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Streiche der Prinzessinnen. Fräulein von Choin. Clermont. Beider Verbannung. Die Aufnahme des Bischofs von Noyon in die Akademie. Komödie, die mit ihm gespielt wird. Der Erzbischof von Paris.
Während des Feldzuges hatten die Prinzessinnen – unter dieser unterscheidenden Bezeichnung verstand man allein die drei Töchter des Königs – einige Erlebnisse gehabt. Der Herzog von Orléans hatte mit Recht verlangt, daß die Herzogin von Chartres die beiden andern stets »meine Schwester« nenne, diese sie hingegen nie anders als »Madame«. Das war berechtigt, und der König hatte es ihnen befohlen, sie aber waren darüber sehr verschnupft. Die Prinzessin von Conti unterwarf sich dem Befehl indessen ohne weiteres, während die Herzogin von Bourbon-Condé als Tochter einer und derselben Mutter Madame de Chartres Mignonne zu nennen beliebte. Nur war nichts weniger mignon als ihr Gesicht, ihr Wuchs, überhaupt ihre ganze Persönlichkeit. Sie wagte nicht, es übelzunehmen, als es aber schließlich der Herzog von Orléans erfuhr, fühlte er das Lächerliche dieser Anrede heraus, merkte, daß es geschehe, um die Anrede Madame zu umgehen und wurde sehr zornig. Der König verbot der Frau Herzogin diese Familiarität aufs strengste. Sie fühlte sich dadurch noch mehr beleidigt, ließ es sich aber nicht merken.
Als sie einmal nach Trianon gefahren waren, machten diese Prinzessinnen, die dort schliefen und noch jung waren, gemeinsame nächtliche Spaziergänge im Park und belustigten sich mit dem Abbrennen von Feuerwerk. Eines Nachts nun brannten die beiden Ältesten, ich weiß nicht, war es Bosheit oder Unbedachtsamkeit, unter den Fenstern des Herzogs Raketen ab und weckten ihn auf. Er nahm dies höchst übel und beschwerte sich beim König, der sich sehr bei ihm entschuldigte, die Prinzessinnen heftig ausschalt und alle Mühe hatte, seinen Bruder zu begütigen. Sein Zorn machte sich besonders in der Familie geltend: die Herzogin von Chartres hatte lange darunter zu leiden, und ich weiß nicht, ob die beiden anderen darüber gerade sehr böse waren. Man beschuldigte sogar die Herzogin von Bourbon-Condé, einige Spottliedchen auf die Herzogin von Chartres verfaßt zu haben. Endlich wurde alles wieder beigelegt und der Herzog von Orléans verzieh seiner Schwiegertochter vollkommen und zwar auf einen Besuch hin, den er in Saint-Cloud von Frau von Montespan erhielt, die er stets sehr geliebt hatte. Diese versöhnte auch ihre beiden Töchter, denn sie hatte sich ihren Einfluß auf sie bewahrt und wurde von ihnen mit der größten Hochachtung behandelt.
Die Prinzessin von Conti hatte ein anderes Erlebnis, das viel Aufsehen machte und beträchtliche Folgen hatte. Die Gräfin von Bury war ihr, als sie sich verheiratete, als Ehrendame beigegeben worden. Sie war eine Frau von großer Tugend, Sanftmut und Höflichkeit, hatte dabei Geist und sehr viel Lebensart. Sie war eine Urre d'Aiguebonne und wurde 1666 Witwe. Ihr Mann, von dem sie keine Kinder hatte, war ein jüngerer Sohn aus dem Hause Rostaing und Bruder der alten Lavardin, der Mutter des Marquis von Lavardin, Ritters des Heiliggeistordens und Gesandten in Rom.
Frau von Bury hatte aus dem Delphinat ihre Nichte, Fräulein von Choin, kommen lassen und sie als Ehrenfräulein bei der Prinzessin von Conti untergebracht. Dies war ein dickes, untersetztes, braunes, häßliches, stumpfnasiges Mädchen, das viel Verstand hatte, aber intrigant und ränkesüchtig war. Sie sah Tag für Tag den Dauphin, der beständig bei der Prinzessin von Conti war. Sie unterhielt ihn, und ohne daß man es gewahr wurde, war sie ganz und gar seine Vertraute geworden.
Frau von Lillebonne und ihre beiden Töchter, die ebenfalls beständig bei der Prinzessin von Conti waren und auf vertrautem Fuße mit dem Dauphin standen, merkten zuerst, daß die Choin das vollkommenste Vertrauen des Thronfolgers gewonnen hatte, und wurden ihre besten Freundinnen. Der Marschall von Luxemburg, der eine feine Nase hatte, wußte daraus Nutzen zu ziehen: der König liebte ihn nicht und bediente sich seiner nur, weil er mußte; er fühlte es und hatte sich ganz dem Dauphin zugewandt. Der Prinz von Conti hatte ihm und seinem Sohn, dem Herzog von Montmorency, die Freundschaft desselben verschafft. Von seiner persönlichen Zuneigung abgesehen, kam der Prinz dem Marschall sehr entgegen, um von ihm unterrichtet und herausgestrichen zu werden, hoffte er doch zum Oberbefehl über die Armeen zu gelangen; die Ausschweifung tat noch ein Übriges zur Befestigung dieser Intimität.
Die heftige Eifersucht, die der Herzog von Vendôme in jeder Beziehung gegen den Prinzen von Conti empfand, gegen den er aber nichts offen zu unternehmen wagte, hatte ihn mit dem Marschall von Luxemburg entzweit und veranlaßt, zu Catinats Armee zu gehen, wo er niemand über sich hatte. Der Herzog von Maine, den Rangfragen auf den General eifersüchtig machten, stand nicht besser mit ihm. All das fesselte ihn immer mehr an den Prinzen von Conti und bewog ihn, sich dem Dauphin mit besonderem Eifer zuzuwenden. Dies war auch der Grund, warum der Dauphin Flandern vor Deutschland den Vorzug gegeben hatte, wohin der König, der etwas von den Intrigen des Marschalls von Luxemburg beim Dauphin merkte, ihn schicken wollte.
Dieser Prinz hatte Zuneigung für Clermont, vom Zweige de Chaste, Fähnrich bei den Gardeschwerenreitern, gefaßt. Das war ein großer, vortrefflich gewachsener Mann, der nichts besaß als sehr viel Ehre im Leibe, Tapferkeit und einen sehr für die Intrige geeigneten Geist. Er hatte sich, unter Berufung auf seine Verwandtschaft mit ihm, sehr an den Marschall von Luxemburg angeschlossen. Dieser suchte eine Ehre darin, ihn emporzubringen und fand ihn bald für seine Zwecke geeignet. Er hatte sich bei der Prinzessin von Conti Zutritt verschafft und getan, als sei er in sie verliebt; sie aber verliebte sich bald wirklich in ihn. Dank diesem doppelten Rückhalt wurde er bald ein Günstling des Dauphin, und da er sich bereits des Vertrauens des Marschalls erfreute, wurde er bald mit allen Absichten des Prinzen von Conti und des Herzogs von Luxemburg bekannt. Diese aber strebten danach, den Geist des Dauphin zu beherrschen und ihn zu leiten, um über den Staat zu verfügen, wenn er einmal König geworden wäre.
In diesem Bestreben rieten sie Clermont, sich an die Choin heranzumachen, ihr Liebhaber zu werden und sich den Anschein zu geben, als wolle er sie heiraten. Sie vertrauten ihm an, was für Absichten der Dauphin mit ihm hätte und versicherten ihm, dieser Weg würde für ihn bestimmt der Weg zum Glück sein. Clermont, der nichts hatte, glaubte ihnen ohne weiteres: er spielte seine Rolle und fand die Choin nicht grausam; die Liebe, die er heuchelte und ihr durch die Tat bewies, verschaffte ihm ihr Vertrauen: sie verhehlte ihm nicht mehr, daß sie das Vertrauen des Dauphin besitze, und ebenso machte der Dauphin ihm gegenüber kein Geheimnis mehr aus seiner Freundschaft für die Choin; und bald darauf war die Prinzessin von Conti die von ihnen allen Betrogene. Hierauf ging er zur Armee, wo Clermont aller Auszeichnungen teilhaftig wurde, die der Marschall von Luxemburg ihm erteilen konnte.
Beunruhigt über das, was er von dieser Kabale, die sich um seinen Sohn spann, zu erkennen glaubte, ließ der König sie alle abreisen und vergaß nicht, sich ihr Vertrauen auf das Postgeheimnis zunutze zu machen. Die Kuriere brachten ihn oft um die Frucht dieser Nachforschungen, endlich aber verriet die Unvorsichtigkeit, den Kurieren nicht alles vorzubehalten, die Intrige. Der König bekam einige von ihren Briefen in die Hände: er ersah daraus die Absicht Clermonts und der Choin sich zu heiraten, ihre Liebe, ihren Plan, den Dauphin zu beherrschen, gegenwärtig sowohl, wie nach seinem, des Königs, Tode; ferner, wie sehr der Marschall von Luxemburg die Seele dieser ganzen Geschichte war, und was für Wunderdinge er sich davon erwartete, endlich die maßlose Geringschätzung der Choin und Clermonts für die Prinzessin von Conti, deren Briefe Clermont ihr opferte. Diese Briefe erlangte der König durch dasselbe auf der Post aufgefangene Paket, nach vielen anderen, aus denen er Auszüge machte und deren Originale er dann abliefern ließ. Bei dem Paket befand sich auch ein Brief Clermonts, der das Opfer begleitete, und in dem die Prinzessin schonungslos behandelt, der Dauphin nur unter dem Namen ihres »dicken Freundes« erwähnt wurde, und das ganze Herz sich zu ergießen schien.
Der König glaubte nun genug Material zu besitzen, und eines Nachmittags, als schlechtes Wetter war und er nicht ausfuhr, ließ er der Prinzessin von Conti sagen, sie möge in sein Kabinett kommen, er habe mit ihr zu sprechen. Er hatte auch Briefe von ihr an Clermont und solche von Clermont an sie in Händen, in denen die Liebe der beiden starken Ausdruck fand, und über die er und die Choin sich zusammen lustig machten.
Die Prinzessin von Conti, die gleich ihren Schwestern außer in den von der Etikette vorgesehenen Fällen, den König stets nur zwischen seiner Abendmahlzeit und seinem Coucher besuchte, war sehr erstaunt über diese Botschaft. Sie leistete dem Befehl Folge, fragte sich aber sehr beunruhigt, was der König wohl von ihr wolle; denn er wurde von seinen engsten Familienmitgliedern, wenn möglich, noch mehr gefürchtet, als von seinen übrigen Untertanen. Ihre Ehrendame blieb in einem der Vorzimmer zurück, während der König sie selbst in sein Kabinett führte. Dort erklärte er ihr in strengem Tone, er wisse alles, sie solle gar nicht erst versuchen, ihm ihre Schwäche für Clermont zu verbergen, fügte alsbald hinzu, er besitze ihre Korrespondenz und zog die Briefe aus der Tasche. »Kennt Ihr diese Schrift?« fragte er. Es war die ihrige und die Clermonts.
Bei dieser Einleitung bekam die arme Prinzessin einen Ohnmachtsanfall. Der König fühlte Mitleid und brachte sie, so gut es ging, wieder zu sich. Dann gab er ihr die Briefe und kanzelte sie ab, doch ziemlich milde. Darauf erklärte er ihr, das sei noch nicht alles, er habe ihr noch andere zu zeigen, aus denen sie ersehen würde, wie übel angebracht ihre Neigung sei und welcher Rivalin man sie geopfert habe. Dieser neue Blitzstrahl, der vielleicht noch niederschmetternder war als der erste, machte ihre Sinne von neuem schwinden. Der König brachte sie abermals zu sich, doch nur um ihr eine grausame Pein aufzuerlegen: er verlangte, sie sollte in seiner Gegenwart ihre geopferten Briefe und die Episteln Clermonts und der Choin lesen. Sie tat es und meinte, das Herz müsse ihr brechen. Sie warf sich dem König zu Füßen, tränenüberströmt und kaum imstande, ein Wort hervorzubringen: sie schluchzte, bat, gebärdete sich wie verzweifelt, raste und flehte um Gerechtigkeit und Rache. Letztere ließ nicht auf sich warten: die Choin wurde am nächsten Tage davongejagt, und der Marschall von Luxemburg erhielt gleichzeitig den Befehl, Clermont in die nächste Stadt – das war Tournay – zu schicken, mit der Weisung, seine Charge niederzulegen, sich dann in den Delphinat zurückzuziehen und diese Provinz nicht mehr zu verlassen. Gleichzeitig ließ der König dem Dauphin melden, was zwischen ihm und seiner Tochter vorgefallen war, und nahm ihm dadurch die Möglichkeit und den Mut, etwas für die beiden Unglücklichen zu tun. Man kann sich denken, welches Licht auf den Prinzen von Conti, vor allem aber auf den Marschall von Luxemburg und seinen Sohn durch diese Entdeckung fiel, und welcher Schreck den beiden letzteren in die Glieder fuhr.
Da indes die Freundschaft des Dauphin für die Choin durch die gleichen Briefe aufgedeckt worden war, wagte die Prinzessin von Conti nicht, alle Schonung Die Gräfin von Bury hatte sich bereits im April 1693 zurückgezogen.beiseite zu lassen. Sie schickte Fräulein von Choin in einer ihrer Karossen nach Paris in die Abtei von Port-Royal und gewährte ihr eine Pension und Wagen zur Fortschaffung ihrer Möbel. Die Gräfin von Bury, die keine Ahnung von den Intrigen ihrer Nichte gehabt hatte, war untröstlich über den Skandal und beschloß bald darauf, sich zurückzuziehen.
Frau von Lillebonne und ihre Töchter beeilten sich, die Choin zu besuchen, aber unter Beobachtung der äußersten Vorsicht: es war dies das sichere Mittel, in unmittelbarer Verbindung mit dem Dauphin zu bleiben; sie wollten aber von Seiten des Königs nichts riskieren, ebensowenig von Seiten der Prinzessin von Conti, die mit der äußersten Schonung und Rücksicht zu behandeln sie allen Grund hatten. Sie waren Prinzessinnen, aber infolge des verschwenderischen Lebens des Herrn von Lillebonne häufig im wahren Sinne des Wortes ohne Kleider und ohne Brot. Herr von Louvois hatte sie oftmals damit versehen; die Prinzessin von Conti hatte sie an den Hof gezogen, unterhielt sie dort, machte ihnen fortwährend Geschenke, verschaffte ihnen Annehmlichkeiten aller Art, und ihr hatten sie es zu verdanken, daß der Dauphin sie kennen gelernt, und daß sie später seines vertrauten Umgangs und schließlich seiner erklärten und besondersten Freundschaft gewürdigt worden waren.
Die Spottlieder taten das Ihrige, dieses sonderbare Abenteuer der Prinzessin und ihrer Vertrauten bekannt zu machen.
Der Bischof von Noyon hatte bei unserer Rückkehr Stoff zu andern Spottliedern gegeben. Das Erlebnis, das er hatte, war ihm um so schmerzlicher, als es alle Welt Die freigewordene Stelle an der französischen Akademie hatte der Advokat und Dichter Jean Barbier d'Aucour innegehabt. Er war am 13. September 1694 gestorben. – Die Aufnahmerede war seit 1640 obligatorisch. Patru war der erste Akademiker, der eine solche gehalten hatte. Seit der Rede La Bruyères 1693 mußten die Texte der Approbation des Direktors und des Kanzlers unterworfen werden. Die feierlichen Aufnahmen in die Akademie waren erst seit der Übersiedlung derselben in den Louvre (1672) öffentlich; die Damen wurden zum erstenmal am 7. September 1702, bei der Aufnahme Chamillarts, Bischofs von Senlis, zugelassen.auf seine Kosten belustigte. Man hat zu Anfang dieser Memoiren gesehen, was für ein Mann dieser Prälat war. Der König hatte seinen Spaß an seiner Eitelkeit, die ihn alles als Auszeichnung auffassen ließ, und die Wirkungen dieser Eitelkeit würden ein ganzes Buch füllen.
An der französischen Akademie wurde ein Platz frei, und der König wollte, daß er in diese Körperschaft aufgenommen werde. Er befahl sogar Dangeau, der dazu gehörte, diesen seinen Wunsch den Akademikern zu erkennen zu geben. Dies war noch nie geschehen, und der Bischof von Noyon, der sich auf sein Wissen etwas einbildete, schwamm in Seligkeit und sah nicht, daß der König sich einen Spaß machen wollte. Man kann sich denken, daß der Prälat alle Stimmen erhielt, ohne sich um eine einzige beworben zu haben. Der König äußerte sich gegenüber dem Prinzen von Condé und allen hervorragenden Persönlichkeiten des Hofes, er würde sich sehr freuen, wenn sie sich zu seiner feierlichen Aufnahme einfänden. So wurde der Bischof von Noyon das erste Mitglied der Akademie von Königs Gnaden, ohne daß er selbst vorher daran gedacht hatte, und der erste dazu, zu dessen Aufnahme einzuladen der König sich die Mühe genommen hatte.
Der Abt von Caumartin war damals Kanzler der Akademie und infolgedessen berufen, auf die Rede zu antworten, die der Prälat dort halten würde. Er kannte seine Eitelkeit und den ihm eigenen Stil. Er hatte viel Geist und Wissen. Er war jung und Stiefbruder Louis-Urbains von Caumartin, des Intendanten der Finanzen, der damals sehr in der Mode war und fast alle Finanzgeschäfte unter dem Generalkontrolleur Pontchartrain, seinem nahen Verwandten und vertrauten Freund, machte. Die Aufnahme des Bischofs von Noyon (François de Clermont-Tonnerre) in die Akademie erfolgte Montag, den 13. Dezember 1694. Caumartin antwortete auf die Rede des Bischofs an Stelle Lafontaines, der an diesem Tage verhindert war.
Diese Verbindung machte den Abt kühner, und da er sicher darauf rechnete, den allgemeinen Beifall zu erhalten und vom Minister gestützt zu werden, nahm er sich vor, die Öffentlichkeit auf Kosten des Bischofs, den er aufzunehmen hatte, zu belustigen. Er verfaßte also eine konfuse und so viel wie möglich im Stile des Bischofs geschriebene Rede, die aus nichts bestand als aus einem Gewebe faustdicker Lobhudeleien und emphatischer Vergleiche, deren pompöser Galimatias eine fortgesetzte Satire auf die Eitelkeit des Prälaten war und ihn vollkommen lächerlich machte.
Nachdem er sein Werk noch einmal durchgelesen hatte, bekam er es doch mit der Angst, so über alles Maß schien es ihm hinauszugehen. Um sicher zu gehen, brachte er es dem Bischof von Noyon, wie ein Schüler seinem Lehrer, und wie ein junger Mann einem hohen Prälaten, von dessen löblichen Taten er nichts auslassen und auch nichts sagen wollte, was nicht nach seinem Geschmacke war und seinen Beifall verdiente. Diese so respektvolle Aufmerksamkeit entzückte den Bischof: er las die Rede und las sie abermals; er war davon beglückt, konnte sich's aber nicht versagen, einige stilistische Korrekturen anzubringen und noch etliche Momente zu seinem eigenen Lobe hinzuzufügen. Der Abt empfand ein lebhaftes Vergnügen, als er sein Werk wieder in Händen hatte; als er aber die Ergänzungen von der Hand des Bischofs und seine Korrekturen entdeckte, war er seinerseits entzückt, sowohl daß die Falle, die er ihm gestellt, soviel Erfolg gehabt, als daß er nun ein Zeugnis seiner Zustimmung in Händen hatte, das ihn vor jeder Klage sicherte.
Als der Tag der Aufnahme gekommen, war der Saal überfüllt von allem, was Hof und Stadt an hervorragenden Persönlichkeiten aufzuweisen hatten. Man kam hin in dem Wunsche, sich dadurch dem Könige angenehm zu machen und in der Hoffnung, sich zu vergnügen. Der Bischof von Noyon erschien mit einem zahlreichen Gefolge, grüßte nach rechts und nach links und bemerke die auserlesene und zahlreiche Gesellschaft mit sichtlicher Genugtuung. Mit der ihm eigenen Zuversicht hielt er sodann eine Rede, deren Konfusion und Sprache die Erwartung des Auditoriums erfüllten. Der Abt von Caumartin antwortete mit bescheidener Miene und in gemessenem Ton und würde durch leichte Biegung der Stimme an den lächerlichsten und für den Prälaten bezeichnendsten Stellen die Aufmerksamkeit aller Zuhörer geweckt haben, wenn die öffentliche Bosheit auch nur einen Augenblick hätte schlummern können. Die von Geist und Kunst funkelnde Bosheit des Abtes aber übertraf alles, was man sich von ihm versehen dürfte, wenn man die Kühnheit seiner Absicht vorausgesehen hätte. Die Überraschung darüber steigerte infolgedessen das Vergnügen, das man daran fand, ganz außerordentlich. Der Beifall war daher ungeheuer und allgemein, und wie auf Verabredung berauschte jeder den Bischof immer mehr durch die Versicherung, daß seine Rede um ihrer selbst willen den ganzen Beifall verdiene, während die des Abtes nur deswegen gefallen habe, weil er es verstanden, würdige Worte des Lobes für ihn zu finden. Entzückt von dem Abte und dem Publikum kehrte der Prälat aus der Sitzung heim und schöpfte nie den leisesten Argwohn.
Man kann sich denken, welches Aufsehen diese Komödie erregte, und was für eine Figur der Bischof von Noyon machte, als er im engen Kreise wie in den Gesellschaften seine eigene Rede und die Antwort des Der Erzbischof von Paris, François Harlay, der am 9. August des folgenden Jahres starb. – Saint-Germain; es handelt sich hier nicht um das alte Schloß Franz I., sondern um das, welches Heinrich IV. auf dem Kamme des Hügels hatte erbauen lassen und das Ludwig XIII. und dann Ludwig XIV., der dort 1638 geboren wurde, vergrößerten und verschönerten. Heute ist davon nur noch ein Pavillon übrig. – Als Pair von Frankreich hatte der Bischof von Noyon das Recht, in den Hof des Louvre und jede andere vom Könige bewohnte Residenz, im Wagen einzufahren. Der hier geschilderte Vorfall ereignete sich vor 1674. Erst in diesem Jahre wurde der Erzbischof von Paris, François de Harlay, Herzog und Pair und bekam damit das Recht, in den Louvre einzufahren. Der Erzbischof rächte sich für das Verhalten des Bischofs bald darauf. Er fuhr nämlich an einem Gebüsch vorbei, in dem derselbe ein Geschäft verrichtete, und ließ ihm von seinem Kutscher mit der Peitsche eins überziehen. – Dangeau berichtet in seinem Tagebuche noch einige weitere Anekdoten von dem Bischof von Noyon, z. B.: Monsieur de Noyon (die französischen Bischöfe und Erzbischöfe wurden immer nach ihrer Diözese genannt, z. B. Monsieur de Paris, Monsieur de Chartres, Monsieur de Meaux etc.) nannte oftmals den Papst Monsieur de Rome und versicherte, daß, wenn Monsieur de Rome sich in Noyon befände und dort ohne seine Erlaubnis priesterliche Funktionen ausüben wollte, so würde er ihn energisch daran verhindern. Für den stolzen Franzosen war der Papst noch immer der Bischof von Rom, ein höherer Metropolit. – Der Erzbischof von Paris verlor seinen Einfluß auf die Verteilung der Pfründen, nachdem der Jesuitenpater de la Chaise 1675 Beichtvater des Königs geworden war.Kanzlers lobte und sich zu der Zahl und Erlauchtheit seiner Zuhörer, ihrer einmütigen Bewunderung und der Liebenswürdigkeit des Königs bei dieser Gelegenheit beglückwünschte. Der Erzbischof von Paris, Harlay, den er aufsuchen wollte, um seinen Triumph auszukosten, liebte ihn gar nicht: eine Demütigung, die er von ihm erfahren hatte, lastete ihm seit langem auf der Seele.
Er war noch nicht Herzog, und der Hof war in Saint-Germain, wo es keine kleinen Höfe gab wie in Versailles. Der Bischof von Noyon, der eines Tages in seiner Karosse in den Hof des Schlosses einfuhr, begegnete dort dem Erzbischof, der zu Fuß war. Er ruft ihn an; der Erzbischof geht zu ihm hin und glaubt, er werde aussteigen. Keine Spur: er nimmt ihn von seiner Karosse aus bei der Hand und führt ihn so, fortwährend sprechend und den Erzbischof, der innerlich kocht, bekomplimentierend, am Bändel bis an die Treppe.
Immer gleich freundlich und liebenswürdig mit ihm plaudernd, stieg der Bischof mit ihm hinauf und gab so wenig zu erkennen, daß er merkte, eine Ungeschicklichkeit begangen zu haben, daß der Erzbischof von Paris es nicht wagte, eine Affäre daraus zu machen, die Sache wurmte ihn darum aber doch nicht weniger.
Da dieser Erzbischof sehr gut mit dem Könige stand, den Versammlungen des Klerus mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit und seiner ganzen liebenswürdigen Art präsidierte und – wenigstens eine Zeitlang – die Verteilung der Benefizien mit zu bestimmen hatte, hielt er es allmählich nicht mehr für notwendig, selbst den hervorragendsten Prälaten Besuche zu machen, obwohl alle häufig zu ihm kamen. Der Bischof von Noyon nahm das übel und gab es ihm sehr deutlich zu verstehen. Der Erzbischof entschuldigte und entschuldigte sich immer wieder. Als der Bischof endlich sah, daß es immer bei den Entschuldigungen bleiben würde, beschwerte er sich so eindringlich beim König, daß er ihn veranlaßte, dem Erzbischof zu befehlen, daß er ihm seinen Besuch mache. Der letztere war darüber um so gekränkter, als er nicht mehr wagen durfte, sich dieser Verpflichtung bei den offiziellen Gelegenheiten zu überheben und als diese Ausnahme ihn mit anderen hervorragenden Prälaten in Konflikt brachte.
Man kann sich daher denken, mit welchem Behagen der Erzbischof die Farce der Aufnahme des Bischofs in die Akademie genoß, daß seine Genugtuung aber so lange nicht vollkommen sein konnte, als der Bischof von Noyon fortfuhr, sich zu seinem Erfolg zu beglückwünschen.
So versäumte er denn auch nicht, die Gelegenheit eines Besuches wahrzunehmen, den der Bischof ihm machte, um ihm die Augen zu öffnen und ihm als sein ergebener Diener und Konfrater anzudeuten, was er ihm nicht in dürren Worten zu sagen wagte. Er ging lange wie die Katze um den heißen Brei, ohne daß es ihm gelang, sich einem Manne verständlich zu machen, der so von sich eingenommen und so weit davon entfernt war, auf den Gedanken zu verfallen, daß es möglich sei, sich über ihn lustig zu machen. Endlich brachte er es aber doch fertig und bat ihn, um der Ehre des durch einen jungen Mann beleidigten Episkopats willen, wie er sich ausdrückte, den Sieg desselben nicht durch Verlängerung der Posse zu vergrößern und seine wahren Freunde um Rat zu fragen.
Der Bischof von Noyon schwatzte noch ein langes und ein breites, bevor er sich ergab, konnte, aber schließlich doch nicht umhin, Argwohn zu schöpfen und dem Erzbischof zu danken. Auch kam er mit ihm überein, mit dem Pater de la Chaise, der zu seinen Freunden gehörte, über die Sache zu sprechen und eilte auch wirklich, sowie er den erzbischöflichen Palast verlassen hatte, zu ihm. Er bat den Pater, nachdem er ihm seine Befürchtung auseinandergesetzt, so lange, ihm ohne Rückhalt zu antworten, daß der Beichtvater, der an sich ohne Falsch in dieser Sache war und schwankte, ob er den Bischof in dieser überaus lächerlichen Situation lassen oder dem Abt von Caumartin einen verdrießlichen Handel zuziehen sollte, sich zuletzt nicht entschließen konnte, einen Mann zu täuschen, der ihm Vertrauen schenkte. Er bestätigte ihm also so schonend wie möglich, daß der Erzbischof ihm die Wahrheit gesagt habe. Das Übermaß des Zornes und Ärgers folgte nun auf das Übermaß des Entzückens. In diesem Seelenzustande kehrte der Bischof nach Hause zurück und ging am andern Tage nach Versailles, wo er sich aufs bitterste über den Abt von Caumartin beklagte, der Schindluder mit ihm getrieben und ihn zum allgemeinen Gespött gemacht habe.
Der König, der sich wohl ein wenig hatte vergnügen wollen, aber stets und überall eine gewisse Ordnung und eine gewisse Schicklichkeit forderte, war bereits über das Vorgefallene informiert worden und hatte es sehr unpassend gefunden. Diese Klagen verstimmten ihn um so mehr, als er fühlte, daß er die unschuldige Ursache einer so lächerlichen und so offenkundigen Szene war, und obwohl er sich gerne über die Narreteien des Bischofs von Noyon lustig machte, ließ er es doch nie an Freundlichkeit und Schätzung für ihn fehlen. Er ließ Pontchartrain holen und befahl ihm, seinem Verwandten ganz gehörig den Kopf zu waschen und ihm einen Verbannungsbrief zuzustellen, damit er sich in seine Abtei von Busay in der Bretagne verfüge und dort zu Verstand komme.
Pontchartrain wagte kaum eine Entgegnung: er führte den ersten Teil des Befehls prompt aus, den zweiten aber verschob er bis auf den folgenden Tag, bat dann um Gnade, hob die Tugend des Abtes hervor, die starke Versuchung für ihn, sich die Lächerlichkeit des Prälaten zunutze zu machen, und vor allem den Umstand, daß der Bischof von Noyon die Antwort eigenhändig korrigiert und ergänzt habe, so daß er es nur sich selbst zuschreiben könne, wenn ihm entgangen sei, was alle Welt darin zu sehen geglaubt hatte.
Dieser letztgenannte Grund, den ein dem König angenehmer und sehr geistvoller Minister ins rechte Licht zu setzen wußte, beseitigte wohl den Verbannungsbefehl, nicht aber den Unwillen des Königs. Mehr wollte Pontchartrain für diesmal nicht. Er hob das lebhafte Bedauern und den Schmerz des Abtes hervor und seinen Entschluß, den Bischof von Noyon um Verzeihung zu bitten und ihm zu versichern, daß er niemals die Absicht gehabt habe, es ihm gegenüber an Achtung fehlen zu lassen und ihm zu mißfallen. In der Tat ließ er ihn um die Erlaubnis angehen, diese Bitte um Verzeihung bei ihm persönlich anzubringen, der beleidigte Bischof wollte sie jedoch nicht annehmen, und nachdem er maßlos auf die Caumartins gewettert hatte, begab er sich in seine Diözese, um dort seine Beschämung zu verwinden, und blieb daselbst lange Zeit.
Kurz nach seiner Rückkehr – das muß gleich erwähnt werden – erkrankte er so schwer, daß er die letzte Ölung empfing. Bevor er sie empfing, ließ er aber Auf die Trefflichkeit des Marquis d'Arcy fiel insofern ein Schatten, als er sich an den Ausschweifungen Bussy-Rabutins getreulich beteiligte.den Abt Caumartin holen, verzieh ihm, umarmte ihn, zog von seinem Finger einen schönen Diamantring, den er ihn zu behalten und ihm zu Liebe zu tragen bat, und als er dann wiederhergestellt war, tat er beim Könige alles Erdenkliche, um ihn wieder zu versöhnen. Er hat sein ganzes Leben mit Wärme und Beharrlichkeit daran gearbeitet und keine Gelegenheit außer acht gelassen, ihn zum Bischof zu machen, – durch diesen Streich hatte er es aber beim König gründlich verschüttet.
Der Marquis d'Arcy war zu Beginn des Feldzuges in Maubeuge gestorben. Vom Gouverneur des Herzogs von Chartres war er sein erster Kammerherr und taktvoller Wächter über seine Lebensführung geworden. Dieser Prinz, der verständig genug war, seinen ganzen Wert zu fühlen, hat ihn sein ganzes Leben hindurch betrauert und es auf jede Weise seiner Familie, ja selbst seiner Dienerschaft gegenüber bewiesen. Er war Ritter des Ordens von 1688, Staatsrat und war Gesandter in Savoyen gewesen. Er war ein Mann von einer Trefflichkeit und Fähigkeit, wie sie selten zu finden sind, ohne jede Pedanterei, sehr in der großen Welt zu Hause und sehr tapfer, ohne etwas daraus zu machen. Bei ihm wäre die Erziehung und Unterweisung eines Königs in den besten Händen gewesen, und er hätte eine solche Aufgabe verdient. Er war weder verheiratet noch reich und erreichte kaum sechzig Jahre; er war gut gewachsen und hatte ein sehr einnehmendes Gesicht. Als die Armee zurückkehrte, war man überrascht, zu sehen, wen der König zu seinem Nachfolger beim Herzog von Chartres bestimmte. Es war der Kavalleriebrigadier Cayeux, ein wackerer, sehr ehrenwerter Edelmann, der gehörig trank, aber weiter nichts konnte. Der Herzog von Chartres Fräulein von Piennes; ihre Mutter war Françoise Godet, Tochter von Claude, Herrn von Marais. Deren zweiter Mann war Antoine de Brouilly, Marquis von Piennes. – Saint-Cyr; die auf Anregung der Frau von Maintenon 1686 in Saint-Cyr bei Versailles gegründete Maison royale de Saint-Louis war zur Erziehung von 250 Mädchen aus vornehmer Familie bestimmt.war sehr erfreut, mit einem Beaufsichtiger zu tun zu haben, um den er sich nicht zu kümmern brauchte, und ließ ihn in jede Falle tappen, die er ihm stellte.
Während des Feldzuges hatte es beim Herzog von Orléans einige Veränderungen gegeben. Er erlaubte Châtillon, seinem alten Günstling, seinem älteren Bruder die Hälfte seiner Charge als sein erster Kammerherr zu verkaufen. Châtillon hatte aus Liebe Fräulein von Piennes geheiratet: sie waren unbestritten das schönste Paar am Hofe. Sie entzweiten sich und trennten sich auf Nimmerwiedersehen. Sie war Dame d'atour der Herzogin von Orléans und Schwester der Marquise von Villequier, die ebenfalls eine Liebesheirat gemacht hatte. Herr von Aumont hatte jahrelang nicht einwilligen wollen. Endlich mischte sich Frau von Maintenon hinein, weil die Mutter dieser Schönen eine Verwandte des Bischofs von Chartres, Gewissensrates von Saint-Cyr und der Frau von Maintenon und gleichen Namens mit ihm war. Es gelang ihr auch endlich, die Heirat zustandezubringen.
Der Graf von Tonnerre, ein Neffe des Bischofs von Noyon, von dem ich eben gesprochen habe, verkaufte seinerseits die andere Charge eines ersten Kammerherren des Herzogs von Orléans, die er seit langer Zeit innehatte, an Sassenage, der den Militärdienst quittierte. Tonnerre hatte viel Geist, das war aber auch alles. Er schoß häufig sehr satirische Witzpfeile ab, stand aber bei den Abenteuern, die sie ihm zuzogen, nicht seinen Mann. Da ihn das nicht bewog, sich seine beißenden Bemerkungen zu versagen, kam es schließlich dahin, daß man sich hätte schämen müssen, mit ihm einen Streit zu haben; auch legte man sich in bezug auf das, was man ihm antworten oder sagen wollte, keinerlei Zwang auf. Seit langer Zeit war er infolge seiner Bonmots an diesem kleinen Hofe sehr schlecht angeschrieben. Es war ihm die Bemerkung entfahren, er wisse nicht, was ihn in dieser Bude noch halte; der Herzog sei die dümmste Frau von der Welt und die Herzogin der dümmste Mann, den er je gesehen. Beide erfuhren es und fanden sich sehr beleidigt. Es erfolgte indessen nichts darauf, doch vertrieb ihn schließlich das Gemisch der Sticheleien auf jedermann und der außerordentlichen Mißachtung, die er sich zugezogen hatte, vom Hofe, und er führte fortab ein sehr klägliches Leben.