Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wie es einem bezechten Prinzen ergehen konnte

Prinz Abu Ali, ein Urenkel von Harun Alraschîd, pflegte viel in einem der christlichen Klöster Bagdads, genannt Dair Mudjan, zu verkehren und in Gesellschaft lustiger Kumpane Trinkgelage zu veranstalten. Denn von allen Klöstern Bagdads kelterte und verzapfte gerade dies die besten Weine. Der Prinz hielt sich dort tagelang auf, prassend und schlemmend bei Gesang und Tanz, so daß schließlich die Nachbarsleute des Quartiers sich bei der Polizei über sein wüstes Treiben beschwerten.

So kam denn die Kunde davon dem hochgestrengen Stadtpräfekten, Isaak Ibn Ibrahîm aus dem allmächtigen Hausmaiergeschlecht der Tahiriden zu Ohren. Der schickte sofort einen Boten zu dem Prinzen, stellte ihm vor, wie unpassend sein Benehmen sei, und mahnte ihn, davon abzulassen. Der Prinz aber in seinem Von-Gottes-Gnaden-Hochmut brauste auf und rief ganz laut: »Was hat der Präfekt mir zu befehlen? Sollte man es glauben, daß der mir verbieten will, meinen Sängerinnen zu lauschen und zu zechen, wo und wie es mich freut?«

Als dem Präfekten diese Rede hinterbracht wurde, geriet er in hellen Zorn, hielt aber über Tag an sich, bis es dunkel geworden war. Dann bestieg er sein Roß und ritt, begleitet von seinen Beamten, nach jenem Kloster, ließ es von allen Seiten umstellen, befahl dann das Klostertor zu öffnen und den Prinzen aus dem Obergeschoß, so wie er war, herunterzuholen. Das geschah. Der Prinz erschien, gänzlich betrunken, maskiert in läppischen buntfarbigen Gewändern neuester Mode und triefend von kostbaren Salben. Nun donnerte der Präfekt los: »Schimpf und Schande über dich! Ein Mann vom Hause Seiner Majestät des Kalifen in solchem Zustande!«

Auf des Gestrengen Befehl wurde vor dem Klostertor eine Decke auf der Erde ausgebreitet, der betrunkene Prinz darauf gelegt mit dem Gesicht nach unten, und dann versetzte ihm der Herr Präfekt eigenhändig zwanzig Hiebe mit seiner Peitsche, indem er sprach: »Seine Majestät der Kalif hat mich nicht mit seiner Vertretung beauftragt, damit ich Anstand und Sitte verfallen lasse, auch nicht dazu, daß ich dir und deinesgleichen gestatte, den Glanz seines hohen Hauses zu beschmutzen und euch Dinge herauszunehmen, wie du getan hast, solchen öffentlichen Mummenschanz, solche Verletzung von Anstand und Sitte, solches Hinausziehen nach den Klöstern und anderen Weinkneipen. Deine Züchtigung ist die Wahrung der Ehre des Kalifenhauses und zugleich eine Warnung und ein Verbot für dich und deinesgleichen vor solchem schandbaren Treiben.« Dann ließ der Präfekt geräumige, von Maultieren getragene Sänften heranbringen, die er für den Zweck mitgebracht hatte, ließ den trotz der erhaltenen Prügel noch immer betrunkenen Prinzen samt Gefolge aufladen und nach seinem Palaste schaffen.

Als seine Majestät der Kalif Mutassim von diesem Vorgang Kenntnis erhielt, bezeigte er dem Stadtpräfekten durch ein besonderes Schreiben seinen vollkommensten Beifall und befahl ihm, keinem einzigen Mitgliede seines kaiserlichen Hauses ein derartiges Benehmen zu gestatten.

So geschehen. Und ganz gut! Aber der Stadtpräfekt hatte dennoch unrecht. Denn nach dem Gesetze, welches Allah der Welt durch seinen Sendboten Mohammed gegeben hat, hätte der bezechte Prinz nicht zwanzig Hiebe bekommen sollen, sondern achtzig.


 << zurück weiter >>