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Indem wir hier den Schritt aus dem fantastisch-anmuthigen Bereiche der Feen und Geister in das gemeine des Wahren und Wirklichen zurückthun, wollen wir – auch uns gleichsam Reminiscenzen – die Reste sammeln, die sich aus der Erinnerung an die geschwundenen Zeitalter des Märchens und der Sage bewahrt und indem sie mit religiösen Ereignissen im Volksleben ihre Verbindung eingegangen sind, sich ein Leben gesichert haben, wie das Moos, das auf den Dächern alter Dorfkirchen grünt.
Die Traditionen des Druidenthums haben sich in den düstren Novembermonat geflüchtet, und namentlich ist es der Allerheiligenabend, der durch die Vermischung druidischer und katholischer Erinnerungen einen besonders mystischen Charakter erhalten hat. Der erste November war der Tag der druidischen Mondgottheit in ihrer Eigenschaft als Beschützerin der Früchte und Saaten; und zum Andenken daran werden an diesem Tage noch immer Aepfel gegeßen. In der Dämmrung wird vor jedem Haus ein Feuer angezündet und der Abend ist die Zeit, wo man durch Zeichen und 188 Erscheinungen erfahren kann, was die Zukunft in Bezug auf Heirathen, Leben und Sterben bestimmt habe. Man geht auf den Kirchhof und säet Hanfsamen, dieß muß Etwas vor Mitternacht angefangen werden. Die Person, welche säet, geht um die Kirche und sagt dabei:
Hanf ich säe,
Laß den (oder die) nun kommen, der (oder die) ihn mähe!
Sobald vom Kirchthurm herab der zwölfte Glockenschlag dröhnt, muß die Person hinter sich sehn und erblickt alsdann entweder einen Sarg, oder die zukünftige Braut (den zukünftigen Bräutigam). Diese Erscheinung ist gewöhnlich eine Person, die man nie zuvor gesehn hat, aber sogleich erkennt, wenn man ihr später wirklich begegnet. Auch hört derjenige, welcher nun sein Ohr an die große Kirchenthür legt, die Namen aller Derer, die im folgenden Jahre sterben werden. – Damit nun aber in der Romantik der schauerlich dumpfen Novembernacht erheiternde Elemente nicht fehlen, so existirt die Sitte, am Allerheiligenabend aus dem s. g. »gefährlichen Kruge« zu trinken. Der gefährliche Krug ist nemlich am Rande durchlöchert, und gießt demjenigen, der es nicht weiß und beim Trinken dieses Loch nicht mit dem Daumen zuhält, seinen ganzen Inhalt über den Leib. Ebenso werden Aepfel und Talglichter dicht zusammen an die Stubendecke gehängt; und nun müßen die jungen Leute nach den Aepfeln springen, um sie mit dem Munde zu erhaschen, wobei es dann immer ein großes Gelächter gibt, wenn sie ein Talglicht statt eines Apfels im 189 Munde mit herunterbringen. Auch werden große Zuber mit kaltem Waßer gefüllt und auf den Boden Geldstücke gelegt, welcher derjenige gewinnt, der sie mit seinen Zähnen herausholt, während seine Hände auf dem Rücken festgebunden sind. Die meisten holen sich aber nur einen naßen Kopf und gewinnen Nichts, als daß sie von den Zuschauern ausgelacht werden.
Die Wintersonnenwende wird, an die alten Todtenfeste der Druiden erinnernd, dadurch gefeiert, daß Lichter gemacht und von Haus zu Haus geschickt werden. Am andren Tage werden diese Lichter angezündet, und bei der hellen Lichterfreude Aepfel und Nüße verzehrt, die Nußschalen verbrannt und aus der Asche weißagt, wer die Kunst versteht.
Für die Weihnachtszeit hat sich das Singen von s. g. »Weihnachtsliedern« erhalten, deren jedes Jahr in allen Theilen von Wales neue gedichtet und verbreitet werden. In frühern Tagen gab es hier für alle Feste solche besondre Lieder (natürlich religiösen Inhalts und insgesammt mehr wegen ihres löblichen Inhalts als poetischen Werthes ausgezeichnet); jetzt hat sich der Gebrauch auf Christtag beschränkt. Nach dem Frühgottesdienst – der bald nach Mitternacht beginnt – werden diese Lieder in der Kirche zur Harfe gesungen; darauf, während der Festtage, auch in allen Häusern. Es gibt auch Lieder, welche von den guten Freunden, die sich an diesem Tage besuchen, vor der Thüre, ehe sie eintreten, gesungen werden.
Wieder druidisch ist der Gebrauch, am Christabend ein Bündel von Misteln an die Stubendecke 190 zu hängen, und unter dem Schutz dieser, dem Heidenthum heiligen Pflanze, sich fröhliche Christtage und glückliches Neujahr zu wünschen.
Mit dem Winter, der mit seinen langen, dunklen Nächten zu so trübem Brüten der Phantasie fast überall aufzufordern scheint, ist auch das Druidenthum in Wales überwunden. Die Festgebräuche nehmen einen rein christlichen Charakter an und wenden sich in der lustigen Frühlingszeit gar dem heitern Cult einer unbegrenzten Naturfreude zu. Am Ostersonntagsmorgen in aller Früh müßen die jungen Leute heraus, um die Sonne »tanzen«Wie in Deutschland so existirt dieser Volksglauben auch in England, wo ich namentlich in zwei Dichtern des 17. Jahrhunderts Anspielungen auf denselben fand. So in John Suckling's († 1641) berühmter Ballade »die Hochzeit«:
- she dances such a way - Dann bei John Cleveland († 1658) in einem seiner Klagelieder über den Sturz Carl's I.: Whose beauty makes the sprightly sun
No sun upon an Easter day
Is half so fine a sight.
To dance, as upon Easter-day.
In andern Theilen von Wales findet am zweiten und dritten Ostertag das s. g. »Lüften« Statt, welches darin besteht, daß man eine Person auf einem Stuhle dreimal vom Boden in die Luft hebt. Am Montag lüften die Männer die Frauen, am Dienstag werden die Männer von den Frauen gelüftet. Mittags um zwölf Uhr hört das Lüften auf. Die Lüfter, wie sie genannt werden, gehen truppweise und ergreifen 193 nach Belieben die Person, die sie lüften wollen, setzen sie auf den Stuhl, heben sie jubelnd in die Höhe und machen dann ihr Compliment. Ein wenig Widerstand erhöht die Freude; wer sich aber ernstlich zur Wehr setzen wollte, würde Unwillen und Verachtung erregen.
Als einer sehr freundlichen Gewohnheit werde ich noch weiterhin zu gedenken haben, daß am Ostertag die Kirchhöfe besucht werden, um die Grabsteine der Angehörigen zu reinigen und zu waschen, Unkraut wegzujäten und Blumen aufs Grab zu streuen.
In der Nos Calanmai oder ersten Mainacht hängen die jungen Bursche in Caernarvonshire vor der Thür ihrer Liebsten Sträuße von Rosmarin und Bänder auf; an die Thür einer Spröden aber binden sie einen – Pferdeschädel. – In Caermarthenshire werden in jener Nacht Zweige der Bergesche über die Hausthüre gehängt, weil dieß ein Mittel gegen die Hexen sein und sie vom Hause abhalten soll.
Der Pfingstsonntag ist durch einen eigenthümlichen Tanz ausgezeichnet, welchen neun Männer aufführen, unter denen nebst dem Hanswurst besonders eine seltsame Figur, Megen genannt, der Liebling des Publikums ist. Megen soll eine alte Hexe sein, wird aber – wie gesagt – durch einen Mann dargestellt, der sich in Frauenkleider gesteckt, das Gesicht mit Ruß beschmiert hat und auf jede Weise bemüht ist, die Zuschauer durch Späße und tölpelhafte Sprünge gebührend zu belustigen. Wenn der Tanz vorbei ist, dann sammelt Megen, wobei sie einen großen Kochlöffel über dem Haupte schwingt. – Wie Wales mit 194 seinem Puck-Thal einen Theil der Scenerie zum »Sommernachtstraum« geliefert zu haben sich rühmt, so wird auch behauptet, daß der walisische Pfingstsonntagstanz das Modell zu jenem unvergleichlichen »Tanz von Rüpeln« gewesen sei.
Man sieht aus dem Mitgetheilten, daß es der walisischen Jugend nicht an guter Laune und Lebenslust fehlt. Sie haben noch einen fröhlichen Gebrauch, der sich nicht an vorausbestimmte Tage knüpft; das s. g. »Auf einem hölzernen Pferde reiten.« Wenn von einem Manne bekannt ist, daß er ein Pantoffelheld sei oder eine böse Sieben zur Frau habe, so nehmen die jungen Bursche eine Stange, setzen Einen aus ihrer Mitte darauf und tragen ihn so durchs Dorf und vor das Haus der bösen Hexe, wo sie dann komische Verse improvisiren etwa wie folgt:
Hier kommt Einer angeritten
Dich um deine Huld zu bitten –
Au – sie greift zur Bohnenstangen, –
Hätt' ich lieber Nichts angefangen!
Wäre von einem Ehemann aber gar noch Schlimmeres bekannt, so wird diese Ceremonie dadurch vervollständigt, daß man dem Reiter ein paar Hörner an den Kopf bindet. 195