen ihr in der Folge eine ununterbrochene Kette von Launen zu ertragen, die nicht sehr weit von Verrücktheit entfernt waren. Der Marschall von Lorge fand sich besser damit ab als seine Gattin. War es doch ihr Herz, das man ihr ausgerissen, eine Tochter, zu der sie stets eine ganz besondere Zuneigung gehabt hatte. Der König wurde durch den Marschall von Lorge in ziemlich zurückhaltender Weise von diesem aufsehenerregenden Verfahren unterrichtet, während der Marschall von Duras sich viel schärfer darüber ausließ. Da er aber die Heirat ebensowenig gebilligt hatte wie das Publikum und sich niemals in Familienangelegenheiten mischte, wollte er sich auch mit dieser nicht befassen. Die Welt tadelte den Herzog von Lauzun auf das schärfste und bedauerte seine Frau sowie ihre Eltern sehr; überrascht war jedoch niemand.

 

Im August starben zwei hochbetagte und schon seit sehr langer Zeit außer Berührung mit der Welt lebende Persönlichkeiten: Frau von Bouteville, die Mutter des Marschalls von Luxembourg, mit 91 Jahren, eine Dame, die ihr ganzes Leben zurückgezogen auf dem Lande verbracht und von dort aus der Ferne die glänzende Laufbahn ihres Sohnes, mit dem sie nie sehr in Verkehr gestanden, Der Konflikt in der Feuillantinerkirche: Am 15. Aug. 1648 wurden bei einem Konflikt zwischen den Garden der Kompanie des Herrn von Tresmes und den Polizisten der Provostei des Louvre, einer der letzteren getötet und zwei andere verwundet und zwar mitten in der Kirche, in Gegenwart des jungen Königs und des Kardinals Mazarin. Da die drei Kapitäne der Gardes du Corps, die sich in Paris befanden, gegenseitig füreinander eintraten, wurden sie alle abgesetzt und am 18. Aug. auf ihre Güter verbannt. Zur Zeit der Fronde übernahmen die drei Kapitäne ihre Funktionen wieder. Chandenier machte sich aber dem Kardinal verdächtig. Er fiel abermals in Ungnade und erhielt Anfang 1651 den Befehl, den Kommandostab niederzulegen und sich auf seine Besitzungen zurückzuziehen; 1677 wurde er in Loches interniert. – Das Feuillantinerkloster war 1587 von den Bernhardinern in der rue Saint-Honoré bei den Tuilerien gegründet worden und wurde 1804 abgerissen. – Mazarin ließ sich bei Beginn der großen Gunst, in der er beim Könige stand (1643), ermächtigen, zu seinem Schutz eine Kompagnie schwerer Reiter unter dem Befehle des Barons Noailles zu bilden. 1648 erhielt er die formelle Erlaubnis, eine Kompagnie von 100 Berittenen in voller Bewaffnung auszuheben, und sich von ihr eskortieren zu lassen, sogar in das Innere der königlichen Paläste.verfolgt hatte, – und der Marquis von Chandenier, das Haupt des Hauses Rochechouart, der so berühmt ist durch seine Ungnade und den hohen Sinn, mit dem er sie mehr denn vierzig Jahre bis zu seinem Tode ertrug. Er war erster Kapitän der Gardes du Corps und stand in höchster Achtung infolge seiner Tapferkeit, seines Geistes und seiner außerordentlichen Rechtlichkeit. Er verlor seine Charge zugleich mit den andern Kapitänen der Gardes du Corps infolge des Konflikts in der Feuillantinerkirche im Jahre 1648 und war der einzige von den Vieren, der sie nicht wieder zurückerhielt, obwohl er sich in keiner Weise von ihnen unterschieden hatte. Ein stolzer, durch und durch ehrenhafter, geist- und mutvoller Mann, dazu von hoher Geburt wie er, war dem Kardinal Mazarin unbequem, obgleich er an ihm niemals den geringsten Fehler gefunden hatte oder durch ungestüme Forderungen von ihm belästigt worden war.

Der Kardinal legte großes Gewicht darauf, den Kapitän seiner Leibwache zum ersten Kapitän der Gardes du Corps zu machen, und er ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen, einen ihm so ergebenen Diener wie Herrn von Noailles an diese Stelle zu bringen. Herr von Chandenier verweigerte seine Demission; der Kardinal ließ den Preis, den er für die Charge festgesetzt hatte, bei einem Notar hinterlegen und dann Herrn von Noailles den Eid ablegen, der, ohne daß Chandenier zurückgetreten wäre, voll mit der Charge bekleidet wurde und alsbald seinen Dienst antrat.

Chandenier war arm: man hoffte, die Not würde seine Hartnäckigkeit brechen. Der Hof wurde ihrer endlich überdrüssig und schickte ihn als Gefangenen auf das Schloß von Loches, wo er wie ein Verbrecher des Königs Brot aß, und legte Hand auf sein kleines Einkommen, um ihn zu zwingen, das Geld des Herrn von Noailles anzunehmen und damit seine Demission zu geben. Der Hof täuschte sich; Herr von Chandenier lebte von dem Brote des Königs und von der Nahrung, die ihm die Bürger von Loches der Reihe nach in einem kleinen Napf, der in der Stadt die Runde machte, zum Mittag- und Abendessen schickten. Niemals beklagte er sich, niemals forderte er sein Gut oder seine Freiheit zurück. So vergingen zwei Jahre. Der Hof schämte sich endlich einer so beispiellosen und so wenig verdienten Gewalttat, mehr noch, daß er von diesem unbeugsamen Mute besiegt worden war, und gab seine Einkünfte frei und verwandelte seine Gefangenschaft in Verbannung. In dieser Verbannung lebte er viele Jahre, und niemals ließ er sich herab, um irgend etwas zu bitten. Und so trat dasselbe ein, wie mit seiner Gefangenschaft: die Scham bewirkte den Widerruf der Verbannung.

Er kehrte nach Paris zurück und wollte dort nur wenig Freunde sehen. Er stand meinem Vater sehr nahe, der mich zu ihm geführt hat und ihn sehr häufig zur Mittagstafel einlud. Nach dem Tode meines Vaters habe ich Herrn von Chandenier mehrmals im Sainte-Genevièvekloster in der einfachsten aber hübschesten Wohnung, die er sich dort eingerichtet hatte, und wo er auch starb, aufgesucht und immer tiefe Ehrfurcht vor ihm empfunden.

 

Der König hatte einen Karbunkel am Halse, der zuerst nur wie ein kleines Blutgeschwür aussah, bald aber Anlaß zu Beunruhigung gab. Er bekam Fieber und mußte wiederholt geschnitten werden. Er legte Wert Die Königin war 1683, die Kronprinzessin 1690 gestorben.darauf, sich täglich zu zeigen und fast wie sonst in seinem Bette zu arbeiten. Ganz Europa verfehlte nicht, einem Übel die größte Aufmerksamkeit zu schenken, das nicht gefahrlos war. Der König sandte einen Eilboten an den Herzog von la Rochefoucauld nach der Provinz Angoumois, wohin dieser gereist war, um einen Monat auf seinem schönen Schloß Verteuil zu verbringen, und benachrichtigte ihn von seiner Krankheit und seinem Wunsche, ihn wiederzusehen, und zwar auf die allerfreundschaftlichste Weise. Der Herzog reiste alsbald ab, und die Gunst, in der er beim Könige stand, ward offenbarer denn je.

 

Während dieser Krankheit wurde der mit dem Herzog von Savoyen geschlossene Friede bekannt gegeben und regelte der König alles, was mit der Heirat der Prinzessin von Savoyen zusammenhing. Der Graf von Brionne, Ritter des Heiliggeistordens, der das Amt des Groß-Stallmeisters von seinem Vater geerbt hatte, wurde dazu ernannt, die Prinzessin im Namen des Königs in Pont-de-Beauvoisin zu empfangen, und Desgranges, einer der ersten Beamten Pontchartrains und Zeremonienmeister, wurde gleichfalls dorthin gesandt, um während der Reise der Prinzessin seines Amtes zu walten.

Die Bestimmung ihres Hofstaates nahm längere Zeit in Anspruch. Der Hof war seit langem ohne Königin und ohne Kronprinzessin. Alle Damen von einiger Bedeutung bewarben sich eifrig um eine Stelle in dem neuen Hofstaate und vielfach auf Kosten der andern. Es gab eine Hochflut von anonymen Briefen, von Angebereien und falschen Zeugnissen. Die Erledigung der ganzen Angelegenheit erfolgte nur zwischen dem Könige und Frau von Maintenon, die während seiner ganzen Krankheit nicht von seinem Bette wich, außer wenn er sich dem Hofe zeigte, und die dort meist allein war.

Sie hatte sich vorgenommen, die eigentliche Erzieherin der Prinzessin zu sein, sie nach ihrem Sinn und für ihre Absichten heranzubilden und sie gleichzeitig hinreichend an sich zu fesseln, um dem König durch sie Unterhaltung verschaffen zu können, ohne befürchten zu müssen, daß sie ihr gefährlich werden könnte, wenn sie den Kinderschuhen entwachsen wäre. Sie rechnete darauf, durch sie eines Tages den Herzog von Burgund in der Hand zu haben, und dieser Gedanke beschäftigte sie um so mehr, als, wie wir bald sehen werden, ihre Freundschaft mit den Herzögen und Herzoginnen von Chevreuse und Beauvillier bereits sehr erkaltet war. Aus diesem Grunde wurden die Herzoginnen auch von der Stelle einer Ehrendame ausgeschlossen, welche die eine wie die andere so würdig und so nützlich ausgefüllt haben würden. Frau von Maintenon suchte also die Prinzessin mit Leuten zu umgeben, die ihr entweder vollkommen und sicher ergeben oder geistig beschränkt genug waren, daß sie von ihnen nichts zu fürchten hatte.

 

Samstag, den 1. September, an dem Tage vor der Ernennung des Hofstaates, plauderte der König, der wegen seines Karbunkels das Bett hütete, zwischen zwölf und ein Uhr mit dem Herzog von Orléans, der allein bei ihm war. Der Herzog, neugierig wie immer, versuchte aus dem Könige etwas über die Wahl einer Ehrendame herauszubekommen, die – das sah alle Welt – nicht länger verschoben werden konnte, und während sie davon sprachen, sah der Herzog von Orléans die Herzogin von Lude in ihrer Sänfte mit ihrer Dienerschaft von der Der Gebrauch der Schönpflästerchen reicht mindestens bis zur Regierung Heinrichs IV. hinauf, der der roten Schminke war weniger alt. Beide wurden unter Ludwig XIV. »die pflichtmäßige Gewandung des Gesichts«, wie sich Quicherat ausdrückt ( Histoire du Costume, S. 557). Unter Ludwig XIV. legten alle Hofdamen rot auf, nur die Betschwestern suchten etwas darin, es nicht zu tun. » Ce rouge, sagte Frau von Sévigné, c'est la loi et les prophètes: c'est sur ce rouge que roule tout le christianisme.« Seit Ludwig XIV. aber fromm und rigoristisch geworden war, mußte man den übermäßigen Gebrauch der Schminke vermeiden.Messe über den großen Hof kommen. »Da wird eine vorbeigetragen,« sagte er zum Könige, »die es sehr danach gelüstet«, und er nannte ihm die Herzogin von Lude.

»Jawohl,« sagte der König, »das wäre gerade die Richtige, um der Prinzessin beizubringen, sich schön rot zu schminken und Schönheitspflästerchen aufzulegen«, und er machte noch weitere ablehnende Bemerkungen. Er war eben damals frömmer als später und nahm an dergleichen Toilettekünsten mehr Anstoß. Der Herzog von Orléans, dem nichts an der Herzogin von Lude gelegen war, und der nur aus Zufall und Neugierde von ihr gesprochen hatte, ließ den König reden und ging zur Mittagstafel, vollkommen überzeugt, daß die Herzogin von Lude gar nicht in Frage käme; er sagte aber kein Wort davon.

Am andern Tage, fast um dieselbe Zeit, war der Herzog von Orléans allein in seinem Kabinett. Da trat der Türhüter, der außerhalb des Palastes gewesen war, ein und sagte, die Herzogin von Lude sei ernannt worden. Der Herzog fing an zu lachen und antwortete, er wolle ihm wohl einen Bären aufbinden. Der Diener blieb dabei und glaubte, der Herzog wolle sich über ihn lustig machen, ging hinaus und schloß die Türe.

Wenige Augenblicke darauf trat Herr von Châtillon, der Ritter des Heiliggeistordens, mit derselben Nachricht ein, und der Herzog machte sich abermals darüber lustig. Châtillon fragte ihn, warum er es nicht glauben wolle, lobte die Wahl und versicherte, es sei die reine Wahrheit. Während sie noch miteinander stritten, kamen andere Leute, die die Nachricht bestätigten, so daß es unmöglich war, länger daran zu zweifeln. Da malte sich eine derartige Verblüffung auf dem Gesichte des Herzogs, daß die Anwesenden sich darüber wunderten und ihn drängten, den Grund anzugeben. Verschwiegenheit war nicht die starke Seite des Herzogs. Er erzählte ihnen, was der König ihm vierundzwanzig Stunden zuvor gesagt hatte, und erfüllte sie ihrerseits mit dem größten Erstaunen. Die Sache wurde bekannt und entfachte solche Neugierde, daß man endlich die Ursache einer so plötzlichen Willensänderung erfuhr.

Die Herzogin von Lude

Es war der Herzogin von Lude wohl bekannt gewesen, daß sich unter der großen Zahl ihrer Mitbewerberinnen eine befand, der vorgezogen zu werden sie nicht hoffen konnte; sie nahm daher ihre Zuflucht zu einem Schleichweg. Frau von Maintenon hatte nämlich eine alte Dienerin noch aus der Zeit, da sie als Witwe Scarrons in dem caritativen Asyl ihres Sprengels lebte und keine weitere Bedienung hatte. Diese Magd, die sie noch wie ehemals Nanon nannte, war für die andern Leute Fräulein Balbien und erfreute sich eines großen Ansehens, weil sie die Freundschaft und das Vertrauen Frau von Maintenons genoß. Nanon machte sich ebenso selten wie ihre Herrin, frisierte und kleidete sich wie sie, ahmte ihr geziertes Wesen, ihre Sprache, ihre Frömmigkeit und ihre Manieren nach. Sie war eine Unterfee, und die Prinzessinnen schätzten sich, ungeachtet sie Töchter des Königs waren, glücklich, wenn sie Gelegenheit fanden, sie zu sprechen und zu umarmen, und die Minister, die bei Frau von Maintenon arbeiteten, grüßten sie sehr tief.

So unnahbar sie auch war, so hatte sie doch aus der früheren Zeit noch einige alte Freundinnen, zu denen sie sich, wenngleich selten, herabließ. Glücklicherweise nun besaß die Herzogin von Lude eine alte Freundin, von der sie erzogen worden war, die sie immer bei sich behalten hatte und von der sie leidenschaftlich geliebt wurde. Diese war eine alte Bekannte Nanons, die sie manchmal vertraulich bei sich sah. Die Herzogin von Lude bediente sich ihrer als Abgesandtin, und schließlich brachten 20 000 bare Taler die Sache ins reine, und zwar am Abend desselben Samstages, an dessen Morgen der König sich dem Herzog von Orléans gegenüber so ablehnend über sie ausgesprochen hatte.

So geht es an den Höfen zu! Eine Nanon, welche die glänzendsten und wichtigsten Stellen verkauft, und eine reiche Dame, Herzogin, von Haus aus und durch ihren Gatten von hoher Herkunft, ohne Kinder, ohne Fesseln, ohne Geschäfte, frei, unabhängig, die närrisch genug ist, ihre Knechtschaft mit Gold zu bezahlen! Ihre Freude war unbeschreiblich, aber sie wußte sie zu zähmen. Ihre Lebensweise und die Zahl ihrer Freunde und intimen Bekannten, die sie sich ihr Leben lang in der Stadt wie am Hofe zu gewinnen und zu erhalten verstanden hatte, bewogen den überwiegenden Teil des Hofes, ihre Wahl mit Beifall aufzunehmen.

Die Herzogin von Arpajon und die Marschallin von Rochefort waren außer sich. Die letztere erhob ein großes Geschrei und beklagte sich ohne jede Rücksicht, man habe das Wort gebrochen, das man ihr gegeben und auf das hin allein sie eingewilligt habe, die Ehrendame der Herzogin von Chartres zu sein. Sie vermengte geschickt die beiden Stellen der Ehrendame und der Dame d'atour, um sich desto mehr entrüsten zu können. Letzteres war sie bei der Gemahlin des Dauphin gewesen, und diese Stelle war ihr wieder versprochen worden.

Frau von Maintenon, die sie geringschätzte, fühlte sich dadurch beleidigt, weil sie Frau von Mailly zur Dame Die Tochter der Marschallin von Rochefort war Marie-Henriette de Rochefort-d'Aloigny. Sie heiratete 1676 mit zwölf Jahren ihren Vetter Louis-Fauste de Brichanteau, Marquis von Nangis und am 3. Mai 1691 in zweiter Ehe Charles de la Rochefoucauld de Roye, Grafen von Blanzac. Sie starb 1736 zu Paris, 73 Jahre alt. Ihr Sohn, Louis-Armand de Brichanteau, Marquis von Nangis, geb. 1682, wurde 1741 Marschall von Frankreich. Ihre Tochter Geneviève-Armande de la Rochefoucauld de Roye de Blanzac wurde am 17. August 1692 geboren. Die offizielle Hochzeit der Eltern hatte nach Erteilung des notwendigen Dispenses am 16. August stattgefunden, veröffentlicht war die Eheschließung aber schon ein Jahr früher worden. d'atour hatte ernennen lassen. Sie entgegnete mit der Anklage, die Marschallin sei selbst an diesem Verdruß schuld, den man ihr gar nicht habe bereiten wollen, indem sie so sehr für ihre Tochter eingetreten wäre, daß man sie aus Rücksicht für sie nicht davongejagt hätte.

Die Marschallin hatte also das Nachsehen; doch obwohl sie ihren ganzen Ärger ungeschwächt bewahrte und die Stelle endgültig vergeben war, ließ sie aus Wut ihre Tochter fallen, die daraufhin mit dem Verbot, wieder bei Hofe zu erscheinen, nach Paris zurückgeschickt wurde. Diese Tochter war aus ihrer ersten Ehe Mutter von Nangis, hatte mit ihrem ersten Gatten wie Hund und Katze gelebt, ruinierte ihren Sohn, der sehr reich war, wurde schwanger von Blanzac, den man von der Armee zurückberief, damit er sie heirate, und kam in der Hochzeitsnacht mit der späteren Frau von Tonnerre nieder.

Man konnte nicht geistreicher, intriganter, einschmeichelnder, sanfter sein, mehr geistige Gewandtheit und Anmut, einen feineren und treffenderen Witz haben wie sie, noch seine Zunge im Wortgefecht besser beherrschen. Sie war gleichzeitig von allen Geistern der bösartigste, schwärzeste, gefährlichste, arglistigste. Sie war die Falschheit selbst und erzählte vollkommen erfundene Geschichten mit einer Treuherzigkeit und Schlichtheit, die imstande waren, selbst die zu überzeugen, die gar nicht im Zweifel darüber sein konnten, daß kein wahres Wort daran war. Zu alledem war sie eine bestrickende Sirene, gegen die man sich nur dadurch verteidigen konnte, daß man sie floh, obgleich man sie von Grund aus kannte. In der Unterhaltung war sie bezaubernd, und niemand wußte mit soviel Witz und Grausamkeit und so scheinbar absichtslos das Lächerliche an ihren Geschlechtsgenossinnen zu treffen, auch wenn es in Wirklichkeit gar nicht vorhanden war. Im übrigen war sie mehr als sehr galant, solange ihr Gesicht ihr noch die Wahl gestattete, dann, als das nicht mehr der Fall war, sehr zugänglich, und schließlich richtete sie sich zugrunde, indem sie sich den niedrigsten Bedienten preisgab. Trotz dieser großen Laster war sie die feinste Modedame bei Hofe und in der Stadt. Ihr Zimmer wurde, entweder, weil man sie fürchtete, oder weil man von ihr bezaubert war, nicht leer von der glänzendsten und besten Gesellschaft, und außerdem hatte sie einflußreiche Freunde und Freundinnen, – die drei Töchter des Königs z. B. suchten sie sehr eifrig auf. Es handelte sich für diese darum, welche von ihnen sie auf ihrer Seite haben würde. In Übereinstimmung mit ihrer Mutter hatte sie sich aber mehr an die Herzogin von Chartres als an die andern angeschlossen. Sie beherrschte sie vollkommen. Die Eifersüchteleien und Klatschereien, die daraus entstanden, entfremdeten sie dem Herzog von Orléans und dem Herzog von Chartres bis zum Abscheu, und so wurde sie eines Tages entfernt.

Den fortgesetzten Tränen und der Geschmeidigkeit der Herzogin von Chartres gelang es nach längerer Zeit, ihre Wiederzurückberufung zu erwirken. Sie kehrte nach Marly zurück und wurde zu einigen privaten Spielpartien mit dem König zugelassen. Sie unterhielt ihn mit soviel Geist, daß er zu Frau von Maintenon von nichts anderem sprach. Das erweckte in ihr Besorgnisse, und sie sann nur noch darauf, sie aus der Nähe des Königs zu entfernen. Mit Vorsicht und Geschicklichkeit brachte sie es zuwege. Hierauf trachtete sie der größeren Sicherheit halber, daß sie von neuem vom Hofe verwiesen Das Parlament von Toulouse wurde 1302 von Philipp dem Schönen eingesetzt. Es hatte unter seiner Jurisdiktion die Languedoc, die Rouergue, das Lauraguais, die Landschaft Foix und einen Teil von Quercy und der Gascogne.würde, und nahm die sich bietende Gelegenheit wahr, um zum Ziele zu gelangen.

Man machte sich über ihre Mutter nicht wenig lustig, daß sie so zwecklos, um einer Stelle willen, die sie ja doch nicht bekommen konnte, und aus törichtem Zorn und gekränktem Ehrgeiz, darein gewilligt hatte.

Die Herzogin von Arpajon, die junge und schöne Gattin eines Greises, der die Rouergue und sein Schloß Sévèrac nicht mehr verließ, hatte sich, seit sie Witwe geworden war, in eine Flut von Geschäften und von Prozessen am Parlament von Toulouse verwickelt gesehen und war im Verlaufe derselben genötigt, nach Paris zu gehen, um ihre Sache dort vor dem Obersten Gericht zu führen. Sie war eine Dame von großer Tugend und musterhaftem Lebenswandel, hatte ein vornehmes Aussehen und zeigte noch Spuren ihrer früheren Schönheit. Man hatte sie fast nie, weder bei Hofe, noch in Paris gesehen, und man nannte sie dort die Heideherzogin.

Frau von Richelieu starb sehr bald nach ihrer Ankunft, und die Überraschung war außerordentlich, als man erfuhr, daß die Herzogin von Arpajon plötzlich an ihrer Stelle zur Ehrendame bei der Gemahlin des Dauphin ernannt worden war. Sie selbst war am meisten erstaunt; denn sie hatte niemals daran gedacht, auch ihr Bruder, Herr von Beuvron, nicht. Und doch war er es, der sie dazu machte, ohne es zu wissen. Er hatte sich ehedem mehr als gut mit Frau Scarron gestanden; diese vergaß ihre alten Freunde dieser Gattung nicht, sie rechnete darauf, daß seine Schwester sich, durch ihn beeinflußt, ferner aus Dankbarkeit und weil sie sich inmitten des Hofes vollkommen isoliert sehen würde, ihr anhänglich beweisen werde. Man konnte nicht weniger Geist haben als sie, der wenige jedoch, den sie besaß, zeigte sich in einer großen Verständigkeit. Sie hatte sehr viel Sinn für Takt und Würde, und man konnte das Amt, das sie versah, unmöglich besser und zu größerer Zufriedenheit aller ausfüllen wie sie. Sie hoffte daher, daß die Wahl auf sie fallen würde, und bewarb sich darum, aber die 20 000 Taler, zu deren Annahme Frau Barbisi, die alte Freundin der Herzogin von Lude die alte Dienerin der Frau von Maintenon bewog, entschieden gegen die Herzogin von Arpajon. Der König wollte sie trösten und Frau von Maintenon ebenfalls, und so machten sie ihre Tochter, die Gräfin von Roucy, zur Palastdame.

Die Mutter ließ sich dadurch nicht begütigen, sie blieb beleidigt; das Übermaß der Freude ihrer Tochter betrübte sie noch mehr, und die vollständige Trennung von ihr, die sie voraussah, drückte sie nieder. Sie liebte ihre Tochter, die diese Stelle an einen Ort fesselte, wo die Mutter schicklicherweise nur selten erscheinen konnte, sehr und sah sich nun der Vereinsamung preisgegeben. Sie vermochte sie nicht zu ertragen: wenige Monate darauf erlitt sie einen Schlaganfall, an dem sie bald danach starb.

 

Dangeau, der zum Ehrenkavalier der Prinzessin ernannt worden war, war ein Edelmann aus der Beauce und in seiner frühen Jugend Hugenotte gewesen. Es fehlte ihm nicht an einem gewissen Geist, vor allem nicht an dem Geist des Weltmannes und Höflings. Er war ein Mann von großer Ehrliebe und Rechtschaffenheit. Das Spiel, durch welches er sich am Hofe, der damals, unmittelbar nach dem Tode der Königin-Mutter, ganz der Liebe und den Festlichkeiten hingegeben war, Nicht der Marquis Dangeau, sondern sein Bruder, der Abbé, kaufte (1671) die Charge eines Lektors des Königs. Der Marquis hatte 1670 einen Gnadenbrief des Königs erhalten, der ihm überallhin, wo der König sein konnte und zu jeder Zeit, selbst zu den geheimsten Beratungen, Zutritt gewährte. Er bedurfte also keiner Charge, an die ein solches Privileg geknüpft war.einnistete, brachte ihn in die beste Gesellschaft. Er gewann dort sein ganzes Vermögen und hatte das Glück, daß niemals ein Verdacht auf ihn fiel; er streckte auf die verbindlichste Weise Geld vor, machte sich Freunde, und die Sicherheit seines Umgangs verschaffte ihm wahre und nützliche. Er machte den Maitressen des Königs den Hof; das Spiel machte ihn zum Teilnehmer an ihren Partien mit demselben; sie behandelten ihn ganz familiär und verschafften ihm den vertraulichen Umgang mit dem König. Er machte Verse, war gut gewachsen, hatte ein einnehmendes Gesicht und ein gefälliges Wesen. Bald war er ganz mit dem Hofe verwachsen, aber immer in untergeordneter Stellung. Als er einmal in der Zeit, da die großen Erweiterungsbauten in Versailles begonnen wurden, mit dem König und Frau von Maintenon beim Spiel saß, zog ihn der König, den er oftmals um eine Wohnung für sich gebeten hatte (ein Wunsch, den noch ganz andere Leute als er hatten) mit seiner Gewandtheit im Verseschmieden auf. Plötzlich schlug er ihm höchst ungewöhnliche Reime vor und versprach ihm eine Wohnung im Schloß, wenn er sie auf der Stelle zu Versen ergänze. Dangeau ging darauf ein, besann sich nur einen Augenblick, machte aus allen Verse und erhielt auf diese Weise eine Wohnung.

Späterhin kaufte er das Amt eines Lektors des Königs, der zwar keine Funktionen hatte, aber dadurch die Zutrittserlaubnis zum kleinen Coucher usw. erlangte. Seine Emsigkeit trug ihm das Infanterieregiment des Königs ein, das er aber nicht lange behielt; dann wurde er nach England geschickt, wo er kurze Zeit blieb, und bei seiner Rückkehr kaufte er die Statthalterschaft der Touraine. Sein Glück wollte, daß Herr von Richelieu so große Verluste im Spiel hatte, daß er dafür seine Menin des Dauphin, d. h. einer der sechs Herren, die, ohne eine bestimmte Charge innezuhaben, sich stets um die Person des Dauphin bemühen mußten. Das Wort menin kommt von dem spanischen menino, worunter man am Hofe von Madrid junge Leute verstand, die mit den königlichen Prinzen zusammen erzogen wurden, also Prügelknaben.Stelle als Ehrenkavalier der Kronprinzessin verkaufte, bei deren Heirat er sie umsonst bekommen hatte. Seine alte Freundin, Frau von Maintenon, hatte ihm die Erlaubnis erteilen lassen, diese Charge zu verkaufen, und zwar so hoch und an wen er wolle. Dangeau ließ sich eine so schöne Gelegenheit nicht entgehen: er gab 350 000 Livres dafür und bekleidete sich mit einer Charge, die aus ihm eine Art von großem Herren machte und ihm den Heiliggeistorden sicherte, den er bald darauf – 1688 – auch erhielt. Er verlor seine Charge beim Tode der Kronprinzessin, erhielt aber die Stelle eines Menin des Dauphin und war auf diese Weise in Verbindung mit dem ganzen Hofe.

Die Kronprinzessin hatte ein Ehrenfräulein aus einem deutschen Stift, das schön war wie der Tag, gewachsen wie eine Nymphe, mit allen Reizen des Geistes und des Körpers. Geistreich war sie gar nicht, doch hatte sie einen scharfen Verstand, war klug und verständig und dabei von makelloser Tugendhaftigkeit. Sie war die Tochter eines Grafen von Löwenstein und einer Schwester des Kardinals von Fürstenberg, der soviel Aufsehen in der Welt gemacht hat und am Hofe im höchsten Ansehen stand. Der Kardinal von Fürstenberg, der diese Nichte sehr liebte, suchte sie zu verheiraten. Sie gefiel dem König und Frau von Maintenon, die sich leicht durch Gesichter einnehmen ließen, sehr. Sie hatte wie alle Deutschen kein Vermögen. Dangeau, seit langem Witwer einer Schwester der Marschallin d'Estrées, einer Tochter Morins des Juden, von der er nur eine mit dem Herzog von Montfort verheiratete Tochter hatte, bot sich für eine Verbindung, die für ihn so bedeutend und auch so angenehm war. Fräulein von Löwenstein sah mit dem Stolz ihres Landes den Backstein durch all die Ornamente, die ihn bedeckten, hindurchschimmern und erklärte, sie wolle ihn nicht. Der König mischte sich in die Sache, Frau von Maintenon und die Kronprinzessin gleichfalls; ihr Onkel, der Kardinal, wünschte die Heirat und bewog sie einzuwilligen. Der Marschall und die Marschallin von Villeroy richteten die Hochzeit zu, und Dangeau kam sich vor wie der Kurfürst von der Pfalz.

Dangeau

Er war der beste Mensch von der Welt, nur hatte es ihm den Kopf verdreht, daß er ein großer Herr geworden war. Eine Menge von Lächerlichkeiten hatten sich infolgedessen bei ihm herausgebildet, und Frau von Montespan hatte sehr witzig, aber sehr wahr von ihm gesagt, man müsse ihn sowohl lieben, wie sich über ihn lustig machen, man könne gar nicht anders. Nach Übernahme seiner Charge und nach dieser Heirat wurde es damit noch schlimmer. Seine natürliche Schalheit, gepfropft auf die Niedrigkeit des Höflings und übertüncht mit dem Stolz des unechten großen Herrn, bildete eine Mischung, der durch die Großmeisterschaft des St.-Lazarusordens die Krone aufgesetzt wurde. Aus dieser Großmeisterschaft zog er allen Vorteil, den er daraus ziehen konnte und machte den Affen des Königs bei den Promotionen, die er vorzunehmen hatte. Der ganze Hof lief dazu herbei und lachte sich scheckig über ihn, während er sich bewundert glaubte. Er wurde auch in die französische Akademie aufgenommen und zum Staatsrat ernannt.

 

Es geschah einmal, daß der Dauphin auf der Rückkehr von der Wolfsjagd, die ihn sehr weit fortgeführt hatte, seine Karosse verfehlte und mit Sainte-Maure und d'Urfé zu Fuß zurückging. Unterwegs traf er eine Karosse des Herzogs von Condé, in der sich Xaintrailles, der zum Hause des Herzogs, und der Ritter von Sillery, der zum Hause des Prinzen von Conti gehörte, befanden. Sie hatten sich in diese Karosse, der sie begegnet waren, gesetzt und warteten darin, ob der Herzog von Condé oder der Prinz von Conti nicht kämen. Der Dauphin stieg in die Karosse, um in ihr den noch recht langen Rückweg nach Versailles gemächlich zurückzulegen, ließ Sainte-Maure und d'Urfé mit einsteigen, Xaintrailles und Sillery hingegen auf der Straße stehen, obgleich auch für sie noch Platz vorhanden war, und forderte sie nicht auf, mit einzusteigen. In seiner Gutherzigkeit fühlte sich der Dauphin nachträglich dadurch beschwert, und er erzählte daher abends dem König, um herauszubringen, wie er über die Sache dächte, sein Erlebnis und fügte hinzu, er habe nicht gewagt, die beiden Herren mit einsteigen zu lassen. »Das glaube ich wohl,« entgegnete ihm der König mit Betonung, »eine Karosse, in der Ihr sitzt, wird dadurch die Eure, und es ziemt sich für Domestiken eines Prinzen von Geblüt nicht, mit einzusteigen.«

Frau Scarron war jung, schön und galant, aber Witwe und in drückenden Verhältnissen, als sie von ihren Freunden im Hôtel d'Albret eingeführt wurde, wo sie dem Marschall und allen seinen Tischgästen durch ihre Anmut, ihren Geist, ihr sanftes ehrerbietiges Wesen, ihr Bestreben, allen zu gefallen und besonders denen, die dem Marschall anhingen, den Hof zu machen, ganz ausnehmend gefiel. Dort wurde sie mit der Herzogin von Richelieu bekannt, die in erster Ehe mit dem ältesten Bruder des Marschalls von Albret vermählt gewesen war und außerdem ihren einzigen Sohn mit der einzigen Tochter des letzteren verheiratet hatte. Obgleich die Die Charge des Großwolfsjägermeisters brachte 23,000 Livres. Die Zahl der Wölfe war damals in allen Provinzen Frankreichs außerordentlich groß. Heudicourt beklagte sich einmal sehr darüber, daß die Bauern in der Nähe von Versailles eine trächtige Wölfin getötet hatten, die mehrere Junge hätte werfen können. Seine Charge erhielt er erst etwa 20 Jahre nach seiner Heirat. – Die Tochter des Marquis von Heudicourt: Louise Sublet d'Heudicourt, Comtesse von Montgon, geb. 1668, heiratete 1688 den Grafen von Montgon und starb 1707.Herzogin sich nach dem Tode ihres Gatten wieder verheiratet hatte, war sie doch in engster Freundschaft mit dem Marschall verbunden geblieben. Er und Frau von Montespan waren Geschwisterkinder. Herr und Frau von Montespan waren beständig bei ihm, und dort war es auch, wo letztere Frau Scarron kennen lernte und Freundschaft für sie faßte. Als Frau von Montespan Maitresse des Königs geworden war, hütete sich der Marschall um seines Vetters willen, mit ihr zu brechen; er handelte vielmehr als guter Höfling und wurde ihr bester Freund und ihr Ratgeber. Damit war auch Frau Scarrons Glück gemacht: sie kam als Gouvernante zu den Kindern, die Frau von Montespan vom Könige hatte, und zwar gleich von deren Geburt an.

Der Marschall, der nicht wußte, was er mit Fräulein von Pons anfangen sollte, fand einen Herrn von Sublet, aus derselben Familie wie der Staatssekretär de Noyers, der Vermögen hatte und von der Schönheit und hohen Geburt dieses Mädchens geblendet, dasselbe heiratete, nicht zum wenigsten, um sich mit dem Marschall von Albret zu verschwägern und seine Protektion zu gewinnen. Der Marschall, der ihm zu einem Stande verhelfen wollte, erlangte für ihn in Anbetracht dieser Heirat die Charge eines Groß-Wolfsjägermeisters, die der Marquis von Saint-Hérem niederlegte, um die Statthalterschaft von Fontainebleau zu kaufen. Dieser neue Groß-Wolfsjägermeister nannte sich Herr von Heudicourt und hatte eine Tochter, die annähernd in dem Alter des Herzogs von Maine stand. Frau Scarron überzeugte Frau von Montespan, daß es gut sei, wenn sie jenes Mädchen mit ihren Kindern spielen ließe, und so erzog sie es mit ihnen in dem Dunkel und Geheimnis, das sie damals umhüllte. Wenn sie bei Frau von Montespan erschienen, war die kleine Heudicourt stets dabei und blieb auch bei ihnen, nachdem der König sie öffentlich als seine Kinder anerkannt hatte. Als dann Frau Scarron Frau von Maintenon geworden war, vergaß sie doch nie die Wiege ihres Glückes und ihre alten Freunde im Hôtel d'Albret.

Deshalb liebte und förderte sie auch stets und ganz offen Frau von Heudicourt und ihre Tochter, die sie erzogen hatte und besonders liebte.


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