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Dank vom Hause Abbâs

Der Königsmacher der orientalischen Geschichte ist Abu Muslim. Als die Lebensuhr des damascenischen Kalifengeschlechtes abgelaufen schien, da erhob sich im Osten ein anderes Geschlecht, welches behauptete, daß die höchste Macht im Islam ihm gebühre. Nachkommen des Propheten in direkter männlicher Linie gab es nicht; diese neuen Thronprätendenten konnten sich dagegen auf direkte männliche Abstammung von einem Onkel des Propheten, auf Abbâs, den älteren Bruder von des Propheten früh gestorbenem Vater berufen. Ihr Kriegsmann war Abu Muslim, der in Chorasan ein mächtiges Heer sammelte. Als er dann den Zug nach dem Westen antrat, da zerschmolzen die Heere der Omajjaden vor ihm wie Schnee an der Sonne. In einem Siegeslauf von unerhörter Schnelligkeit überrann er alle Länder des Kalifats, vernichtete den Kalifenthron in Damaskus und errichtete einen neuen in Babylonien für den Ältesten des Abbassiden-Geschlechtes, Abbâs I. genannt Der Schlächter. Nur zwei Jahre konnte dieser Wüterich toben. Ihm folgte sein Bruder Mansûr.

Abu Muslim wurde von der neuen Dynastie mit Dankesbezeugungen überschüttet; je mehr sich aber ihre Macht befestigte, um so mehr fingen sie an ihm zu mißtrauen, ihn zu fürchten und zu hassen. Denn hatte er die Macht gehabt, sie auf den Thron zu erheben, so hatte er vielleicht auch die Macht, sie wieder vom Thron zu stoßen. Außerdem war es ihnen unangenehm, diesem Mann so viel Dank schulden zu müssen. Daher sann Mansûr, der neue Kalif, auf sein Verderben.

Abu Muslim war kein Hofmann. Er lebte fern vom Hofe inmitten seiner Heere, beständig an den Grenzen Kriege führend zur Mehrung der Herrlichkeit des Reiches. Alle noch so lockenden Einladungen zu einem Besuch bei Hofe lehnte er jahrelang ab. Als aber schließlich Mansûr ihn persönlich in einem liebenswürdigen Schreiben zu einem Besuch bei sich auf eines seiner Schlösser einlud, da sollte sich sein Verhängnis erfüllen. Er nahm die Einladung an.

Als nun der Kalif mit Abu Muslim allein war, er ihn also ganz in seiner Gewalt hatte, warf er urplötzlich die Maske der Höflichkeit ab, und in wildem Hasse fuhr er ihn an mit den Worten: »Und du hast die Frechheit, öffentlich zu behaupten, daß du ein Abbaside seist, daß du von meinem Urahn abstammst und zu meiner kaiserlichen Familie gehörst!« Darauf antwortete Abu Muslim: »Die Quelle meines Wissens ist dein eigener Bruder Ibrahim. Als dein Geschlecht zuerst das Kalifat für Euch forderte und ich die ersten Kämpfe für Euren Anspruch führte, da sagte mir dein Bruder, ich sei Abderrahman Ibn Salît Ibn Abdallah Ibn Abbâs, und er fügte hinzu: Wenn Allah uns das Kalifat verleiht und die ungläubige Dynastie der Omajjaden vernichtet, dann werden wir dir ein Mädchen aus unserer Familie zur Frau geben, die Prinzessin Umm Ali, die Tochter des Ali Ibn Abdallah Ibn Abbâs.«

Der grimme Mansûr erklärte dies alles für Lug und Trug. »Du und ein Verwandter meines Hauses! Du bist der Sohn eines niedrigen Barbaren in Ispahan.« Er fuhr fort, den armen Abu Muslim mit groben Worten zu beschimpfen, er warf ihm allerlei Anschuldigungen ins Gesicht, die gänzlich unbegründet waren. Dann verschwand er.

Abu Muslim hat das Schloß nicht mehr lebend verlassen.

Das war der Dank vom Hause Abbâs.


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