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Der Eibenforst
In Mathavarn, Kirchspiel Llanwrin im Cantref Cyveillioc ist ein Wald, welcher der Eibenforst heißt; wahrscheinlich, weil grad in seiner Mitte ein Eibenbaum steht. An einigen Plätzen dieses Waldes sind grüne Kreiße auf dem Boden, welche das Volk: Feentanzplätze nennt und von denen Folgendes Mabinogi geht.
Zwei Knechte John Pugh's giengen eines Tages aus, um in dem Eibenforst zu arbeiten. Schon ziemlich früh am Nachmittage war die ganze Gegend so mit dunklen Wolken bedeckt, daß die Burschen dachten, es wäre Nacht geworden. Aber als sie in die Mitte des Waldes und an den Eibenbaum kamen, flammte und hellte es sich um sie wieder auf, und das Dunkel schwand hinter ihnen. Da sie nun dachten, es sei doch noch zu früh, um schon nach Hause zu gehn, so legten sie sich da nieder und schliefen ein. Endlich wachte der Eine von den Beiden wieder auf, 124 – aber wie staunte er, da sein Kamrad nicht mehr an seiner Seite lag! Zuerst ärgerte er sich darüber, daß dieser, ohne ihm ein Wort zu sagen, sich fortbegeben hatte; dann aber dachte er sich, er sei wol zum Schuhflicker gegangen, weil er ihm schon am Morgen gesagt habe, er hätte Etwas bei dem zu thun. Das sagte er auch zu Haus, als sie ihn nach dem andren Knecht fragten. Als derselbe nun aber gar nicht wiederkommen wollte, und auch am andren Tag noch fehlte, so mußte er endlich erzählen, wie und wo Beide geschlafen hätten.
Nachdem sie lange vergeblich gesucht hatten, gieng er endlich zu einem weisen Manne, der ihm Folgendes anrieth:
»Geh,« sagte er, »an denselben Platz, wo Du mit Deinem Cameraden geschlafen hast. Geh genau ein Jahr nach dem Tage hin, an welchem Du ihn verloren hast, aber es muß genau derselbe Tag und dieselbe Stunde sein. Nimm Dich dabei in Acht, daß Du nicht in den Feenring trittst, sondern stelle Dich auf den Rand der grünen Kreiße, die Du da siehst. Dein Kamrad wird mit vielen Feen zum Tanzen dorthin kommen, und wenn er Dir so nahe ist, daß Du ihn greifen kannst, dann zieh ihn so rasch wie möglich aus dem Ring heraus.«
Dieser that, wie ihm geheißen war, zog den Burschen heraus und fragte ihn: ob er nicht hungrig wäre? Dieser sagte: »Nein!« Er hatte noch die Ueberreste des Eßens, welche er in seinem Quersack gelaßen hatte, ehe er eingeschlafen war. Dann fragte 125 er: ob es noch nicht bald Nacht und Zeit sei, nach Hause zu gehn? Denn er wußte nicht, daß schon ein Jahr vergangen sei. Aber er sah so bleich aus, wie eine Leiche, und sobald er den ersten Bißen zu sich nahm, fiel er hin und war todt.
Von diesem Zauberwalde geht auch folgender Vers:
Willst zum Eibenforst Du gehn,
Sieh nicht um Dich, bleib' nicht stehn.
Hüt' den Fuß auch vor den Ringen,
Wo die Feen im Grase springen!
Rhys auf dem Feentanz.
Rhys und Llewellyn, zwei Farmersknechte, welche den ganzen Tag über für ihren Herrn Kalk gefahren hatten, trieben, da sie von ihrem Tagwerk heimkehrten, im Zwielicht ihre Bergpferde vor sich her. Da sie eine kleine Ebne erreicht hatten, sagte Rhys zu seinem Genoßen, er solle doch mal stehen bleiben und auf die Musik hören, denn ihm wäre, als klänge da eine Melodie, nach welcher er wol schon hundertmal getanzt hätte, und nun wolle er auch gehn und tanzen. Er bat ihn dann, mit den Pferden fortzugehn, er würde ihn bald wieder einholen. Llewellyn konnte Nichts hören und redete ihm sehr ab; aber Rhys lief fort und Llewellyn rief umsonst hinter ihm her. Er gieng nach Haus, stellte die Pferde ein, aß sein Abendbrod und legte sich dann zu Bett, da er dachte, Rhys habe nur einen Vorwand gesucht, um ins Bierhaus zu kommen. Als am andren Morgen aber noch immer Nichts von Rhys zu hören und zu 126 sehn war, erzählte er seinem Herrn die Geschichte, worauf man den Knecht zu suchen begann. Aber man konnte ihn nicht finden. Da stieg der Verdacht auf, Llewellyn habe ihn ermordet, und er ward ins Gefängniß gesetzt, obgleich kein Beweis gegen ihn vorlag. Ein Farmer aber, der in Feengeschichten sehr bewandert war, hatte seine besondren Gedanken über diesen Vorfall und so schlug er vor, er selbst und einige Andre sollten Llewellyn nach dem Orte begleiten, wo er mit Rhys zuletzt gewesen sei. Da sie dahin kamen, fanden sie den Platz so grün, wie einen Vogelbeerbaum.
»Pst!« rief der Llewellyn auf einmal, »ich höre Musik – ich höre liebliche Harfen!«
Wir Alle lauschten, sagte der Erzähler (denn derjenige, welcher diese Geschichte mitgetheilt hat, war Einer von Denen, die Rhys suchten) – aber wir konnten Nichts hören.
»Setz Deinen Fuß an meinen, David!« sagte er zu mir; sein eigener Fuß stand nemlich am Rand des Feenrings. Ich that, wie er geheißen, und – Einer nach dem Andern – machten es nun Alle so; und da hörten wir denn den Klang vieler Harfen, und sahen in einem Kreiß von ungefähr zwanzig Fuß Durchmesser eine Menge kleiner Wesen – nicht größer als Kinder von drei oder vier Jahren – welche immer rundum tanzten. Unter ihnen sahen wir Rhys; Llewellyn ergriff ihn, als er ihm nahe genug gekommen war, beim Kittel und zog ihn aus dem Kreiß heraus.
127 »Wo sind die Pferde? Wo sind die Pferde?« rief er.
»Pferde hin, Pferde her – mach' nur, daß du nach Haus kommst!« erwiderte Llewellyn.
Aber Rhys bat ihn er möge doch allein nach Haus gehn und ihn erst den Tanz zu Ende bringen laßen, da er ja nicht länger als fünf Minuten gedauert habe. Sie mußten ihn mit Gewalt fortziehn. Aber er blieb dabei, er sei nur fünf Minuten fortgewesen; von den Leuten aber, bei denen er gewesen, konnte er weiter keinen Aufschluß geben. Er ward immer trauriger, mußte sich zu Bett legen und starb bald darauf.
Am andren Morgen, schloß der Erzähler, giengen wir nach dem Platz, wo wir Rhys gefunden hatten. Der Umkreiß des Ringes war ganz roth, wie der Rasen zu werden pflegt, wenn er ausgetreten ist und ich konnte noch die Spuren kleiner Fersen sehn, ungefähr so groß, wie der Nagel meines Daumen.
Gitto Bach.
Ein schöner Knabe, Namens Gitto Bach (der kleine Gitto), pflegte oft auf dem Gebirge zu schweifen, um nach seines Vaters Schafen zu sehn. Wenn er zurückkam, hatte er immer Stücke von auffallend weißem Papier, in welches Buchstaben gepreßt waren, und die ganz genau aussahen, wie Kronenstücke. Er zeigte sie seinen Schwestern und Brüdern und sagte ihnen, er habe sie von den kleinen Kindern, mit denen er auf dem Gebirge immer spiele. Eines Tages kehrte 128 er nicht heim und zwei volle Jahre verlautete gar Nichts von ihm. Die andren Kinder giengen nun auch aufs Gebirge, brachten auch wohl einige von diesen weißen Kronenstücken mit nach Haus, aber von dem Verlorenen hörten sie Nichts. Endlich, eines Morgens, als die Mutter die Hausthüre öffnete, sah sie den kleinen Gitto draußen auf der Schwelle mit einem Bündel unter dem Arme sitzen. Er war grad so angezogen, sah auch ganz so aus, als wie sie ihn zuletzt gesehn hatte. Auf ihre Frage, wo er so lange gewesen sei, antwortete er, er sei ja erst gestern weggegangen, und bat sie dann, die schönen Kleider zu sehn, welche ihm die kleinen Kinder aus dem Gebirge dafür geschenkt hätten, daß er mit ihnen nach der Musik ihrer Harfe getanzt habe. Das Zeug in dem Bündel war von sehr weißem Papier ohne Saum oder Naht. Die verständige Mutter warf es sogleich ins Feuer.
Der wunderbare Vogel.
Ein junger Mann aus Pent schon Schenkin in Caermarthenshire gieng eines Sommermorgens in der Früh aus der Farm und da hörte er auf einem Baume ganz dicht am Wege einen kleinen Vogel in der bezauberndsten Weise singen. Von der Melodie entzückt, setzte er sich unter dem Baum nieder, bis der Vogel schwieg; aber, als er aufstand und glaubte, es seien nur wenige Minuten verfloßen, da war der Baum verdorrt und ohne Rinde; und als er zum Hause kam, da war auch das ganz anders als 129 zuvor und Niemand darin, als ein steinalter Mann, den er nicht kannte. Nachdem er dem alten Manne erzählt hatte, wo er gewesen und wer er sei, da rief dieser aus: »Armer John! meinen Großvater, der dein Vater war, hörte ich oft von dir sprechen, er hat dich lange beweint und vergeblich gesucht. Endlich sagte ihm die weise Frau von Brechva, du wärest in die Gewalt von Feen gerathen, und du würdest nicht eher erlöst werden, als bis der Baum dort saftlos und trocken geworden sei!«
Da der alte Mann ihn umarmen wollte, fiel der arme John in Staub zusammen.
Die Cymunoddbrücke.
Ein Mann aus Anglesea sah in seiner Jugend oft die Tylwyth Têg, und eines Morgens, da er früh ausgieng, um die Kühe seines Vaters vom Feld zu holen, sah er einen Haufen dieses kleinen Volkes tanzen. Sein Auge wurde geblendet, als wenn er in die Sonne sähe, und bei seiner Rückkehr von der Wiese entdeckte er auf einem Stein der Cymunoddbrücke eine kleine Silbermünze, und von da ab fand er, so oft er die Feen sah, auf derselben Stelle ein gleiches Geldstück.
Da er nun dieß Geld so oft bei sich hatte, so ward seines Vaters Argwohn rege, und er mußte ihm endlich sagen, woher er es habe. Von der Zeit an aber blieb das Geld aus und auch die Feen sah er nicht wieder, so oft er auch später noch nach der Brücke und der Wiese gieng. 130
Feen als Todesboten.
Ein walisischer Bauer erzählte auf seinem Todtenbette, daß er eines Nachts da er einen Botengang vom Hause Jane Edmund's von Abertillery machte, Laute gehört hätte, als sprächen nicht weit von ihm mehrere Personen miteinander. Er lauschte aufmerksam, da hörte er Etwas, wie wenn ein Baum bräche, der in seinem Fall andre Bäume mit sich niederriße, und darauf wieder eine klägliche Stimme, wie die Stimme eines Menschen in Pein und Elend, davor er sich sehr entsetzte und eilte, von diesem Platz hinwegzukommen. Es waren unzweifelhaft Feen gewesen, die da sprachen; sie sprachen von seinem Tod und machten das Aechzen nach, welches er später selber ausstieß. Denn kurze Zeit darauf stürzte er von einem Baume und dieser unselige Fall brachte ihn aufs Todtenbett.
Feenbergwerk.
Ein Mann von Hafodafel kam eines Morgens, als er sehr früh über die Breconberge gieng, an Etwas vorbei, das ganz wie ein Kohlenbruch aussah, obgleich er wußte, daß in der Wirklichkeit daselbst Nichts wäre. Er sah viele Leute sehr beschäftigt, die Einen, Kohlen zu brechen; die Andren, sie in Säcke zu füllen; wieder Andre, die Säcke auf Pferde zu laden. Das war offenbar Feenwerk, womit sie ihm die Augen blendeten; aber es war wundervoll anzusehn und machte einen großen Eindruck auf ihn. 131
Feen werden von Menschen verfolgt.
Auf dem Berge Pencarreg (oder Steinkopf) an der Straße nach Llandovery hielten die Feen ihre Feiertage. Als hierher nun an einem Ostermontag in der Morgenfrühe die Bauerburschen kamen, um Ball zu spielen, sahen sie die Feen tanzen. Sie giengen darauf auf diese kleinen Wesen zu, welche sich aber, sobald sie dieß bemerkten, an einen andren Platz begaben. Die jungen Leute folgten ihnen auch dahin, worauf aber die Feen rasch wieder an dem ersten Platze zu tanzen begannen. Als die Bauerburschen nun auch hierher kamen und sie umringten, da verschwanden die Feen plötzlich und wurden an diesem Orte niemals wieder gesehn.
Die Heerde in der Luft.
Die beiden Töchter eines ehrbaren Farmers im Kirchspiel Bedwellty waren eines Tages um Heu zu machen mit ihren Knechten, Mägden und einigen Nachbarn draußen, als sie auf einem Hügel, etwa fünf Minuten weit von sich entfernt eine große Schaafheerde sahen. Bald danach sahen sie dieselbe nach einem andren Platz, etwa zehn Minuten weiter gehn, dann kam sie ihnen ganz aus dem Blick, als ob sie in der Luft verschwunden wäre. Ungefähr eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang erschien die Heerde wieder, aber sonderbar genug – die Einen hielten sie für Schaafe, die Andren für Schweine, Andre für Windhunde – Einige sogar für nackte Kinder. Sie 132 erschienen im Schatten der Gebirge zwischen ihnen und der Sonne, und auf den ersten Blick schien es, als ob sie aus der Erde gekommen wären.
Dieß war offenbar eine Erscheinung der Feen, setzte Mutter Moll hinzu, und ist von glaubwürdigen Zeugen gesehn worden. Die Ungläubigen sind sehr unvernünftig, wenn sie nach solchen Zeugnissen noch an dem Dasein von Feen zweifeln wollen!
Mittel um die Feen zu sehn.
Ein walisischer Landmann hatte kein größeres Verlangen auf der Welt, als die Feen einmal sehn zu können. Da verordnete ihm eine alte Zigeunerin, er sollte vierblättrigen Klee suchen und denselben nebst neun Weizenkörnern auf das Blatt eines Buches legen, welches sie ihm gab. Dann hieß sie ihn, in der nächsten Nacht bei Mondschein auf dem Gipfel des Dinis-Felsen sein; daselbst würde er sie treffen. Hier wusch sie ihm nun sein Auge mit dem Inhalt einer Phiole, welche sie mitgebracht hatte, und sogleich sah er tausend Feen, welche – Alle in Weiß gekleidet – nach dem Klange zahlreicher Harfen tanzten. Dann begaben sie sich auf eine Zacke des Hügels, saßen nieder, schlangen die Hände um die Knie zusammen und so stürzten und kugelten sie sich, eine über der andern, kopfüber, bis sie im Thale verschwanden.
Ein Meßer hilft gegen die Feen.
Ein ehrlicher Bauersmann sah eines Nachts, als er über die Bedwelltyberge nach Hause gieng, die 133 Feen zu beiden Seiten seines Weges. Einige von ihnen tanzten. Er hörte auch den Ton des Hifthornes, als wenn da gejagt würde. Er ward sehr ängstlich, aber da er sich erinnerte gehört zu haben, daß die Feen verschwinden, wenn man sein Meßer zieht, so that er es und von dem Augenblick an sah er sie wirklich nicht mehr.
Feentanzplätze.
Ein ehrbares und tugendhaftes Frauenzimmer erzählte, daß sie einst, da sie noch ein kleines Mädchen war und in die Schule gieng, die Feen unter einem Holzapfelbaume tanzen sah. Da sie Kinder von ihrer eignen Größe zu sein schienen, so gieng sie zu ihnen, tanzte mit ihnen und nahm sie darauf mit sich in eine leere Scheune. So machte sie's noch drei oder vier Tage. Sie zog ihre Schuh dabei immer aus, da sie niemals ihren Gang hören konnte und daher glaubte, daß der Lärm ihnen wol unangenehm sei. Sie waren von kleinem Wuchs, sahen eher alt als jung aus und trugen blaue und grüne Schürzen. Auch ihr Großvater, welcher in dem Kirchspiel Schulmeister war, sah oft, wenn er spät Abends nach Haus gieng, die Feen unter einer Eiche, zwei oder drei Felder weit von der Kirche tanzen.
Ein andrer alter Mann hatte die Feen oft an Waßerfällen gesehn, besonders an denen des Neath-Thales, wo ein Weg zwischen dem Fall und dem Felsen dahingeht. Als er hinter dem Fall stand, erschienen sie in allen Farben des Regenbogens und ihre 134 Musik vermischte sich mit dem Rauschen des Waßers. Dann zogen sie sich in eine Höhle zurück, welche sie in den Felsen gemacht hatten, und nachdem sie sich daselbst belustigt hatten, stiegen sie die Felsen hinan und giengen im Mondenschein fort und die Klänge ihrer Harfe starben dahin, während sie giengen.
Feen laufen hinter Kindern her.
Ein frommer, junger Mann aus Denbighshire erzählte, daß er in seinem Knabenalter einmal mit seiner Schwester und noch zwei andren kleinen Mädchen an einem Sommernachmittag im Felde spielte. Da sahen sie ungefähr sieben Ellen weit von sich eine Gesellschaft tanzen. Bei der Schnelligkeit ihrer wirbelnden Bewegungen konnten sie dieselben nicht zählen, aber sie schätzten sie auf funfzehn bis sechszehn. Sie trugen sich roth, wie die Soldaten, auch die Taschentücher, welche sie um den Kopf hatten, waren roth mit Gelb gesprenkelt. Als die Kinder verwundert zusahen, kam einer von den Tänzern zu ihnen herangelaufen. Die Kinder, in einer Angst, liefen fort und zu dem Trittbrett, welches über den Zaun führte. Die Mädchen kamen auch glücklich hinüber, aber der Knabe stolperte, und wäre beinahe von den Verfolgern gefangen worden. Da er nun glücklich drüben war und sich umsah, so sah er, wie der rothe Mann seine Arme hinter ihm her über das Trittbrett streckte. Um hinüberzuspringen schien er aber nicht Kraft genug zu besitzen.
Als sie im Hause, welches ganz in der Nähe lag, 135 angekommen waren, erzählten sie sogleich, was ihnen geschehen war, und Leute giengen aus, um im Feld zu suchen, aber sie fanden Nichts.
Der kleine rothe Mann sah sehr grimmig aus und hatte ein kupferfarbenes Gesicht. Er lief zwar nicht sehr schnell, machte aber doch für seine Größe tüchtige Schritte.
Yanto's Jagd.
Vor Jahren lebte unter den Hügeln ein Mann mit Namen Evan Shone Watkin; man nannte ihn aber meistens Yanto'r Coetcae, d. h. Yanto (Volksausdruck für Evan) vom Holzanger. Nun geschah es einmal, daß Yanto nebst andern Freunden und Nachbarn zu einem Manne, der an der Grenze von Glamorganshire wohnte, eingeladen ward, um eine Taufe zu feiern. Der Abend ward, wie das bei solchen Gelegenheiten zu geschehn pflegt, in großer Heiterkeit verbracht; sie tranken vom stärksten Ale, sie zechten vom besten Meth und sangen Pennillion (walisische Volksliedchen) zur Harfe. So war es beinahe Mitternacht geworden, ehe sich Evan erinnerte, daß er noch einen weiten Weg nach Haus habe. Da seine Anwesenheit zu Haus am andern Morgen schon in aller Früh dringend nothwendig war, so beschloß er denn nun auch endlich aufzubrechen. Allein zu einer solchen Wanderung muß man sich stärken, und er leerte darum sein Bierglas mit doppelter Behendigkeit; und da er an das Sprichwort dachte: »ein Sporn im Kopf ist beßer, als zwei an den Fersen,« so nahm er noch einen 136 Abschiedstrunk Meth und machte sich alsdann auf seinen Weg, der über die Berge von Carno führte. Er war schon eine Zeit lang gegangen und hatte bereits eine beträchtliche Strecke in den Bergen hinter sich, als er auf einmal in weiter Entfernung Musik zu hören glaubte und zwar beinah in derselben Richtung, die er gieng. Indem er weiter schritt, fand er, daß sich die Klänge näherten und daß die Musik von einer Harfe und mehreren Stimmen, die sie begleiteten, herrühre. Sogar den Ton konnte er unterscheiden; es war nemlich der »Ar hŷd y nôs«Wir theilen diese Melodie, eine der populärsten in Wales, im musikalischen Anhang unter Nr. 3 mit.. Aber da die Nacht sehr dunkel war und der Nebel dick um ihn lag, so konnte er die Personen, die sich so vergnügten, nicht ausfindig machen. Da er wußte, daß weit in der Runde kein Haus sei, so wurde er durch das, was er hörte, sehr neugierig gemacht; und da die Musik fortklang und nur ein paar Schritte von seinem Wege zu sein schien, so glaubte er, es sei keine Sünde, wenn er ein wenig seitwärts gienge, um zu sehn, was es wäre. Obendrein dachte er, es würde doch Unrecht sein, so dicht an einer lustigen Gesellschaft vorbeizugehn, ohne nur ein paar Minuten zu verweilen und an ihrer Lustbarkeit Theil zu nehmen. Demgemäß bog er in der Richtung der Musik vom Wege ab und da er reichlich so weit gegangen war, um den Platz erreicht zu haben, auf welchem er die Musik vermuthete, so wunderte er sich nicht wenig, daß sie doch 137 noch eine Strecke weiter war. Indessen, da Yanto ein guter Philosoph war, so sagte er sich, daß Töne in der Nacht, wo Alles still sei, auf weitere Entfernungen hinaus gehört würden, als bei Tag, und da er nun einmal so weit von seinem Wege abgewichen sei, so wolle er nun auch nicht eher ruhn, als bis er die Musik gefunden hätte. Aber – wie dem nun auch sein mochte – je weiter er gieng, je weniger schien es wahrscheinlich, daß er sie erreichen würde. Zuweilen wichen die Töne vor ihm aus – und dann beschleunigte er seine Schritte, um sie nicht ganz zu verlieren und bei der Dunkelheit der Nacht rannte er mehr als einmal kopfüber in ein Torfmoor. Wenn er sich herausgearbeitet hatte und wieder auf seinen Beinen stand, so nahm er sich jedesmal vor, diese Jagd aufzugeben. Aber immer in demselben Augenblick hörte er die Töne lieblicher als zuvor, gleichsam als wollten sie ihn aufmuntern. Ja, seine Bemühungen wurden nicht selten dadurch angefeuert, daß er sich bei seinem Namen »Evan! Evan!« rufen hörte.
Da dieß nun in der That die anständigste Weise, ihn anzureden war (denn Yanto sagten doch nur die Bauern!) so vermuthete er, daß diejenigen, die er suchte – wer und wo sie immer auch sein mochten – mindestens doch sehr wolerzogene Leute sein müßten, und deswegen wuchs sein Verlangen, mit ihnen zusammenzusein. Sobald er folgte, hörte er sich denn freilich bei seinem ihm weniger angenehmen Namen: »Yanto! Yanto!« rufen. Wenn ihm dieser nun allerdings auch nicht so sehr schmeichelte, als der andre, 138 so mußte er doch in jedem Falle von guten Freunden kommen, war deshalb zu entschuldigen und bestimmte ihn, weiter zu gehn. Gleich der Musik aber waren auch diese Grüße oft so verworren, daß er zuweilen nicht genau unterscheiden konnte, ob es denn wirklich Musik und Stimmen oder die Birkhühner und Kibitze waren, die er bei jedem Schritt aus der Haide aufjagte.
Endlich, voll Aerger, daß alle seine Versuche fehl schlugen und obendrein außerordentlich ermüdet, beschloß er sich auf die Erde niederzulegen bis zum andren Morgen. Aber kaum lag er, da klang die Harfe wieder lockender als je zuvor und dabei so nah, daß er die Worte verstehn konnte, die dazu gesungen wurden. Darauf erhob er sich denn wieder und fieng die Jagd von Neuem an, tappte wieder in's Moor, watete knietief durch den Sumpf und zerriß sich die Beine, indem er sich durch den Ginster arbeitete, bis endlich seine Geduld und seine letzte Kraft ihn verließ. Aber wie groß war seine Freude, als er – in dem Augenblick, wo er eben zusammenbrechen wollte – eine kleine Strecke von sich entfernt, Lichter wahrnahm, die aus einem Hause herschimmerten, in welchem allem Anscheine nach eine fröhliche Gesellschaft beisammen war und sich, gleich derjenigen, die er am Abend verlaßen hatte, mit Musik, Trinken, und andren guten Dingen unterhielt. Bei solch' einem Anblick nahm er zum letztenmal seine Lebensgeister zusammen, gieng in das Haus, setzte sich beim Feuer nieder und forderte ein Glas Ale. Aber ehe noch das Glas gebracht war 139 oder er auch nur Zeit gehabt hätte, mehr von den Personen, die ihn umgaben, zu beobachten, als daß die Leute vom Haus sehr beschäftigt waren, ihren Gästen aufzuwarten und Alles den Anschein großer Fröhlichkeit an sich trug, da sank er, von der übergroßen Müdigkeit und dem zuvor getrunkenen Ale und Meth bewältigt, in einen tiefen Schlaf.
Ohne Zweifel, – er schlief lang und fest. Denn er erwachte erst am andren Morgen, als ihm die Sonnenstrahlen im Gesicht spielten. Aber als er die Augen öffnete und rund um sich sah, wie groß war sein Erstaunen, sich ganz allein zu finden, und von alle Dem, was er gestern Abend doch so genau gesehn hatte, ehe er einschlief, keine Spur mehr entdecken zu können. Von Haus und Gesellschaft war Nichts zu sehn und anstatt behaglich am Feuer zu sitzen, lag der arme Yanto fast erfroren auf einem kahlen Felsen, auf einer der luftigsten Spitzen des Darren y Killai, wol tausend Fuß hoch, und zwar so dicht am Rande, daß er senkrecht da hinunter gestürzt sein würde, wäre er in der Richtung nur noch ein oder zwei Fuß weiter gegangen.
Der schwache Wind.
Ein junger Mann aus Caermarthen kehrte eines Abends von einem Stelldichein zurück und hörte beim Nachhausegehn auf einmal einen Gesang so unbeschreiblich süß, daß er dem Verlangen nicht widerstehn konnte, zu sehn, wer da auf der Wiese so wunderbar sänge. Als er hinkam, fand er die Feen, welche im 140 Kreiße tanzten. Da er mit ihren Sitten aber nicht bekannt war, so gieng er auf sie zu, um sie fortzutreiben. Aber sie kamen ihm plötzlich entgegen, umringten ihn und tanzten um ihn herum. Da sie grade guter Laune waren, so bestraften sie ihn für seine Zudringlichkeit nicht, sondern fragten ihn, mit was für einem Winde er nach Hause geblasen sein wolle: mit einem starken, mit einem gemäßigten oder einem schwachen Winde? Der bestürzte Landmann wählte natürlich den schwachen Wind, da er davon am Wenigsten befürchtete. Darauf ergriffen die Feen seinen Arm, schleppten ihn, ohne auf sein Schreien zu hören, durch Dornen und Hecken, und warfen ihn schließlich, da sie ihr Vergnügen lang genug mit ihm gehabt hatten, in einen Sumpf, von wo er sich wieder aufraffen und nach Hause gehn konnte.
Puck und die Feen.
Zwei junge Männer von Llannarmon kehrten nach einem Rendezvous, welches sie in Ruthinfair mit ihren Geliebten gehabt hatten, nach Haus. Es war um Mitternacht, als sie in einen Wald traten, den sie durchwandern mußten, und da es sehr finster war, so verloren sie einander. Der Vorderste von ihnen rannte durch Büsche und Sträuche und rief ein Halloh über das andre, ohne Antwort zu bekommen – der neckische Puck hatte ihn von seinem Cameraden getrennt. Dieser war auch in der Nacht wolbehalten nach Haus gekommen, aber der Andre erreichte es erst am nächsten Morgen und in einem Zustande, daß ihn 141 die Leute gar nicht erkannten. Sein Gesicht war zerrißen, seine Kleider zerfetzt, und nachdem er sich ein wenig wieder erholt hatte, erzählte er: nachdem er seinen Genoßen verloren hatte, habe er sich plötzlich von einer glänzenden Beleuchtung umgeben gesehn und zahllose Feen hätten nach dem Klange der lieblichsten Musik getanzt. Sobald er aber fortzukommen versuchte, habe er sich immer sogleich in vollständiger Dunkelheit befunden und sei so erschreckt gewesen, daß er es vorgezogen hätte, den Feen zu folgen. Sie schwebten über Busch und Dornhecken, sanft und getragen, ohne nur im Mindesten davon beschwert zu werden; und er mußte ihnen folgen, durch alle die Reiser und Stacheln, zerrißen und verwundet – immerzu, immerzu – bis die lustigen Wesen den Hahn krähen hörten! Da ließen sie ihn todtmüde und in dem Zustande liegen, in welchem er später nach Haus kam.Wer würde durch die Umrisse dieses Märchens nicht an die Waldscenen in Shakespeare's Sommernachtstraum erinnert, dem ja – wie oben schon bemerkt – die Localität des Cwm Pwcca dabei vorschwebte?
Cwm Pwcca, das Puck-Thal.
Als eines Nachts ein Mann durch das Puck-Thal von seiner Arbeit nach Haus kehrte, sah er ein Licht vor sich und glaubte auch Jemanden unterscheiden zu können, der es trug. Da er dachte, daß es Einer von den andern Arbeitern mit einer Laterne sei: so beschleunigte er seine Schritte, um zu ihm zu 142 kommen, wunderte sich dabei aber nicht wenig, daß ein so kleiner Mann, wie der Laternenträger zu sein schien, so große Schritte machen könne. Auch bildete er sich ein, er gehe nicht den rechten Weg und der mit der Laterne kenne ihn beßer. Endlich erreichte er ihn, aber da fand er sich am äußersten Rande eines Abgrundes im Puck-Thal; noch ein Schritt vorwärts – und er würde hinabgestürzt sein. Puck – denn der war es, – sprang über die Schlucht, drehte sich um, hielt das Licht über seinen Kopf, blies es mit lautem Gelächter aus und verschwand.
Die Frau ohne Kopf.
Cwm Rhyd y Rhesg ist eine düstere und schaurige Thalschlucht in Glamorganshire. Ueber die wilde baumumwachsene Tiefe geht eine Brücke, und das Murmeln des Baches unter den Felsen oder das Windsgeräusch im Laube sind die einzigen Töne, welche die schaurige Einsamkeit dieses Thales stören. Hier soll alle sechzig Jahr die Frau ohne Kopf erscheinen. Sechzig Jahre ist sie abwesend und dann kehrt sie zum großen Entsetzen der ganzen Gegend zurück. Sie wird in der Abenddämmrung gesehn und soll zuletzt im Jahre 1827 da gewesen sein.
Die Bauern erzählen sich viel schreckliche Geschichten von diesem Gespenst. Einige sagen, ein Todesschauer habe sie ergriffen, als sie die Frau gesehn hätten, ob man gleich nie gehört habe, daß sie Jemandem ein Leides thue, sondern daß sie immer still für sich dahin wandre. Andre behaupten, ihnen wären die Kleider 143 am Leibe festgefroren, als sie das Gespenst erblickt hätten; auch hätten sie zugleich jegliche Fähigkeit, sich zu bewegen verloren. Auf diese Erscheinung bezieht sich folgende Geschichte von
Mary'r Elor, Mary von der Todtenbahre.
Vor nun ungefähr dreißig Jahren, als Mary Lewis durch Cwm Pergwm auf ihrem Wege nach der Farm Blaen Pergwm gieng, erschien vor ihr in der Nähe der oben beschriebenen Brücke Pont Rhyd y Resg eine weibliche Gestalt, ganz in Weiß gekleidet, ohne Kopf. Obgleich sie auf das Mädchen zuzugehn schien, so kam sie ihr doch nicht näher. Umsonst kehrte Mary um, – bei jedem Schritt, den sie vorwärts that, folgte ihr die Frau ohne Kopf auch. Mary beschloß daher vorwärts zu gehn. Aber die Frau hielt auch jetzt mit ihr Schritt und blieb, etwa zwei Ellen von der armen Mary, in voller Sicht. Mary sagte, das entsetzliche Gespenst sei etwa fünf Fuß hoch gewesen und habe, bis auf den fehlenden Kopf, einen in jeder Hinsicht vollständigen und sogar schönen weiblichen Körper gehabt. Ihr Kleid war schneeweiß und ein Mantel von blendender Helle und mit ausgezackten Kanten fiel über ihre Schultern. Die Gestalt machte Mary'n nicht das geringste Zeichen oder sonst eine Bewegung; begleitete sie aber bis auf sechs Schritt von dem Farmhaus, und verschwand dann.
Sobald das arme Mädchen die Schwelle erreicht hatte, ward sie ohnmächtig – und so oft sie erwachte und sich anstrengte, die Ursache ihrer Aufregung 144 anzugeben und das Gespenst zu beschreiben, schreckte sie schon bei der bloßen Erinnerung zusammen und bekam Krämpfe. Sie blieb zwei Tage lang in diesem Zustande und war darauf fast leblos vor Erschöpfung. Das gute Weib, in deren Haus sie lag, glaubte sie sei wirklich todt, und schickte zu ihren Verwandten, welche eine Todtenbahre (Elor) mitbrachten, um sie nach Haus zu schaffen. Ein langer Zug folgte der Bahre bis nach Mary's Haus. Als man sich anschickte, sie herunter zu legen, zeigten sich Spuren zurückkehrenden Lebens, langsam erholte sie sich wieder und erzählte alsdann, was ihr in den Tagen vorher zu sagen unmöglich gewesen war: daß ihr nämlich die Frau ohne Kopf erschienen sei!
Seit jenem Vorfalle heißt das Mädchen nicht anders als Mary'r Elor, Mary von der Todtenbahre. 145