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Sechster Abschnitt.
Die Lehr- und Forschungsmittel der Philosophie.

Nachdem wir uns somit über das Wesen der Philosophie, ihr Verhältnis zum Wissen überhaupt, zu den Einzelwissenschaften, zum Leben und den Weltanschauungsansprüchen, ihre besondere Methode, ihre Geschichte und endlich ihre Einteilungsgründe Klarheit verschafft haben, bleibt für den ersten Teil einer Einführung in die Philosophie vor allem noch übrig, nach den vom Philosophierenden zu benutzenden Lern- und Forschungsmitteln zu fragen; gehört es doch zu den Grundvoraussetzungen eines jeglichen wissenschaftlichen Betriebes, das Handmaterial angemessen verwenden zu können.

Es leuchtet ein, daß bei aller durch die Methode der Philosophie verständlichen Gegensätzlichkeit der Resultate doch die einheitliche Tendenz, zu einer Wahrheit zu kommen, lebendig bleibt. Das Bewußtsein vom Vorhandensein dieser Tendenz tut sich äußerlich in den Versuchen kund, die Resultate zu sammeln oder doch wenigstens das philosophisch-literarische Material zusammenzustellen. Wie wir sahen, sind die philosophischen Ergebnisse nur aus den besonderen, von jedem Philosophen eingeschlagenen Wegen, von den Gesichtspunkten aus zu verstehen, unter denen der Einzelne an die unübersehbare Mannigfaltigkeit herangetreten. In dem Willen aber, wenn auch auf subjektiven Wegen zur objektiven Wahrheit zu gelangen, liegt zugleich der Zwang für den einzelnen Denker, sich im Gebiete der philosophischen Gesamtleistung, an den bereits vorhandenen Versuchen zu orientieren. In Wirklichkeit stellen die Systeme Sammelbecken der früheren und in ihrer Zeit lebendigen Philosophie dar.

Eine Überschau über die Ergebnisse der Philosophie wird nur zweckmäßig sein, wenn sie das Gewicht auf die Erörterung der Wege legt, auf denen man zu ihnen gelangen muß. Es wird deshalb, ähnlich wie in der Literatur- und Kunstgeschichte, entweder dabei bleiben, zur Unterstützung des erforderlichen Fortschrittes, zur Ermöglichung des steten Rückgriffes auf vorhandene Leistungen das philosophische Material rein literarisch zu sammeln, oder es nach seiner Methode kritisch zu behandeln, die Gründe der Entstehung philosophischer Anschauungen ersichtlich zu machen und dadurch die Mittel an die Hand zu geben, die Gründe der Wahrheit prüfen zu lernen.

a) Handbücher der Geschichte der Philosophie.

In letzterem Sinne sind an erster Stelle die großen Darstellungen der Geschichte der Philosophie zu nennen, die ernsthaft bemüht sind, das literarische Material zu sichten, die starke Flut philosophischer Erscheinungen zu klären, das Wertvolle herauszuheben, um jederzeit die Prüfung der neuen Ansichten zu ermöglichen. Als eigentliches Handbuch der philosophischen Wissenschaften in diesem Sinne gilt seit Jahrzehnten: Friedrich Ueberwegs »Grundriß der Geschichte der Philosophie«, in vier Abteilungen erschienen. Später fortgesetzt von Max Heinze ist dieser Grundriß heute unter dem Namen Ueberweg-Heinzes »Grundriß« als eigentliches literarisches Nachschlagewerk der Philosophie bekannt und dient als Grundlage für alle Untersuchungen auf dem Gebiete der Philosophie, die sich bemühen, die philosophische Vergangenheit mit zu berücksichtigen. Wichtig sind hier vor allen Dingen die Angaben über das Leben und die Lehren der Philosophen, darunter an erster Stelle die Quellenangaben über das Altertum. Der Grundriß von Ueberweg-Heinze hat den Vorzug, die Hauptliteratur nach weiten und möglichst objektiven Gesichtspunkten zusammenzustellen und zu analysieren. Er hat damit zugleich den Nachteil, nicht absolut vollständig zu sein. Auch ist es dort nicht möglich, der jährlich erscheinenden Fülle philosophischer Schriften gerecht zu werden und schnell darüber zu orientieren, da die Neuauflagen der einzelnen Bände des Grundrisses nur in großen Zeitabständen erscheinen können. In Ueberweg-Heinzes Grundriß sind die literarischen Angaben das, was ihn zu einem objektiven Handbuch der Philosophie macht; die zugleich in ihm gegebene Darstellung der Geschichte der Philosophie dagegen ist in allen einzelnen Teilen durch die historischen Werke von Eduard Zeller, Wilhelm Windelband, Theodor Gomperz u. a. überholt. – In mancher Beziehung ergänzend wirkt der ebenfalls in vielen Auflagen erschienene »Grundriß der Geschichte der Philosophie« von Richard Falckenberg. In ihm ist auch zum Teil die neueste philosophische Literatur systematisch verarbeitet. ( Richard Falckenberg, Geschichte der Philosophie von Nicolaus von Kues bis zur Gegenwart im Grundriß dargestellt, 7. verb. Aufl., 1913.) Innerhalb der Sammlung von »Katechismen der Philosophie« ist die »Geschichte der Philosophie« von Kirchner-Runze eingehend und gemeinverständlich behandelt.

b) Die philosophischen Zeitschriften.

Wertvoller – weil vollständiger – in literarischer Hinsicht, aber auch schwieriger zu handhaben und keine eigentlichen Überblicke gewährend ist das philosophische Zeitschriftenmaterial. Es gehört notwendig in eine Einführung in die Philosophie, auch über dieses außerordentlich wichtige Hülfsmittel philosophischer Forschung einige Bemerkungen zu machen. Die Hauptaufgabe der Zeitschriften besteht darin, in vollständigen literarischen Übersichten über den philosophischen Ertrag zu orientieren, in sachlichen Berichten und Besprechungen die literarischen Erscheinungen zu kritisieren. Es ist selbstverständlich, daß bei zunehmender Überproduktion und bei dem immer unerträglicher werdenden Mangel an genügender wissenschaftlicher Vorbildung das eigentliche Rezensionsgeschäft der Zeitschriften immer schwieriger, damit aber auch notwendiger wird. Leider ist gerade mit dieser Überproduktion, die sich zum Nachteil der Wissenschaft gerade auf dem Gebiete der sogenannten philosophischen Arbeit geltend macht, ein starker Rückgang in ernsthafter Rezensententätigkeit zu konstatieren. Auch die zusammenfassenden Handbücher der Philosophie können sich letzthin nur auf die Arbeit der literarischen Wertung stützen, wie sie in den Zeitschriften zu leisten ist, und in gleichem Maße, wie diese Zeitschriften mangelhaft werden, müssen es auch die Gesamtdarstellungen der Philosophie werden. Neben den »Literaturberichten« bringen die meisten philosophischen Zeitschriften Abhandlungen über besondere philosophische Probleme und historische Einzelfragen. Das Hauptgewicht aber muß auf der literarischen Kritik liegen. Es ist bei dem Wesen der Philosophie auch nicht verwunderlich, daß die einzelnen philosophischen Zeitschriften zugleich die Zentralen der mannigfachen philosophischen Denkrichtungen und Schulen sind. Die philosophischen Zeitschriften sind also außer eigentlichen literarischen Quellen der Berichterstattung über den Fortgang die Abbilder der Gegensätzlichkeit innerhalb der gegenwärtigen und der vergangenen Philosophie. – Es ist unbedingtes Erfordernis, daß bei jeder neuen philosophischen Untersuchung eine gute philosophische Zeitschrift zur Orientierung über die bereits vorhandenen gleichgerichteten Arbeiten herangezogen wird, um die in allen anderen Wissenschaften mit Recht verpönte Kraftvergeudung für Wiederholungen auszuschließen. Das zum Teil sehr wertvolle Zeitschriftenmaterial tritt zum Nachteil der Forschung noch viel zu wenig hervor und spielt teilweise in den historischen Gesamtüberblicken keineswegs die ihm gebührende Rolle.

Die wichtigsten philosophischen Zeitschriften, die in diesem Sinne in Betracht kommen, sind folgende:

Für Deutschland: 1. »Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik«, begründet von Immanuel Hermann Fichte, dem Sohne Johann Gottlieb Fichtes, und Hermann Ulrici, war anfänglich das Organ des deutschen Idealismus. In neuerer Zeit nach verschiedenen Richtungen hin fortgesetzt, teils historisch, teils starkpsychologisch gefärbt, zehrt sie von dem Ruhme, die älteste noch bestehende deutsche philosophische Zeitschrift zu sein und macht unverkennbare Anstrengungen, nach Zeiten der Rückganges wieder eine höhere Stufe zu erklimmen.

2. Archiv für Philosophie, in zwei Abteilungen: Erste Abteilung »Archiv für Geschichte der Philosophie«, zweite Abteilung »Archiv für systematische Philosophie«. Das Archiv für Philosophie wurde 1887 von Ludwig Stein zusammen mit Hermann Diels, Wilhelm Dilthey, Benno Erdmann und Eduard Zeller begründet, repräsentierte in seinen Hauptentwicklungsjahren die große historische Richtung in der Epigonenzeit und hat vor allen Dingen auf dem Gebiete der Erforschung des Altertums Hervorragendes geleistet. Im Konkurrenzkampf mit anderen neueren Zeitschriften stark bedrängt, behalten die Sammelberichte über die erscheinende Literatur noch heute einige Bedeutsamkeit und kommen die Zusammenstellungen namentlich auch der ausländischen Literatur, den modernen wissenschaftlichen Forderungen entgegen.

3. » Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie«, begründet und damit in seiner ursprünglichen philosophischen Richtung bestimmt durch Richard Avenarius, Friedrich Jodl und Alois Riehl, zurzeit herausgegeben von Paul Barth. Gegenwärtig nicht sehr reich an philosophischen Abhandlungen, die den Rahmen einer Fachzeitschrift ausfüllen sollen, ist diese Zeitschrift ausgezeichnet durch eine jährlich erscheinende, systematisch geordnete Bibliographie der philosophischen Literatur, die sich auch auf die wichtigen philosophischen Publikationen des Auslandes erstreckt.

4. » Kantstudien«, in Verbindung mit einer großen Anzahl von Gelehrten des In- und Auslandes herausgegeben von Hans Vaihinger und Bruno Bauch. Die »Kantstudien« sind das Fachorgan der größten philosophischen Gesellschaft Deutschlands, die sich für die im allgemeinen stiefmütterlich behandelte philosophische Forschung schon außerordentliche Verdienste erworben hat. Die »Kantstudien« nehmen unter den gegenwärtigen philosophischen Zeitschriften zweifellos die Stelle der bestorientierenden und wissenschaftlich zuverlässigsten ein. Anfänglich der Diskussion aller Fragen gewidmet, die sich auf das Leben und die Philosophie Immanuel Kants beziehen, haben sich die »Kantstudien« allmählich zum allgemeinen philosophischen Fachorgan entwickelt, das mit zweckmäßigen Abhandlungen gute Literaturberichte und sachliche Rezensionen verbindet, ohne dabei Vertreterin einer besonderen Richtung innerhalb des deutschen Idealismus zu sein.

5. » Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie«, herausgegeben von Ernst Commer. Es ist an erster Stelle der Pflege, systematischen und historischen Erörterung der aristotelisch-scholastischen Philosophie und der philosophischen Verteidigung katholisch-theologischer Grundsätze gewidmet.

6. In fast der gleichen Richtung bewegt sich das philosophische Organ der [Görresgesellschaft], das von Constantin Guthberlet herausgegebene » Philosophische Jahrbuch«, in seiner wissenschaftlichen Forscher- und Rezensionsarbeit bestimmt durch die Grenzen, die durch den in unserer Zeit so heftig diskutierten Modernisteneid gezogen sind. Auch das »Philosophische Jahrbuch« bringt seit einer Reihe von Jahren eine geordnete bibliographische Zusammenstellung der philosophischen Literatur.

7. Neben diesen beiden, auf einer bestimmten philosophischen Grundüberzeugung sich aufbauenden Zeitschriften ist unter den sich einzelnen Gebieten der Philosophie widmenden Fachorganen eine der neu gegründeten hervorzuheben, die speziell die Philosophie in ihrer Beziehung auf die Kultur zu pflegen sich vorgesetzt hat und damit einer spezifisch modernen philosophischen Forderung Rechnung trägt: » Logos«, internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, unter Mitwirkung einer Anzahl hervorragender Vertreter einzelner Kulturgebiete begründet und ursprünglich herausgegeben von Richard Kroner, Georg Mehlis und Arnold Ruge. Eigenartig ist der bei der Gründung des »Logos« lebendige Gedanke, durch Einrichtung besonderer Logosredaktionen in den Kulturländern über der unentfliehbaren kulturellen Verschiedenheit der einzelnen Nationen eine philosophische Gemeinsamkeit aufzubauen. Daß Adabei der rein wissenschaftlich-philosophische Charakter nicht voll gewahrt werden kann, ist leicht zu verstehen. Aus dem Rahmen der als philosophisches Handmaterial zu nennenden Zeitschriften tritt der »Logos« durch den gänzlichen Mangel an einer Wertung der philosophischen Literatur heraus. Der »Logos« wird dem einen Kontakt mit der Philosophie verschaffen, der von irgendeinem Kulturgebiet aus ein gewisses Verhältnis zum philosophischen Denken bekommen will.

8. An letzter Stelle soll das kürzlich erst gegründete Organ einer neuentstandenen philosophischen Schule genannt werden, von dem zurzeit erst ein Doppelband vorliegt: » Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung« herausgegeben von Edmund Husserl. Ohne literarische Berichte ist diese Zeitschrift einer bestimmten Richtung innerhalb der Mannigfaltigkeit gegenwärtigen philosophischen Denkens gewidmet, von der bedeutende Leistungen unverkennbar vorliegen und noch zu erwarten sind. –

Neben diesen deutschen Hauptzeitschriften, die als Handmaterial der philosophischen Wissenschaft zu gelten haben, gibt es eine ganze Reihe von Zeitschriften, die sich ausdrücklich auf bestimmte Einzelgebiete der Philosophie verlegen oder der Ausbreitung philosophischer Gedanken in populärem Sinne, nicht der eigentlichen Forschung und Sichtung dienen. Dazu gehören unter anderen die von Wilhelm Ostwald herausgegebenen » Annalen der Naturphilosophie«, das von Josef Kohler und Fritz Berolzheimer geleitete » Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie«, die von Otto Flügel und Ziller im Herbartschen Sinne begründete » Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik«.

Interessant ist es, bei näherer Betrachtung des vorhandenen Zeitschriftenmateriales zu bemerken, daß sich in den anderen Ländern fast in gleicher Weise, wie in Deutschland die philosophischen Zeitschriften allmählich zu Zentralen einer Anzahl philosophischer »Richtungen« entwickelten, um dann allmählich zu Mittelpunkten des philosophischen Denkens überhaupt zu werden. Unmittelbar neben der an Quantität und Qualität vorläufig noch den ersten Platz behauptenden deutschen philosophischen Produktion steht auch mit seinen philosophischen Zeitschriften die französische.

1. Als beste Orientierung über die jährlich erscheinende wertvolle französische Literatur behauptet sich schon lange die von F. Pillon herausgegebene » Année philosophique«, mit ausführlicher die einzelnen Arbeiten kritisierender Bibliographie und guten Abhandlungen.

2. » Revue de Métaphysique et de Morale«, Organ der größten französischen philosophischen Gesellschaft, der Société française de Philosophie zu Paris, herausgegeben von Xavier Leon mit sehr guten Rezensionen und vorzüglichen Originalbeiträgen.

3. » Revue philosophique de la France et de l'étranger«, dirigée par Th. Ribot, bestehend seit 58 Jahren, die älteste dem Gesamtgebiete der Philosophie gewidmete französische Fachzeitschrift.

Neben diesen allgemeinen stehen die stark aristotelisch-scholastisch, ausdrücklich katholisch gerichteten Zeitschriften:

4. » Revue de Philosophie«,publiée par E.Peillaube.

5. » Revue de philosophie néoscolastique«, gegründet 1894 vom Kardinal Mercier, redigiert von Maurice de Wulf, dem bekannten französischen Historiker der mittelalterlichen Philosophie, ausgezeichnet durch umfassende Berichte über die katholische Theologie und Philosophie, in enger Beziehung zu allen anderen Strömungen des philosophischen Denkens. In naher Verbindung steht diese große und vorzüglich organisierte Zeitschrift mit der gleichgerichteten italienischen » Rivista di filosofia neoscolastica«.

6. » Revue des Sciences philosophiques et théologiques« publiée sous la direction d'une groupe de Dominicains français, professeurs au Collège théologique de Saulchoir, ausgesprochen katholisch, aber bestrebt, die Grundsätze der katholischen Kirche und der mittelalterlichen Philosophie bis auf den Grund zu verfolgen, zu verteidigen und wissenschaftlich zu rechtfertigen. – Neben diesen ausgesprochenen fachphilosophischen Zeitschriften existiert eine Menge kleinerer zum Teil stark soziologisch, zum Teil populär interessierter, ähnlich wie in Deutschland. –

Auch England und Amerika gruppieren seit neuerer Zeit um große Zeitschriften das gesamte philosophische Streben mit all seinen Gegensätzlichkeiten. Mehr praktischen, psychologischen, pädagogischen und soziologischen Problemen zugewendet ist der Ertrag rein philosophischer Forschungen bei weitem nicht so reich, so geklärt und schematisiert wie in der deutschen Wissenschaft. Es kommen folgende Zeitschriften in Betracht:

1. Die englische Zeitschrift » Mind« a quarterly Review of Psychology and Philosophy, Organ der größten englischen philosophischen Gesellschaft, der Mind-Association in London. Vor allem der Rezension, auch der ausländischen, namentlich der deutschen Philosophie gewidmet, ist »Mind«, das allgemeine philosophische Organ Englands, auf gleicher Stufe stehend, ohne ausgeprägte philosophische Richtung, wie in Deutschland die »Kantstudien«.

2. » The Hibbert Journal«, zugleich der Erörterung religiöser und theologischer Fragen zugewendet mit einem guten laufenden Verzeichnis der englischen Neuerscheinungen auf philosophischem Gebiet. –

Von den amerikanischen Zeitschriften seien unter sehr vielen anderen die beiden ausgeprägt wissenschaftlich gerichteten, zwei verschiedenen Schulen entsprungenen genannt, die in ihren Abhandlungen und Besprechungen gleichwertig nebeneinander bestehen:

1. » The Journal of Philosophy, Psychology and scientific Methods«, herausgegeben von Woodbridge und Bush an der Columbia Universität, die am häufigsten, zweimal monatlich erscheinende, wissenschaftlich philosophische Zeitschrift der ganzen Welt, in der alle Strömungen wissenschaftlicher Philosophie, sei es in der Form von selbständigen Abhandlungen oder von Besprechungen zusammenfließen.

2. » The philosophical Review«, herausgegeben an der Cornell University von I. E. Creighton, seiner Tendenz nach gewidmet der nationalen und internationalen Philosophie. –

Bon den italienischen Zeitschriften, die bemüht sind, ständig das Zentrum der weit auseinandergehenden philosophischen Forschung zu bilden, ist vornehmlich eine hervorzuheben, die erst in jüngster Zeit gegründet wurde und eine Anzahl älterer vereinigt hat: » Rivista di Filosofia«, die Fortsetzung der von Carlo Cantoni herausgegebenen »Rivista filosofica« und der von Marchesini geleiteten »Rivista di Filosofia e Science affini«. Die »Rivista di Filosofia« ist das Fachorgan der größten italienischen philosophischen Gesellschaft, der Societa filosofica italiana. Sie ist seit ihrer Gründung bemüht, in einem besonderen Anhang eine bibliographische Übersicht über alle italienischen Erscheinungen auf dem Gebiete der Philosophie namentlich auch der verstreuten Artikel und Dissertationen zu geben. Genannt seien neben der Rivista di Filosofia das bereits erwähnte Organ der katholischen Philosophie, die von Agostino Gemelli herausgegebene » Rivista di Filosofia neoscolastica«, die von F. de Sarlo geleitete » Cultura filosofica«, das als internationales Organ gedachte, in Mailand erscheinende » Coenobium« und das ausdrücklich der Lehre von Antonio Rosmini gewidmete Organ » Rivista Rosminiana«.

Auch in Rußland, das sonst allen Schematisierungen und Ordnungen namentlich auf geistigem Gebiete fremd gegenüberzustehen scheint, wo beispielsweise mehr als irgendwo der in Deutschland so großartig organisierte Buchhandel völlig darniederliegt, gibt es eine kleine Anzahl philosophischer Zeitschriften, die bemüht sind, die unerläßlichen Grundbedingungen fortschreitender Erkenntnis zu schaffen, das Geleistete zusammenzutragen und zu werten. Die älteste, allerdings nicht rein philosophische Zeitschrift Rußlands ist:

1. » Russkaya Myssl« (der russische Gedanke), seit etwa 50 Jahren bestehend, vom Peter Struve herausgegeben. In neuester Zeit ist diese Zeitschrift bemüht, auch eine möglichst vollkommene russische philosophische Bibliographie zu bringen, auf Grund deren es möglich sein wird, sich von den Fortschritten des philosophischen Denkens in dem scheinbar so verschlossenen Rußland sich eine Vorstellung zu machen.

2. Das Fachorgan der Moskauer Psychologischen Gesellschaft: » Woprossi Philosophii i Psicologii« (Fragen der Philosophie und Psychologie). Es ist die eigentliche Zeitschrift der akademischen Philosophie Rußlands.

3. Zu ihr steht die russische Ausgabe des » Logos« in einem Gegensatz der Richtung. Der russische Logos, redigiert von Friedrich Stuppuhn und Sergius Hessen, lebt vor allen Dingen von einer engen Verbrüderung russischer Romantik, ausgesprochenem Relativismus, mit der Richtung der deutschen Philosophie, die auf dem Boden Windelband-Rickertscher Gedanken gewachsen ist. Gegenüber dem deutschen »Logos« zeichnet sich der russische »Logos« durch gute und zweckmäßige literarische Besprechungen sehr aus, in denen die deutsche Philosophie eine erhebliche Rolle spielt. –

Dies sind im großen und ganzen die hervorragendsten philosophischen Zeitschriften der gesamten Kulturwelt, die je nach dem philosophischen Problem bei aller historischen, kritischen und systematischen Arbeit nach dem erreichten Stande der Wissenschaft zu befragen sind. Wenn wir, den engen Rahmen der deutschen Wissenschaft verlassend bei der Aufzählung der Zeitschriften, an die Leistungsanstrengungen der Gesamtmenschheit erinnern mußten, so geschieht das in der Erwägung, daß es für keine Wissenschaft nationale Grenzen gibt, daß überall, wo wissende und erkennende Menschen sind, das Wesen der Wissenschaft und damit auch das Wesen der Philosophie das gleiche ist, mag immerhin die Wertung der einzelnen Wissenschaft, die Stellung im besonderen der Philosophie überall verschieden sein. – Bedenkt man, daß gegenwärtig etwa 70 große philosophische Zeitschriften, von denen wir hier nur den kleineren bedeutenderen Teil aufgezählt haben, sich bestreben, das immer wachsende Material zu sammeln, zu sichten, zu vermehren, so versteht man das Bemühen, der philosophischen Forschung mit rein bibliographischen Sammlungen an die Hand zu gehen und über die Ausführlichkeit der Zeitschriften hinaus dem Forscher mit kurzen Notizen in seiner Arbeit zu helfen.

c) Bibliographien.

An philosophischen Bibliographien wurde im Zusammenhänge mit den Zeitschriften schon erwähnt die der italienischen Arbeiten. Sie erscheint alljährlich als Anhang zur » Rivista di Filosofia« unter dem Titel: Saggio di una bibliografia filosofica italiana compilata sotto gli auspici della Società filosofica italiana und wird zusammengestellt von Alessandro Levi und Bernadino Varisco. – In ähnlicher Weise gibt die Société française de Philosophie eine französische philosophische Bibliographie heraus, die alle Jahre als Bulletin de la Société française erscheint und sich auch auf die in nichtphilosophischen Zeitschriften befindlichen Aufsätze erstreckt. Eine deutsche philosophische Bibliographie befindet sich außer in der erwähnten »Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie« in einem Anhänge zum »Philosophischen Jahrbuch« unter dem Titel »Novitätenschau« zusammengestellt von Pohle und Hartmann; sie berücksichtigt neben den selbständigen Erscheinungen wenigstens den Hauptbestand der philosophischen Zeitschriftenartikel. Eine englische und eine russische Bibliographie von hinreichender Zuverlässigkeit gibt es noch nicht. Ein guter Anlauf für Rußland ist die erwähnte Zusammenstellung in der »Rusakaya Myssl« – Auch ein Versuch einer fortlaufenden internationalen Bibliographie ist zu vermerken. Er besteht in dem alljährlich in drei Teilen erscheinenden Supplement zur » Revue de Philosophie néoscolastique« das unter dem Titel erscheint: » Sommaire idéologique des Ouvrages et des Revues de philosophie« und in einem eigenartigen System die philosophischen und katholisch-theologischen Schriften und einen erheblichen Teil der Zeitschriftenartikel schematisiert. – Jedoch ist auch durch diesen Versuch einer internationalen fortlaufenden Bibliographie der Forderung nach absolut vollständiger und zweckentsprechender Sammlung des Materiales nicht Genüge getan, so daß eine Anregung des in Heidelberg tagenden dritten internationalen Kongresses für Philosophie sehr begrüßt wurde, ein zuverlässiges Handbuch der philosophischen Erscheinungen zu begründen, das auf die Gesamtheit der philosophischen Zeitschriften und bestehenden nationalen Bibliographien gestützt allen Ansprüchen der Wissenschaft genügt. Auf Grund dieser Anregung erscheint seit dem Jahre 1910 eine Bibliographie für Philosophie unter dem Titel: » Die Philosophie der Gegenwart«, eine internationale bibliographische Jahresübersicht über alle auf dem Gebiete der Philosophie erscheinenden Zeitschriften, Bücher, Aufsätze, Dissertationen usw. in sachlicher und alphabetischer Anordnung, herausgegeben von Arnold Ruge (Heidelberg 1910 f. f.). Diese Bibliographie beschränkt sich nicht auf die Literatur der fünf Hauptländer, sondern berücksichtigt auch die spanische, polnische, ungarische, tschechische Literatur usw. Wenn man erst ganz allmählich diesem Riesenwerke Verständnis entgegenbringt, so beruht das auf der leider sehr verbreiteten Ansicht der sogenannten Philosophen, daß nicht Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit, sondern »Genialität« in der Philosophie am Platze sei, eine Ansicht, die sich in einer Art Abneigung gegen alles das auf dem Gebiete der Philosophie mit unangenehmem Hochmut wendet, was nach Kommentar, Bibliographie u. dgl. aussieht. Allerdings sind Kommentare und Bibliographien lästige Erinnerungen an die in allen Wissenschaften erforderliche, leider in der Philosophie so oft vermißte Gründlichkeit. – In der erwähnten internationalen Bibliographie für Philosophie spielt die Einsicht eine erhebliche Rolle, daß an der Gegensetzlichkeit der innerhalb der Philosophie herrschenden Ansichten nicht zum geringsten Teil eine stark schwankende Therminologie schuld ist. Diese Einsicht ist in der Form verwertet, daß allen innerhalb der Bibliographie aufgezählten Arbeiten eine kurze sachgemäße Ausführung ihres Titels und Standpunktes beigefügt ist.

Im Vorwort zum ersten Bande der »Philosophie der Gegenwart« befinden sich einige Angaben über die bis dahin aufgetauchten bibliographischen Versuche auf dem Gebiete der Philosophie, die allerdings unvollkommen sind. Zuverlässiger sind die Anmerkungen darüber in dem Standard-work philosophischer Sammelarbeit, das von James Mark Baldwin in den Jahren 1901 bis 1905 unter dem Titel herausgegeben wurde: »Dictionary of Philosophy and Psychology« und außer den philosophischen und psychologischen Begriffen die Hauptbegriffe aus der Theologie, Anthropologie, Biologie usw. behandelt. Dieses großangelegte Nachschlagewerk ist in vier Bänden erschienen, wovon der dritte in zwei Abteilungen die philosophische Bibliographie enthält. Sie stützt sich auf das ungeheuere bis dahin vorhandene Zeitschriftenmaterial und die bibliographischen Zusammenstellungen über einzelne Zeiten und über einzelne Philosophen. Eine ungeheuere Arbeit und für die Philosophie unentbehrliche Leistung ist hier getan. Der erste der beiden bibliographischen Bände des Dictionary enthält die gesamte philosophische Literatur in alphabetischer Reihenfolge nach den Autoren geordnet zusammen mit allen Arbeiten über die einzelnen Philosophen, der zweite schematisiert die Literatur nach den Spezialgebieten der Philosophie. Die außergewöhnliche und in der philosophischen Forschertätigkeit noch viel zu wenig beachtete Sammlung ist eine starke und feste Stütze für den Fortschritt des philosophischen Denkens, das sich, um zu sicheren Resultaten zu kommen, wie alle anderen Wissenschaften bemüht, auf der Vergangenheit aufzubauen.

Neben den Bibliographien, deren eigentliche Tendenz es ist, dem Forscher die Materialien vollständig an die Hand zu geben, an denen er seine Resultate und Methoden zu prüfen hat, ist endlich als eine Art zusammenfassender kritischer Berichterstattung ein Versuch zu nennen, der sich in den von Frischeisen-Köhler herausgegebenen » Jahrbüchern der Philosophie« anbahnt. Derartige Berichterstattungen können wegen der Subjektivität der Auswahlsprinzipien, zumal wenn jüngere Gelehrte die Berichte übernehmen, natürlich gegenüber den Bibliographien nur sehr bedingten wissenschaftlichen Wert beanspruchen. Sie dienen weniger dem Forscher als Handmaterial, als dem Laien und dem der Philosophie noch Fernstehenden als Orientierungsmittel über moderne Richtungen innerhalb des philosophischen Denkens. – Einen ähnlichen Zweck, wie die »Lehrbücher der Philosophie«, verfolgt ein anderes, doch auch an dieser Stelle nicht ganz zu übergehendes Werkchen neueren Datums, das dem von außen an die Philosophie Herantretenden ein Wegweiser für die zunächst in Betracht kommende philosophische Literatur sein will. Es ist das Buch von Richard Herbertz »Die philosophische Literatur, ein Studienführer«. In keiner Weise vollständig oder wissenschaftlich unangreifbar, bietet dieser »Studienführer« mit seinen guten kritischen Anmerkungen eine zweckmäßige rein literarische Einführung in das große Gebiet philosophischer Tätigkeit.

d) Wörterbücher der Philosophie.

Neben den allgemeinen historischen Handbüchern, den Zeitschriften, den nationalen und internationalen Bibliographien vermehren endlich in letzter Zeit die philosophischen Wörterbücher das eigentlich wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Handmaterial der Philosophie. Über die mannigfachen gelegentlichen früheren Versuche in dieser Richtung sind in dem schon genannten » Dictionary of Philosophy and Psychology« von James Mark Baldwin die notwendigen Angaben zu finden. Von den neueren gegenwärtig auf der Höhe stehenden Wörterbüchern ist an erster Stelle dieses » Dictionary« selbst zu nennen, daß in den ersten beiden großen Lexikonformatbänden eine vollständige, wenn auch zu stark durch einzelwissenschaftliche Fachausdrücke belastete Terminologie gibt und alle möglichen historischen und systematischen Beziehungen aufzudecken sich bemüht. Selbstverständlich ist in diesem Dictionary vor allem auf die englische Terminologie der Wert gelegt, doch ergänzen ausdrückliche Zusätze über deutsche, französische, italienische, lateinische, griechische Fachausdrücke den Plan des Wörterbuches in hervorragender und völlig genügender Weise. – Sodann sei das von Rudolf Eisler bearbeitete, bereits in dritter Auflage vorliegende »Wörterbuch der philosophischen Begriffe« genannt. Der Gegenstand dieses Wörterbuches ist, wie das Vorwort mit Recht hervorhebt, die Geschichte der philosophischen Termini auf der Grundlage der Schriften der Philosophen selbst. An jedem philosophischen Ausdruck wird gezeigt, welchen Sinn und Inhalt er bei den verschiedenen Philosophen und in den verschiedenen Zeiten bekommen hat. Damit ist dieses Wörterbuch eine eigenartig gerichtete Geschichte der Philosophie, nicht nach Philosophen und Zeiten, sondern nach philosophischen Fachausdrücken angeordnet. Wenn dieses »Wörterbuch der philosophischen Begriffe« allmählich auf drei starke Bände angewachsen ist, so liegt das in der Natur der Sache und im Wesen der historischen Entfaltung des philosophischen Denkens, was nur beeinträchtigt werden kann durch eine absichtliche Beschränkung des zu beherrschenden Materials. – In Hinblick auf den großen Umfang des Wörterbuches hat sich der Bearbeiter zu einem Auszuge bestimmen lassen, der sich unter dem Titel »Handwörterbuch der Philosophie« an den großen Kreis der Gebildeten und in die Philosophie Hineinstrebenden wendet, also nicht mehr als eigentliches wissenschaftliches Handmaterial gelten will. Als Einleitung in die philosophische Terminologie dürfte dieses bis jetzt erst begonnene Werk seine Dienste in gleicher Weise tun, wie rein literarisch der Studienführer von Richard Herbertz. – Ähnlich wie der nach Autoren geordnete Teil des von Baldwin herausgegebenen » Dictionary« ist das von Rudolf Eisler zusammengestellte » Philosophenlexikon« angelegt. Jedoch unterscheidet es sich von dem ersteren zu seinem Nachteile sehr durch den gänzlichen Mangel an bibliographisch-literarischen Angaben. Das Philosophenlexikon bringt in alphabetischer Reihenfolge die Namen der Philosophen aller Zeiten; dazu gesetzt sind einige äußerst knappe Bemerkungen über das Leben und die Leistungen, die man jedoch bei weitem zweckmäßiger in irgendeiner umfangreichen Geschichte der Philosophie sich aneignen kann. Höchstbedenklich ist die Ausdehnung des Prinzips der vollständigen Aufzählung auf die neuesten sogenannten »Philosophen«, deren Zahl enorm, deren Recht sich Philosophen zu nennen, sehr häufig nur durch einen akademischen Grad legitimiert ist. Zudem sind naturgemäß die Angaben über die Hunderte von Kleinarbeitern auf dem Gebiete der Philosophie selbst dort, wo sie hätten vollständiger sein können, recht bedenklich und unkorrekt. Das »Philosophenlexikon« ist gewiß ein markantes Zeichen für die auf philosophischem Gebiete möglichen Arbeiten, es bietet einen verwirrenden und ermattenden Anblick über das Durcheinander philosophischer Meinungen. – Dem »Wörterbuch der philosophischen Begriffe« und dem » Dictionary of Philosophy and Psychology« steht gleichwertig das in gutem Fortschritt begriffene französische Nachschlagewerk an der Seite. Es erscheint in jährlichen Abteilungen als » Bulletin de la Société française de Philosophie« und trägt den Titel: » Vocabulaire technique et critique de la Philosophie .« –

Wenn bei diesen für eine Einführung in die Philosophie unerläßlichen Angaben über das vorhandene Handmaterial der Rahmen weiter gezogen wurde und die Grenzen nationalen Schaffens verlassen werden mußten, so liegt das in dem Ansprüche begründet, den die Philosophie als Wissenschaft erheben muß. Die Wissenschaft, oder sagen wir besser, die in der Philosophie zur Geltung kommende Tendenz zur Einheit des Wissens kennt keine nationalen Grenzen und Bedingungen, sondern ist auf allgemeine, allen Wissenden und Erkennenden gültige Erkenntnis gerichtet. Was wahr ist, ist für alle Wahrheitsuchenden wahr, ob sie zufällig oder aus irgendeiner Notwendigkeit heraus hier in Deutschland, in Amerika oder sonstwo die Wahrheit suchen. Nur die Bedingungen, zur Wahrheit zu gelangen, sind jederzeit und bei jedem Einzelnen verschieden und vielleicht dadurch der Grad der Annäherung an die von der lebendigen Tendenz geforderte allgemeine Wahrheit bestimmt. Gerade die Philosophie als erste und letzte Wissenschaft hat von Anfang an alle nationalen Schranken und Bedingungen durchbrochen und dem Wissen die Stätte innerhalb der Gesamtmenschheit zu bereiten gewußt. – So notwendig und gerechtfertigt es aber auch für das Wissen sein mag, alle Bedingungen und Beschränkungen zu mißachten, so frevelhaft und jeder Einsicht bar wäre es, die jedem Wissen widerstreitende Behauptung aufzustellen, daß wir wissende Menschen auch in unseren Lebensbedingungen gleich sind. Darüber redet Kultur und Tradition die eherne Sprache, die vom Philosophen verständlich zu machen ist und stets die Wissenden zur Bescheidenheit führen wird. – Es erhellt aus dem angeführten philosophischen Handmaterial, das in aller Welt geschaffen und an dem die verschiedenen Nationen Anteil haben, daß überall die gleiche ernste Tendenz besteht, das philosophische Denken vagen Weltanschauungsversuchen zu entreißen und ihm den festen Boden einer wissenschaftlichen Tradition zu sichern.

e) Einleitungen in die Philosophie.

Es erübrigt nach diesem Ausblick auf eine durch ungeheuere Arbeit hervorgebrachtes und immerwährend neugestaltetes Handmaterial, noch in aller Kürze auf die Versuche zu sehen, den Außenstehenden in zweckmäßiger Weise in das vielgestaltige Gebiet der Philosophie einzuführen ihn zu lehren, das Material der Philosophie zweckentsprechend zu verwenden, um womöglich eigene Früchte des Denkens wachsen zu lassen. Es existiert seit geraumer Zeit eine recht umfangreiche philosophische Literatur, die unter den Titel » Einleitungen in die Philosophie« gebracht werden kann. Das » Dictionary« von Baldwin rubriziert unter die Abteilung » Introductions« nicht weniger als 500 Werke, die allerdings nicht mit vollem Rechte gerade an dieser Stelle aufgeführt werden. Die »Philosophie der Gegenwart« bringt im ersten Doppelbande, der die Literatur der Jahre 1908 und 1909 vereinigt, etwa 40 und im zweiten Bande etwa 30 Titel unter der Rubrik »Einleitungen und Lehrbücher«. Es würde weit den Rahmen dieser einführenden Bemerkungen überschreiten, wollten wir auch nur entfernt an diese Literatur heranzutreten unternehmen. Es genügt, da in allen diesen Versuchen die gleiche Tendenz wenigstens äußerlich behauptet wird, uns prinzipiell über den Wert und die Richtung dieser Einleitungsliteratur an wenigen der deutschen Literatur angehörenden Werken zu orientieren.

Die »Einleitungen in die Philosophie« zerfallen in drei verschiedenwertige Abteilungen. Wir können mit gutem Grunde folgendermaßen unterscheiden: 1. Solche »Einleitungen in die Philosophie«, die ganz populär gedacht sind und demjenigen, der nur einen fernen, kaum bemerkenswerten Kontakt mit der Philosophie gewinnen will, dienen können. Sie zeichnen sich durch Kürze aus, tragen aber auch leider sehr häufig den Stempel der Oberflächlichkeit. Wie kann es wohl ohne weiteres und ohne besondere Vorbereitung möglich sein, einem gänzlich Fernstehenden philosophische Resultate deutlich zu machen, bei denen es, wie wir gesehen haben, am allermeisten gerade auf die subjektiven Wege und auf die besonderen Prinzipien ankommt, die zu diesen Resultaten geführt haben! Die populären »Einleitungen«, oft als Ergänzungen und wünschenswerte Bestandteile zu den immer zahlreicher werdenden populären »Bibliotheken« erzwungen, haben aber auch manchmal, vor allen Dingen, wenn sie von Fachgelehrten geschrieben, den Erfolg, Respekt vor einem Forschungsgebiete hervorzurufen, für das ein Anrecht durch Befähigung zu besitzen sich viele irrtümlicherweise einbilden.

2. Dazu treten diejenigen »Einleitungen«, die eigentlich nicht in die Philosophie einführen, sondern in eine bestimmte Philosophie, meistens in die des Verfassers einleiten wollen. Zu begrüßen ist es in diesem Falle, wenn es sich wenigstens um Philosophie und nicht nur um eine an die Philosophie willkürlich angelehnte Weltanschauung handelt. Als Beispiel für diese Art einer »Einleitung in die Philosophie«, die in ein bestimmtes System einführt, sollen an dieser Stelle genannt werden: Johann Friedrich Herbarts »Lehrbuch der Einleitung in die Philosophie«, in Wirklichkeit eine Einführung in die Herbartsche Philosophie und ohne Rücksicht auf diese kaum verständlich. Sie erschien zu Lebzeiten Herbarts in vier Auflagen (1813, 1821, 1834, 1837), wurde in fünfter Auflage in der Gesamtausgabe der Werke Herbarts von Hartenstein abgedruckt und ist nun mit einer zweckmäßigen Darstellung des Herbartschen Systemes in der bekannten »Philosophischen Bibliothek« separat herausgegeben worden. Herbarts »Einleitung in die Philosophie« ist das eigentliche Exempel für eine »Einleitung« in ein bestimmtes System, das sich auf dem breiten Grunde der zeitgenössischen und der vergangenen Philosophie aufbaut; damit wird diese Einleitung ein mit vollem Recht oftmals als Unterlage zu seminaristischen Übungen benutztes Lehrbuch der wissenschaftlichen Philosophie überhaupt. – Als Beispiel einer sich an die wissenschaftliche Philosophie anlehnenden, dabei aber auf den Boden persönlich erlebter Weltanschauung hinüberführenden »Einleitung in die Philosophie« sei Friedrich Paulsens Werk genannt. Zum ersten Male 1892 erschienen, hat diese »Einleitung« mit ihrer ganz ausnahmsweisen Verbreitung mancherlei philosophisches Verständnis hervorgebracht und in einer Zeit philosophischen Tiefstandes ein gewisses liebevolles Verhältnis für die ernsten Probleme des philosophischen Denkens hergestellt. – Auf die gleiche Basis mit dem Buche von Paulsen, oft sachlicher philosophisch, oft mehr philosophiegeschichtlich, oft mehr nach der weltanschaulichen Seite tendierend, gehören eine ganze Reihe der moderneren »Einleitungen« (Cornelius, Külpe, Flügel, Jerusalem u. a. m.).

3. Endlich sind die allerdings sehr seltenen Versuche, eine »Einleitung in die Philosophie« zu geben, hervorzuheben, die, mit Verzicht auf Popularität, sowie auf die Behauptung eines eigenen Systems oder die Hervorkehrung weltanschaulicher Ansichten den unmittelbaren Kontakt mit den philosophischen Problemen selbst herzustellen bemüht sind. Als Beispiele solcher Einleitungen, die sich also an das spezifisch wissenschaftliche Denken richten, seien nur zwei genannt, ohne von ihnen zu behaupten, daß sie die Idee und den Begriff einer »Einleitung in die Philosophie« erfüllen: Rudolf Haym bemüht sich in seinem Beitrage zu der von Ersch und Gruber herausgegebenen »Allgemeinen Enzyklopädie« (Leipzig 1848), in der auch, wie beiläufig bemerkt sei, eine philosophische Bibliographie versucht wurde, den Begriff der Philosophie in aller Weite zu formulieren, d. h. den Begriff der Philosophie festzulegen, unter den alles zu stellen, von dem aus alles zu verstehen ist, was besondere philosophische Wege gegangen ist. Historisch sowohl wie systematisch gerichtet hat dieser Beitrag das ganze Gebiet der Philosophie in aller Knappheit zu umspannen versucht. Wilhelm Windelbands »Präludien«, Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie, enthalten all die anregenden historischen und systematischen Arbeiten, die vom Verfasser in einer langen Reihe von Jahren ausgegangen sind und reiche Früchte getragen haben. Zuerst gedacht als eine Art Darstellung grundlegender Gedanken zu einem eigenen systematischen Aufbau hat sich diese Sammlung, vor allen Dingen wegen der breiten philosophie-geschichtlichen Basis, auf der sie ruht, als »Einleitung in die Philosophie überhaupt« und zugleich in die modernen Richtungen der Philosophie bewährt. Eben weil kein eigentlich einheitlicher Gedanke voll ausgeprägt ist, sondern unausgesprochen die Einheit der Philosophie selbst lebt, sind Windelbands »Präludien« auch im Sinne des hier allgemein gefaßten Begriffes der Philosophie von hervorragendster Bedeutung, die ersten mit ernst versuchten Schritten in das große Gebiet wissenschaftlicher Philosophie zu leiten. Den »Präludien« liegt der Gedanke, gewaltsam in ein bestimmtes System der Philosophie einzuführen, ebenso fern, wie der andere, Weltanschauung zu geben und zu bilden. Dort, wo dieser Gedanke auftaucht, ist er von sekundärer und nicht von primärer Bedeutung.

f) Der Weg in die Philosophie.

Mit dem Hinweis auf die Einleitungsliteratur der Philosophie ist jedoch keineswegs der zweckmäßigste Weg selbst bezeichnet, in das große Gebiet der wissenschaftlichen Philosophie hineinzukommen. Er sei durch einige Bemerkungen angedeutet, wobei wir rein populäre Ansprüche an die Philosophie nicht weiter berücksichtigen.

Der empfehlenswerteste Beginn mit philosophischen Studien ist immer die selbständige Lektüre eines bekannten philosophischen Werkes, gleichviel welcher Richtung der Verfasser desselben angehört. In diesem Sinne kommen die Schriften aller großen Denker in Betracht.

Nur ist es von Wichtigkeit, daß man zu einem grundlegenden, die Prinzipien der Einheit suchenden und feststellenden Hauptwerke des betreffenden Philosophen und nicht gleich zu Anfang zu einem diese Prinzipien in leichterer Form darstellenden oder zur Anwendung bringenden Werke greift. Über diese Hauptwerke der Philosophie gibt jede beliebige, sonst noch so dürftige »Geschichte der Philosophie« Aufschluß. Ein solches Hauptwerk muß allerdings mit dem Willen gelesen werden, nicht subjektive Kuriositäten und Gedankenspielereien zu entdecken, sondern Formationen eines zu objektiver Einheit gelangen wollenden Geistes zu verstehen.

Von der oft nur mit vollem Mut des Denkens möglichen Lektüre eines solchen Werkes aus wird sich von selbst das Bedürfnis einstellen, die Bedingungen, aus denen dieses Werk gewachsen ist und den ganzen Gedankenzusammenhang, in dem es steht, kennen zu lernen. Dazu führt an zweiter Stelle am besten die Lektüre einer guten Darstellung der »Geschichte der Philosophie«, deren es eine ganze Anzahl gibt. Hervorgehoben sei das standard work eines »Lehrbuches der Geschichte der Philosophie« von Wilhelm Windelband, eigenartig durch die Anordnung des historischen Stoffes nach Problemen gegenüber einer mehr subjektiven, sonst üblichen Gruppierung der philosophischen Vergangenheit um einzelne Philosophen. Erwähnt sei ferner das Werk von Friedrich Kirchner: »Geschichte der Philosophie von Thales bis zur Gegenwart« (4. Auflage, bearbeitet von Georg Runtze), das weit knapper geformt ist und mehr auf das allgemeine Verständnis Anspruch erhebt. Es erschien in der gleichen Sammlung wie die vorliegende Einführung.

Den Eindruck allerdings einer verwirrenden Überfülle philosophischer Fragestellungen und Antworten wird auch der geübteste und nachdenklichste Leser bei der ersten Lektüre einer solchen »Geschichte der Philosophie« nicht verwinden können, aber er wird wenigstens ein allgemeines Schema zur Unterbringung philosophischer Probleme und einen vorläufigen stets zu vertiefenden und zu erweiternden Überblick aus der Lektüre davontragen.

Gefördert wird dieser Einblick werden durch die Beschäftigung mit irgendeiner sogenannten »Einleitung in die Philosophie«, sofern darin die Absicht zutage tritt, die Begriffe und Probleme der Philosophie deutlich zu formulieren.

Von da aus wird sich dann von selbst der philosophische Spürsinn rege zeigen und sich eigene Wege suchen, die, sobald sie zur selbständigen Forschung führen, auf die eingehende Beschäftigung mit dem philosophischen Handmaterial weisen. Von dem ersten schwierigen Eintritt in das Gebiet der Philosophie aus gehen die Wege nach unzähligen Richtungen, nach unendlich vielen kleinen Höhepunkten, um von da aus das ganze Gebiet der Philosophie von irgendeinem Problem oder irgendeinem Systeme aus zu umspannen. Diese Wege müssen den, der sie mit Ernst betritt, zur Einheit des Wissens führen, wenn er sich nicht verlocken läßt, um der Bedürfnisse des Gemütes willen das Ziel der allgemeingültigen Erkenntnis aus dem Auge zu lassen. –

Es sei nicht vergessen, einen Irrtum zu beleuchten, der in bezug auf den philosophischen Betrieb an den Universitäten weit verbreitet ist. Es wird gerade von den jungen Studierenden oft fälschlich angenommen, daß die Seminarien und Übungen, in denen bestimmte Schriften zugrunde gelegt werden, zur Einführung in philosophische Spezialgebiete dienen sollen. Genau das Gegenteil ist nach den vorangegangenen Ausführungen der Fall. Die allerbeste Einführung in das Gebiet der wissenschaftlichen Philosophie, die ein junger Akademiker sich verschaffen kann, ist die Teilnahme an solchen Übungen. Denn lesen gelernt haben, ist die Grundbedingung alles Verstehens, und in der ernsthaften Lektüre bestimmter philosophischer Werke verschwindet am ehesten die so oft völlig unangebrachte, leider gerade heutzutage auf den Universitäten mit Unrecht gezüchtete Genialität, von der man irrtümlicherweise glaubt, daß sie auf philosophischem Gebiete berechtigt sei. Es dürfte deshalb gerade an einer Stelle, wo es sich darum handelt, in die Philosophie einzuführen, der Rat am Platze sein, mehr und intensiver die philosophischen Übungen zu besuchen, die in die Lektüre einzelner philosophischer Werke einführen und lieber Vorlesungen, die an die Teilnahme des Hörers nur geringe Ansprüche stellen, fallen zu lassen.


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