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1) Zur Geschichte des KirchenrechtsNatürlich ist hier nicht Vollständigkeit unser Zweck, sondern nur das Hervorheben einzelner Punkte, welche für sich anziehend erscheinen, oder das Ganze unserer Darstellung aufklären..
Die Vorschriften des Evangeliums galten bei allen Christen für unantastbare und heilige Grundlagen eines sittlichen Lebens, und, sofern sie den Charakter von Rechtsgesetzen annahmen oder annehmen konnten, als die höchsten aller Rechtsquellen. Zu dieser ersten Rechtsquelle traten aber, nachdem die früher vereinzelten Christen sich als Glieder einer Kirche betrachteten, die Schlüsse hinzu, welche auf den allgemeinen Kirchenversammlungen gefaßt und für allgemein verbindlich erklärt wurden. Diese Art der Gesetzgebung fiel aber größtentheils dahin, nachdem sich das römische Reich zur Zeit der Völkerwanderung in mehre Theile aufgelöset hatte, welche eines weltlichen Mittelpunkts der Gesetzgebung entbehrten, und durch die Erneuerung des abendländischen Kaiserthums auch nicht wieder bekamen. Eben so wenig gab es damals eine allgemein anerkannte höchste geistliche Gewalt; weshalb man, bei dem nie ganz fehlenden Bedürfnisse neuer Bestimmungen, die ältern möglichst auszudehnen und zu erläutern 174 suchte, oder für engere Kreise festsetzte, was künftig als Recht gelten solle. Um dem Gedächtnisse zu Hülfe zu kommen und das Ansehn der Vorschriften zu erhöhen, wurden diese in verschiedenen Ländern von einzelnen kundigen Männern gesammeltAlberic. 328, 554. Eichhorn II, 199.. Diese Sammlungen mußten aber untereinander abweichen: einmal, weil allgemeine und örtliche Bestimmungen vermischt standen, und eine scharfe Sonderung hier unmöglich erschien, dort verschmäht wurde; ferner, weil jede jüngere Sammlung sich durch neue Festsetzungen erweiterte; endlich, weil von mehren Sammlern vorsätzlich Falsches geschmiedet und unter das Ächte aufgenommen wurde, um auf diese Weise gewisse Ansichten zu verbreiten und Zwecke zu erreichen. Dies war insbesondere in der Sammlung des falschen Isidor geschehn, deren Ursprung und Richtung hier nicht näher untersucht werden kann.
Selbst Männern die den Betrug an sich verschmähten, fehlte es an Takt und Kenntniß, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden; und wenn nun das letzte unerkannt durch mehre Hände gegangen war, so stieg allmählich die Verehrung, bis jeder Zweifel schon als Frevel erschien. Wer hätte auch damals prüfen und unterscheiden sollen, ob das, was man als apostolischen Befehl, allgemeinen oder örtlichen Kirchenschluß, päpstliche Entscheidung u. s. w. vermischt überkam, aus ächten Quellen genommen, verkürzt oder verlängert, ehrwürdiges Gesetz, oder anmaaßliche Forderung war. Lange fehlte jede glaubhafte Auslegung und Anerkenntniß; und in dem Maaße als diese von Jahr zu Jahr mehr in die Hände der Päpste kam, war wenigstens für jene Sichtung und Sonderung nichts gewonnen, weil gerade das meiste des Unächten zu deren Vortheil gereichte und von ihnen selbst für ächt und wahr gehalten wurde. Zuletzt lag auch wenig daran, was in alter Zeit über diesen oder jenen Punkt festgestellt sey, sobald man dem Papst itzt, in der 175 Gegenwart, das Recht der Gesetzgebung zugestand, seinen Befehlen gehorchte, und selbst einzelne Entscheidungen in allgemeine Regeln verwandelte.
Daß jedoch ein allgemeines kirchliches Gesetzbuch fehlte und die Sammlungen von Regino, Burkard, Ivo von Chartres u. a. nicht ausreichten, ward sehr fühlbar, seitdem man die justinianeischen Gesetzbücher wieder auffand, oder doch mit ganz neuem und überaus großem Eifer las, erklärte und anwandte. Jenes Gefühl und eigene Neigung veranlaßten den BenediktinerGratian war kein Kamaldulenser. Savioli zu 1141. Sarti I, 1, 259. Gratian aus Chiusi, im Kloster des heiligen Felix zu Bologna, ums Jahr 1240 seine concordia discordantium canonum auszuarbeiten, ein Werk, welches bei allen Mängeln der Form, Anordnung, Kritik und des Urtheils, für jene Zeit und bei den gegebenen Ansichten und Hülfsmitteln, ehrenwerth, ja bewundernswerth erscheint. Da der Inhalt fast ganz aus Kirchenschlüssen und päpstlichen Verfügungen bestand, welche Gesetzeskraft hatten: so bedurfte es keiner Bestätigung und Anerkenntniß vom Papste, als der höchsten gesetzgebenden Behörde, und es erscheint ziemlich gleichgültig, ob Eugen III im Jahre 1140 eine solche Bestätigung ausdrücklich ertheilte, oder nicht. Daß sich Päpste auf den Inhalt beziehen konnten und bezogen, ist ganz natürlich; wie richtig aber Gratian ein großes Bedürfniß der Zeit erkannt und wie sehr er demselben abgeholfen hatte, geht aus dem ungemeinen Beifalle hervor, welches sein Werk, mit Hintansetzung aller übrigen erlangte.
In jener Zeit der höchsten Blüthe der Kirchenherrschaft mehrten sich aber die päpstlichen Verfügungen von Tag zu Tag, und es erschienen allmählich zehn verschiedene Sammlungen derselbenWiesens Handbuch I, 244. Tiraboschi stor. lett. III, 412; IV, 272-291.. Keine war vollständig, keine unter höherer Leitung verfertigt, keine solchen Ansehns, daß sie dem 176 kaiserlichen Rechte mit vollem Gewicht hätte gegenübertreten können; deshalb ließ Gregor IX, – welcher selbst Lehrer des Kirchenrechts in Bologna gewesen war –, durch seinen Kapellan, den Predigermönch Raimund von PennaforteBöhmer dissert. de decretor. pontif. Roman. variis collect. in dessen Ausgabe des corpus judis canon. Sarti I, 1, 331. Acta Sanct. vom siebenten Januar. aus Barcelona, alle neuern Dekretalen in fünf Bücher sammeln und ordnen. Dies wichtige, im Jahre 1234 beendigte Werk ward vom Papste sogleich den Universitäten Paris und Bologna mit dem Befehle übersandt: es in Vorlesungen zu erklären, in den Gerichten danach zu sprechen und ohne besondere Erlaubniß keine anderweite Sammlung anzulegenHac tantum compilatione utantur in judiciis et in scholis; districtius prohibemus, ne quis praesumat aliam facere absque auctoritate apostolica speciali. Regesta Greg. IX, Jahr VIII, Urk. 218. Memor. Regiens. 1105..
Erst Bonifaz VIII fügte im Jahre 1298 das sechste Buch der Dekretalen hinzu; doch schickte schon Innocenz IV im Jahre 1253 mehre neue Dekretalen mit dem Befehle nach BolognaSavioli III, 2, Urk. 690.: man möge sie der Hauptsammlung beiordnen und ebenfalls erklären und befolgen.
Seitdem war und blieb das Kirchenrecht ein Hauptgegenstand des Unterrichts auf allen HochschulenJohannes Semeka, zuletzt Prior in Halberstadt, war der erste Glossator des Dekrets (Tiraboschi III, 284). Allmählich findet man auch Laien als Lehrer des Kirchenrechts., die Dekretisten standen den Legisten gegenüber, und selbst den Bischöfen ward es zur Pflicht gemacht: sie sollten sich Gregors Gesetzbuch binnen Jahresfrist anschaffen und mit dessen Inhalt bekannt machenWenigstens erging 1248 diese Bestimmung für Schweden. Münters Beiträge I, 188.. Wenn die Cistertienser schon im Jahre 1188 befahlen, Gratians Werk geheim zu verwahren und nicht jedem in die Hände zu gebenIn communi armario non resideant, propter varios, qui inde provenire possunt errores. Holsten. cod. II, 407. Antich. Longob. Milan. I, VII.: so wollten sie 177 damit gewiß keinen Tadel aussprechen, sondern, wie bei dem Verbote des Bibellesens, Mißdeutungen und Irrthümern der Unerfahrnen vorbeugen.
Nicht selten steigerte sich der Streit über Werth und Anwendung des bürgerlich römischen und des Kirchen-Rechts so sehr, daß selbst Päpste davon Kenntniß nahmen. Daher verbot Honorius III, daß das in Bologna seßhafte bürgerliche Recht auch in Paris gelehrt werdeSchröckh XXIV, 304.; Gregor IX widersprach der von einem ganz verschiedenen Standpunkte ausgehenden Gesetzgebung Kaiser Friedrichs IIGesch. der Hohenst. Band III, S. 474, 581. und Innocenz IV befahl im Jahre 1254: Streitigkeiten der Laien sollten nach dem Gewohnheits- und Kirchen-Rechte, nicht nach dem römischen entschieden werdenMath. Paris addenda 124..
Die Urtheile, welchen Werth und Nutzen das Kirchenrecht gehabt, oder welchen Schaden es gestiftet habe, sind schon in jenen Jahrhunderten, und noch mehr in spätern Zeiten verschieden ausgefallen. Ohne in die Untersuchung dieser umfassenden Frage tiefer einzugehn, beschränken wir uns auf folgende Bemerkungen. Die unkritische Art, wie Gratian oft die Quellen benutzte, und die einseitige, dem Papstthume übergünstige Ansicht der Zeit, gab manchen Irrthümern geheiligtes Ansehn und führte ganz von den, Wahrheit eröffnenden, Quellen hinweg. Ferner war es ein verkehrtes Bemühen, das in sich so vollendete System des römischen Rechts um deswillen ganz zu verwerfen, weil es des Kaisers weltliche Macht und nicht die geistliche des Papstes in den Vordergrund stellte. Andererseits erscheinen des Kaisers, im römischen Rechte wurzelnde Ansprüche auf Weltherrschaft, noch unpassender, ungegründeter, und wenigstens viel bestrittener, als die des Papstes auf Oberleitung der 178 Kirche. Diese bedurfte damals weit mehr eines allgemeinen Rechtes, als die verschiedenen weltlichen Staaten, und die Ansicht: daß Gewohnheits-, Land- und Kirchen-Recht dem römischen Rechte voranstehe, war gewiß richtiger, als daß dies aus andern Zeiten, Verfassungen und Bedürfnissen herrührende Recht vor jedem spätern, volksthümlichen und christlichen den Vorzug verdiene. Viele Bestimmungen des abgelebten untergegangenen Kaiserreichs der Römer konnten keine Anwendung mehr finden, und eine Vergleichung z. B. der Abschnitte über Ehe, Ehebruch, uneheliche Kinder, Tortur, Leibeigenschaft u. a. zeigen die erheblichsten Verschiedenheiten; derjenigen Gegenstände nicht zu gedenken, die durchaus neu und dem römischen Rechte fremd waren. Daher erscheint es ganz nothwendig und in der Natur der Dinge gegründet: daß man weder den Werth des römischen Rechts durch geistliche Willkür ganz vernichten, noch das Kirchenrecht im ganzen und ohne alle Auswahl so beseitigen konnte, wie beim Anfange der Reformation auf eine übereilte Weise versucht ward. In beiden finden sich unvertilgbare Wahrheiten und Grundzüge, selbst noch für die Verhältnisse des heutigen Tages.
2) Von der geistlichen Gerichtsbarkeit.
Sobald sich der Stand der Geistlichen von dem Stande der Laien trennte und Güter erwarb, war die Wurzel gegeben, woraus die Lehre von einer geistlichen Gerichtsbarkeit hervorwuchs. Theorie und Praxis, Forderung und Bewilligung zeigen sich aber für verschiedene Zeiträume ungleich, und zwar sowohl in Hinsicht der Personen, als der Sachen.
Zuvörderst, konnte niemand etwas dawider haben, wenn Geistliche wie Laien den Weg strengen Rechtes vermieden, und Bischöfe zu Schiedsrichtern etwaniger Streitigkeiten erwähltenSprenger Gesch. von Banz, Urk., S. 364.; oder wenn diesen aus Land- und Stifts-Tagen 179 ein solch Geschäft übertragen wurde. Ferner schien es nicht unnatürlich, daß die Bischöfe in Zeiten, wo der Kaiser entfernt und die herzogliche und gräfliche Gewalt kraftlos war, hervortraten und als Austräge zur Herstellung der Einigkeit wirktenMöser osnabr. Geschichte II, 164.. Eben so wenig konnte man ihnen die Gerichtsbarkeit versagen, welche jeder andere vermöge seines Grundbesitzes ausübte; und der Zweifel, ob Geistliche dazu fähig seyen, trat in den Hintergrund, sobald ihnen von weltlichen Herrschern Grafschaft und Herzogthum überlassen wurdeSpäter entstanden daraus sonderbare Verhältnisse: so war z. B. der Erzbischof von Köln an mehren Orten judex saecularis, wo der Erzbischof von Trier in judex spiritualis war. Kindlinger Beiträge III, Urk. 49 von 1209. Sachsensp. I, 2.. Schon zur Zeit Karls des Großen galt es als Regel: daß, wo Geistliche und Laien in Streit geriethen, das Gericht gemischt, d. h. aus beiden Ständen zusammengesetzt seyn müsse; und hieran reihte sich wiederum die Folgerung: bei Streitigkeiten unter Geistlichen selbst, müsse auch das Gericht bloß mit Geistlichen besetzt werden.
Diese gänzliche Befreiung der Geistlichen von weltlichen Gerichten ward im zwölften Jahrhundert nur in zwei Punkten bestrittenSo ward 1130 unter König Nikolaus zuerst für Dänemark festgesetzt: daß die Geistlichen nicht vor den placitis, sondern in synodo zu belangen wären. Anon. Roskild. bei Langebek I, 380. – Honorius III verwies es dem Könige von Schweden, daß er Geistliche vor weltliche Gerichte zog. Regesta, Jahr VIII, Urk. 308. – Bei neuen Stiftungen ward diese Befreiung sogleich urkundlich ausgesprochen und anerkannt, z. B. bei Kamin. Dreger cod. I, Urk. 6–7.: erstens, in Hinsicht der Lehnsverbindung. Selbst die Päpste mußten, um nicht mehr preis zu geben, anerkennen, daß lehntragende Geistliche den Lehnsgesetzen und Lehnsgerichten unterworfen seyen. Zweitens, behaupteten die Laien: jeder Geistliche, der ein weltliches Verbrechen begehe, müsse sich vor weltlichem Gerichte stellen. Sie 180 konnten aber diesen Grundsatz nicht überall durchfechten; oder wo sie obzusiegen schienen, half sich die Kirche damit, daß sie, nach gehöriger Prüfung, dem verbrecherischen Geistlichen die Weihe nahm, und ihn dann als Laien dem weltlichen Gerichte übergabUm 1190 ward in der Normandie festgesetzt: wegen Diebstahl, Mord und anderer großer Verbrechen, kann die weltliche Macht Geistliche verhaften, muß sie aber an die geistlichen Gerichte abliefern. Concil. XIII, 687..
Hiemit stand die Ansicht in Verbindung: die christliche Kirche könne, als auf Liebe und Milde gegründet, kein Bluturtheil fällen und keinen Blutbann übenThomassin. II, 1, c. 76. Concil. XIII, 362, No. 3. – Judicia sanguinis ordo ecclesiasticus non vendicat. Monum. boica III, 156. – Sacerdotii manibus videtur indigna. Joh. Sarisb. de nugis curial. lib. IV, c. 3. In Kirchen und auf Gottesäckern soll kein Blutgericht gehalten werden. Londin. conc. von 1175. Conc. coll. XIII, 363.; dies, geistlichen Händen unwürdige Geschäft, möchten die weltlichen Häupter immerhin verwalten.
Abgesehn von diesen Ausnahmen, suchte aber die Kirche nach und nach alle bürgerlichen Streitigkeiten der Laien vor ihre Gerichte zu ziehen. Man sagte nämlich:
Zur nähern Erläuterung dieser Sätze theilen wir folgende 181 Äußerungen Innocenz III mit. Er schrieb seinem Gesandten, als die französischen Barone EingriffeWir heben das Wesentliche aus. Innoc. epist. in Duchesne script. V, 715, No. 10. in die Rechte der Kirche zu thun schienen: »möchten doch jene Barone sorgfältig bedenken, daß Karl der Große die Kirche, von welcher er alle Ehre empfangen hatte, ehren wollte und deshalb für immer ein Gesetz gab, wonach alle seine Unterthanen eine vom Kaiser Theodosius erlassene Vorschrift, die Kirchenfreiheit betreffend, unverletzt beobachten sollten. Jeder Rechtsstreit nämlich kann in jedem Augenblicke, selbst wenn er schon bis zum Urtheile fortgeführt ward, er kann von jedem Theile an das geistliche Gericht gebracht werden. Die Bischöfe dürfen in allen Sachen, auch in den nach bürgerlichem Rechte zu entscheidenden, das Urtheil sprechen, und niemand soll vor ihrem Gerichte abgethane Sachen anderwärts von neuem in Anregung bringen.«
Und in der Dekretale desselben Papstes über die GerichteCap. 13. Vergleiche Eichhorn II, 412., heißt es: »unsere Macht stammt nicht von Menschen, sondern von Gott, und niemand, der bei gesunden Sinnen ist, zweifelt daran, daß es unserm Berufe angehört, jeden Christen wegen seiner Sünden zurechtzuweisen und, wenn er die Weisung verachtet, mit kirchlichen Strafen zu züchtigen.«
Die Laien ließen sich jedoch diese unbedingten Ansprüche keineswegs gutwillig gefallen: sie zogen vielmehr vom geistlichen Gerichte Verurtheilte nochmals zur Untersuchung, und fügten den kirchlichen Bußen weltliche Strafen hinzuMath. Paris add. 133 u. f. S.; sie setzten fest, daß in Fällen wo die Geistlichen keine Buße an bürgerliche Gerichte zahlen wollten, ihrerseits auch keine von den Laien beizutreiben seyDies wurde z. B. in Ravenna festgesetzt. Fantuzzi IV, 62.; sie behaupteten, und bisweilen mit Erfolg: weil niemand in seiner eigenen 182 Sache Kläger und Richter seyn könne, so gelte kein wegen geistlicher Güter und Ansprüche verhängter Bann, ohne Bestätigung eines weltlichen GerichtsDies ward 1152 in Ulm entschieden. Wibaldi epist. 383. u. s. w. Selbst der fromme Ludwig IX befahlRayald. zu 1236, §. 31.: kein Laie nimmt in weltlichen Dingen vor geistlichem Gerichte Recht, und die Güter der Prälaten, welche deshalb Widersprechende bannen, werden mit Beschlag belegt. Und Gregor IX, der alle kirchlichen Rechte möglichst auszudehnen suchte, mußte verbietenConcil. XIII, 1180, 1264, No. 19., daß Geistliche sich Processe der Laien, in Hoffnung des Gewinnes, abtreten ließen. Umgekehrt suchten sich bisweilen Geistliche selbst der kirchlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen und wandten sich an die LaienInnoc. III epist. I, 72., hoffend, schon um dieses Verfahrens willen, günstige Urtheile zu erlangen.
Trotz der bedenklichen Erscheinung, daß ein Stand im Staate sich ganz von seiner Gerichtsbarkeit frei machte, trotz mancher bei den geistlichen Gerichten unleugbar einreißenden Mißbräuche, blieben sie im ganzen doch sehr geehrt und gesucht: weil sie seltener, als die weltlichen, Gewalt dem Rechte vorsetzten; weil die Gesetze, nach denen sie sprachen, den Verhältnissen der christlichen Gesellschaft am besten angepaßt zu seyn schienen; weil wissenschaftliche Kenntnisse häufiger bei ihnen als anderwärts gefunden wurden, und weil die große Masse des Volks ohne alle Ausnahme bei ihnen Recht fand, während andere Gerichtshöfe die Geringern und Leibeigenen für rechtlos erklärten, oder die daselbst sprechenden Richter zugleich Partei waren. Das Verwerfen der Folter und die Gelindigkeit der kirchlichen Strafen, – so sprachen ferner die Vertheidiger der geistlichen Gerichtsbarkeit –, ist den Vorschriften des Christenthums angemessenThomass. II, 3, c. 114.; auch sind die Verbrechen nie durch übertriebene Härte vertilgt, und am wenigsten die Laien auf diesem Wege sittlicher geworden, als die Geistlichen. Den Gesichtspunkt des 183 buchstäblichen Rechtes darf man, besonders in peinlichen Sachen, nicht als den einzigen und höchsten betrachten, und es verdient Lob, wenn die Kirche Erziehung zum Guten in den Vordergrund stellt, und nicht alle Thatsachen und Verhältnisse nach einem Leisten betrachtet und aburtelt.
3) Von einigen Eigenthümlichkeiten der Proceßform.
Wenn auch schon in jener Zeit, bei Anwendung der Lehre von den heiligen Zufluchtsörtern, Mißbräuche mit untergelaufen seyn mögen, so ließ sie sich doch eher begründen und rechtfertigen, als
Die Gründe, warum in jeder Gerichtsverfassung mehre Behörden übereinander zu stellen und Berufungen zu verstatten sind, waren auch in den kirchlichen Kreisen unverkennbar, und es ist auf diesem Wege der Wahrheit und dem Rechte unzählige Male genützt worden. Bald aber schlichen sich hiebei große Mißbräuche ein. Erstens, standen die Gegenstände über welche man berufen konnte, nicht gehörig fest; zweitens, übersprang man oft alle mittlern Stellen und ging sogleich an den Papst, welcher von dem Lehrsatze aus: daß alle geistliche Gerichtsbarkeit in ihm seine Wurzel, oder er doch überall gleiche, konkurrirende Gerichtsrechte habe, alle Dinge an sich ziehen konnte und nur zu oft an sich zog. Und wenn die Obern hierin nicht immer das richtige Maaß hielten, wie viel weniger die Geringern. Unbedeutende Schuldklagen wurden bis an den Papst gebracht, um nur der Pflicht schneller Zahlung zu entgehenConcil. XIII, 155.; Geistliche, die in Paris mit Gewalt Thüren eingeschlagen hatten und zu Mädchen eingedrungen warenInnoc. III epist. append. I, 21., hofften sich durch Berufung nach Rom, der gerecht erkannten Strafe zu 187 entziehen; ja ein Abt appellirte im voraus an den Papst, wegen aller und jeder Sachen, die wider ihn in Gang kommen könntenDoch wurde dies vom Papste für ungültig erklärt. Decret. Gregor. II, 28, 2..
Schon Bernhard von Clairvaux erhob über diese und ähnliche Mißbräuche laute Klagen, und schrieb nach RomBernardi epist. 178; de considerat. sui III, c. 2.: »alle Lasterhaften und Streitsüchtigen in den Gemeinen, alle aus Klöstern Verjagte laufen zu euch und rühmen sich, wenn sie zurückkehren, Beschützer, statt der verdienten Strafe gefunden zu haben.« Und an einer andern Stelle erzählt er: zu einer Hochzeit in Paris waren alle Gäste versammelt, die Trauung sollte vollzogen werden. Da erschien ein Mensch und erklärte aus Rachsucht oder Lüsternheit: ihm sey die Braut früher zugesagt, er widerspreche der Verbindung. Anstatt aber Beweise zur Prüfung und Entscheidung vorzulegen, fügte er hinzu: er appellire nach Rom. Der Priester wagte hierauf nicht zu trauen, und Braut und Bräutigam wurden getrennt, bis endlich die verzögerte Entscheidung aus Rom herbeikam. – »So (fährt Bernhard fort) wird bei den Berufungen nach Rom ohne Ordnung verfahren, ohne Rücksicht auf Ort, Zeit, Gegenstand und gesetzliche Behörden. Jegliches wird dorthin gebracht und angenommen, der Schändliche gerechter Strafe entzogen, Bestechung und ungeheurer Aufwand von Kosten veranlaßt, ja alle Rechtspflege aufgehoben. Dem Papste gebührt allerdings die höchste Entscheidung, aber mit Maaß und Ordnung und nach festen, anerkannten Bestimmungen.«
Bisweilen blieb man indeß nicht bei bloßen Klagen stehn: der Herzog von Lothringen z. B., ließ einen Prior, der nach Rom gehn und wahrscheinlich appelliren wollte, so lange in Ketten legen, bis er 200 Mark zahlte und schwur nichts wiederzufordern. Honorius III befahl aberRegesta, Jahr VI, Urk. 245. dem Sohne des Herzogs, bei Strafe des Bannes, Genugthuung 188 zu leisten. Auch Bischöfe und Erzbischöfe verfuhren mehre Male auf ähnliche Weise gegen die Berufenden; doch drang der Papst mit seinen, bis zur Absetzung gesteigerten Strafen, in der Regel durchConcil. XIII, 695, 700..
Mehr kam allerdings darauf an, das ganze Verfahren durch Gesetze zu regeln, und die Päpste ließen es keineswegs hieran fehlen, ob sie sich gleich später auf den Grund unbedingter Machtvollkommenheit, oft über ihre eigenen Vorschriften hinwegsetzten. Schon auf der lateranischen Kirchenversammlung bestimmte Alexander IIIConcil. XIII, 420, No. 6, 970, No. 35, 971, No. 37. Math. Paris 469 u. f. S.: niemand soll vor Einleitung der Sachen nach Rom berufen und dadurch eine zum Besten der Unschuld getroffene Einrichtung in ein Mittel der Ungerechtigkeit verwandeln. Wer binnen einer gewissen Frist nicht appellirt, verliert dazu das Recht. Stellt sich der Berufende nicht, oder wird seine Beschwerde ungegründet befunden, so muß er den Berufenen entschädigen und die Kosten tragen. Wer für erdichtete Fälle, oder ohne bestimmten Auftrag päpstliche Entscheidungen einholt, oder gar verkauft, wird als Betrüger gestraft. Keine Rechtssache soll (ohne Einstimmung beider Parteien) durch päpstlichen Auftrag über zwei Tagereisen vom gewöhnlichen Gerichtshofe verlegt werden.
Viele und im ganzen sehr verständige Bestimmungen finden sich ferner in den Briefen Innocenz des drittenInnoc. epist. I, 208, 240, 442; II, 13; V, 23, 24, 32-34.. Er eifert an mehren Stellen gegen übereilte, übertriebene und unbedeutende Berufungen. Obgleich in der Regel nach dem Einlegen derselben nicht weiter vorgeschritten, nichts geändert werden durfte; so galt dies doch nicht, wenn von offenbaren und schweren Verbrechen, oder von Abstellung der Mißbräuche gegen Kirchenzucht die Rede war. Hier durfte der Bischof gegen die Geistlichen ungescheut und ohne 189 Rücksicht auf etwanige Berufungen verfahren. Die Akten und Zeugenverhöre sollten mit eingesandt, und jede Berufung binnen Jahresfrist verfolgt und zu Ende gebracht, oder eine Verlängerung der Frist aus erheblichen Gründen nachgesucht werdenInnoc. epist. III, 4, 21, 30; X, 53.. Was sich irgend durch Bevollmächtigte an Ort und Stelle abmachen lasse, dürfe nicht nach Rom gebracht werdenInnoc. epist. VI, 16; X, 44., und oft befahl der Papst, daß man von dem Spruche der Bevollmächtigten gar nicht an ihn gehen dürfe.
4. Von päpstlichen Schreiben und Urkunden.
Bei der ungemein großen Zahl päpstlicher Schreiben, Urkunden und Entscheidungen, die in jedem Jahre nach allen Weltgegenden ergingen, konnte es nicht fehlen, daß manche unangemessen erschienen, sich widersprachen u. s. w. Innocenz III erklärte dergleichen für böslich erschlichenSub - et obreptitia. Innoc. epist. I, 219, 245. Wer binnen einem Jahre von päpstlichen Schreiben keinen Gebrauch machte, mußte sich den später ergangenen unterwerfen, wenn auch darin der frühern nicht Erwähnung geschah. Ebend. XI, 275.; und der mildere Honorius III schrieb in dieser Beziehung: »so sehr wir uns auch bemühen, daß niemand tadelnswerthes, oder mit der Ehrbarkeit unvereinbares von uns erhalte; so veranlaßt uns, bei so vielen Geschäften, dennoch bisweilen die ungeziemende Zudringlichkeit der Bittenden, etwas zu bewilligen, was mit frühern Befehlen oder den Verhältnissen unvereinbar erscheint. Alles und jedes im Gedächtniß zu behalten, geht über menschliche KräfteCum omnium habere memoriam, divinum sit potius quam humanum. Regesta Honor. III, Jahr II, Urk. 707.; sobald aber die Wahrheit offenbar wird, soll sogleich das Rechte geschehn.«
Noch übler war es wenn, besonders in den von Rom entfernteren Gegenden, falsche päpstliche SchreibenInnoc. III epist. II, 29. – Pro certa pretio vendere non verentur. Regesta Gregor. IX, Jahr IV, 203. zum Vorschein 190 kamen, ja von einzelnen zum Verkauf angefertigt wurden. Ein Priester sogar ward überführtRegesta Greg. IX, Jahr IV, 502., ein falsches Siegel gemacht und damit untergeschobene Briefe des Papstes und seiner Bevollmächtigten besiegelt zu haben. Und der Inhalt derselben betraf nicht immer wahrscheinliches, sondern bisweilen ganz unglaubliches. Innocenz III klagtInnoc. epist. X, 79., daß auf den Grund falscher päpstlicher Vollmachten nicht bloß Klagen angestellt, Vorladungen ausgesprochen, Steuern beigetrieben wurden u. s. w.; sondern man habe auch einen Schuster gezwungen Schuhe zu besohlen, einen Pferdeverleiher in Strafe genommen, weil ein geistlicher Reiter mit dessen Pferde ins Wasser fiel, einen jungen Menschen gestraft, weil er nicht mit in ein Hurenhaus gehen wollte! der Papst tadelte diese Mißbräuche aufs lebhafteste und befahl sie streng zu bestrafen; er gebot, daß man künftig von niemand als von ihm selbst oder seinen Bevollmächtigten Bullen annehmen solleInnoc. epist. I, 235; III, 37.. Und in den Dekretalen Gregors IX handelt ein ganzer AbschnittDecret. Gregor. I, tit. 3. sehr vorsichtig und umständlich von päpstlichen Schreiben, die falsch, erschlichen, unter sich widersprechend sind, oder sonst an bedenklichen Mängeln zu leiden scheinen.
5) Von dem Patronatsrechte.
Obgleich bereits oben an mehren Orten von Besetzung der geistlichen Stellen die Rede gewesen ist, auch die weitläufige Lehre vom Patronatsrechte hier nicht in allen Theilen dargelegt werden kann: so scheinen einige Punkte doch nähere Erwähnung zu verdienen, insbesondere die Fragen: wem jenes Recht zustand, und wie man es geistlicherseits zu beschränken suchte.
Den allgemeinen Grundlagen der Kirchenherrschaft gemäß, behauptete man: kein Laie könne irgend eine geistliche 191 Stelle besetzen, und dürfe höchstens eine taugliche Person in Vorschlag bringen; oder das Patronatsrecht sey überhaupt vom Besetzungsrechte sehr verschieden, und jemehr die Laien jenem entsagten, desto mehr gewännen sie dafür an der SeeleAcquires eo plus animae, quo minus corpori reservabis, sagt Innocenz III in dieser Beziehung der Gräfinn von Flandern. Epist. XV, 194.. Diese waren indeß keineswegs hievon so leicht zu überzeugen, und hatten an der Lehre von der Belehnung mit dem Weltlichen einen festen Punkt, von wo aus sie ihre Ansprüche zu erhalten, ja zu erweitern suchten. Bald siegte in diesem Kampfe mehr die eine, bald die andere Partei, und nur da konnte kein Streit entstehen, wo Prälaten das Patronatsrecht selbst besaßenGiulini zu 1152, S. 51. Thomassin. II, 1, c. 55.. Doch mußte die Kirche in diesem Falle häufig darauf dringen, daß sie nicht selbst die Pfründen behalten, oder sich dem geistlichen Obern in Vorschlag bringen sollten. – Nächstdem schien die Anerkennung des Patronatsrechtes am natürlichsten für die Gründer von Kirchen und Pfründen; weit seltener ward es vom Landesherrn als solchem in Anspruch genommen, sofern er sich nicht zugleich als Lehnsherrn betrachten konnteSchultes koburgsche Landesgeschichte 74.. Daß man weltlicherseits Klöstern und Kapiteln oft das Patronatsrecht überließ, ist schon anderwärts erwähntMiraei opera diplom. III, 91. Gudeni codex V, 4.; nur kam es alsdann darauf an, sich auch die Beistimmung des Bischofs oder Erzbischofs zu verschaffen. Eine Ausnahme war es wohl, daß der Bischof von Osnabrück einer Gemeine die Wahl ihres Geistlichen verstatteteMöser osnabr. Geschichte II, Urk. 57., und daß die Geistlichen eines ganzen Bezirks den Erzpriester mit Zustimmung des Abtes von Nonantola wählten und dem Bischofe von Verona zur Bestätigung vorstellten. Indeß stimmten Volk und Laien ebenfalls beiTiraboschi Nonantola II, Urk. 277, 279..
192 Die Kirche nahm an: in der Regel stehe dem Bischofe die Besetzung aller geistlichen Stellen in seinem Sprengel zu, und das Gegentheil müsse erwiesen seyn. Selbst die niedern Kirchenstellen wurden von ihm, gewöhnlich auf Vorschlag des Pfarrers verliehen.
Mißbräuche des weltlichen Patronatsrechtes, deren viele und große vorhanden waren, beschränkte die vom Papste ausgehende Gesetzgebung der Kirche. Dieselbe schreibt vor: niemand darf einen Unwissenden oder der Landessprache Unkundigen dem Sprengelbischofe vorschlagen, oder ohne dessen Befragung und Zustimmung irgend jemand in eine Stelle einweisenConcil. XIII, No. 15, 16; XII, 930, No. 6.. Jeder Pfründe soll jede zeitherige Einnahme unverkürzt bleiben, und keine Geldabfindung an die Stelle anderer Hebungen tretenBelgic chron. magn. 170.. Eben so ist eine Verpachtung, oder Vertheilung unter mehre Personen verbotenThomassin. I, 2, c. 27, 28. Innoc. III epist. XV, 88.. Erledigte Pfründen, welche der Patron aus Eigennutz, oder aus andern Gründen nicht binnen gesetzlicher Frist verleiht, werden vom Bischofe besetztInnoc. epist. X, 150. Harzheim III, 608, No. 41, 42. Decret. Gregor. III, 38.. Verkauf des Patronatsrechtes findet nicht statt. Streit unter mehren Patronen entscheidet der BischofConcil. XIII, 424, No. 17.. Ist ein Patron gebannt und deshalb außer Stande eine Stelle zu besetzen, soll ihn der Bischof zur Genugthuung an die Kirche auffordern, und wenn diese binnen sechs Monaten nicht erfolgt, für diesmal den Priester ernennenInnoc. epist. XI, 100.. Wer Geistliche verwundet, oder tödtet, verliert das Patronatsrecht; wogegen löblichen Patronen kein Ehrenrecht verkürzt, verarmten Lebensunterhalt gereicht werden sollLateranische Kirchenversammlung von 1215. Concil. XIII, 978, No. 45.. Jeder Bischof ist verpflichtet die Bestätigung der Vorgeschlagenen nicht über eine gewisse Frist 193 hinauszuschieben, oder gar ohne hinreichenden Grund zu verweigernRymer foed. I, 1, 154. Thomassin. II, 1, c. 32.; sowie überhaupt jeder Theil sich der Verletzung des andern enthalten soll.
Weil aber, ungeachtet dieser im ganzen billigen Vorschriften, Streitigkeiten über Patronatsrechte den geistlichen Gerichten zugewiesen wurdenInnoc. epist. VII, 20.; so mochten die Laien in einzelnen Fällen oft zu kurz kommen, und dann auf dem Wege der Gewalt das erstreiten, was ihnen im Wege Rechtens mit mehrem oder wenigerem Grunde verweigert wurde.
6. Vom Pfründenkauf und dem Besitze mehrer geistlicher Stellen.
In engem Zusammenhange mit der Lehre vom Patronatsrechte stand die vom Pfründenkaufe, oder der Simonie, und von dem Besitze mehrer geistlicher Stellen.
Mit Recht hatte die Kirche den Grundsatz aufgestellt: daß schlechterdings keine geistliche Stelle um Geldes, oder irgend eines äußerlichen Grundes willen vergeben werden solle: allein zu der Zeit, wo Gregor VII den Kampf mit der weltlichen Macht hierüber begann, war es fast Regel geworden alle Pfründen zu verkaufen, ja an den Meistbietenden auszuhökern
Teutonici reges perversum dogma sequentes,
Templa dabant summi dei, saepissime nummis
Praesulibus cunctis; sed et omnis episcopus urbis
Plebes vendebat, quas sub se quisque regebat.
Exemplo quorum manibus nec non laicorum
Ecclesiae Christi vendebantur maledictis
Presbyteris Domnitzo I, 15.. Und in dem Maaße wie Kaiser und Könige mit bösem Beispiele vorangingen, folgten die weltlichen Großen, ja selbst die Bischöfe nach. So verloren die geistlichen Stellen ganz ihren Charakter, ihre Würde, wurden noch schlechter und willkürlicher behandelt, als die weltlichen Lehne, und selbst Kindern verliehen, die noch nicht 194 der Ruthe entwachsen waren. Oft siegten die Päpste in ihrem löblichen Streben gegen diese Mißbräuche obBernh. Clarav. de officio episc. c. 7. Dandolo 244. Concil. XII, 824. Thomass. II, 1, c. 61.: mancher Geistliche verlor seine Stelle, mancher legte sie reuig nieder, Käufer und Verkäufer wurden gleichmäßig geschreckt. Bisweilen aber war die Zahl derer, welche sich auf verbotenen Wegen eingeschlichen hatten, so erstaunlich groß, daß sie der Papst, nach gethaner Buße, (nicht ohne Mehrung seiner Macht) wieder einsetzte, oder sich mit einem Tausche der Pfründen begnügteUt simoniam evaderent et praebendas non amitterent. Alberic. 375. Thomassin. II, 1, c. 50.. So verfuhr der päpstliche Bevollmächtigte im Jahre 1188, als allein in und um Lüttich sechsundsechzig Personen ihre Würden auf ungebührliche Weise erworben hatten. Sonst galt es als Regel, daß wegen Simonie bei Bisthümern nur der Papst, wegen Simonie bei Pfarreien aber auch der Bischof strafen und lösen dürfe.
Allmählich erfand man allerhand neue Auswege um nicht offenbaren Kauf und Bestechung zu treiben: allein die Kirche suchte dieselben durchaus abzuschneiden und verlangte vor der Übernahme von Pfründen einen EidMiraei op. dipl. II, 965, Urk. 50., daß kein ungebührliches Mittel irgend einer Art angewandt sey. Ja Innocenz III verwarf sogar einen Vertrag, wonach jemand einem Stifte Güter unter der Bedingung überlassen wollte, daß er zum Stiftsherrn gewählt werdeInnoc. epist. X, 169. Thomass. III, 1, c. 64. und jene als Pfründe behalte. Höchstens könne man eine Bitte um die Wahl verstatten, und selbst dann möge Gott richten, ob die Stiftsherrn dieselbe nicht um des irdischen Geldes willen getroffen hätten. Wahrhaft christliche Könige, wie Ludwig IX, unterstützten die Päpste in diesem heilsamen 195 Bemühen: seitdem aber die Besetzung vieler Stellen an sie selbst gekommen war, machten sie sich des getadelten Unrechts oft nicht minder schuldig, als die LaienLeibnitz. mantissa 157. Thomass. III, 1, c. 61..
Auf ganz eigenthümliche Weise übervortheilte Robert, der Kanzler Königs Roger von Sicilien, drei ein Bisthum SuchendeJohann. Sarisber. Polycratic. VII, 19.. Er schloß mit jedem förmlich über den Kaufpreis ab, erzählte den Hergang am Wahltage, ließ einen vierten Unschuldigen wählen und zwang jene, als strafbare Pfründenkäufer, das Versprochene richtig einzuzahlen.
Es war ein Grundgesetz der Kirche: daß jeder Geistliche sich am Orte seiner Pfründe aufhalte, damit er nicht bloß die Einnahmen beziehe, sondern auch den Pflichten seines Amtes und Berufes Genüge leiste. Aus dieser Vorschrift der Residenz, wie man es nannte, folgte ganz natürlich, daß niemand mehre geistliche Stellen zu gleicher Zeit besitzen solleThomass. II, 3, c. 5. Bernh. Clarav. de officio epist. c. 7. Decret. Gregor. III, 5, 14. Innoc III epist. I, 82. Concil. XII, 831, No. 12, 14; XIII, 424, No. 13. Versprechen auf Pfründen sollten nicht im voraus ertheilt werden. Innoc. epist. XI, 188.. Leider wurden aber beide, im allgemeinen sehr heilsame Vorschriften oft umgangen, übertreten, oder durch die Kirchenobern davon entbunden. Wenn die Erzbischöfe von Mainz und Köln Pfründen in Goslar hattenZur Zeit Friedrichs I. Hildesh. chron. 748., wie konnten sie irgend eine damit verbundene Pflicht erfüllen: allein gegen so mächtige Prälaten konnte der Papst das Gesetz nicht immer ohne große Verwirrungen geltend machen, oder er erfuhr gar nichts von dessen Übertretung, oder er fand es auch wohl gerathen, aus mehren Ursachen Ausnahmen mancherlei Art zu bestätigen: z. B. daß ein Bischof seine frühere Stiftsstelle1270 besaß der Bischof von Minden, durch päpstliche Bewilligung, zugleich die Präpositur. Würdtw. subsid. XI, 46. Innoc. epist. VIII, 152. Der mächtige Absalon war zugleich Bischof von Roschild und Lund. Saxo Grammat. XIV, 562. oder Abtei einstweilen behalte, insbesondere wenn die neu übernommene Würde zwar 196 ehrenvoller, aber mit wenigern Einkünsten verknüpft war. Allein die Klöster ließen sich dies nicht immer ohne allen Widerspruch gefallen, sondern bezogen sich auf das allgemeine Gesetz, wonach niemand zugleich Bischof und Abt seyn könneAliquid simul episcopus et abbas esse non potest. Concil. Claram. von 1095. Conc. XII, 915, No. 4.; und Stiftsherrn, welche dem Vorrücken nicht entsagen wollten, wurden erst durch Androhungen päpstlichen Bannes zum Gehorsam gebrachtInnoc. epist. I, 187.. – Um indeß eine bestimmtere Regel zu bekommen, erfand man den Unterschied zwischen solchen Stellen, mit welchen nothwendig, und mit welchen nicht nothwendig Residenz verbunden seyThomass. II, 2, c. 6. Innoc. epist. X, 50.: nur die Abwesenheit von jenen sollte den Verlust der Einkünfte nach sich ziehen und ihre unbedingte Vereinigung mit andern verboten bleiben. Und in der That entfernten Reichstage, Reisen nach Rom, Pilgerungen nach Jerusalem, kirchliche Versammlungen, Gesandtschaften u. dergl. manche besonders höhere Geistliche so oft und lange von ihren Sitzen, daß man von der Strenge des Gesetzes oft nachlassen mußte und nur die Anwesenheit während eines Theiles vom Jahre verlangteWo möglich, sollte der Bischof an hohen Festen, in der Fastenzeit u. s. w. gegenwärtig seyn. Thomassin. II, 3, c. 34, 55..
In den niedern Kreisen zeigten sich Übel anderer Art: Pfarrer z. B. ließen sich andere Stellen als Vikarien übergebenThomassin. I, 2, c. 27, 28. Ried. cod. I, Urk. 445., bis dieser zeither unverbotene Ausweg ebenfalls versperrt wurde. Mehre Male vereinigte man aber auch, aus genügenden oder ungenügenden Gründen, früher getrennte Pfarreien in einer Hand.
Endlich finden sich Beispiele, nicht der Häufung mehrer Pfründen in einer Hand, sondern der Einweisung 197 mehrer Personen in eine Pfründe. Dies geschah erstens, durch die PatroneWürdtw. subsid. X, 34. Concil. XII, 1087, No. 8 und 747, 782, 832. Auch Theilung und Tausch von Pfründen ward verboten. Decret. Gregor. III, 5.; zweitens, indem sich Pfarrer, um ihre Stellen gewissermaaßen zu vererben, schon bei Lebzeiten einen Nachfolger zuordnen ließen; endlich, in Zeiten zwistiger Bischofs- und Papst-Wahlen. Jenen ersten Mißbräuchen trat die kirchliche Gesetzgebung entgegen; im letzten Falle untersuchte man die Würdigkeit der einzelnen, das redliche oder unredliche Verfahren bei ihrer Erhebung u. a. m. und schloß danach die Bewerber ganz aus, oder bestimmte die Folge, in welcher sie einrücken könnten.
Hauptlose Geistliche, (ἀκεφαλοι) ohne bestimmten Sitz und bestimmte Obere, sollten nirgends geduldet werdenConcil. XII, 781, 9..
7. Von den Visitationen der Kirchen.
Es galt als Regel, daß jeder Landdekan und Erzpriester jährlich seinen Bezirk, jeder Bischof seinen Sprengel, jeder Erzbischof seine Landschaft bereisen, visitiren, untersuchen müsseBaluz. misc. I, 267. Der Erzbischof sollte mit Visitation seines eigenen Sprengels beginnen. Decret. lib. VI, tit. 20, c. 1.. Diese Visitationen, Untersuchungen, erstreckten sich auf Leben und Wandel der Geistlichen, Übung kirchlicher Pflichten, Behandlung und Verwaltung des Kirchenvermögens; ja Sitten und Wandel, Thun und Lassen der Laien oder Gemeinen durfte und sollte ein Gegenstand der Prüfung und Weisung seyn. Die Grundsätze dieser abgestuften Aufsicht waren sehr weise und heilsam, und trugen oft die trefflichsten Früchte: aber freilich blieb die Ausführung auch oft hinter dem zurück, was man bezweckte. Erstens, entstand nicht selten Streit über den Umfang und die Gränzen der Befugnisse eines jeden der genannten Kirchenobern: bald hielt sich der eine, bald der andere für zurückgesetzt oder beleidigt, und statt erhöhter Ordnung und Friedens gab es 198 verdoppelten Streit. Zweitens, unterließen manche Kirchenobere die Visitationen viele Jahre hindurch ganzDer Erzbischof von Narbonne hatte in dreizehn Jahren nicht visitirt. Innoc. epist. VII, 75; III, 24., bis sie vom Papste ernstlich zu ihren Pflichten angewiesen wurden; und umgekehrt erschienen andere zu oft, um sich, unter geistlichem Vorwande, desto länger einlagern zu können. Drittens, verursachten manche bei ihrer Anwesenheit den Untergebenen gar argen DruckInnoc. epist. I, 200. und erlaubten sich große Mißbräuche. So erwähnten wir bereits oben, wie verwerflich ein Erzbischof von BordeauxInnoc. epist. VI, 216. Oben S. 48. sich benahm; und bei einer Visitation des Erzbischofs von KanterburyMath. Paris 523. kam es im Jahre 1250 zu so heftigem Streite, daß sich die Parteien in der Kirche prügelten, und der Erzbischof einen Stiftsherrn rücklings mit dem Kopfe so heftig gegen eine Zwischenwand der Bänke warf, daß man ihn für todt hinwegtrug. Viertens, erhoben mehre Bischöfe Visitationsgebühren, wenn sie auch nicht visitirten; und zwar um so höhere, weil den Kirchen hiedurch viele Ausgaben erspart würdenMünters Beiträge I, 104, 187. Concil. XIII, 824..
All diesen und ähnlichen Übeln trat die kirchliche Gesetzgebung mit löblichem Nachdrucke entgegen. Schon auf der lateranischen Kirchenversammlung von 1179 setzte Alexander III festConcil. XIII, 419. Thomassin. II, 3, c. 80-82. Innoc. epist. X, 88.: daß man keine übermäßige Zahl von Begleitern, oder gar Hunde und Jagdvögel mitnehmen, nicht schwelgen, den Aufenthalt ohne Grund verlängern, oder Geld und Geschenke erpressen dürfe. Noch mehr würde man die Zahl jener Begleiter gesetzlich verringert haben, wenn sie nicht oft nöthig gewesen wären zum Schutze gegen Gewalt, und als Mittel die Aussprüche sogleich in Vollzug zu bringenThomass. III, 2, 33.. 199
8. Von den Kirchenversammlungen.
Bei den Visitationen der Kirchen erschienen die verschiedenen Obern als solche, und übten gewisse ihnen ausschließend zugewiesene Rechte. Von Mitreden und Mitrathen, oder gar von Mitentscheiden der Untergebenen, war dabei gar nicht die Rede. Eine bloß monarchische Einwirkung dieser Art von oben herab, galt indeß, und mit Recht, für zu einseitig und unbeschränkt: man sollte Untergebene auch hören, Gleichgestellte befragen, damit die Bedürfnisse und Mängel unbefangener dargestellt, die Wahrheit besser gefördert und die Mittel des Guten und Rechten stärker und einflußreicher würden. Mit einem Worte: jeder kirchliche Obere sollte in seinem Kreise Kirchenversammlungen halten, der Erzpriester, der Bischof, der Erzbischof, der Papst. Auf der vom Erzpriester geleiteten Versammlung erschienen die Pfarrer ihres Bezirksclero comprovinciali - congregato Harzheim III, 330, 342. Schwabensp. 44, 45.; auf der bischöflichen, die des Sprengels und außerdem Äbte und Prioren der KlösterInnoc. III epist. VIII, 54.; auf der erzbischöflichen, die Bischöfe, einzelne wichtigere Äbte und Abgeordnete der Kapitel von den KathedralkirchenDecret. Gregor. III, 10, 10.; auf einer päpstlichen allgemeinen Kirchenversammlung, die Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte und überhaupt diejenigen Personen, welche der Papst zu berufen für gut fand.
Darüber, ob und wann eine allgemeine Kirchenversammlung nöthig sey, gab es kein bestimmtes Gesetz oder Herkommen; Bischöfe und Erzbischöfe hingegen sollten die ihrigen, als die nöthigsten und heilsamsten, alle Jahre abhalten. Man versammelte sich in der Kirche und begann die Geschäfte erst nachdem der feierliche Gottesdienst beendigt und die Heiligthümer auf den Altar gelegt warenThomassin. II, 3, c. 75-76.. Die Priester saßen in Amtskleidern umher, nach dem Alter ihrer Weihe; von den Diakonen wurden nur die vorzüglichsten, 200 von den Laien nur geprüfte Männer, die letzten hauptsächlich zu dem Zwecke zugelassen, um über den Wandel und die Sitten der Geistlichen und der Laien anklagende oder lossprechende Zeugnisse abzulegen. Das Wohl der Kirche, die Verwaltung ihrer Güter, die Anordnung der Kirchenzucht, die Abstellung von Mißbräuchen, die Unterstützung der Armen u. s. w. ward auf diesen Versammlungen, heilsamer Weise, zur Berathung gezogen. Nach ursprünglichen Bestimmungen sollte man hiebei ohne strenge Form und viele Künste, ohne Geräusch und Umschweife, nach Billigkeit und christlicher Liebe verfahren: als aber der Wirkungskreis und die Gefahr der Einreden und Widersprüche wuchs, konnte man sich auf eine milde und freundliche Gesinnung nicht allein verlassen, sondern bedurfte anerkannter, bestimmter Vorschriften und Gesetze.
Kam es auf diesen Versammlungen zu Klagen über Gewalt der Laien, so wurden sie zur Bildung eines gemischten Gerichtes berufenMontag II, 414, 433.; doch blieben heilsame Beschlüsse, vielfachen Widerspruchs der Vornehmen und Geringen halber, nicht selten unvollzogenOrderic. Vital. zu 1139..
Es stand überhaupt nicht fest: welche Rechte die weltliche Macht habe in Hinsicht der Berufung von Kirchenversammlungen, der Theilnahme an denselben, und der Bestätigung ihrer Schlüsse. Ohne Zweifel wurden ihre Rechte in dem Maaße geringer, als die Kirchengewalt wuchs, bis man sie allmählich ganz leugnete; worauf sich die Ausgeschlossenen wo nicht feindlich, doch gleichgültig gegen die Kirchenversammlungen zeigten. Ja um mancherlei Händeln und Unbequemlichkeiten zu entgehen, aus Furcht oder aus Lässigkeit, wurden selbst die Bischöfe und Erzbischöfe den Kirchenversammlungen so abgeneigt, als wohl die Fürsten den ständischen LandtagenThomassin. II, 3, 57.: da aber traten die Päpste hervor und thaten mehr für jene, als die Kaiser für diese.
201 Ganz folgerecht behaupteten die Päpste, auf dem ihnen im allgemeinen schon eingeräumten Standpunkte: sie allein hätten das Recht, Versammlungen der ganzen christlichen Kirche zu berufen; sie könnten, als allgemeine Bischöfe, in jedem Sprengel und jeder Landschaft die Prälaten und Geistlichen zu kleinern Versammlungen berufen, und diese durch Bevollmächtigte abhalten lassen; überhaupt alle Kirchenversammlungen hätten nur statt und bekämen allein Recht und Kraft durch den römischen StuhlOmnia concilia per Romanae ecclesiae auctoritatem et facta sunt et robur acceperunt. Concil. XII, 971.. Kein anderer Prälat konnte dieselben so schicklich als der Papst berufen; daraus entwickelte sich allmählich die Meinung, er könne es allein; und den Widersprechenden wäre kaum ein anderer Ausweg geblieben, als dem Kaiser alsdann jenes Recht zuzuweisen, womit keineswegs den Geistlichen und noch weniger den Königen gedient war. In dem Befehle der lateranischen Kirchenversammlung von 1215Concil. XIII, 939., jährlich Sprengelsynoden abzuhalten, sahen die Vernünftigern nur die Erneuung eines mit Unrecht vernachlässigten Gesetzes: daß aber die großen lateranischen Kirchenversammlungen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts ganz anderer Natur waren, als die allgemeinen Kirchenversammlungen des vierten und fünften Jahrhunderts fiel kaum jemandem ein zu bemerken. Itzt war erstens, jede Theilnahme der weltlichen Macht ganz ausgeschlossen und deren Recht auf den Papst übergegangen; zweitens, standen ihm Mittel zu Gebot, Abgeneigte auszuschließen und Freunde in größerer Zahl herbeizuziehen; drittens, wurde den Berufenen kein Entscheidungs- und Stimm-Recht, sondern nur ein Berathungsrecht zugestanden; ja der Papst machte bisweilen seine Ansichten (nicht bloß ohne eine Abstimmung, sondern auch ohne eine Berathung zuzulassen) gleich von vorn herein als unbedingte Befehle bekanntSo verfuhr Innocenz IV bei der Absetzung Kaiser Friedrichs II..
202 Es galt für unstatthaft, daß irgend eine weltliche Macht das Besuchen der Kirchenversammlungen erschwere oder gar verbieteSchon zur Zeit Friedrichs I verboten die Rektoren des lombardischen Bundes den Bischöfen Kirchenversammlungen zu besuchen, welche Freunde des Kaisers ausgeschrieben hatten. Pez. thes. VI, Urk. 150, 154.; und ein den Königen von Sicilien einst bewilligtes Vorrecht, wonach ihnen die Auswahl der abzusendenden Bischöfe frei stand und erlaubt war die unentbehrlichen zurückzubehalten, ward erst bestritten, dann aufgehobenConcil. XII, 730.. Noch weniger durfte ein Prälat die päpstlichen Ladungen verabsäumen: ward doch der Erzbischof von Köln im Jahre 1149 abgesetztS. Pantal. chron. Würdtwein., weil er auf der Versammlung in Rheims ausgeblieben war. Es galt schon für eine Gnade, wenn der Papst erlaubte, daß in einzelnen Fällen Stellvertreter auf seinen oder den erzbischöflichen Versammlungen erschienenSo erlaubte Honorius III dem Bischofe von Hildesheim, zu den Synoden des Erzbischofs von Mainz, mit dem er in Streit lebte, einen Stellvertreter abzuschicken (Regesta Honor., Jahr III, Urk. 25 und X, Urk. 79, 288): als sich aber der Erzbischof über diese Bestimmung beschwerte, ward eine neue Untersuchung der Gründe veranlaßt.. – Zu den Kosten, welche das Reisen nach den allgemeinen Kirchenversammlungen verursachte, mußte die niedere Geistlichkeit den Bischöfen einen Beitrag zahlenTiraboschi Nonantola II, Urk. 277.; wurden diese aber Vergehen halber nach Rom geladen, so war niemand verpflichtet ihnen zu Hülfe zu kommen.
Ohne Zweifel sind durch die großen lateranischen Kirchenversammlungen, besonders unter Alexander III und Innocenz III, viele sehr heilsame Gesetze für die gesammte Christenheit ergangen. Daß aber, im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts, das höchste Entscheidungsrecht des Papstes so weit ausgedehnt wurde, selbst die Berathungen zu hemmen; daß ferner weltliche Absichten und Zwecke oft die 203 geistlichen überwogen und in den Hintergrund stellten, war nur ein scheinbarer Gewinn, der Wahrheit nach aber ein Verlust und ein Übel. Im funfzehnten Jahrhundert machte man indeß die entgegengesetzte Erfahrung: daß aristokratische Kirchenversammlungen ohne monarchische Spitze, auch nicht ohne große Mängel sind, oder bequemer zum Ziele führen. Und nur der Nutzen der Kirchenversammlungen in kleinen Kreisen hat sich überall so bewährt, daß die Anhänger der verschiedenen christlichen Bekenntnisse immer auf ihre Erhaltung oder Erneuung gedrungen haben.
9. Von der Beichte, der Buße und dem Ablasse.
Es galt als RegelConcil. XIII, 823, No. 12.: daß jeder Laie jährlich wenigstens einmal bei seinem Priester, jeder Geistliche bei seinem Kirchenobern oder einem vom Bischofe bestätigten Mann alle Sünden beichte. Doch wurden Ausnahmen gemacht, inwiefern Laien, z. B. auf Reisen, bei einem fremden Priester, oder auch daheim bei einem Bettelmönche beichten, oder Fürsten und Herrn nach Willkür einen Beichtvater erwählen konnten.
Über die Art und Weise wie der Geistliche fragen, zur Lehre und Besserung wirken solle, fehlte es nicht an zweckmäßigen Vorschriften. Sehr vieles hing indeß hiebei von seiner Persönlichkeit ab, und nur manches äußere konnte strenger verlangt und darauf gehalten werden. Der Geistliche soll mit niedergeschlagenen Augen sitzen und niemanden, insbesondere die Frauen nicht ansehenIn confessione habeat sacerdos vultum humilem et oculos ad terram demissos, ne faciem adspiciat confitentis, maxime mulieris. Concil. in Kanterbury von 1236. Es scheint als habe man noch nicht überall geschlossene Beichtstühle gehabt. Concil. XIII, 1378, No. 10.. Er mag Stand und Würde des Beichtenden erforschen, sofern dies auf Beurtheilung und Buße Einfluß hat; er soll aber nicht nach dem Namen fragen. Es genügt, wenn er seine Fragen 204 einrichtet nach dem Denkverse: wer, was, wo, wie, wann, mit wem, wie oft, warumQuis, quod, ubi, per quos, quoties, cur, quomodo, quando? Harzheim III, 528.? Er halte sich gleich fern von zu großer Milde und zu großer Strenge, und forsche nicht auf eine so unvorsichtige Weise, daß Einfache und Schuldlose erst die Vergehn durch ihn kennen lernen und zu deren Begehung aufgereizt werde. Wer Geschenke nimmt, wird hart, wer Beichtgeheimnisse ausplaudert, mit Absetzung oder Einsperrung in ein strenges Kloster bestraftConcil. XIII, 308, No. 8, und 745, 985..
Ursprünglich ertheilte der Bischof innerhalb seines Sprengels die Lossprechung für alle Fälle: allmählich aber machte man Unterschiede zwischen solchen, wo der Pfarrer, wo der Bischof und wo der Papst hiezu berechtigt sey. Damit die von den ersten an die Bischöfe gebrachten Fälle nicht liegen bleiben möchten, hielten sie sich wohl besondere BeichtigerHarzheim III, 605, No. 33.. Ehesachen, Mord, Unterdrückung der Unschuldigen u. dergl. mußte, nach Innocenz des dritten Bestimmung, der Priester an den Bischof weisenEpist. II, 290.. Dieser hingegen wies seinerseits verwickelte Fälle an den Papst, oder fragte bei ihm an, oder der Gestrafte wandte sich an denselben, oder dieser mischte sich aus eigener Machtvollkommenheit ein, unbekümmert ob es dem Bischofe angenehm oder unangenehm sey. Angenehm z. B. war es vielen, als Innocenz festsetzteThomassin. I, 2, c. 13. Auch von Kirchenbrand und Simonie lösete nur der Papst.: die Ermordung eines Geistlichen sey ein so schweres Verbrechen, daß nur in Rom davon eine Lossprechung erfolgen könne: denn hiedurch schien die Heiligkeit des geistlichen Standes erhöht und Willkür zurückgeschreckt. Als sich aber die Zahl der vom Papste vorbehaltenen Fälle mehrte, die Wirksamkeit der Bischöfe in der Nähe oft gehemmt ward, und die Verbrecher in Rom oft übertriebene Milde fanden; wurden die Bischöfe nicht selten unzufrieden 205 und suchten das, was sie als Recht nicht erstreiten konnten, durch besondere Freibriefe wieder zu erhaltenIm Jahre 1193 gab Papst Cölestin dem Bischofe von Regensburg das Recht, incendiarii loszusprechen. Ried cod. I, Urk. 289.. Auch betrachteten sie es schon als Gewinn, wenn man ihre Stelle nur nicht ganz vorbeigehn durfte.
Von jedem Beichtkinde wurde verlangt: daß es alle seine Sünden ohne Ausnahme und Rückhalt angebe, sie ernstlich bereue und einen festen Vorsatz der Besserung fasseConcil. XII, 782, 16.. Ohne diese drei Dinge konnte von einer Lossprechung gar nicht die Rede seyn; nun aber traten viertens Bußen hinzu, welche die Kirche theils als Strafe, theils als Erweckungsmittel zum Guten auslegte. Dieser Bußen gab es schon früher gar viele, und in spätern Zeiten kamen manche neue, keineswegs immer zu billigende hinzu. Beten, Fasten, Ausschließen von Festen und Aufzügen, Verbot Kriegsdienste zu nehmen oder zu leisten, Keuschheitsgelübde, Geißeln, Pilgern, Einsperren in ein Kloster u. dergl. gehören zu den gewöhnlichsten Bußen. Weil aber deren und der Kirchengesetze buchstäbliche Erfüllung in einzelnen Fällen zu Härten führte, so erlaubten sich die Kirchenobern hier oder dort etwas nachzulassen; weil die Zeit mancher Buße, bei vielem Sündigen, oft über das Leben hinausreichte, so erlaubte man deren Verwandelung in eine andere; weil endlich das peinliche Recht fast für alle Vergehen einen Loskauf in Gelde verstattete, so glaubte man, – da Reue und Besserung davon unabhängig verlangt wurde –, auch die äußere Kirchenbuße in eine, für die Kirche und ihre Zwecke heilsame, Geldzahlung umändern zu dürfen. Anfangs beobachtete man hiebei Vorsicht und Maaß, und erlaubte die Verwandelung nur für bestimmte einzelne Sünden: bald aber zeigte sich Eigennutz bei den an die Reichen gehenden Forderungen, und da die Armen nicht bezahlen konnten, so erfand man immer mehr Dinge und Übungen die für genügende Buße galtenPlanck III, 1, 677., bis 206 das bloß Äußerliche zur Hauptsache ward, und das Innere fast ganz verschwand.
Büßungen wie sie selbst Kaiser und Könige übernahmen, (z. B. Heinrich IV in Kanossa, Heinrich II von England wegen Beckets Ermordung) haben, so anstößig sie uns auch auf einer Seite erscheinen, auf der andern als Demüthigung vor Gott, auch ihr Großes und Würdiges; wenn sich aber Richard Löwenherz in einer Krankheit die Beine binden, aufhängen und übermäßig geißeln ließHemingford II, 93. Thomassin. III, 1, c. 74., so ist dies schon weit fratzenhafter. Das ganze Bußwesen endlich, bekam eine verwerfliche Richtung, als man, zum Theil bei Gelegenheit der Kreuzzüge, die Lehre von den allgemeinen Ablässen oder Indulgenzen erfandIndulgentiae plenariae. In einem provenzalischen Dichter des dreizehnten Jahrhunderts steht die Klage: daß die Legaten vendent dieu et les indulgences. Millot II, 468. Das Verlangen der Geistlichen: jeden, der Ablaß empfange, ihrer Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, ward selbst von Päpsten gemißbilligt. Gallia chron. XI, preuv. p. 35.. Sie beruhte auf der Ansicht: daß Menschen über ihre eigentliche Schuldigkeit hinaus Gutes thun könnten, und Gott den durch Heilige und Fromme auf diese Weise entstehenden Schatz, nebst dem unerschöpflichen Schatze der Verdienste Christi, der Kirche zur erlösenden Vertheilung an Reuige und Bedrängte übergeben habe. Das persönliche Thun und Lassen trat dabei in den Hintergrund, und die guten Werke schienen nur nach größern oder kleinern Massen Bedeutung zu haben, wo einer für den andern eintreten und etwas abverdienen könne. So viel Scharfsinn auch geistreiche Kirchenlehrer darauf verwandten allen Mißdeutungen vorzubeugen, alle Lücken der Ansicht auszufüllen: so fanden doch nur zu viele es bequem, aus zufällig zweideutigen Worten der bessern, und vorsätzlich zweideutigen Äußerungen der schlechtern Geistlichen, die Ansicht abzunehmen: der Ablaß befreie nicht bloß von der Kirchenbuße (sowie etwa eine weltliche Begnadigung von 207 weltlicher Strafe), sondern reinige, selbst ohne genügenden innern Wandel, vor GottPlanck IV, 2, 405.. Die Unsittlichkeit beruhigte sich bei dem Aberglauben an die reinigende Kraft fremden Verdienstes, und vermischte ihn gar gern mit dem davon sehr verschiedenen Glauben an die Erlösung durch Christus; und einzelne Vorschriften der Kirche die zum Bessern hindrängten, wurden durch die irrigen und verwerflichen Maaßregeln anderer Prälaten und Päpste weit überboten.
Niemand, so hieß es, soll von seinen Beichtkindern einen Eid über ihre Aussage verlangenMath. Paris add. 133 u. f. S. Concil. XIII, 765., oder ihnen eigennützig Bußen auflegen die, wie z. B. das Messelesen, ihm Vortheil bringen, am allerwenigsten die Lossprechung von Geldzahlungen abhängig machenGratiam indulgentiae in quaestum avaritiae nullatenus convertatis. Innoc. epist. XV, 113.. Niemand soll Diebe, Räuber, Wucherer und ähnliche Verbrecher lossprechen, oder auch nur eine Buße auflegen, ehe sie das unrechtmäßig Erworbene zurückgegeben habenConcil. XIII, 730.. Kein Bischof darf (so entschied Innocenz III auf der lateranischen Kirchenversammlung von 1215) über vierzig Tage Buße erlassen, den Ablaß willkürlich ausdehnen, oder leichtsinnig ertheilenThomassin. II, c. 15, 16. Harzheim III, 613, No. 49..
Allein trotz dieser Vorschriften herrschten fortdauernd viele Mißbräuche. Erstens, blieb es Regel, daß eine Pilgerung nach Jerusalem, sobald sie nicht äußerer Ehre und Geldgewinnes halber vorgenommen werde, vollkommenen Ablaß erwerbeDies bestimmte man schon 1095 auf der Kirchenversammlung von Klermont. Concil. XII, 829, 2.. Und solange man wirklich nach Jerusalem oder auch nur nach Rom pilgern mußte, schreckten die Entfernung und die Kosten noch manchen vom Sündigen zurückInnoc. epist. V, 101.: als aber statt dieser Pilgerungen Geld gezahlt, oder 208 Verwandlung in noch unbedeutenderes erlaubt wurde, sank die Scheu vor Kirchenzucht und Strafe immer mehr. Im Jahre 1184 bewilligte der Papst für alle die, welche vorschriftsmäßig zum Kreuzzuge Geld einzahlten, folgende AblässeDumont I, 109, Urk. 193. Concil. XIII, 647..: von Bußen über sieben Jahre werden drei Jahre, von kürzern für peinliche Vergehen zwei Jahre erlassen. Desgleichen alle Sünden deren jemand sich nicht erinnern kann, sofern er nur reuig gesinnt ist. Geringere Vergehn (venalia) werden mit gewissen Almosen und einer Zahl abzubetender Paternoster gebüßt; die letzte Zahl wächst, wenn jemand nicht im Stande ist jene Almosen zu entrichten.
Beleidigungen der Ältern, welche nicht bis zu Thätlichkeiten stiegen, Eide die nicht auf Reliquien geschworen waren, Entweihungen der Sonntage u. dergl. wurden in bunter Mischung, für Beiträge zum Kirchenbau erlassenGudeni cod. III, 1137; I, 527.. Allmählich wurde ganz allgemeiner Ablaß verschwendet, wo nur ein heiliges Gebäude herzustellen, eine Brücke zu schlagen, eine Burg zu gründen war. Ja um einer Kapelle, einem Heiligenbilde Zulauf zu verschaffen, gab man für geringes Opfer, Vaterunser, englischen Gruß u. dergl. itzt so viel Ablaß, daß man ohne Mühe davon immer und wohl auf tausend Jahre Vorrath erhalten konntePlanck IV, 2, 411. Campi II, 400.. Und die Päpste, welche diese Mißbräuche hätten hemmen sollen, gingen nicht selten mit bösem Beispiele voran. Als z. B. der Graf von Toulouse eine RoseBaluz. miscell. I, 224., welche ihm Innocenz IV geschenkt hatte, der Kirche von Aix überließ, verlieh der Papst jedem reuig daselbst Beichtenden Ablaß auf ein Jahr und vierzig Tage; ja laut Matthäus Paris setzten mehre seiner Verfügungen festMath. Paris 586. – Bisweilen gaben Bischöfe auch Ablaß in Vorrath an Klöster, so z. B. der Bischof von Konstanz dem Kloster Ötenbach. Archiv des Finanzraths in Zürich, Urk. von Ötenbach 62.: daß der Ablaß nur im Verhältniß des gezahlten Geldes bewilligt werden solle. Lucius II gab für 209 viele Vergehn auf vierzig Tage Ablaß, wenn man in Modena dem heiligen Geminianus an seinem Feste die gebührende Ehre erweiseMutin. annal. zu 1184.. Urban IV ertheilte jedem 20 bis 140 Tage Ablaß, der mit dem Könige von Frankreich zugleich eine Predigt höre, einen Altar besuche dessen Weihung der König beigewohnt habe, oder für ihn reuig zu Gott fleheGuil. Nangis 418..
Nicht bloß Laien traten diesem Übel entgegen und verlangtenHume II, 106., daß Sündenbußen nicht ohne Beistimmung weltlicher Richter beigetrieben werden sollten; sondern auch Bettelmönche predigten schon ums Jahr 1260 in Deutschland gegen den Ablaßkram und gegen päpstliche ErpressungenGassarus 1440..
Die höchste Aufgabe: daß vom Beichtstuhle aus für Sittlichkeit und Tugend mächtig gewirkt, und dennoch priesterliche Willkür und Tyrannei abgehalten werde, steckte man sich in langen Zeiträumen seitdem kaum vor, und gerieth endlich nach entgegengesetzten Richtungen in das Äußerste: wo eine Partei oft alle Mißbräuche leugnete, verdeckte, umdeutete, oder gar in ihnen das Wesentliche sah; während die andere alle Kirchenzucht ohne Ausnahme verwarf, und jede Erziehung des Volks durch Beichte, Bekenntniß, Warnung und Lossprechung, als Aberglauben und Priestertyrannei bezeichnete.
10) Von dem Banne und dem Interdikte.
Wenn jemand den anerkannten Gesetzen der christlichen Kirche nicht gemäß lebte, oder sich den, seiner Vergehen halber, ihm aufgelegten Bußen nicht unterwarf: so ward er aus der Gemeinschaft der Christen ausgeschlossen, das heißt gebannt. Eine solche Ausschließung, ein solcher Bann, war 210 aber keineswegs unbedingt; vielmehr standen härtere oder gelindere Bedingungen, unter denen die Wiederaufnahme in den Schooß der Kirche bewilligt ward, als Regel fest, oder wurden nach Maaßgabe der einzelnen Fälle aufgefunden.
Damit nun hiebei nicht willkürlich verfahren werde, oder der Gebannte die Strafe ganz umgehe, machten die Geistlichen sich wechselseitig ihre Bannungen bekanntHontheim histor. Trev. I, Urk. 491., und keiner durfte die von seinem Genossen Ausgeschlossenen einseitig in die Gemeinschaft wieder aufnehmenA suis episcopis excommunicatos ab aliis recipi magnopere prohibemus. Befehl Urbans II auf der Kirchenversammlung in Melfi 1089, und öfter wiederholt und eingeschärft. Concil. XII, 782, No. 15; 938, No. 15-16. Dachery spicil. I, 629. Innoc. epist. I, 149.. Und diese Regel galt nicht bloß für Priester, sondern auch für Äbte, Bischöfe und Erzbischöfe. Natürlich konnte aber der Priester eigentlich nur für den Umkreis seiner Gemeine, der Bischof für seinen Sprengel, der Erzbischof für seine Landschaft bannen; oder es mußte, wenn der Bann außerhalb dieser Gränzen gelten sollte, eine Beistimmung wenn auch nicht des Gleichgestellten, doch des höher Gestellten eintreten. Das heißt: der Priester war verpflichtet den Bann des Priesters, der Bischof den des Bischofs zu achten: aber der Bann des Priesters band den Bischof, der des Bischofs den Erzbischof nicht u. s. w. Doch mußte man der Ordnung wegen feststellenConcil. XIII, 259, 260. Innoc. epist. I, 191; V, 157., über welche Gegenstände jeder Kirchenobere den Bann sprechen dürfe, und in welchen Fällen die Berufung an den Bischof, den Erzbischof, ja an den Papst erlaubt sey. Und selbst in dem Falle erlaubter Berufungen sollte kein Oberer vorschreiten ohne Rückfrage und genaue Prüfung. Die Behauptung: der Bann vernichte das Recht der Berufung, wurde von Gregor IX, besonders mit Hinsicht auf seine Stellung, verworfenConcil. XIII, 1179. Thomass. I, 2, c. 26, §. 6.; und in der That würde 211 eine solche Vorschrift der Willkür jedes Geistlichen Thor und Thür geöffnet haben. – Umgekehrt gab es Fälle, wo jeder Geistliche unbedenklich den Bann sprechen, aber nicht wieder aufheben konnte. Bisweilen war die Lösung dem Bischofe, oder dem Erzbischofe, oder gar dem Papste vorbehalten. Der letzte z. B. sprach allein los vom Banne wegen Mißhandlung oder Tödtung eines Geistlichen, wegen Kirchenraub und Kirchenbrand, wegen Umgangs mit Personen die er selbst gebannt hatte, wegen Verfälschung päpstlicher Urkunden u. dergl.Martene coll. ampliss. VII, 110. Innoc. epist. I, 310.. Nur vermöge ausdrücklicher Freibriefe, oder wenn der Gebannte auf dem Todtenbette darum bat, mochte ein anderer Prälat oder Priester die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Christen bewilligenInnoc. epist. I, 167. Lünig Reichsarchiv, Th. XX, S. 826, Urk. 309; S. 892, Urk. 317.. Als dagegen der Erzbischof von Mainz einen vom Papste bestätigten Bann des Bischofs von Prag aufhob, ward er von Honorius III streng zurechtgewiesenRegesta Honor. III, Jahr I. Urk. 513..
Jedem Banne sollte, sofern das Verbrechen nicht übermäßig groß und augenfällig war, eine Warnung und Ermahnung vorhergehnConcil. XIII, 420. Lünig spicil. eccles. XV, Urk. 361.. Nur pflegte man über Wucherer, Ehebrecher und ähnliche Sünder, regelmäßig alle Sonn- und Fest-Tage den Bann auszusprechen. Wenn bisweilen Zauberer und Wahrsager solchen Sündern beigezählt wurdenConcil. zu Arles von 1233. Concil. XIII, 1314, No. 15., so liegt darin schon die Gewißheit, daß auch Unschuldige durch den Bann verletzt wurden, und die Vorschrift, ihn aus keinen schlechten, unzureichenden Gründen auszusprechenConcil. XIII, 983, No. 49., diese Gründe nicht scharf genug bezeichnete. Sehr verständig und würdig sagte indeß Innocenz III: durch Kirchenzucht und kirchliche Strafen soll man die 212 Ungebundenheit der Frevler zügeln und Fehlende bessern, nicht aber Unschuldige unterdrückenInnoc. epist. XIV, 63..
Es galt als Regel, daß man sich spätestens binnen Jahresfrist nach gesprochenem Banne aus demselben herausziehenSynod. Mediolan. zu 1287., das heißt der Kirche Genugthuung leisten müsse. Wer dies unterließ, sollte von dem weltlichen Richter dazu angehalten werden, oder auch wohl der weltlichen und geistlichen Behörde außerordentliche Bußen zahlenDaß hievon die Hälfte dem geistlichen, die Hälfte dem weltlichen Richter zukomme, bestimmte 1233 jene Kirchenversammlung von Arles. Concil. XIII, 1314, No. 13.. Die Forderung: daß dem Banne, nach Versäumung der gesetzlichen Sühnungsfristen, nothwendig die Acht folgen müsse, hatte die Kirche wiederholt aufgestellt, jedoch nicht überall durchgesetzt1208 ward vor Kaiser Otto IV auf die Anfrage des Bischofs von Trident beschlossen: daß, wenn ein Bischof mit sieben Zeugen beweise, er habe den Bann wegen Verbrechen ausgesprochen, die Acht folgen solle. v. Hormayr Werke II, Urk. 18. Im Jahre 1220 bewilligte Friedrich II, daß jeder wegen Beeinträchtigung von Kirchenfreiheiten Gebannte auch geächtet werden solle, sofern er nach Jahresfrist noch keine Genugthuung geleistet habe. Gesch. der Hohenst. Band III, S. 350.: theils weil den Laien der Grundsatz an sich gefährlich erschien; theils weil er zu der natürlichen, für die Kirche ungelegenen Gegenforderung führte, daß jede vernachlässigte Acht durch den Kirchenbann geschärft werden müsse. Geringere Schwierigkeit hatte es, den Bann niederer Geistlichen nöthigenfalls durch die höher gestellten und zuletzt durch den Papst bestätigen zu lassen, wodurch die Folgen allgemeiner und die Lösung beschwerlicher wurde.
Weil aber Laien und sogar Geistliche den Bann dennoch verachteten, so dachte die Kirche auf ein Mittel ihn zu steigern, und sie fand dies in dem höhern, allgemeinern Banne, in dem Interdikte. Wollte z. B. ein schuldiger 213 Bürger sich nicht aus dem Banne lösen, so belegte man damit die ganze Stadt; nahm diese hierauf keine Rücksicht, so verbreitete man die Strafe auf die Landschaft, ja zuletzt auf ganze Reiche und behauptete: es sey die Pflicht jedes rechtlichen Mannes, bei Bestrafung der Schuldigen Hülfe zu leisten, und wer diese nicht zu ihrer Pflicht anhalte, verwandele sich in einen strafbaren Mitschuldigen. Wo das Interdikt zur Anwendung kam, wurden die Kirchen geschlossen, die Christus- und Heiligen-Bilder verhüllt, keine Reliquie gezeigt, weder Taufe noch Abendmahl gehalten, noch Ehen eingesegnet, noch Verstorbene in geweihter Erde begraben. In einer für Religion und gottesdienstliche Gebräuche aufs höchste eingenommenen Zeit, erschien das Interdikt als das entsetzlichste Unglück, das ein Land betreffen, als die größte Strafe welche man über dasselbe verhängen könneWer etwa nicht begreifen kann, wie diese Maaßregeln so sehr erschrecken konnten, bedenke einmal, wie es wirken würde, wenn itzt die Schauspielhäuser geschlossen, Koncerte und Bälle untersagt, oder andere Vergnügungsörter gesperrt würden.. Und wenn sich auch einzelne anfangs über diese Strafe hinwegsetzten, sie wurden, Könige nicht einmal ausgenommen, zuletzt von der ängstlichen Mehrheit zum Nachgeben gezwungen.
Hiezu kam, daß die geistliche Macht noch über jene Kreise mit Strafen und Beschränkungen hinausgriff. Sie bestimmte z. B., daß kein Gebannter eine geistliche Würde erhalten könne, ja daß man ihn dazu nicht einmal vorschlagen dürfe, ohne des Besetzungsrechtes für den vorliegenden Fall verlustig zu gehenInnoc. decret. reg. 592. Epist. X, 62. Decret. Greg. I, 5, 1.. Eben so wenig sollte einem Gebannten irgend ein weltliches Amt anvertraut werdenInnoc. epist. VII, 83. Aussprüche gebannter Richter haben keine Kraft. Ebendas. XVI, 94.; er durfte vor keinem kirchlichen Gerichtshofe ein Zeugniß ablegen, daselbst keine Klage erheben, kein Testament niederlegen u. s. w. 214 Umgang, Handel und Verkehr mit Gebannten, wurde, nur mit Ausnahme von Nothfällen, untersagt u. s. f.Hontheim histor. Trevir. I, Urk. 491. Innoc. epist. XI, 143; VI, 102..
Keineswegs aber ließen sich die Laien überall diese und ähnliche Beschränkungen gutwillig gefallen. Sie erklärten vielmehr:
Erstens, werde Bann und Interdikt oft aus ungenügenden Gründen ausgesprochen und verdiene dann keine Rücksicht. So belegte z. B. der Erzbischof von Kanterbury die Besitzungen des Prinzen Johann von England mit dem InterdikteMath. Paris 110., wegen einer Heirathsangelegenheit die ihm nicht behagte; der Bischof von Klermont that dasselbe, weil ihm die Bewohner seines Sprengels bei seinem Einzuge keine FreudensteuerPlanck IX, 2. 291., joyeuse entrée, bezahlen wollten; der Bischof von Regensburg bannte die ganze BürgerschaftRied cod. I, Urk. 219., weil einige ihm eine Schuld nicht pünktlich zurückzahlten. – Große Päpste, wie Innocenz III, erklärten sich streng gegen solche Mißbräuche, ließen sie durch ihre Bevollmächtigten bessern, oder stellten Äbte den Weltgeistlichen als Aufseher und Prüfer gegenüberInnoc. epist. XII, 37.. Insbesondere verboten sie jede Erpressung beim Aussprechen und Lösen des Bannes. Als sie aber selbst anfingen aus unzureichenden Gründen das Interdikt aufzulegen, und selbst für Lösung desselben Geld nahmenRymer I, 1, 138, 153. Innoc. epist. I, 181., minderte sich die Achtung und Furcht vor dieser Strafe. So war z. B. Pisa seit 1241 wegen der gefangenen Prälaten, an dreißig Jahre im InterdikteSalimbeni 340. Chron. Pisan. 196. Pisana monum. 977. Desgleichen kümmerte man sich 1259 in Dänemark nicht über das Interdikt. Auctor Anon. bei Ludwig IX, 81. – Unter Philipp dem Schönen ward es in Frankreich Gesetz, daß man gegen Bann und Interdikt appels comme d'abus beim Parlamente einlegen konnte. Planck IV, 2, 291–303.; mußte aber, als sich die Verhältnisse sehr ungünstig stellten, dem Papste für die Lösung 30,000 Pfund zahlen.
215 Zweitens, behauptete man weltlicherseits, und es fehlte selbst nicht an Prälaten die dieser Ansicht beistimmten: es sey unbillig und unchristlich, um weniger Schuldigen willen so viele Unschuldige, welche oft auf jene keinen Einfluß, über sie keine Gewalt hätten, von der Gemeinschaft des christlichen Gottesdienstes auszuschließen. Nahm man auf Einreden dieser Art keine Rücksicht, so brauchte das Volk bisweilen GewaltPlanck III, 516; IV, 2, 283., und Vornehmere fanden leicht einen Burgpfaffen, der willig geistliche Verrichtungen übernahm. Ja sogar Ludwig IX wollte nur dann den weltlichen Arm zur Unterstützung des Bannes hergeben, wenn weltliche Obrigkeit am Spruche Theil hätte, oder ihn zu bestätigen Grund fändeMath. Paris 133 u. f. S.. Auch König Heinrich III enthielt sich nicht immer des Umgangs mit Gebannten, und befreite wohl aus eigener Macht von den Folgen desselben. Ja als Philipp I von Frankreich, wegen seines verwerflichen Umgangs mit dem Weibe Fulkos von Anjou, nicht ohne Grund gebannt wurde, zürnte Herzog Wilhelm von Aquitanien, welcher der Keuschheit ebenfalls nicht beflissen war, hierüber so sehr, daß er befahl die versammelten Prälaten zu schlagen, zu berauben, ja zu tödtenFragment. histor. Philippi I, 167.. Sie flohen, weil des Herzogs Diener hiemit wirklich den Anfang machten, nach allen Seiten, und zwei französische Äbte welche blieben und nicht widerrufen wollten, wurden aufs ärgste gemißhandelt. Zwar finden sich auch entgegengesetzte Beispiele von Eifer der Laien für den Bann: so setzte man in einigen Gegenden Südfrankreichs im dreizehnten Jahrhundert einen Sarg vor die Thüre des Gebannten und warf mit Steinen nach seinem HauseHist. de Languedoc III, 524.; doch schien es den Päpsten gerathen über gewisse Punkte im einzelnen 216 nachzugeben und Ausnahmen zu gestatten, damit die Regel desto eher anerkannt werde und von ihnen abhängig bleibe. Deshalb erlaubten sie (und für kleinere Kreise thaten Bischöfe wohl dasselbe) bei verschlossenen Thüren Gottesdienst zu haltenMiraei op. dipl. I, 97. Privil. des Bischofs von Kambrai von 1131. Innoc. III, epist. I, 287., sofern nur die Gebannten, oder das Interdikt Veranlassenden, draußen blieben. Drangen diese mit Gewalt ein, oder entfernten sie sich nicht auf erhaltene Weisung, so ward ihnen bisweilen erklärt, daß jede geistliche Handlung nicht zu ihrem Wohle, sondern zu ihrem Fluche gereiche, oder die Priester hielten sogleich inne und verließen die KircheHontheim hist. Trevir. I, Urk. 491.. Selbst zur Zeit des Interdikts durfte der Prediger oder Bischof die Gemeine versammelnVerbum dei praedicare, et ad correctionem inducere. Innoc. epist. XI, 267; I, 132; X, 62., Gottes Wort predigen und sie zur Besserung ermahnen: that er aber mehr, oder kümmerte er sich überhaupt nicht um das Verbot, so ward er hart und nicht selten mit der Absetzung bestraft. Mönche wurden in solchen Fällen nach einem Kloster strengerer Regel gesandt, um ihr Vergehen abzubüßen.
Ferner gaben einzelne Päpste Königen und selbst Fürsten, z. B. dem Landgrafen von Thüringen, Freibriefe größern oder geringern InhaltsInnoc. epist. VI, 42. Rymer foed. I, 1, 109. Thomassin. lib. I, c. 6, §. 13., wonach kein Interdikt ohne sehr erheblichen Grund, oder nicht über das ganze Reich, oder nicht ohne ausdrückliche päpstliche Zustimmung dürfe ausgesprochen werden. War dies aber dennoch, etwa von einem Erzbischofe geschehn, so suchte der Papst, um der geistlichen Herrschaft keine Blöße zu geben, diesen dahin zu bringen, daß er selbst seinen Spruch aufhebeConcil. XIII, 196.. Im Jahre 1212 erlaubte Innocenz: daß in Neapel während des 217 Interdiktes die Kinder, als unschuldig, getauft und die Beichten Sterbender angehört würden, wenn sie gelobten der Kirche zu gehorchen; Begräbnisse hingegen könnten nicht statt finden, weil sie ohne Hülfe der Gebannten unmöglich wärenInnoc. epist. XIV, 74..
Während des Interdikts litten die Geistlichen an ihren Einnahmen großen Ausfall und forderten nicht selten dafür Ersatz. Bisweilen widersprachen die Laien, z. B. in Frankreich dieser Forderung; bisweilen fand sich der Ersatz von selbst durch häufigeres Trauen, Taufen u. dergl. nach Aufhebung des Bannes; bisweilen ward ihnen eine Entschädigung zugebilligtMünters Beiträge I, 188.. So setzte man z. B. 1248 auf einer schwedischen Kirchenversammlung fest, daß dieselbe aus den Geldbußen erfolgen solle.
Wie bei der Lehre von Beichte und Ablaß, gehn die Ansichten über den Kirchenbann, bis zu vollständigem Widerspruch auseinander, und die Wahrheit möchte auch hier in der Mitte liegen. Wo eine Kirche völlig gleichgültig gegen Sitte und Wandel ihrer Mitglieder ist, wo es ihr an allen Mitteln der Aufsicht und Strafe, an allem Rechte der Ausschließung fehlt: wird sie, wo nicht zerfallen, doch fast nur dem Namen nach, und keineswegs als eine innige und einige Verbindung vieler bestehn. Wo sie umgekehrt weltliche und eigennützige Zwecke durch geistliche Mittel zu erreichen strebt, des Strafens mehr als des Erziehens und der Duldung gedenkt, und Menschensatzungen für göttliche Gebote ausgiebt: wird der wahrhaft christliche Geist entfliehen, die innere unsichtbare Kirche zu Grunde gehn und ein leeres, durch Pfaffentyrannei zusammengehaltenes, werthloses Gehäuse übrig bleiben. Es ist erfreulich, wenn die Kraft der Ideen und Grundsätze sehr viel über die Menschen vermag, und nicht allein die Macht des Schwertes herrscht und entscheidet: soll sich aber diese Freude nicht in Leid 218 verkehren, so müssen jene Ideen und Grundsätze auch wahr, ächt und von allen Trugbildern und Nebenzwecken gereinigt seyn. Nur auf diesem Wege wird man zu dem rechten Ziele gelangen und ohne Willkür und Übertreibung behaupten können: wer sich von der christlichen Kirche trenne, trenne sich auch von dem christlichen Staate, und wer die Gesetze der Kirche verwerfe, verwerfe auch die Gesetze des Vaterlandes.
11) Vom Gottesdienste.
Daß zu dem innern Christenthume ein äußerer Gottesdienst hinzutreten müsse, ward nur von sehr wenigen Ketzern bezweifelt; die herrschende Kirche hingegen gab fast zu viel auf diese Formen, und hatte sie in so großer Genauigkeit und Umständlichkeit bestimmt, daß wir in Darlegung des einzelnen nicht eingehen können, sondern uns auf einige allgemeine Bemerkungen beschränken müssen.
Die kirchlichen Gebäude zuvörderst, waren ein Gegenstand solchen Eifers, solcher Thätigkeit, daß spätere, angeblich gebildetere geschicktere reichere Geschlechter darüber nur erstaunen konnten, sie aber nachzuahmen nicht Kraft, Muth, Ausdauer und Kunstfertigkeit besaßen. Mit Ausnahme der wenigen, welche diese heilige Baukunst des MittelaltersSiehe darüber weiter unten einen besondern Abschnitt. nur für einen verdorbenen Auswuchs der antiken halten, ja wohl das ganze Mittelalter und insbesondere das Christenthum für eine Verkehrtheit ansehen, hat wohl niemand die kühn emporstrebenden Säulen, die reichen Laubgewölbe, welche jene über sich ausbreiten, die glühende Pracht der mit heiligen Geschichten und reichen Zierrathen bedeckten Fenster, die himmelhohen Thürme in Wien, Freiburg, Straßburg u. s. w. erblickt, ohne von Bewunderung ergriffen und zu Betrachtungen und Empfindungen fortgerissen zu werden, welche demüthiger zugleich und dennoch erhabener sind, als diejenigen, welche sich etwa beim Anblick einer ägyptischen Pyramide erzeugen können. – Auch die erstaunlich große 219 Zahl der, oft in schneller Folge erbauten, KirchenÜber die in Bologna erbauten Kirchen siehe Hohenst. Band V, S. 268. verdient Erwähnung: so zählte deren z. B. Pavia am Schlusse des dreizehnten Jahrhunderts 133Anonym. de laudib. Papiae 16. Über Piacenza, Murat. script. XVI, 568.; und ähnliches finden wir in den meisten andern Städten. Bei dieser allgemeinen Sinnesart kann man es als eine seltene Ausnahme betrachten, wenn ein Bischof seine Kirchen verfallen ließ und vom Papste zur Herstellung derselben angehalten werden mußteInnoc. epist. VII, 84.. Für innern Schmuck der Kirchen, für heilige Gefäße, Rauchfässer, Leuchter u. dergl. aus Gold und Silber, sorgten Geistliche und Laien mit gleicher Freigebigkeit und gleichem Eifer. Nicht minder kostbar waren die geistlichen, vom Bischofe eingesegneten Gewänder und eines z. B. in MainzInnoc. epist. III, 177. mit Gold und andern Zierrathen so reich besetzt und so schwer und unbiegsam, daß man es nur kurze Zeit auf dem Leibe ertragen konnte. An besonders feierlichen Tagen wurden Wände, Bänke und Fußböden mit Tapeten oder anderem künstlichen Schmucke behangen. Ja man verschmähte in den Kirchen auch Dinge nicht, welche zwar keine nähere geistliche Beziehung hatten, sonst aber von Werth und anziehend waren. So hing z. B. in der mainzer Hauptkirche an zwei goldnen Ketten ein ausgehöhlter Smaragd, in welchen man Wasser und einige Fischlein that, und ihn dann verschloß. Einfältigere und alte Weiber behaupteten, der Stein lebeSimplices et vetulae lapidem vivere affirmabant. Conradi chron. Mogunt. 762. Alberic. zu 1218..
So wie manches aus den priesterlichen Gebräuchen der Griechen, Römer und Juden in den christlichen Gottesdienst übergegangen war: so suchten auch deutsche und slavische Stämme bei ihrer Bekehrung manches Ältere beizubehalten, mit Christlichem zu vereinen, oder in Christliches umzudeuten. Vieles ward indeß und mit Recht verworfen: theils weil es 220 an sich nicht taugte, theils weil es mit Irrthum und Aberglauben zu leicht in Verbindung trat. Deshalb vertrieb noch ums Jahr 1093 Herzog Bretislav von Böhmen die WahrsagerCosmae 2074., vertilgte geehrte Haine und Bäume, untersagte Begraben in den Wäldern, Tänze verlarvter Personen zu Ehren der Todten, Opfer den Geistern um Pfingsten dargebracht, u. a. m.
Die Zahl der ganz oder halb zu feiernden Festtage war groß, aber nicht überall gleichEin Verzeichniß für England zu 1222, siehe Concil. XIII, 1070, No. 8.. Fast jede Kirche hatte, außer den allgemeinen Tagen, besondere für ihre Heiligen und Beschützer, oder zum Andenken ihrer Gründung, oder wegen sonst merkwürdiger Begebenheiten und Verhältnisse. Sollte ein Festtag überall gefeiert werden, so war wohl des Papstes Einwirkung und Befehl nöthigSo befahl Innocenz III, man solle das Fest der Bekehrung Pauli in Worms feiern. Eppist. I, 44.. Mehr oder weniger allgemein feierte man die Tage der zwölf Apostel, der Heiligen Stephan, Laurentius, Martin, Nikolaus, Michael, Silvester, ferner Mariä Geburt, Reinigung, Verkündigung und Himmelfahrt, unschuldige Kindlein, Kreuzes-Erfindung und Erhöhung und später auch die Tage von Lukas, Markus, Eutropius, Georg, Pauli Bekehrung und Petri StuhlfeierSchröckh XXVIII, 269.. Bisweilen wurden auch ganz außerordentliche Feier- und Buß-Tage, supplicationes gehalten. Am vierten Tage der Pfingstwoche des Jahres 1212Innoc. epist. XV, 685. Daher stammt vielleicht die Nachricht bei Alberic. 449, daß 1203 ein annus jubilaeus vel remissionis in Rom gefeiert sey., zogen z. B. Geistliche und Laien, Männer und Weiber, in Rom, nach bestimmter Ordnung und größtentheils barfuß in die Kirchen, fasteten, weinten, beteten und hörten den Papst und die Kardinäle, welche predigten und Messe 221 lasen. Die große Zahl der Festtage brachte allerdings den Priestern Gewinn, allein nicht minder dem so häufig zu ungemessenen Diensten verpflichteten Volke.
Die Messe war und blieb der wichtigste Theil des Gottesdienstes. In der Regel sollte jeder Geistliche täglich nur eine Messe lesenInnoc. epist. VIII, 201. Thomassin. III, 1, c. 72.; doch stieg diese Zahl erheblicher Ursachen halber bis auf drei. Wer mehr Messen übernahm als er lesen konnte, dafür Geld erpreßte, oder sie an andere Geistliche überließ, oder in sogenannte trockene Messen, ohne Opferung des Weins und Bluts verwandelte, ward als strafbar betrachtetKoncilium von Paris im Jahre 1212. Concil. XIII, 823, No. 11.. Wer an gewissen körperlichen Fehlern litt, z. B. entmannt war, oder die fallende Sucht hatte, durfte keine Messe lesenInnoc. epist. V, 96.. Die Liturgie war im wesentlichen die römische Papst Gregors des Großen; wenigstens bestrebten sich die Päpste sie überall einzuführen und willkürliche Abweichungen zu verhindern.
An vielen Orten, z.B. in ClugnyHelyot V, 220., bereitete man das Getreide zu den Hostien aufs sorgfältigste, beobachtete umständliche Vorschriften beim Mahlen, Backen u. s. w. Mehre Kirchenversammlungen setzten aus ähnlichen Gründen der Ehrfurcht festKirchenversammlung 1175 in London, 1189 in Rouen. Concil. XIII, 366, 679.: daß kein Bischof einen zinnernen Kelch einsegnen dürfe, und jede Hostie in einem silbernen oder goldenen Kelch geweiht werden müsse. Seit dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts gab man bei Erhebung der Hostie ein Zeichen mit der Glocke, damit das ganze Volk auf seine Knie niederfalleAlberic. 419, zu 1212..
Predigten, Anreden und Ermahnungen der Geistlichen an ihre Gemeinen fehlten nie ganz, aber freilich erscheinen sie im Verhältniß zu dem Sakrament der Messe nur als Nebensache, und König Heinrich III sagte in dieser 222 Beziehung: ich will meinen Freund lieber oft sehn, als von ihm reden hörenMath. Par. contin. 680.. Oft mochten allerdings die Predigten, bei dem Mangel an Kenntnissen, Übung und Fleiß, sehr dürftig und oberflächlich ausfallen: doch hat diese Regel auch gewiß viele Ausnahmen gehabt, und Bischöfe und Prälaten vernachlässigten ihre geistlichen Pflichten keineswegs überall um ihrer weltlichen Zwecke willenSchröckh XXIX, 211–213.. Vor allem aber bestrebten sich die Bettelmönche durch Reden, die gewiß in der Landessprache gehalten wurdenIn Italien unterschied sich damals das Latein nicht viel mehr von der Volkssprache, als das heutige Bücheritalienische von den Dialekten. Doch wurde das Latein auch oft übersetzt. Tirab. IV, 444. Bettinelli II, 27. Deutsche Predigten im dreizehnten Jahrhundert. Neander Denkwürdigk. II, 303., auf das Volk zu wirken, und es finden sich häufig die größten Erfolge ihres Bemühens. Denn wenn sie auch von der Kunst der Darstellung und Behandlung wenig verstanden, so fehlte ihnen doch selten die Kraft eines von der Sache durchdrungenen Gemüthes. Für minder Geübte ließ schon Karl der Große Reden, Homilien und dergl. sammelnFlügge Geschichte des Predigtwesens I, 33. Augusti Alterth. VI, 306.. Später ward vorgeschrieben, welche geistliche Bücher bei jeder Kirche vorhanden seyn sollten, und daß man die fehlerhaften verbessere, damit richtig gelesen und gesungen werdeNach einer englischen Kirchenversammlung von 1240, sollen bei jeder Kirche seyn: missale, breviarium, antiphonarium, graduale, troperium, manuale, psalterium, ordinale. Concil. XIII, 1447, No. 1; 1450, No. 11. – Das antiphonarium pro parte aestivali hielt zwei große Bände. Würdtw. subsid. IX, 90..
Niemand durfte einem unbekannten Geistlichen erlauben Gottesdienst zu haltenConcil. XIII, 751, 822, No. 9; Lünig spicil. eccles., von Köln, Urk. 37.. Jeder Priester, Stiftsherr u. s. f. sollte zur rechten Zeit kommen, vor Beendigung der Feier 223 sich nicht entfernen, und langsam und deutlich sprechen, damit das Volk alles verstehe und der Schein ungebührlichen Eilens vermieden werde.
Die Laien berief man durch Läuten der Glocken, und in Palästina auch durch Schläge mit einem HammerVitriac. hist. Hieros. 1094.. Der Priester durfte diejenigen, welche mehre Sonntage nacheinander fehlten, zur Verantwortung ziehenLondoner Kirchenversammlung von 1200. Concil. XIII, 789. Schröckh XXVIII, 269. Von dem Hofe Heinrichs II von England sagt Peter Bles. epist. XIV: homines in curia sabbatizare non vidi, unde et in ea parte melior est conditio jumentorum.; ja an einigen Orten, z. B. in Toulouse, mußte jeder Ausbleibende zwölf Denare zahlen, von denen der Priester eine Hälfte und der Herr der Stadt die zweite bekam. Schlimmer aber als solch einzelnes Ausbleiben war es, und nachtheiliger wirkte es: wenn während des Bannes und Interdikts der Gottesdienst nur bei verschlossenen Thüren, oder auch halbe, ja ganze Jahre hindurch gar nicht gehalten wurde. So fand, um zu den obigen Beispielen noch eines hinzuzufügenAlberic. 450., im Jahre 1209 wegen eines Streits zwischen Laien und Geistlichen, ein halbes Jahr lang in Metz durchaus kein Gottesdienst statt. – Auf Vernachlässigung solcher Art folgten dann bisweilen desto strengere Vorschriften; z. B.: Sonntags sollen keine Jahrmärkte gehalten und überhaupt, Lebensmittel für den Tag ausgenommen, nichts gekauft oder verkauft werdenConcil. XIV, 268. Harzheim III, 529.. Kein Laie darf vor Beendigung der Messe die Kirche verlassen, oder Thiere mit in die Kirche bringen; und eben so wenig darf man sich in den, überall einzuzäunenden, Gottesäckern irgend etwas unschickliches erlauben.
12) Vorschriften der Kirche über Leben, Wandel u. s. w. der Geistlichen.
a) Im allgemeinen.
Je höhere Ansichten man von der Würde und dem 224 Werthe des geistlichen Standes hatte, je lauter man deshalb sein Lob verkündete: desto strengere Forderungen wurden auch an ihn gemacht, und desto härterer Tadel über ihn, bei irgend entdeckten Mängeln, ausgesprochen. Insbesondere finden sich hierüber bei Bernhard von Clairvaux merkwürdige Stellen. Während er einerseits die Geistlichen als Mittler betrachtet, welche die Gebete und Vorsätze der Laien Gott darbringen, und Segen und Gnade Gottes zurückbringen, klagt er andererseits über das Zunehmen der Zahl unwürdiger Glieder dieses heiligen Standes, und äußertBernh. Clarav. de conversione, epist. 152, zu 1135.: »die Nachlässigkeit der Bischöfe veranlaßt die Ungebührlichkeiten, welche die Kirche belästigen und verwirren. Sie geben das Heilige den Hunden, und die Perlen den Säuen. Durch fremde Anstrengungen werden die Priester reich, und ihre Ungerechtigkeit wächst gleichsam aus dem Fette ihres Reichthums hervor.« Noch stärker drückt er sich über die Geistlichen am römischen Hofe aus. »Bei ihnen ist,« so sagt er, »von Gottes Befehlen zuletzt die Rede; Gottesfurcht wird für Einfalt gehalten, der Vorsichtige und Gewissenhafte Heuchler gescholten. Wer die Ruhe liebt und an die Ausbildung seines eigenen Wesens denkt, heißt unbrauchbar und unnützDe considerat. sui IV, 3..« – Auf ähnliche Weise klagte Kaiser Otto IV über die Geistlichen, nachdem er mit Papst Innocenz III zerfallen warBrito Philipp. 224 läßt Otto IV vor der Schlacht bei Bouvines von den Geistlichen sagen:
Genus hoc pigrum fruges consumere natum,
Otia quod ducit, tecto quo marcet et umbra;
Qui frustra vivunt, quorum labor omnis in hoc est,
Ut Baccho Venerique vacent, quibus inflat obesis
Crapula colla Thoris, oneratque abdomine ventres.
Ähnliches enthält eine Urkunde Ottos in Lünigs Reichsarch., Th. XX, Urk. 14, sie ist aber schwerlich ächt. – Klagen über die Geistlichen, ja über die gesammte verderbte Zeit, hat auch Arnold. Lubec. III, 9, 22.. Man muß jedoch bei Bußpredigern, welche 225 die Laien nicht minder tadeln, ja die gesammte Zeit als durchaus verderbt darstellen, ein gutes Theil abrechnen, und bei andern auf Partei, Stellung und Betrachtungsweise Rücksicht nehmenBettelmönche und Kreuzprediger z. B. hatten oft ein Interesse, die Weltgeistlichkeit schlechter darzustellen, als sie war. Im Jahre 1215 beschwerte sich die französische deshalb bei dem Papste. Guil. Armor. 88.. Noch in unsern Tagen behaupten ja mehreHume II, 28.: die gesammte Kirchenherrschaft habe auf dem Ehrgeize weniger, und der Unwissenheit und dem Aberglauben vieler beruht, sey mithin in allen ihren Wirkungen nachtheilig gewesen; während unter andern MöserMöser Schreiben an den Herrn Vikar, S. 48, 51. schreibt: »wenigstens halte ich es für nothwendig, daß Wahrheit und Vorurtheil, und alles was sie sonst wollen, sich vereine, um die politische Heiligkeit, das göttliche Merkmal der Unverletzlichkeit und die größte Ehrfurcht dem geistlichen Stande zu erhalten. Diejenigen bringen einen Fluch über das menschliche Geschlecht, die der Geistlichkeit ihr politisches Heiligthum, welches sich nicht anders als auf eine göttliche Offenbarung zulänglich gründen kann, entreißen.«
Als Regel darf man also annehmen: daß die Überzeugung von der Würde ihres Standes und der Heiligkeit ihrer Pflichten, die Beschäftigung mit der Bibel und den Kirchenvätern, die von kirchlichen und weltlichen Obern eingeschärfte und streng gehandhabte Zucht, auf die Geistlichen mächtig und vortheilhaft gewirkt habe. Aber bei der großen Zahl der Geistlichen, und so manchem fremdartigen und entgegengesetzten Einflusse, mußten auch mancherlei böse Ausnahmen entstehen, von welchen die strengen Geschichtschreiber lauter sprechen, als von jener Regel. Wir geben einige Beispiele.
Der Dechant des lütticher Stiftes äußerte ums Jahr 1217: wenn er ein Jude oder Heide wäre, würde er nie 226 Christ werden. Es sey unnöthig in die Kirche zu gehn, ihm genüge es daß er läuten höreQuod si esset bonus Judaeus vel paganus, nunquam fieret Christianus. - Sufficit mihi, si audio sonitum campanarum. Regesta Honor. III, Jahr II, Urk. 1041. u. s. w. – Der Erzbischof Rudolf von Mainz ließ die Bildsäule des heiligen Benno einschmelzen, und vertheilte das daraus geschlagene Geld unter seine VerwandtenAlberic. 349, zu 1168.. – Der Bischof Hermann von Augsburg ward beschuldigt, er habe Nonnen beschlafen und in der Kirche Ehebruch getriebenUdalscalci narratio 12.. – Ums Jahr 1200 schilderte der König von Ungern den Bischof von Fünfkirchen als einen Mann, der mit seiner Enkelinn in Blutschande lebeEngel Geschichte von Ungern I, 283.. Die Domkapitel, heißt es ferner, verklagten die Bischöfe wegen Meineid und Simonie; die Bischöfe klagten die Äbte an, daß sie falsche Freibriefe schmiedeten, um sich ihrer Gerichtsbarkeit zu entziehen; Priester des Evangeliums prügelten sich wechselseitig aus den Kirchen heraus, und Laien wurden bewaffnet, um Mönche zu verjagen, die dem Abte weniger als dem Bischof ergeben waren u. s. f.
Mißbilligten kirchliche und weltliche Obern einstimmig Übelstände solcher Art, so ward es leicht sie auszureuten: bisweilen aber suchte und fand der sündige Geistliche Hülfe gegen seinen Vorgesetzten bei weltlichen Freunden und VerwandtenRegesta Hon. III, Jahr II, Urk. 785. Guil. Neubrig. c. 16.; oder umgekehrt hielten es Bischöfe für Pflicht, keinen Geistlichen einer öffentlichen Züchtigung zu unterwerfen, sondern sie, wo möglich, allen Strafen zu entziehen. Dann wurden die weltlichen Obern bisweilen ungeduldig, griffen zu und straften. Als dem Grafen von Musterol hierüber Vorwürfe gemacht wurden, äußerte er, und eben so König Heinrich II von England, daß die Geistlichen, durch ihre Freibriefe und abgesonderte Gerichtsbarkeit geschützt, ungestraft mordetenReg. Hon. III, Jahr II, Urk. 1096.. Und auf eine ähnliche Beschwerde 227 antwortete der König von Böhmen: der Geistliche, welchen ich aufhängen ließ, hatte falsch gemünzt, fünf Kirchen bestohlen, und war mit andern Räubern auf der That ertappt wordenRegesta Honor. III, Jahr II, Urk. 1130.. – Weil in der That die unblutigen kirchlichen Bußen für solche Verbrechen zu gering schienen, nahm man den schuldigen Geistlichen ihren, aus eigener Macht nie abzulegenden Charakter, und übergab sie dann als Laien dem weltlichen Gerichte zu weiterer BestrafungThomassin. II, 1, c. 14 und 76.. Auch erlaubte man diesem für gewisse Fälle Geistliche zu verhaften, nur solle dem kirchlichen Obern Anzeige gemacht und nicht geglaubt werden, es stehe ihm dies Recht ohne Auftrag und Bewilligung zuInnoc. epist. VI, 82. Münters Beiträge I, 171.. Doch lagen die Verhältnisse bisweilen so, daß selbst der Papst etwas von der Strenge der kirchlichen Forderungen nachließ, um nicht größere Unruhe zu erregen. Glaubten niedere Geistliche vom weltlichen Richter gelinder als von dem kirchlichen Obern behandelt zu werden, so unterwarfen sie sich oft freiwillig demselben: aber Papst Innocenz verbot ihnen, bei Strafe, ihr Vorrecht aufzugebenInnoc. epist. VII, 111, 113..
Sehr oft wirkten die Päpste für Aufrechthaltung der Sitte und Ordnung: aber schon zur Zeit Gregors IX und Innocenz IV untergruben viele ihrer eigenen Maaßregeln das ohnehin schwer zu erhaltende GebäudeAlexander IV beschreibt die Übel selbst aufs ärgste. Aventin. annal. Bojor. VII, 7, 12. Meichelb. hist. Frising. II, 1, 50.. Auch sorgte der letzte in seinen nächsten Umgebungen keineswegs für strenge Befolgung der Vorschriften über Zucht und Keuschheit. Wenigstens wird erzählt, daß Kardinal Hugo, als der päpstliche Hof Lyon verließ, öffentlich gesagt habeMath. Paris 548.: die Anwesenden hätten der Stadt großen Nutzen gebracht, denn statt drei oder vier vorgefundener Hurenhäuser 228 hinterließen sie nur eins; – aber freilich reiche dies von einem Ende der Stadt zum andern!
Mehre einzelne Vorschriften zeigen, was man für unanständig bei einem Geistlichen hielt, und was sie sich wohl hie und da zu Schulden kommen ließen. Keiner, so heißt es, soll Wirthshäuser besuchen, es sey denn aus Noth, oder auf ReisenStatuten einer österreich. Kirchenvers. bei Pez. II, 520. Affò Guastalla 352. Synod. Mediol. von 1287, c. 4-5. Helmold chron. Slav. I, 44. Concil. XII, 917, No. 5; XIII, 362, No. 2.; keiner soll den Kunstversuchen der Schauspieler oder Lustigmacher beiwohnen, oder tanzen, jagen, Würfel spielen. Als sich Geistliche in Hinsicht des letzten Punktes bei Innocenz III damit entschuldigten, daß dies nach französischer Sitte fast allgemein geschehe, wurden sie, wegen des verwerflichen Grundes, desto strenger zurechtgewiesenInnoc. epist. XI, 264.. Es war nicht ungewöhnlich, daß Stiftsherrn und andere Geistliche beim Antritt ihrer Stelle, oder zur Feier gewisser Tage, große Feste gaben. Dies ward untersagt, denn es entständen bei dieser Gelegenheit: Trunkenheiten, Narrenspossen, thörichte Lustigkeiten, verführerische Annehmlichkeiten, unnütze Ausgaben und viele andere EitelkeitenAschaffenburg. chart. Urk. 6, zu 1280.. Ja eine Kirchenversammlung zu Kanterbury fand sich im Jahre 1236 veranlaßt, Wettsaufen der Geistlichen in Wein und Bier zu verbietenConcil. XIII, 1375, No. 6..
Desgleichen sollte keiner von ihnen Handel treiben, Processe führen, oder überhaupt weltliche Geschäfte übernehmen; es sey denn für ihre Kirche, oder für hülfsbedürftige PersonenLateranische Kirchenversammlung von 1179. Concil. XIII, 424, No. 12. Thomassin. III, 3, c. 23.. Eine völlige Lossagung von diesen Dingen ward aber um so weniger durchgesetzt, da die Geistlichen darohne gar sehr an Einfluß und Macht verloren hatten. Blieb doch selbst das wiederholte Verbot, Waffen 229 zu tragen, oft ohne ErfolgInnoc. epist. IX, 6. Concil. XII, 830, 4; XIII, 364, 11.. Mancher sah nämlich darin das unveräußerliche Recht eines freien Mannes; andere hielten es in Zeiten, wo das Gesetz nicht sichern Frieden verschaffte, für nothwendiges Schutzmittel; noch andere freuten sich des Krieges, vor allem gegen die Ungläubigen. Aber nicht bloß im Morgenlande, sondern auch in der Heimath finden wir eine große Zahl von Prälaten in Fehden begriffenVinisauf I, 42.; ja einzelne, wie z. B. Erzbischof Christian von Mainz, waren fast mehr Kriegsfürsten, als Kirchenfürsten zu nennen. Auch Ritterthum und Turniere reizten manchen Geistlichen so, daß er nicht widerstehen konnte; als aber einer, der es nicht verstand, eine Lanze brechen wollte und ihm dabei ein Auge ausgestoßen ward, mußte er Kirchenbuße thun und die Erlaubniß zu seiner weitern Beförderung vom Papste einholenRegesta Gregor. IX, Jahr IV, S. 24..
Ganz in der entgegengesetzten Richtung finden wir bei Weltgeistlichen die Neigung Mönche zu werden, wozu die Genehmigung des Bischofs zwar erforderlich war, aber sich nur aus sehr erheblichen Gründen verweigern ließ, weil man das Mönchsleben für heiliger, jeden Widerspruch des Bischofs also für ein Hinderniß des Guten hieltThomassin. II, 1, c. 10..
b) Von den körperlichen Eigenschaften, Nahrung und Kleidung der Geistlichen.
Jeder Geistliche sollte gesunden Leibes, das heißt, wenigstens so gebildet seyn, daß sein Aussehn keinen Spott oder Anstoß erregeThomassin. II, 1, c. 83.. Ausgeschlossen von geistlichen Geschäften waren ferner mit der fallenden Sucht Behaftete und VerschnitteneInnoc. epist. V, 96; I, 19; XI, 103. Corner zu 1138.; im letzten Fall jedoch nur, wenn eigene Schuld dabei obwaltete, oder der Mangel vor der Weihe 230 eintrat; wogegen der Geistliche sein Amt behielt, sofern Krankheit oder Gewalt ihn in einen solchen Zustand versetzte. Überhaupt zog eine zu kirchlichen Geschäften unfähig machende Krankheit nicht sogleich den Verlust der ganzen Pfründe nach sich, sondern man setzte alsdann Gehülfen und Stellvertreter anInnoc. epist. V, 105; III, 19. Auch durfte ein Priester, dem ein Finger der linken Hand ohne seine Schuld war abgehauen worden, nach des Papstes Entscheidung sein Amt behalten. Epist. X, 124.. Dies erlaubte z. B. Innocenz III, als ein Bischof erblindete. Derselbe bestätigte einen Geistlichen im Amte, den sein Pferd abgeworfen, übel zugerichtet und dabei ein Kind todt getreten hatte.
Die Lehre von dem Essen und dem Fasten ward in der kirchlichen Gesetzgebung keineswegs als unwichtig betrachtet, und letzteres vom Geistlichen noch strenger als vom Laien gefordert. Man ging dabei von dem Grundsatze aus: daß es die Selbstbeherrschung fördere, durch das Evangelium empfohlen sey, und gewisse Speisen reiner, heiliger, vorzüglicher, oder auch schlechter und geringer wären, als andere. Insbesondere richtete sich das Fasten auf die Enthaltung von allen thierischen Speisen, und manche Mönchsorden unterwarfen sich hiebei Regeln, die an Strenge alles das weit überboten, was von Weltgeistlichen irgend verlangt wurde. Man schadete auf diesem Wege nicht selten der Gesundheit, oder gerieth auch wohl in bloß lächerliche Übertreibungen. Im Kloster Montevergine war z. B. in der Fastenzeit alles Fett so streng verboten, daß Weiber, die ihre Haare mit fetter Salbe eingeschmiert hatten, nicht in die Kirche eingelassen wurden, wenn sie dieselben nicht rein auswuschen, oder abschnittenGiordano chron. 229..
Zu der Zeit, wo die Stiftsherrn noch in Gemeinschaft lebten und vom Bischofe verpflegt wurden, kam es bisweilen zu Klagen, daß er sie gar zu streng zur Enthaltsamkeit zwinge, oder ihnen gar zu kleine Portionen gebeBelgic. chron. magn. 168. Reg. Gref. IX, Jahr VII, Urk. 455.. Eine 231 solche Klage der Stiftsherrn gegen den Bischof von Konstanz entschied Gregor IX zu ihrem Besten. Öfter richteten sich indeß die kirchlichen Beschlüsse gegen eine übertrieben üppige Lebensweise. So heißt es z. B. in einer Vorschrift der Kirchenversammlung zu Montpellier von 1195Concil. XIII, 723.: die Geistlichen sollen nicht so viele Gerichte essen, denn dies stumpft den Verstand ab, und hindert etwas vernünftiges zu denken. Zwei Gerichte Fleisch oder Fische genügen, und dies um so mehr, da die Zeiten schlecht sind und es in Palästina und Spanien übel hergeht.
Aus vielen Vorschriften, die Kleidung betreffend, heben wir folgende aus: der Geistliche soll keine bunte, vielfarbige, rothe oder grüne, oder zu kurze, oder an den Seiten aufgeschlitzte Kleider tragen; kein kostbares Pelzwerk, keine goldene oder silberne Armbänder, oder andern ähnlichen Schmuck. Seine Schuhe müssen ohne Schnäbel, der Gestalt des Fußes angemessen, das Haar kurz verschnitten, der Bart geschoren seynBernh. Clarav. de considerat. sui III, 5. Lünig spicil. eccl., von Köln, Urk. 37. Concil. XII, 782, No. 13; 1099, No. 10; 1446, No. 2; XIII, 363, 722, 734, 787, 828, 891, 894, 895, 954. Innoc. epist. II, 183. Thomassin. I, 2, c. 50.. – An der letzten Verordnung nahmen die Griechen, welche ihren Bart lang wachsen ließen, so großen Anstoß, daß sie es für einen Grund hielten, die Lateiner von der Kirchengemeinschaft auszuschließenThomassin. I, 2, c. 41-42.. – Einem Bischofe verwies Innocenz III sehr nachdrücklich, daß er bemalte Sättel und seidene Handschuhe habeInnoc. epist. III, 10. De mysterio Missae I, 10.; wie man denn überhaupt, außer den in die Augen fallenden Gründen, bei der geistlichen Kleidung noch aus zwei Ursachen sehr aufmerksam und streng war: erstens, weil sie zugleich als Zeichen der Würde, als Uniform betrachtet wurde; zweitens, weil man jedem einzelnen Stück eine sinnbildliche und mystische Bedeutung beilegte. Danach waren auch die Gebete 232 abgefaßt, die während des Ankleidens ausgesprochen werden sollten: z. B. beim Anlegen der Scherpe oder des Gürtels: Herr, umgürte mich mit dem Gürtel der Reinheit, ersticke in meinen Lenden die Feuchtigkeit der Begier, damit in mir bleibe die Tugend der Enthaltsamkeit und Keuschheit u. s. w.Flügge I, 245..
c) Von dem Cälibat oder der Ehelosigkeit der Geistlichen.
Schon in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt hielt man den ehelosen Stand für den heiligern: aber erst allmählich entsprang aus der Ansicht, welche ihn empfahl, eine Vorschrift, welche ihn bei den Geistlichen forderte. Trotz des Empfehlens, Lobpreisens und Forderns, konnte man indeß weder die entgegenstehenden Behauptungen vertilgen, noch unbedingten Gehorsam erzwingenThomassin. I, 2, c. 65.; bis Benedikt VIII ums Jahr 1020, und vor allen Gregor VII ums Jahr 1074, den alten Zweck mit neuem Eifer verfolgte. Für die Ehelosigkeit der Geistlichen ward unter anderem folgendes gesagt: mehr als irgend einem Laien, liegt den Geistlichen ob überall Selbstbeherrschung zu zeigen, und nirgends läßt sich diese glänzender darthun, als bei Bezwingung des mächtigsten Triebes. Es wäre Unrecht, hier freiwillig, ja vorsätzlich, weit hinter den Mönchen und Nonnen zurückzubleiben, ihnen vor Gott und Menschen den Vorrang einzuräumem Durch seine Verhältnisse ist der Weltgeistliche mehr der Verführung ausgesetzt, als der Mönch, und die Erfahrung hat bewiesen, daß die Verheirathung nicht gegen Ausschweifungen schützt. All dem Übel ist nur dadurch ein Ende zu machen, daß man dem Geistlichen jeden nähern Umgang mit dem weiblichen Geschlechte verbietet. Bei der hieraus entstehenden Heiligkeit und Reinigkeit des Priesters, wird er nie in die schlechte Lage eines Liebhabers, Nebenbuhlers, Verführers u. dergl. kommen; getrennt von dieser Welt niederer Begierden, wird er Männern, Frauen und Mädchen als ein Wesen höherer 233 Art erscheinen; es wird sich ein über die gewöhnlichen Kreise erhabneres Verhältniß entwickeln. Christi Wandel ist das Vorbild des Priesters, nur wie Christus mag er Frauen ermahnen, erziehen, heiligen, trösten; steht er ihnen wie ein Mann mit den Begierden seines Geschlechts gegenüber, wie müßte da nicht all jene schönere, größere Wirksamkeit getrübt werden. Sowie Christus ohne Befleckung gezeugt und geboren worden, so dürfen auch nur keusche, von aller Berührung der Weiber freie Hände seinen heiligen Leib anrühren. Nur eine Braut hat der Priester, nämlich die Kirche. Sein heiliger Beruf soll seine ganze Thätigkeit, alle seine Kräfte in Anspruch nehmen; jede Theilung derselben, jede Sorge neben der allein würdigen, jede Liebe neben der allein heiligen, ist Zerstreuung, Raub, Unrecht, Erniedrigung. Endlich muß das Gut der Kirche ein heiliges, unantastbares seyn, es wird dem Priester anvertraut, damit er davon lebe, Schmuck, Gewänder, Gebäude u. s. w. kaufe und erhalte, damit er Arme unterstütze und Bedrängten aus der Noth helfe. Heirathet aber der Priester, zeugt er Kinder, so mehren sich seine Ausgaben, und das Theil der Armen wird in gleichem Maaße verkürzt; ja die Güter werden unter die Kinder getheilt und vererbt, oder diese drängen sich, ohne Rücksicht auf Fähigkeit und innern Beruf, in die Stellen ihrer Väter. Solch einem Verschleudern und Verzehren des Kirchenguts, solch einer unchristlichen Kaste erblicher Priester muß die kirchliche Gesetzgebung mit nicht minderem Nachdrucke entgegentreten, als der Hingebung an sinnliche Lüste.
Hiegegen ward angeführt: Christus hat die Ehelosigkeit der Geistlichen nicht vorgeschrieben; er hat die Art und Weise, wie Gott die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes angeordnet hat, nirgends als etwas an sich verwerfliches und sündhaftes bezeichnet. Den Geschlechtstrieb beherrschen ist etwas anderes, als ihm gänzlich entsagen; zu jenem ist man, wie in Hinsicht aller sinnlichen Triebe, z.B. des Essens, Trinkens u. a. ohne Zweifel verpflichtet: dieses wäre ein Zwang, welcher dem Christenthume 234 widerspricht, da dies die natürlichen Verhältnisse nirgends aufheben und zerstören, sondern überall nur vom Bösen reinigen will. Indem man den ungeregelten Geschlechtstrieb auf die Ehe beschränkt, wird er veredelt und geläutert; geht man über dies billige und im Evangelium vorgeschriebene Maaß hinaus, so wird keine größere Heiligkeit hervorgehn, sondern der Trieb wird sich auf ungebührlichem Wege einen Ausgang suchen und statt zu ersterben, zügellos um sich greifen. Es ist ein Irrthum, daß der unverehlichte Geistliche in ein heiligeres Verhältniß zu seinen Gemeinegliedern trete: vielmehr werden die Väter und Männer gegen ihn weit mehr Bedenken fühlen, als gegen einen Verehlichten, und Frauen und Mädchen werden zu einem Haus- und Familien-Vater, ohne Verletzung achtungswerther Scham, weit mehr Zutrauen haben können, als zu einem, dem die Theilnahme für viele Dinge fehlen muß, ja der von vielen gar keine Kenntnisse besitzen soll. – Sehr groß ist ferner der Irrthum, das körperliche Wechselverhältniß in der Ehe, als das einzige oder doch als das wichtigste hervorzuheben, und zu vergessen: daß die höhere Liebe zwischen Mann und Weib, zwischen Ältern und Kindern, daß die Familienbande, die wechselseitige Hingebung und Aufopferung, der wahre Lebensquell der Ehe sind. Dieser Lebensquell wird um eines leeren Begriffes, eines täuschenden Wahnes willen dem Priester genommen; häusliche Tugenden, welche zu üben der Mensch am ersten Kraft und Fähigkeit besitzt oder erwirbt, werden für ihn unmöglich, und damit geht zugleich die beste Grundlage der öffentlichen Tugenden, der beste Übergang zu ihnen verloren. Daß der Beruf des Geistlichen mit häuslichen Pflichten, Freuden und Leiden unverträglich wäre, ist eine unbegründete, vielmehr dahin umzukehrende Annahme: daß ohne dieses natürliche Verhältniß, fremdartigere, unnatürliche herrschend werden und den Geistlichen auf weit üblere Weise von seinem Berufe abziehen müssen.
Was endlich das Kirchengut anbetrifft, so kann dies ohne Zweifel durch zweckmäßige Vorschriften auch da 235 erhalten werden, wo die Geistlichen verheirathet sind; es wird ohne Verkürzung der Armen für jene hinreichen, sobald man ihre Zahl nicht über Gebühr vergrößert. Auch hat man sehr Unrecht, zu vergessen, daß Verwandte, Neffen, Erbschleicher sich bei Unverheiratheten auf bedenkliche Weise einfinden, und durch unzählige Kunstmittel dem weltlichen wie dem Kirchen-Gute beizukommen verstehn. Aus all diesen Gründen wird die Ehelosigkeit der Geistlichen weder in Hinsicht der Sittlichkeit, noch des irdischen Gutes die erwarteten Früchte tragen.
Zu der Zeit als Gregor VII mit erneutem Nachdrucke auf die Befolgung der ältern Gesetze über die Ehelosigkeit der Geistlichen drang, war deren Lebenswandel häufig so zuchtlos, und der Glaube an die Heiligkeit des ehelosen Standes so allgemein, daß sein Bemühen im einzelnen zwar den heftigsten Widerspruch, im ganzen aber Beifall, selbst bei den Laien fand, welche den Zweck, Herstellung reiner Sitten, ehrten und in das schon so lang empfohlene, itzt vom Statthalter Christi befohlene Mittel kaum Zweifel setzten. Dennoch konnte die Kirche im zwölften und selbst im dreizehnten Jahrhundert keine allgemeine Ehelosigkeit einführen, und keine Art von Strafen reichte hin, die Widersetzlichen zum Gehorsam zu bringen.
Im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts lebten z. B. die Stiftsherrn in FeltriInnoc. epist. I, 309. Rwegesta Honor. III, Jahr V, Urk. 11, zu großem Anstoße für Innocenz III, öffentlich mit ihren Beischläferinnen, und zur Zeit Honorius des dritten gab es in Italien noch hier und da verehlichte Priester. Gregor IV hatte dringende Veranlassung, der apulischen Geistlichkeit die Hurerei zu verbieten, welcher sie sich nach Beseitigung der Ehefrauen ergeben hatteRich. S. Germ. 1024.. In der Gegend von Narbonne hielten die Geistlichen nicht bloß Beischläferinnen, sondern hatten auch einige Weiber ihren Männern genommen, was Innocenz III mit gebührender Strenge rügteInnoc. epist. VII, 75.. Zur Zeit Hadrians IV ließ 236 ein Geistlicher seine Tochter nach ihm Hadriana taufenJohann. Sarisb. epist. 27.. Ums Jahr 1200 heiratheten mehre Stiftsherrn in der Gegend von Lüttich mit Beobachtung aller FeierlichkeitenCum solemnitate, quae solet in matrimoniis observari. Regesta Honor. III, Jahr II, Urk. 1041. und verehlichten ihre Kinder mit Kindern von Edeln. Gregor IX trug Konraden von Marburg auf, die deutsche Geistlichkeit zur Abschaffung ihrer Beischläferinnen zu bewegenRegesta Gregor. IX, Jahr I, S. 253., was aber so wenig Erfolg hatte, daß Innocenz IV deshalb noch die härtesten Kirchenstrafen anwandteZ. B. im utrechter Sprengel. Baluz. miscell. I, 215..
In Polen und Böhmen gab es im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts verehlichte GeistlicheReg. Hon. III, Jahr I, Urk. 63, 65 . Innoc. epist. V, 29.; ja selbst der Bischof von Prag hatte zur Zeit Innocenz des dritten Frau und Kinder. Ähnliches geschah in Ungern und Schweden während der zweiten Hälfte des dreizehnten JahrhundertsEngel Gesch. v. Ungern I, 388. 1. Innoc. epist. X, 147. Münter Beitr. I, 136..
Die Kirche wandte alle Stufenfolgen ihrer Strafen an, um den Grundsatz der Ehelosigkeit durchzusetzen: Ausschließen vom Chore, Fasten, Vorenthalten der Einnahmen, Bann, AbsetzungAlberic. 269. Lünig spicil. eccles. XV, Urk 361. Miraei opera diplom. I, Urk. 83. Würdtw. subsid. X, 6.. Wenn aber die zur Prüfung und Aufsicht angestellten Obern selbst diese Gesetze übertraten, wenn sie, wie ein Bischof von Olmütz, Nonnen beschliefenReg. Hon. III, Jahr III, Urk. 24. Hume II, 48., oder wie ein päpstlicher Bevollmächtigter in England, sich mit einer Hure im Bette ertappen ließen: dann konnten freilich jene Strafmittel nicht streng zur Anwendung gebracht werden. Bisweilen widersetzte man sich ihnen auch mit Gewalt: der Bischof Altmann von Passau wäre z. B. deshalb zur Zeit Gregors VII fast von seinen Geistlichen todt 237 geschlagen wordenAltmanni vita 121. Hund metrop. I, 308.. Öfter wurden strenge Sittenrichter gemißhandelt, und in der Kirche zu Rouen geriethen die Parteien darüber einst in blutige KämpfeConcil. XII, 1311, zu 1119.. Ums Jahr 1190 standen die dänischen Bauern ihren Geistlichen wider die Bischöfe bei, welche Entfernung der Ehefrauen verlangtenMünters Beiträge I, 32–40. Hamsfort bei Langebek I, 280 und 380.; und auch in Schonen kam es zu einem Aufstande der Bauern gegen das Cälibat, damit die Geistlichen nicht, wie zeither, ihre Weiber und Töchter mißbrauchen möchtenEben so in Friesland: up dat se andere lüden bedden nicht besudeln. Wiarda I, 226.. Ein Landmann, welcher einen Priester bei seiner Frau traf, schnitt ihm die Nase abInnoc. epist. VII, 156. Siehe oben S. 127., mußte aber nach der Bestimmung Innocenz III so viel Buße einzahlen, als ihm die Pilgerung nach Rom und Jerusalem gekostet hätte. Einzelne Geistliche, welche sahen, daß man die Keuschheit unbedingt verlangte, legten die Tonsur und das Kleid ab, heiratheten und waren, nach Honorius III Ausdruck, nur darauf bedacht, wie sie den Weibern gefallen möchtenHabitu et tonsura clericali relictis, ducunt uxores, soliciti quomodo uxoribus placeant, von Geistlichen in der Champagne. Regesta Honor. III, Jahr III, Urk. 218.. Diese blieben aber, sobald sie sich mit Geistlichen einließen, nicht von Strafen verschont; sondern wurden an mehren Orten nicht zu Beichte und Abendmahl gelassen, oder man schor ihnen die Haare abThomassin. III, 1, c. 15, §. 8. Concil. XIII, 1253.. Besonders verwerflich erschien es, wenn Geistliche zweimal in ein angeblich eheliches Verhältniß traten, oder ihre Blicke auf Wittwen warfenClerici bigami et viduarum mariti befahl Alexander IV, ums Jahr 1260 in Frankreich zu strafen. Epist. ad reg. Franc. 26.. Bisweilen suchten und fanden die Bischöfe Beistand gegen die verehlichten Geistlichen bei der 238 weltlichen Macht; bisweilen aber nahmen Könige, wie Heinrich I von England, von diesen bedeutende Steuern, ließen ihnen aber dafür ihre WeiberHemingford I, 51. Concil. XII, 1102.. Dies werde, drohte Erzbischof Anselm von Kanterbury, seiner Seele mehr schaden, als es ihm leiblich helfe. Allein nicht alle Bischöfe dachten so streng; vielmehr folgten manche jenem verführerischen Vorgange und ließen sich die Erlaubniß Beischläferinnen zu halten nach einer gewissen Taxe bezahlenPlanck IV, 2, 395–405. Schröckh VII, 199., bis Innocenz III durch Strafen diesem Mißbrauch ein Ende zu machen suchte.
Nur für die Geistlichen welche bereits vor ihrer Weihe geheirathet hatten, suchte man mildere Auskunftsmittel zu finden; und eben so wenig konnte man die volle Strenge des Gesetzes bei den niedern Kirchenbeamten durchsetzen. Auf Gründe, hergenommen von der Beschaffenheit der Länder, Volksstämme u. s. w. nahm man keine Rücksicht; und in der That, wenn man zu beweisen suchte, daß man im Süden schwerer als im Norden den Geschlechtstrieb beherrschen könne, so ließ sich von höherem Standpunkte darthun, daß man hier eine Gehülfinn und Gefährtinn noch weniger entbehren könne.
Überhaupt wurden, trotz aller Vorschriften und Vorsichtsmaaßregeln der Kirche, diese Gefährtinnen, Wirthschafterinnen, Köchinnen u. s. w. der Geistlichen, nur zu oft ihre Beischläferinnen. Woher sollten auch immer die ganz nahen Blutsverwandtinnen kommen, welche man allein in den Wohnungen der Geistlichen dulden wollte? und wer sollte prüfen, ob die vielen unter geistlichem Vorwande statt findenden Besuche wirklich immer geistliche Zwecke hatten? In England mußten sich in dieser Beziehung angeklagte Geistliche, durch Eid und Eideshelfer aus ihrem Stande, vom Verdachte reinigenHemingford I, 28.; der Priester mußte sechs, der Diakonus vier, der Subdiakonus zwei Eideshelfer stellen.
239 So oft wurden die Keuschheitsgesetze übertreten, daß der zweite Haupttheil der hieher gehörigen Gesetze von den Kindern der Geistlichen handelt. Alle Gefahren für das Kirchenvermögen, die Vererbung u. dergl., fanden sich hier unerwartet wieder ein, und der Befehl sie fortzuschaffen und ihnen nie etwas zu vermachenInnoc. epist. VII, 70; VIII, 147. Würdtw. subsid. X, 6. Conc. XIII, 1096, No. 5., stand mit den natürlichsten Gefühlen und Wünschen so in Widerspruch, daß er gewiß sehr oft umgangen wurde. Kinder von Geistlichen sollten nie kirchliche Stellen erhalten, und der Prior Rocher von Magdeburg fiel bei der Wahl zum Erzbischofe durch, weil einer bemerkte, er habe drei Tage vorher seine Tochter verheirathetChron. mont. sereni zu 1192 und zu 1201.; bisweilen aber waren so viel Kinder von Geistlichen, und (bei der damaligen Art, Ehen, selbst zwischen entfernten Verwandten zu mißbilligen) so viele angeblich unächte Kinder von Laien vorhanden, daß der Papst sie in Schaaren echtigen, und vielen den Zutritt zu geistlichen Stellen verstatten mußte, damit diese nicht ganz unbesetzt bliebenBaluz. miscell. 210. Schröckh XXVII, 191. Innoc. epist. VI, 158. Deceret. Greg. I, 17, 3.. Eben so wenig kam wohl Friedrichs I VorschriftLünig. cod. diplom. I, 364. überall zur Anwendung, wonach man Kinder von Geistlichen nie mit der ritterlichen Binde umgürten sollte. Zu Mönchen wurden sie hingegen unbedenklich angenommenThomassin. II, 1, c. 84. Concil. XII, app. p. 747, 782, 832. Im Jahre 1228 ließ Friedrich II in Apulien alle Kinder von Geistlichen aufgreifen, ungewiß weshalb, vielleicht um sich der Treue ihrer Väter zu versichern. Rich,. S. Germ. 1004., und dies galt wiederum oft als vorbereitende Buße, um andere geistliche Ämter zu erlangen.
13) Von dem Einflusse der Kirchengesetze und der Kirchenzucht auf die Laien.
Die Lehren und Einrichtungen des Christenthums 240 greifen so sehr in jedes Verhältniß ein, sind von einer so allumfassenden Wichtigkeit, daß ein christliches Volk für jeden Standpunkt der Betrachtung anders erscheint, daß es anders denkt, fühlt und handelt, als ein unchristliches. Und wiederum tritt diese Wahrheit, stärker als in irgend einem andern Zeitabschnitte, in dem hervor, welcher die Kreuzzüge in sich begreift. Hier ist jedoch nicht der Ort, die Beweise für diese Behauptung aufzuzählen, oder das zu wiederholen, was in all den bereits abgehandelten Abschnitten über den Einfluß der Kirche auf die Laien, zerstreut beigebracht worden ist; vielmehr wollen wir nur noch einmal daran erinnern, daß aller Laien Thun und Lassen auf unzähligen Punkten durch kirchliche Ansichten und Vorschriften geleitet und bestimmt ward. Essen und Trinken z. B. hatte man, so entfernt es auch von allem Geistlichen zu liegen scheint, durch die Lehre vom Fasten damit in eine genaue Verbindung gesetzt. Selbst Könige unterwarfen sich den hieher gehörigen Bestimmungen, und Ludwig VII von Frankreich ließ sich Tisch, Fasttage und Weinportionen zum Heil seiner Seele vom Papste Alexander III einrichtenConcil. XIII, 193. Epist. ad Ludov. VII, No. 114.. Außer den gewöhnlichen Fasttagen und Fastenzeiten schrieb man bei unglücklichen Ereignissen, z. B. im Jahre 1188, nach der Eroberung Jerusalems, außerordentliche vor; und Papst und Kardinäle gingen in Hinsicht der Strenge noch weiter, als die LaienIn quiquennium per omnes sextas ferias esset fidelis populus in cibo quadragesimali, et ut quarta feria et sabbatho abstinerent a carnibus omnes qui essent incolumes. Dominus vero Papa sibi et fratribus suis cardinalibus et famulis, etiam secunda feria per eosdem annos usum carnium interdixit. Alberic. 374..
Der Sonntag ward streng gefeiert und an vielen Orten, z. B. in Pavia, auf ein gegebenes Zeichen jeder Laden und jede Bude verschlossenAnonym. de laudib. Papiae c. 17.. Doch mußte 1274 im 241 Österreichischen das Gebot eingeschärft werden, in Kirchen und auf Kirchhöfen keine Wirthshäuser, Eßbuden und Weinschenken anzulegen oder aufzustellenPez II, 525..
Gegen Fluchen und Schwören gaben mehre Könige und Prälaten strenge GesetzeLünig Reichsarchiv Th. XIX. Spic. eccles. von der christlichen Religion, Urk. 6. Siehe weiter unten den Abschnitt von polizeilichen Vorschriften.. So zahlte jeder, der sich ohne Vorsatz durch Zorn dazu hinreißen ließ, nach einer Vorschrift König Richards von Deutschland einen Schilling Strafe, und ward, im Wiederholungsfalle, strenger und selbst körperlich gezüchtigt. Noch ernstlicher verfuhr man gegen die, welche Gott, Christus oder die heilige Jungfrau lästerten. Sie wurden z. B. in Pavia in einen weidenen Korb gesetzt, der an einer langen Stange befestigt war und erhoben und niedergelassen werden konnte. Mittelst dieser Vorrichtung tauchte man die Übelthäter nach Maaßgabe ihres größern oder geringern Vergehens, mehr oder weniger oft, von der Brücke in den FlußAnonym. de laudib. Papiae c. 14..
Es giebt wenige Vorschriften des Kirchenrechts, welche die Laien nicht berührten; in keiner Hinsicht aber war die Wirkung allgemeiner und durchgreifender, als bei denen über die Ehe, und hier kommt wieder die Lehre von den verbotenen Graden zuerst in Betracht. Mit äußerster Strenge hielt man in der Mitte des eilften Jahrhunderts auf diese Gesetze, und vergaß, daß durch die kirchliche Zählungsart der verbotene siebente Grad, mit dem vierzehnten der bürgerlichen Zählungsart zusammentraf. Hieraus entstanden große Übel: so war z. B. in Dörfern und weniger bevölkerten Städten zuletzt fast keiner übrigPlanck I, 2, 423., den man hätte heirathen dürfen; und während die Kirche Scheidungen, selbst wegen Ehebruch, nicht mehr zuließ, trennte man 242 unzählige Ehen aus nichtigen Gründen der Nichtigkeit. Hiedurch ging aber an dieser zweiten Seite mehr verloren, als man an jener ersten für die Heiligkeit des Bandes zu gewinnen glaubte. Als Innocenz III im Jahre 1215 das Eheverbot bis auf den vierten Grad beschränkte, verschwand ein Theil der Übel; doch blieben die geistlichen Hindernisse stehn, welche z. B. Ehen untersagten zwischen Pathen und Taufkindern, zwischen dem Sohne des Gevattern und dem aus der Taufe gehobenen Mädchen u. s. w. – Nützlich war es hingegen, daß jener Papst von neuem befahl: vor der Schließung jeder Ehe solle eine öffentliche Bekanntmachung hergehn. In gewissen heiligern Zeiten des Jahres durfte keine Trauung vorgenommen werdenAlso nicht von Sonntag vor Himmelfahrt bis Pfingsten, vom Advent bis Epiphanias, und von Quadragesima bis Ostern. Corner zu 1188, nach einer Festsetzung von Klemens III. Concil. XIII, 731, 790. Am Ende des eilften Jahrhunderts scheint die öffentliche Trauung in den Kirchen bei den Geringern noch nicht allgemein statt gefunden zu haben. Ebend. 726.; vor derselben sollte man beichten.
Andere verwandte Bestimmungen finden zweckmäßiger ihre Stelle weiter unten in dem Abschnitte von der Ehe.
14) Von Dispensationen.
Nach der ursprünglichen Ansicht konnte niemand von eigentlichen Kirchengesetzen entbunden werden; sondern es trat, im Fall einer Übertretung derselben, eine Entsühnung nach Art des Ablasses ein. Bei der großen Menge und Strenge jener Gesetze, und der damit verbundenen und daraus entstehenden Unmöglichkeit, sie allen einzelnen Fällen vollkommen anzupassen, trat die Nothwendigkeit des Entbindens, der DispensationenThomassin. II, 3, c. 27-29. Van Espen II, de dispensat. 232. Planck IV, 2, 661., ein. Diese ertheilte für viele Fälle der Bischof; wichtigere behielt sich der Papst vor und 243 behauptete, nach den oft berührten allgemeinen Grundsätzen, daß er auch überall neben dem Bischofe auftreten und eingreifen könne. – Die angesehensten Gottesgelehrten und Kirchenfürsten suchten bestimmte Grundsätze, wenn, warum, wovon man dispensiren dürfe; sie schieden verständig die innern Gründe von den äußern, das Unveränderliche von dem Wandelbaren, das natürliche und göttliche Recht von bloß zeitlichen und menschlichen Bestimmungen. Papst Honorius III drückt sich über diese Gegenstände folgendergestalt aus: »andere sind berufen zu einem Theile der kirchlichen Sorge, dem Papste hingegen ist die Fülle aller Macht übertragen. Deshalb thut er, der Ordner aller Gesetze, dem Rechte kein Unrecht, wenn er dispensirt, entbindet, sofern dringende Nothwendigkeit oder einleuchtender Nutzen es verlangt. Vorzüglich, weil die Dispensation des Rechtes Bande nur im einzelnen nachläßt, im allgemeinen aber nicht auflöset; nur die Wohlthat einer besondern Gnade gewährt, ohne die Kraft des Gesetzes überhaupt zu vernichtenAscitis aliis in partem sollicitudinis, summus pontifex assumptus est in plenitudinem potestatis; qui, cum moderator sit canonum, juri non fecit injuriam, si dispensat, cum imminens necessitas aut evidens utilitas id exposcit. Praesertim cum dispensatio sic juris vincula laxet in aliquo, quod in aliis non dissolvit, et sic beneficium specialis gratiae inducat, quod vigorem constitutionis non perimit gerneralis. Regesta Honor. III, Jahr III, Urk. 469..«
Nicht selten verfuhren die Päpste nach diesen verständigen Grundsätzen, zeigten sich unbefangener, unparteilicher als die Bischöfe, betrachteten die Sachen von einem höhern Standpunkte und zügelten Willkür der Fürsten und Prälaten. Bisweilen schoben diese selbst manche Fragen dem Papste zu, um nur vor ungerechtem Andrängen sicher zu werden. Andererseits suchten mächtige Laien, mit Übergehung des strengern und besser unterrichteten Bischofs, die Dispensation der Päpste, und in der Zeit wo sich an deren Hofe 244 so vieles zum Bösen wandte, betrachtete man daselbst das Dispensationsrecht nicht in Bezug auf das Wohl der Kirche und der Einzelnen, sondern weit mehr als eine Geldquelle; es führte zu unbilligen Begünstigungen und drückenden Erpressungen. 245