Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wir haben den Grafen Raousset Boulbon, den Chef der Sonora-Expedition, verlassen, als er in der Arena zu San-Franzisko Striped-Bob, den Königstiger aus den indischen Dschungeln, festen Fußes erwartete.
Als das Tier mit gewaltigem Sprung seinen Käfig verlassen, blieb es etwa zehn Schritte davon auf seinen Vordertatzen liegen, peitschte die Flanken mit seinem Schweif und schaute mit den zusammengekniffenen Augen der Katzenarten umher.
Die ungewohnte Freiheit seiner Bewegungen, das glänzende Tageslicht, die Masse Menschen umher schien ihn einige Augenblicke zu betäuben und einzuschüchtern.
Dann aber erhob er sich und tat einen zweiten Sprung, der ihn dem Grafen wieder um zehn Schritte näher brachte.
Jetzt erblickte der Tiger diesen und erkannte gleichsam instinktmäßig in ihm seinen Feind.
Von diesem Augenblicke an verließen die grünlich-leuchtenden Augen des Tigers den Grafen nicht wieder – das Gebrüll kam lauter und grimmiger aus seinem Rachen, und seine Vordertatzen zerrissen wütend den Boden.
Der abenteuerliche Abkomme des Königsgeschlechts der Bourbonen ertrug diesen furchtbaren Anblick, ohne zu wanken, sein Auge kreuzte sich mit dem des Tigers und bewachte jede seiner Bewegungen, indem er zugleich langsam die Büchse nach seiner Schulter erhob.
Der Tiger verfolgte die Büchse mit den Augen, und ehe sie noch vollständig zur Wange des Schützen gekommen war, warf er sich auf die Hinterfüße zurück und hob sich zum Sprung.
Aber dieser Moment hatte dem Grafen genügt, sein Ziel zu nehmen. Die Büchse krachte, der Dampf wirbelte empor und der Tiger stürzte, wie von einem Blitzstrahl getroffen, zu Boden.
Ein Viva-Geschrei tobte durch den Zirkus. Eduard O'Sullivan spornte sein Pferd zu einem mächtigen Sprung über die Barriere und war in zwei Sätzen bei dem Grafen.
Nur der indische Prinz und seine beiden Tigerjäger teilten die allgemeine Begeisterung nicht, ja die beiden letzteren suchten mit Winken und Zuruf von ihrem gesicherten Sitz herab die Menge zurückzuhalten.
Ihr scharfes Auge hatte im Nu entdeckt, daß der Tiger kein Blut verlor.
In der Tat hatten die ersten Herandrängenden kaum die innere Barriere erreicht, als der Tiger sich langsam auf den Vorderpfoten emporrichtete und, den Rachen weit aufreißend, wie erstaunt um sich schaute.
Einen Moment darauf stieß er ein heiseres mächtiges Brüllen aus.
»Goddam! ich sagte es ja,« murrte Master Dibson. »Diese Franchmänner werden nie klug werden. Er hat kein Zinn zu dem Blei genommen, die Kugel hat sich am harten Schädel Bobs abgeplattet und ihn nur betäubt.«
Der Graf, der Tiger und – Eduard O'Sullivan waren allein im Innern der Arena.
Das Pferd des jungen Irländers war bei dem Gebrüll des Tigers unbändig vor Angst und Schrecken geworden, Mähne und Schweif begann sich zu sträuben. Der Reiter selbst, obschon sonst ein Mann von Kühnheit und Entschlossenheit, schien den Kopf verloren zu haben und nicht zu wissen, was er beginnen solle.
Auf der Tribüne der Franzosen konnte man einen leichten, leisen Aufschrei hören – eine Totenblässe überzog das Gesicht der schönen Margarete, und ihre Hand faßte krampfhaft den Arm des Indiers, der mit unverwandten Blicken den Vorgang verfolgte.
Graf Raousset Boulbon stand noch auf dem vorigen Fleck, er hatte nach dem Schuß die Büchse als nutzlos fortgeworfen und nach dem Yatagan gegriffen, der in seiner Seidenschärpe steckte, um dem Tiger den Gnadenstoß zu geben; aber als dieser sich so unerwartet wieder erhob, ließ er den Griff fahren und streckte seine Hand rückwärts nach seinem Sekundanten aus.
»Die Flinte, Edward, die Flinte!« rief er auf französisch.
Sei es, daß O'Sullivan den Befehl nicht verstand, sei es, daß er zu sehr alle Geistesgegenwart verloren oder nicht imstande war, sein zitterndes Pferd näher an den Grafen heranzubringen, – er hielt bewegungslos die Flinte in seiner Rechten, während das Roß, schweißbedeckt, fast auf den Hacken der Hinterbeine liegend, Schritt um Schritt nach dem Ende der Arena zurückdrängte.
»Die Flinte, Edward! – die Flinte, Memme!« wiederholte der Graf mit gewaltsam unterdrückter Aufregung.
Eduard O'Sullivan hörte nicht!
Der Tiger hatte die Betäubung, die ihm der Schlag der wohlgezielten Kugel an den Schädel verursacht, abgeschüttelt und richtete seine flammenden Augen auf das zitternde Pferd und dessen Reiter.
Dann, mit gewaltigem Satz, sprang er an dem Grafen vorbei auf jene auserkorene Beute los.
Aber ehe noch das Pferd den Sprung über die Barriere vollführen konnte, saß der Tiger dem bäumenden Roß an der Brust, mit den scharfen Krallen in dem Fleisch sich festgrabend.
Das Pferd stieß eine Art von durchdringendem, jammerndem Stöhnen aus und brach zusammen, indem es seinen todesbleichen Reiter über die Kruppe auf den Sand warf.
Ein Ruf des Entsetzens erscholl von aller Lippen. Die Frauen verhüllten ihr Gesicht mit den Händen und Tüchern, die Männer standen erstarrt vor Schreck.
Die junge Irländerin war nach jenem ersten Schrei mit stummem Entsetzen der Gefahr des Bruders und der furchtbaren Jagd gefolgt. Jetzt, in diesem Augenblicke der höchsten Not, wandte sie sich zu ihrem Nachbar. Kaum vernehmbar war ihr Ton, kaum Bewegung in den weißen Lippen, als sie zu dem Indier flüsterte«: »Mein Bruder – o retten Sie meinen Bruder!«
Srinath Bahadur stieß einen wilden gellenden Kampruf aus und sprang über die Brüstung seiner Loge in den äußeren Gang der Arena. Man sah ihn die Hand auf den Rand der hohen Barriere legen und mit der Leichtigkeit einer Stahlfeder darüber hinwegfliegen.
In diesem Augenblick hob der Tiger seinen Kopf von der zerrissenen zuckenden Brust des Pferdes und streckte die Vordertatze nach dem unglücklichen Irländer aus, der besinnungslos am Boden lag.
Ein Blitz funkelte, zischte durch die Luft.
Der Tiger stieß ein kurzes Brüllen des Schmerzes aus und drehte sich zur Seite.
Die Dschambea, die der indische Prinz fast im Sprunge geschleudert, hatte die Muskeln des Vorderbeins durchschnitten, noch ehe die blutgeröteten Krallen den Irländer berührt hatten.
Der Indier erwartete, in der Rechten die mit der Spitze nach dem Boden gesenkte Klinge seines krummen Säbels, um den linken Arm den weißen Kaschmir des Mantels gewickelt, den Angriff der Bestie.
Aber der Tiger hatte sich gleich einer Katze zusammengekrümmt, die Borsten seiner Nase sträubten sich, das grünliche Auge funkelte, und der weit geöffnete Rachen sprudelte Gischt und Schaum.
Eine geheimnisvolle Macht schien ihn zu lähmen – statt vorwärts zu springen auf seinen Feind, begann er langsam, Zoll um Zoll, rückwärts zu kriechen.
Das Auge des Tigers und des Maharadschah verließen einander nicht.
Jene geheimnisvolle dämonische Macht, die aus dem matten, sanften Auge des Indiers in Augenblicken der Aufregung strahlte, beherrschte die Wut des Tieres.
Der Tiger kroch immer weiter zurück. Fast in derselben Stellung, halb erhoben, Zoll um Zoll, folgte ihm der indische Fürst.
So erreichte er die offene Tür des Käfigs und sprang, die Öffnung fühlend, mit einem Satz hinein und bis in den hintersten Winkel, wo er sich erschrocken zusammenkauerte.
Sogleich rasselte, von den kräftigen Händen Mac Scotts und seines Kameraden aus seinen Klammern befreit, das eiserne Gitter der Tür herunter und verschloß den Käfig.
Wie ein schwerer Odemzug aus befreiter Brust lief es durch die Menge, und jetzt brach ein fast wahnsinniger Jubel aus. Nicht bloß die Männer, sondern selbst die Frauen stürzten in die Arena. Der Name Nena Sahib war auf allen Lippen und klang in hundert enthusiastischen Lobesvariationen.
Während dieses allgemeinen Aufruhrs und Lärmens war der Graf zu seinem Rivalen getreten und reichte ihm mit dem Ausdruck hochherziger Offenheit und Biederkeit die Hand. »Sie haben das Leben O'Sullivans gerettet, Hoheit,« sagte er, »und wahrscheinlich auch das meine – ich erkläre mich Ihnen gegenüber besiegt. Um Ihren Wünschen zu genügen, halte ich mich verpflichtet, von der Sonora-Expedition zurückzutreten und werde morgen abreisen.«
»Monseigneur,« sagte er leise, »Sie kennen meine Zwecke, aber Brahma möge mich bewahren, auf Kosten Ihres Gefühls und Ihrer Interessen sie zu erreichen. Wollen Sie mir gestatten, es Ihnen auf meine Weise möglich, ja notwendig zu machen, Ihre Expedition auf drei bis vier Monate zu verschieben?«
»Wenn Sie dies imstande sind, Prinz, wäre uns beiden geholfen. Ich achte Sie hoch und wünschte, Ihnen diese Achtung zu beweisen.«
»Dann sind wir einig, Monseigneur. Verschieben Sie gefälligst Ihren Aufbruch nach der Stadt noch einige Zeit, – wir kehren dann zusammen zurück.«
Er ließ den Grafen im Kreise seiner Umgebung und zog sich einige Schritte zurück, indem er Gibson winkte. Diefer trat sofort zu ihm.
»Du kennst den schwarzen Mann mit den Augen eines Fakirs?« fragte er ihn in indischer Sprache.
»Gewiß, Hoheit – der Kerl wollte ja zu uns übertreten. Er ist ein durchtriebener Halunke.«
»Suche ihn auf und bringe ihn an den Ort, wo unsere Pferde stehen.«
Master Gibson stellte Hesekiah Slong dem Maharadschah vor und ließ ihn auf dessen Wink mit ihm allein.
»Du bist ein Mann, der für Geld alles tut?« eröffnete der Indier sofort das Gespräch. »Willst du fünftausend Dollars verdienen?«
»Und was muß ich dafür tun? – Vielleicht diesem lumpigen französischen Grafen, der Eure Majestät beleidigt, so von hinten etwa eine kleine Kugel...«
»Schurke – wage es nicht! – Wenn binnen einer Stunde –« er flüsterte ihm einige Worte zu – »so erhältst du fünftausend Dollars.«
»O Jesu, du mein Heiland – was muten Eure Herrlichkeit mir zu! – Es kann Ihr Ernst nicht sein, Euer Hoheit würde ja selbst dabei Schaden haben?«
Slong legte den Finger an die Nase. »Ich kalkuliere, es ist dergleichen vielleicht ein so absonderlich Pläsier, wie man sich's in Eurer Hoheit Heimat zu machen pflegt. O ihr heiligen Märtyrer, es wäre eine schreckliche Tat, und wer sie täte, würde büßen im ewigen Pfuhl, da es am heißesten ist! – Wann würden Euer Majestät wohl das Geld auszahlen?«
Der Maharadschah zog eine Brieftasche aus dem Gürtel und wollte einige Banknoten herausnehmen. Der Methodist aber verhinderte ihn mit einer demütigen Gebärde daran.
»Verzeihung, Hoheit – ich traue Ihrem Wort. Die Sache ist abgemacht! Aber alle diese Leute werden binnen einer halben Stunde, wenn sie sich müde geschwatzt und gesehen, nach der Stadt zurückkehren. Wie komme ich ihnen zuvor?«
Der Maharadschah legte die Hand auf den Sattel seines schwarzen Pferdes: »Ich werde dir Orkan leihen, er überholt seinen Namensvetter, den Sturm! – Mache dich bereit, indes ich eine Zeile schreibe.«
Der Maharadschah Srinath Bahadur schrieb auf dem Sattel des Renners auf ein Blatt seines Taschenbuchs einige Worte in indischer Sprache.
»Bist du fertig?«
»Ich stehe Euer Herrlichkeit zu Befehl!«
»Dann fort in den Sattel! Dies Blatt gib an Madahna, den Diener, den du am Eingang meines Zeltes findest. Das Weitere ist deine Sache – in einer halben Stunde brechen wir auf zur Stadt!«
Der Maharaschah wandte sich sogleich um und kehrte in die Arena zurück.
Als er, von seinen zwei Jägern begleitet, auf die Gruppe zuschritt, aus der die hohe Gestalt des Grafen über seine Umgebung hervorragte, öffneten sich die Reihen der Männer und ließen ihn mit Ehrerbietung durch.
Von der Gruppe, die den Grafen umgab, trennte sich ein Paar und kam auf den Maharadschah zu: die Geschwister O'Sullivan.
Edwards Gesicht war von der Röte der Scham über die bewiesene Schwäche gefärbt, als er sich dem Indier an der Hand seiner Schwester näherte, während ihr Antlitz von Freude und Dank strahlte. Des Bruders Verwirrung zu Hilfe kommend, nahm das Mädchen das Wort. »Fürst,« sagte sie mit einfacher und desto erhabenerer Würde, »Sie haben mit Gefahr Ihres eigenen das Leben meines Bruders geschützt. Monseigneur, der Graf, hat Edward auf unsere Bitte soeben seiner Verpflichtung entlassen, und wir kommen, um Ihnen unser Leben in Ihrem Dienst anzubieten. Es ist das einzige, was Edward und Margarete O'Sullivan zu geben haben.«
»Dame, einer der guten Geister meiner sonnigen Heimat hat sich in den gefleckten Leib des Tigers verwandelt, um Srinath Bahadur durch ihn die Königin der Frauen zuzuführen. Dein Bruder soll mein Bruder sein, und ich will jedes Haar auf seinem Haupte schützen.«
Er reichte Edward die Linke und berührte mit den verschlungenen Händen der Geschwister den Tilluk, der das heilige Zeichen auf seiner Stirn.
Von diesem Augenblick an war ihr Bund geschlossen.
Der Maharadschah näherte sich darauf dem Grafen. »Srinath Bahadur, der Sohn Bazie Rûs,« sagte er freundlich, »dankt dem tapfern Nasib der Franken für das Geschenk, das er ihm gemacht. Er wird die Blume des Abendlandes pflegen, als ob sie dem Garten Brahmas entsprossen wäre.«
»Sie haben das Geschwisterpaar redlich erworben, Hoheit,« antwortete der Graf, »und ich gönne Ihnen seine Ergebenheit. Werden Sie den Tiger noch heute nach Ihrem Hause zurückschaffen lassen?«
»Den Tiger?« Der Indier sah ihn mit Erstaunen an. »Der Tiger, Monseigneur, ist nicht mehr mein Eigentum. Er gehörte dir von dem Augenblick an, als du ihn verlangtest. Srinath Bahadur nimmt nie zurück, was er einem Freunde gegeben.«
»Ich nehme Ihr Geschenk an, Hoheit,« sagte der Franzose heiter, »und will es in San Franzisko pflegen lassen, bis ich mir in der Sonora ein kleines Königreich erobert habe, und Striped Bob zu meinem Leibtiger machen kann. Aber nun zu Pferde, meine Herren, zu Pferde! und Sie, meine schöne Dame, erlauben Sie mir, zum letztenmal Ihren Beschützer und Kavalier zu machen.«
Er reichte Miß Margarete den Arm und führte sie unter dem Hurraruf der sie umdrängenden Menge durch die Arena nach dem Platze, wo die Pferde standen.
Die Szene gewährte ein überaus belebtes und buntes Bild, als das Gewühl die kleine, interessante Reiterschar umdrängte und langsam auf der Straße nach der Stadt zurückzuwogen begann.
In zwanzig verschiedenen Zungen wurden die Abenteuer des Tages besprochen – nur wenige gedachten des armen, zerrissenen Deutschen, der das traurige Opfer des Schauspiels geworden. Der Maharadschah, der Graf und die Irländerin ritten zusammen, gefolgt von ihren beiderseitigen Freunden und Dienern.
»Das Land, das jenseits jenes großen Meeres liegt, und in das ich Sie führen werde, Miß,« sagte der Prinz, der die schwungreiche Feierlichkeit des indischen Fürsten wieder mit der leichten Galanterie und Gewandtheit der zivilisierten Gentlemen vertauscht hatte, »ist tausendmal schöner und herrlicher als das, welches Sie verlassen. Es ist die Mutter der Nationen und mit allen Schätzen der Welt von Brahma gesegnet.«
»Gewiß, Prinz, ich freue mich, Ihr schönes Indien zu sehen, von dem, gleich dem Lande der Märchen, schon unsere Kinderträume schwärmen. – Aber um Himmels willen – was ist das – was geht vor? – was bedeutet jener Rauch? das Geschrei?«
Der Ruf: »Feuer! Feuer! Es brennt in der Stadt!« zeterte durch die Massen, die in wildem Gewühl jetzt querfeldein vorwärts stürzten.
Ein Blick auf die etwa noch eine Viertelstunde entfernte Stadt zeigte die schreckliche Wahrheit.
Eine dunkle Rauchwolke, die allmählich mit der jetzt rasch heraufwachsenden Dämmerung eine feurige Röte annahm, wälzte sich aus San Franzisko empor zum Abendhimmel, brennende Flocken und Rohrschoben begannen, vom Seewind gehoben, in die Höhe zu fliegen, Flammen hoch und gewaltig aus dem Dampf emporzuschlagen, und der Brand schien mit einer zauberhaften Schnelligkeit zu wachsen.
»Cap de Bioux!« schrie der Graf auf, »unser Eigentum verbrennt! Das Feuer muß mitten in dem verfluchten Nest sein, auf dem plaza major! Lassen Sie uns eilen, Prinz!« Er wollte davon sprengen, der Indier aber faßte den Zügel seines Pferdes.
»Wo wollen Sie hin, Mylord?«
»Ei zum Teufel, sehen Sie denn nicht? Retten was möglich ist von meiner Ausrüstung!«
»Ihr Eigentum, Mylord,« flüsterte der Maharadschah leise, »ist hier versichert!« Er wies auf die Brusttasche seines Gewandes. »Von Ihrer Habe in jener Stadt ist nichts mehr zu retten. Lassen Sie San Franzisko immerhin brennen, es ist nicht das erste Mal und wird nicht das letzte Mal sein!«
»Aber Ihnen selbst verbrennen Schätze dort – Ihre prächtigen Sachen ...« er versuchte den Zügel von der Stahlhand des Indiers frei zu machen.
»Der Brand kommt mir viel zu gelegen, Monseigneur, als daß ich den kleinen Verlust nicht verschmerzen sollte. Sie werden jetzt den Grund haben, den Sie verlangten, um die Sonora-Expedition auf einige Monate verschieben zu können!«
Der Graf starrte ihn entsetzt an, ohne das unergründliche spöttisch dämonische Lächeln auf dem Gesicht Nena Sahibs lösen zu können. – »Verstehe ich Sie recht? – Prinz – es wäre barbarisch!« Mit Gewalt riß er sein Pferd los und sprengte davon, von seinen Begleitern gefolgt, die keuchende, schreiende, dahinstürzende Menge rücksichtslos durchbrechend oder zu Boden werfend.
Nur der Maharadscha schien von dem ganzen Zuge seine Ruhe und Kaltblütigkeit bewahrt zu haben; er hielt gleichfalls Edward O'Sullivan zurück, der sich dem Strom anzuschließen eilte und befahl seinen Leuten, ihn und die Geschwister zu umgeben, so daß der kompakte Kreis sie gegen die wogende Flut der Menschenmenge schützte.
Nachdem er durch einen Befehl den Kapitän seines Schiffes mit der Hälfte der Matrosen nach dem Hafen gesandt, drang er langsam nach der Stadt vor.
Alle Befehle, die er erteilte, waren ruhig, klar und verständig. Er befahl, daß keiner sich ohne ausdrückliches Geheiß aus seiner Nähe entferne und versprach, jedem den Schaden, den er durch die Feuersbrunst erlitte, zu ersetzen. Durch diese Ruhe und Sicherheit wurde selbst die zitternde Margarete an seiner Seite ruhig und sie blickte mit dem Gefühl der Bewunderung und des Vertrauens zu dem Mann auf, den sie sich zu ihrem neuen Beschützer gewählt.
Je näher sie der Stadt kamen, desto furchtbar schöner wurde der Anblick. Ganz San Franzisko schien ein einziges Flammenmeer. Der leichte Bau aus dürrem Holz und Segeltuch, den der größte Teil der Stadt zeigte, die Masse der häufig auf den offenen Straßen oder in bloßem Verschlag von Leinwand lagernden Warenvorräte hatten den Brand mit zauberhafter Schnelligkeit sich verbreiten lassen.
Der Maharadschah hielt am Eingang der Stadt. »Das ist kein Schauspiel für Sie, Miß,« sagte er besorgt, »Mac Scott und Ihr Bruder sollen Sie mit vier Matrosen zum Hafen begleiten, wo in Zeit einer Viertelstunde Boote der Brigg zu Ihrer Aufnahme bereit sein werden.«
Der Indier hatte mit seiner Begleitung und dem Grafen, den er auf dem plaza major getroffen, den Platz verlassen und bat, auf seiner Brigg ein Unterkommen für die Nacht anzunehmen, da sein eignes Obdach zerstört worden war. Gibson richtete auf den Wink seines Gebieters die gleiche Einladung an eine Anzahl Mitglieder der Sonoro-Gesellschaft und traf dabei eine sorgfältige Auswahl.
Am Hafen traf die Gesellschaft die harrenden Boote der Brigg, die auf den Befehl des Maharadschah ans Ufer gekommen waren, und nach wenigen Minuten schwamm man auf den vom Feuerschein noch geröteten Wellen der Bai dem Schiffe zu.
Die Heftigkeit des Brandes begann jetzt abzunehmen, da die Hauptstraßen der Stadt vollständig in Asche lagen. Drei Vierteile von San Franzisko waren ein Raub der Flammen geworden. Hin und wieder ging noch ein einzelnes Haus in Brand auf und der Feuerschein beleuchtete die Szenen der Verwirrung und des Verbrechens, die in dem unglücklichen Ort fortwüteten.
Auf dem Verdeck der »Sarah Elise« herrschte während der ganzen Nacht ein reges Leben. Mac Scott und Gibson bewirteten ihre Gäste mit großen Bowlen von Whiskeypunsch und andern feurigen Getränken, während Srinath Bahadur, der den Geschwistern O'Sullivan seine eigene Kajüte eingeräumt, unter dem Zelt auf dem Hinterdeck mit dem Grafen in langem und ernstem Gespräch saß.
Die Sterne zogen ihre Bahnen über den tiefblauen Nachthimmel – die letzten Flammen von San Franzisko versanken in Asche und Schutt – selbst das Geräusch und das Lärmen verstummten – aber noch immer ruhten die beiden wach auf den Kissen des Zeltes: der Maharadschah erzählte seinem Gaste von dem Wunderland seiner Heimat und der Knechtschaft seines Volkes!
Die Morgensonne beleuchtete bereits wieder eine volle Tätigkeit auf der Brandstätte des Abends. Mit der den Amerikanern eigenen Tätigkeit und Zeitbenutzung waren tausend kräftige Hände schon mit dem Aufbau neuer Wohnungen und Butiken aus Leinwand, Brettern, Latten und allen möglichen Materialien beschäftigt. Zelte wuchsen gleich Pilzen aus der Erde; fabelhafte Gebote wurden für Arbeitskräfte getan.
In den ersten Stunden hatte der Brand natürlich jedes andere Interesse absorbiert, und erst später dachte man daran, daß mit dem Verlust aller Vorräte und Anstalten die Sonora-Kompagnie verloren sei. Die Aktien begannen fabelhaft rasch zu sinken und man gab sich um so eher der Überzeugung eines vollständigen Ruins und Bankerotts hin, als der Graf mit einem Teil seiner Begleiter verschwunden blieb.
Gegen zwei Uhr mittags sah man von der Brigg »Sarah Elise« ein Boot abstoßen und man erkannte darin den Grafen Raousset Boulbon, und zugleich auf dem Verdeck Anstalten zum Absegeln treffen.
Der Graf stieg sorglos und gleichgültig ans Land, als wäre nicht das Mindeste passiert.
Die Anhänger des Grafen umringten ihn sofort, alles wollte Auskunft, Rat, Hilfe von ihm.
Aber der Graf wies alle Fragen zurück, und die Neugierde auf eine Publikation, die sofort erfolgte.
Ein großer Jubel erhob sich bei dem Lesen der Proklamation, und die Aktien der Sonora-Expedition stiegen rasch um zehn, zwanzig, dreißig Prozent!
Die Bekanntmachung lautete:
Um allen falschen Nachrichten sofort entgegenzutreten, macht der Chef der Expedition seinen Freunden und Begleitern folgendes bekannt:
Die Expedition wird unter allen Umständen vor sich gehen und nur eine solche Verspätung erleiden, als die Anschaffung einer vollständigen neuen Ausrüstung erfordert.
Der Genral en chef hat aus seinem Privatvermögen eine gleiche Summe, wie das Aktien-Kapital betrug, nämlich hunderttausend Dollars, bei Don Enriques Estevan, dem ersten Bankier dieser Stadt deponiert.
Die Aktionäre verlieren keinen Heller und der Zeitverlust der Expedition wird dadurch wieder eingebracht werden, daß dieselbe zu Schiff über Guayamas abgehen wird, statt des früher beabsichtigten Landweges durch die Mohahwes.
Dagegen findet sich der General en chef zu folgender Erklärung veranlaßt.
Die Verpflichtungen der angemeldeten Teilnehmer sind von diesem Augenblicke an aufgehoben, die gezahlten Vorschüsse gestrichen. Es steht jedem frei, sich an einem beliebigen Unternehmen zu beteiligen, namentlich an der »Tiger Killing-Company« Seiner Hoheit des Maharadschah Srinath Bahadur.
Der letztere eröffnet sofort eine neue Anmeldung.
Eine Stunde nachher ruderte ein Boot auf die Brigg »Sarah Elise« zu. In demselben befand sich der Graf mit seinem Adjutanten – er kam, um an Bord Abschied zu nehmen.
»Was Sie mir von Ihrer Heimat erzählt, Hoheit,« sagte der Graf, »hat mein höchstes Interesse erregt. Ich war einst in meiner Jugend bestimmt, nach Pondichery, unserer Kolonie, zu gehen, um dort durch die Gunst meiner königlichen Verwandten eine hohe Stellung einzunehmen; da kam die Revolution von 1830 und zerstörte meine Pläne. Ich wiederhole Ihnen, was ich Ihnen vorgestern sagte, bänden mich nicht alle meine Interessen jetzt an dieses Land, ich zöge mit Ihnen nach Indien und erkämpfte mir dort eine Existenz, wie einst der Gatte Ihrer Verwandtin, der Begum von Somroo, getan. Ich habe so viel von dieser merkwürdigen Frau gehört, daß ich wohl wünschte, Sie benutzen die kurze Zeit, die wir noch zusammen sind, um mir einiges von ihr zu erzählen.«
»Die Begum,« begann der Maharadschah, »soll mongolischer Abkunft sein und war ums Jahr 1753 Ihrer Zeitrechnung geboren und im mohamedanischen Glauben erzogen. Von ihrer frühesten Jugend ist nichts bekannt. Als sie noch ein herumirrendes Mädchen war, fesselte ihre Schönheit einen fränkischen Abenteurer aus dem Lande, das man Deutschland nennt, der in den Diensten der französischen Kolonien stand und von Ihren Landsleuten le Sombre genannt wurde, woraus der indische Name Somroo entstand. Dieser tapfere und kühne Mann war es, der im Jahre 1763 die Ermordung der Engländer in Patna leitete. Als diese wieder Patna genommen, mußte er die Flucht ergreifen, trat zuerst in die Dienste des Radschah von Bithoor, woher sich das alte Bündnis zwischen dem General und dem Vater des Peischwa schreibt, und dann in die mehrerer anderer Fürsten, wobei die Begum ihn und seinen geworbenen Heerhaufen überall hin begleitete, bis es dem General Sombre gelang, im Audh, nordöstlich von Delhi, bedeutende Besitzungen zu erwerben. Mächtig und reich starb er, und die Begum folgte ihm in dem Besitz und in der Anführung seiner Soldaten, deren Treue und Begeisterung sie sich durch ihren großen Mut und ihre Entschlossenheit erworben hatte. Während der großen Erschütterungen in den letzten Regierungsjahren des Schah-Aulam verteidigte sie diesen bei vielen Gelegenheiten mit großer Tapferkeit und erhielt zur Belohnung ihrer Treue mit der Benennung Heb al Rissah (Zierde ihres Geschlechts) ein Fürstentum, Sirdhana genannt, das sie durch weise Verwaltung zu einem Garten Indiens umschuf.
»Nach einer kurzen Witwenschaft kam ein Franke an ihren Hof, Le Vassu, und gewann ihre Liebe. Sie vermählte sich mit ihm und zeugte eine Tochter, die sie Juliane nannte. Ihr Gatte aber sehnte sich nach seinem Heimatland und beschloß, nach Europa zurückzukehren. Er bestand darauf, seine Frau mit sich zu nehmen und sagte ihr, sie würden mit ihrem Golde und ihren Juwelen weit glücklicher in Paris als in den Wildnissen Indiens leben. Die Begum war eine kluge Frau. Sie besorgte mit Recht, in dem fremden Lande ihre Macht einzubüßen und die Sklavin ihres Mannes zu werden, während sie in Sirdhana die rechtmäßige Gebieterin blieb. Aber es wäre unerhört gewesen, wenn ein Weib sich geweigert hätte, ihren Mann zu begleiten – unter Indiens Sonne ist der Mann Herr über das Leben seiner Familie. Die Begum nahm deshalb zu einer List ihre Zuflucht. Nachdem sie ihre wahre Absicht einigen Vertrauten mitgeteilt, stellte sie sich gegen den drängenden Gatten, als willige sie in sein Vorhaben, gab ihm aber zu bedenken, daß ihre Flucht entdeckt werden könnte, und daß es eine Schande für sie sein würde, wenn ihre Untertanen sie wider ihren Willen nach Sirdhana zurückbrächten. Ehe sie dies erlebe, würde sie sich lieber mit eigener Hand töten. Durch solche Reden lockte sie Le Vassu den Schwur ab, daß, wenn sie verfolgt und eingeholt würden, er sie nicht überleben wolle.
»Um Mitternacht bestieg der Franzose seinen Elefanten, die Begum ihren Palankin und sie reisten ab. Aber an einem bestimmten Orte wartete ihrer ein Hinterhalt von ihren eigenen Soldaten und die Begleitung des Paares wurde zerstreut. Man hörte einen Schrei und ein der Begum ergebener Diener eilte zu dem gefangenen Franken, ihm verkündend, daß seine Gattin sich erstochen habe. Le Vassu stürzte zu dem Palankin, um ihre letzten Atemzüge zu empfangen und mit ihr zu sterben, als man ihm schon mit einem blutgefärbten Tuch entgegen kam. »Diesen Abschied sendet sie dir,« berichtete eine der treuen Frauen, »und mahnt dich an dein Versprechen.« Da hörte der unglückliche Mann, der seine Frau wirklich geliebt und den nur die Torheit getrieben hatte, auf seiner Flucht zu bestehen, nur auf die Stimme der Verzweiflung – er riß ein Pistol aus dem Gürtel und erschoß sich. In demselben Augenblick verließ die Begum ihren Palankin und bestieg einen Elefanten. Sie redete die Soldaten an und sagte ihnen, daß ihre Treue für sie über ihre Liebe zu dem Gatten gesiegt hätte und daß sie fortan nur ihnen gehören würde. Im Triumph wurde die Fürstin nach Sirdhana zurückgeführt und seit jener Zeit hat sie allein ihr Reich regiert und ihre Krieger in wilden Schlachten angeführt.«
»Abscheulich!« rief die junge Irländerin, »wie war es möglich, einen Gatten, den sie liebte, tückisch selbst dem Tode zu weihen!«
»Rechten Sie nicht mit Sitten und Gefühlen, schöne Miß,« sagte der Graf, »die außer unserem gewohnten Kreise liegen. Was bei einer Europäerin eine Tat der Nichtswürdigkeit und des Verrats sein würde, ist ein heroisches Opfer der eigenen Liebe bei der indischen Fürstin, die den schwachen, eigensinnigen Gatten dem Tode weiht, um sich ihrem Volke zu erhalten.«
»Sie haben recht, Monseigneur – jener Franke war ein Unwürdiger und Undankbarer. Indien hat nie eine bessere Fürstin gesehen, als die Begum Somroo war. Unter ihrer Hand wuchs der Reichtum ihres Landes, ihre Dörfer waren volkreicher, als die irgend einer anderen Gegend im weiten Indien. Der Reisende war willkommen an ihrem Herd und der Flüchtling fand Schutz in den starken Mauern ihrer Stadt. Wenn ihr stolzes Pferd oder der mächtige Elefant sie durch die goldenen Gassen Delhis trug, wies das Volk auf sie und nannte sie die Mutter der Glücklichen!«
»Und hat sie nie die Reue über den begangenen Mord getrübt?« fragte schüchtern Margarete.
»Nur Bramah selbst schaut in die Herzen der Menschen. – Die Begum verließ, als sie alt wurde, den Glauben ihrer Väter und horchte auf die schwarzen Priester der fränkischen Christen. Man sagt, daß sie schlimme Stunden gehabt hat, in denen das blutige Bild des Gatten vor ihre Seele trat. Ich weiß es nicht, denn ich war ein Kind noch, als der tückische Holkar sie durch falsche Briefe bei den Engländern in Kalkutta verleumdet. Da zeigte sich zum letzten Male ihr mächtiger Geist – sie schlug den schändlichen Feind ins Antlitz und enthüllte mit Hilfe des Peischwas, meines Vaters, den Verrat, den er gesponnen. Zum Dank dafür sollte ich an ihrem Erbe teilnehmen, obschon ihr Wille nicht erfüllt wurde. Sie starb im Jahre 1836, noch ehe die Heirat vollzogen wurde, 83 Jahre alt, geliebt und betrauert von allen, die sie kannten.«
»Welche Heirat, Hoheit?«
»Der Begum einzige Tochter hatte den Obersten ihrer Leibwache geheiratet, Dyce genannt. Ein Sohn und eine Tochter waren die Frucht dieser Ehe, und die Begum ließ sie auf europäischem Fuß erziehen. David war fünfzehn, Anna Mary dreizehn Jahre älter als ich. Aber die Begum hatte noch eine viel jüngere Enkelin – wenigstens nannte das Volk sie so. Ich war damals ein Knabe und zählte fünf Jahre weniger als diese, mit der ich verlobt wurde. Man sagt, es sei das Kind des Obersten Dyce und einer Sklavin der Begum gewesen. Niemand weiß, ob es wahr ist, und ob die Sklavin oder Juliane, die rechtmäßige Hindufrau, das Kind geboren. So viel aber ist gewiß, daß die Begum Somroo die Sklavin drei Tage nach der Geburt jenes Kindes lebendig begraben ließ, und da sie fürchtete, daß man ihr zu Hilfe kommen werde, so befahl sie, ihre königlichen Teppiche über das Grab zu breiten, und schlief drei Nächte darauf und hielt am Tage Gericht.«
»Entsetzlich! Aber was wurde aus dem Kinde?«
»Ich habe Ihnen schon erzählt, daß sie es als das Kind ihrer Tochter ausgab und als solches erziehen ließ. Als die Begum starb, war ich noch zu jung zur Verheiratung, die Prinzessin Georga wollte nichts von mir wissen, weigerte sich, dem Befehle ihrer Großmutter und ihres Bruders zu gehorchen und entfloh mit einem italienischen Abenteurer, Savelli mit Namen. David Dyce Sombre folgte ihr mit der älteren Schwester nach England und ist seitdem nicht wieder nach Indien zurückgekehrt.«
»Man hat ihn in Bedlam eingesperrt und ihn für verrückt erklärt,« lachte der Graf. »Ich selbst habe ihn einmal flüchtig in Paris nach seiner Flucht gesehen und glaubte nicht, einen seiner Verwandten am äußersten Ende Amerikas noch meinen Freund zu nennen. Und nun lassen Sie mich sagen, Hoheit, daß ich bedauere, von Ihnen scheiden zu müssen. Da drüben erscheint der weiße Schaum der Brandung des Weltmeeres, das künftig unsere Lebensbahnen scheiden soll. Sie haben mir eine kleine Lektion in meinem europäischen Stolz gegeben, und ich danke Ihnen dafür. Möge ich ebenso stark und willenskräftig sein, mein Ziel zu erreichen, wie Sie! – Diese da,« er wies auf Margarete, die sich sanft weinend über seine Hand beugte, – »möge Sie an mich erinnern! Schirmen und schützen Sie sie und ihren Bruder!«
Der Maharadschah legte mit einem dunkel glühenden Blick auf die junge Irländerin die Hand beteuernd auf die Brust.
Der Graf – seltsam bewegt – führte den Fürsten einige Schritte aus der sie jetzt umdrängenden Menge. »Es ist etwas Eigenes, mir selbst Unklärbares, was mich zu Ihnen zieht. Mir ist, als würden wir dasselbe Schicksal haben und die Welt einst unsere Namen auf einem großen Throne oder – einem Schafott nennen! – Nehmen Sie in dieser Stunde des Scheidens eine Warnung von einem älteren Freund: trauen Sie den Engländern nicht – sie sind Harpyen, wo es ihr Interesse gilt, und tauber Fels für den Schrei der Gerechtigkeit! Und nun, Kinder – Freunde,« – er wandte sich zu den Abenteurern, »lebt wohl und – der Gott der Tapferen, der über San Franzisko lebt, möge euch schirmen auch in den Dschungeln Indiens!«
Er sprang an die Öffnung des Fallreeps. Stumm reichte der indische Fürst dem tapferen Franzosen die Dschambea, mit der er den Tiger verwundet, und der Graf nahm das edle Geschenk und steckte es in seinen Gürtel. Wenige Augenblicke darauf stieß das Boot, das ihn trug, von der Seite des Schiffes und tauchte dahin auf dem Rücken einer langen Welle.
Ein dreimaliges kräftiges Hurra aus fünfzig Kehlen begrüßte die Scheidenden. Die Abenteurer und die Matrosen sprangen auf die Bänke und die Takelage, schwenkten die Hüte und Mützen und schauten dem Boot nach – dann donnerten auf den Wink des Maharadschah die Kanonen der Brigg den letzten Gruß.
Die »Sarah Elise« trat in die offene See. –