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Ezernin dringt, mit Waldram verstanden, in der Mitternachtsstunde, an der Spitze einer Schar Böhmen in die Veste Wien ein, als Hartman eben wegen der schwerkranken Mutter sich nach dem Kahlenberg begab. Ihm, und den Ausführern, setzen sich die Schweizer standhaft entgegen. Der Kaiser zieht, auf Marbods Wink, mit Hugo von Tauffers vor die Thore. Hartman sprengt herbei, und tödtet Waldram; worauf die Böhmen sich eilig wieder über die Donau zurückzieh'n. Hugo abermals zum Festungsgebiether ernannt. Tod der Kaiserinn. Todtenfeier und Begräbniß. Der Kaiser sendet Albrecht nach Heunburg, eine Brücke über die Donau zu erbauen. Hartman eilt nach dem Rhein fort.
S
ieh', im rosigen Duft versank die glühende Sonne
Hinter dem fernen Gebirg; die Nacht umschleierte ringsum
Schon die Gefild', als jetzo von Neuburg her an der Donau,
Czernin kühn vordrang mit tausend tapferen Böhmen,
Die er, unferne dem Bisamberg, in räumigen Fähren
Uebergesetzt, nach Waldrams Wink, des frechen Empörers.
Dort in verengender Schlucht, die am Fuße des Kahlen- und Leupold-
Berges ein Dörfchen birgt in gebüschumhüllender Bergschlucht,
Lagen die Böhmen im schlauen Versteck, sich Reiter von Oestreich
Rühmend, und hielten das Volk in den Hütten fest, nach des Krieges
Eisernem Brauch, daß kein Verräther dem Feinde zum Dienst sey.
Doch als jetzo der Mitternacht ersehneter Zeitraum
Nah' war, brachen sie auf, und schlichen am Ufer der Donau
Leise hinab, den Füchsen gleich, die so den Gehöften
Nah'n, aus den Ställen umher, raschwürgend, die Beute zu holen.
Als sie Nußdorf links, durch freundliche Traubengeländer
Wandernd, und d'rauf rechts Heiligenstadt, und Döbling erblickten,
Lenkten sie wieder behend zu dem lautaufrauschenden Strom ein,
Bis sie erreichten den Weidenhain unferne der Steinwehr,
Welche das Neuthor schirmt, und harrten, im Dickicht verborgen,
Dort des verheißenen Winks, durch List zu erringen die Festung.
Doch nun klirrten des Thors gewaltige Riegel, und Czernin
Wähnte: verrathen sey dem Feinde sein kühnes Beginnen.
Weniges sprach er nur: der Schweigende hieß er den Kriegern;
Aber das Wenige sprach er mit Kraft; so rief er auch jetzo:
»Männer, fasset das Schwert! Wir wollen dem Feinde das Leben
Theuer verkaufen im Handgemeng': ein schrecklicher Kampf sey's!«
Siehe, da ritt aus dem Thor, das aufflog, brausend ein Ritter
Näher, und jagte dem Haine vorbei. Ihm folgte der Knappe.
Hartmann, Wiens erlesener Hort, verließ mit dem Treuen
Eben die Mauern der Burg: er war's, der näher gesprengt kam.
Alsbald wäre der Feind ihm hier in den Rücken gefallen:
Ihn, der Rettung bedacht, zu erlegen zugleich mit dem Knappen;
Aber es schwang sich Marbod jetzt aus dem finsteren Luftraum,
Hastig an Czernins Seit', und hemmt' ihn mit täuschenden Worten:
»Czernin, halte die Krieger zurück, nicht siehst du den Feind hier,
Sondern die Freund', entsandt durch Rüdiger, daß sie im Rundgang
Zieh'n an der Vest' umher, und erforschen: ob nicht die Gegner
Euerer Macht, auflauernden Blicks, entgegen sich stellen?
Bald ist die Runde vollbracht, euch öffnet sich leise das Neuthor.«
Sagt' es, voll Hast; dann flog er dem Jünglinge nach, und begann so:
»Hartmann, kehre zurück! In dem Hinterhalte verborgen,
Lauert dir, mit Verräthern im Bund, der listige Feind auf.
Kehre durchs Schottenthor in die Burg, und beschirme die Festung,
Dir von dem Herrscher vertraut mit wichtigem Worte: gehorch' ihm!«
Aber der Eilende sprach: »Mich däucht, ein Höllengeflister
Hält von der Wallerfahrt mich zurück? Ich gehe, zu bethen
Auf dem Kahlenberg für die schwachaufathmende Mutter:
Ob nicht Gott sich erbarmt; mein Fleh'n die heilige Jungfrau –
Mutter auch sie! voll Huld, dem liebenden Sohn' an das Herz legt,
Und das erfüllte Gelübd' erringt der Mutter Genesung?«
Als er es rief, da gab er dem Pferde die Spornen, und brausend
Trug es ihn fort im Galopp' auf die Höh'n des umnachteten Berges.
Dort, zu dem Kloster gelangt, vertraut' er dem Knappen den Renner;
Zog an dem ehernen Pfortenring, und klingelte. Dreimal
Scholl in der einsamen Nacht, entlang den finsteren Kreuzgang
Hin, der Glocke Getön. Bald klirrte der eiserne Riegel,
Von dem Pförtner getrieben, im Schloß', und in schweigender Ehrfurcht
Ließ er den Ritter, der »Gelobt sey Jesus!« ihm rief, ein.
»Ewig!« gab er zurück', und verschloß die Thüre mit Sorgfalt:
Denn nicht war er ihm fremd; er kannte des Kaisers Erzeugten.
Aber er schritt entlang die weitgesonderten Zellen,
Die ein freundliches Gärtchen schied, die Reihe hinunter,
Bis zu dem Fenster des Bruders Ernst, und klopfte, nur halblaut
Rufend: »Vater, komm! Schon floh die zwölfte der Stunden,
Komm, und lese die Messe sogleich in der heiligen Halle,
Wo vor dem Kreuz-Bild schon unzählige Kranke genasen.
O, daß dein frommes Gebeth uns erflehte die liebende Mutter!«
»Jüngling!« so rief der Erwachende jetzt, »was treibest du rastlos
Durch die dunkele Nacht? Der Himmel erhöret das Flehen
Sterblicher mild bei Tag und Nacht, wenn solches der Seelen
Heil' entspricht: stell's heim, wie es kömmt, der ewigen Vorsicht.«
Sagt' es, erhob sich, und trat aus der nächtlichen Kammer. Er schlief dort
Immer im härnen Gewand': um das Grab sein Lager zu tauschen
Jeglichen Augenblick, mit gottergebenem Herzen.
Schauer durchfuhr den Geist, der schnell dem Ritter gefolgt war,
Als er des Bruders bleiches Gesicht, und das Auge, voll Demuth
Stets zur Erde geheftet, ersah; die himmlische Weisheit
Klar an der Stirn' ihm las, und, vereint abtödtendem Bußsinn
Seelenfrieden und Ruh' in seinen erhelleten Zügen
Wahrnahm. Dennoch wagt' er es nicht, ihm zu folgen in Gottes
Heiligthum; nur entfernt und schüchtern sah er hinüber,
Als er dort vor dem Bild des Gekreuzigten, würdigbekleidet,
Stand in dem hellen Schein sechs strahlender Kerzen: sie ragten
Aus den silbernen Leuchtern, getheilt, vom Marmor-Altar auf;
Sah, wie ihm diente der Ritter selbst, auf die Kniee gesunken:
Jetzt ihm brachte das Buch, und er bethete; jetzo, die Gaben
Opfernd, Brot und Wein darreicht'; er Worte des Segens
Ueber sie sprach, dann auf zur Anbethung hob, und, in Demuth
Klopfend die Brust vorher, genoß: ein hehres Geheimniß
Feiernd. Er staunte noch mehr: wie dort der muthige Jüngling
Ganz in heiliger Gluth und in herzdurchschauernder Andacht
Aufgelös't, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen
Bethete; auch den thränenden Blick von der Erde nicht aufhob,
Bis das Opfer vollbracht, und gestillt das sehnende Herz war.
Graunvoll stand ihm Odins
Odin, der Gott der Götter, nach der nordischen Mythologie. (Siehe
Ryerups Wörterbuch der scandinavischen Mythologie von Sander, Copenhagen 1817.) Altar vor den Augen, und Sclaven
Blutend darauf, die, im Kampf gefangen, als Opfer ihm büßten.
Ach, er preßte sie fest in die Fläche der Hände, nicht wagend,
Sie jetzt himmelempor zu dem furchtbarn Richter zu heben!
Doch schon führte der Mönch den Ritter zur Pforte hinüber,
Schüttelt' ihm traulich die Hand, und sagte beklommen zum Abschied:
»Gottes Friede mit dir! Vollbracht ist die heilige Handlung,
Wie du gewünscht. In dem Wink des Ewigen liegt die Genesung,
Liegt das Leben, der Tod, und seine Gerichte sind dunkel.
Laß nur walten die Huld: die hier Getrennten vereint sie
Jenseits wieder im Glück', im ewigen, wahren, und einen!«
Als er sich wandte, zu geh'n, da ergriff ihm Hartmann die Hand noch,
Drückte sie glühend an's Herz, und rief mit thauenden Wimpern:
»Ernst, nicht lebt dir der Vater mehr, nicht die Mutter: zur Kriegszeit
Haben die grausamen Feind', unmenschlich vor Wuth, in der Kammer
Beid' erwürgt vor dir, dem scheuverkrochenen Knaben!
Nimmer wurdest du froh seitdem, und wohnst in des Klosters
Einsamer Zell'. Ach, komm, und sey mir ein Stab auf des Lebens
Dunkelem Pfad, mein Lehrer und Freund, und mit dankbarem Herzen
Will ich die Freundesliebe dir treu durch Liebe vergelten!«
Ernst fuhr, schaudernd, zusammen, und rief: »Der Freundschaft erwähnst du?
Ja, mir ward ein Freund von treuem und redlichem Herzen;
Aber er wanderte fort, weit über das Meer, und nach Jahren
Schmerzlicher Trennung – sieh', drei Schritte von hier, an der Mauer
Dort, erkannt' ich den Kehrenden schon: da zuckte der Blitzstrahl
Her aus dem Wettergewölk', und todt, und erstarrt in den Armen
Hielt ich ihn! Ach, nicht färbten sich mehr, und färben sich nimmer
Meine Wangen, vom Schrecken erbleicht, und entsetzlichem Jammer!
Laß mich im Frieden dahier. Geschürzt zur endlichen Wand'rung
Hab' ich mein Kleid, und ich halte den Stab bereit in der Rechten,
Wann, und wie es dem Himmel gefällt: du thue deßgleichen
Hartmann, eile hinab in die Burg: ich höre der Glocken
Stürmenden Ruf im Geschrei und Getös' lauttobender Menschen!«
Jener horchte, bestürzt; dann warf er sich schnell in den Sattel;
Spornte sein Roß, und flog, lautathmend, den Wällen entgegen.
Dort gebar einstweilen die Nacht entsetzliche Thaten.
Rüdigers horchendem Ohr' entging das warnende Wort nicht,
Das erst Hugo zuvor dem Kaiser vertraute. Die Sohlen
Fremder Männer gewahrete bald sein spähender Scharfblick
Unten im Felsengang, wo er häuft' in Menge die Waffen,
Und er sandte den Bothen sogleich an den König von Böhmen,
Daß er ihm eine die Macht. Den Schirmern der Veste zur Täuschung,
Wandt' er den Blick von dem Stubenthor nach dem stilleren Neuthor,
Wo nur selten erscholl der Fußtritt wandelnder Menschen,
Nie des rollenden Wagens Getös: nur jenen zum Frommen
Früher erbaut. Dort sah er das Werk der frechen Empörung
Schon gelungen, und harrete nur der verheißenen Hülfsschar.
Jetzt erscholl die Glock' aus den Fenstern des ragenden Kirchthurms,
Zwölfmal dumpferdrönend dem Schlag des gewichtigen Hammers,
Und ummurrend lang' in dem leisentschlummerten Luftraum.
Alsbald regten im Weidenhain sich die Krieger aus Böhmen –
Traten, in Eisen gehüllt, und mit schneidenden Lanzen bewaffnet,
Aus den Häusern hervor die Verschworenen (siebenmal hundert
An der Zahl) und entlang den Tiefengraben zum Neuthor
Standen die frechen geschart, des Wink's von Rüdiger Waldram
Harrend. Er zögerte nicht, und kam, und sprach zu dem Amtner:
»Günther, muthig an's Werk! Mit Hundert deiner Erwählten
Hin zu der Burg: dort stoßt mit würgender Rechte die Wachen
Nieder, und wahret das Thor an der Kaiserstiege mit Sorgfalt!
Hundert send' ich sogleich in die Runde mit tapferen Führern,
Die auf den Wällen erwürgen die Huth. Ist solches geschehen,
Dann ertöne Geschrei; dann reißt an den Strängen; der Glocken
Sturmruf schalle; das Schlangenhaar aufsträubend, die Augen
Drehend vor blutiger Gier, und schwingend die flammende Fackel,
Tobe der Aufruhr fort in den Straßen, und brülle die Menschen
Wach aus dem Schlaf' zum Kampf g'en Rudolphs bebende Söldner!
Ottgars harren wir dann: bald kömmt er, und wird ihn zermalmen;
Doch, so er siegt'? – ein Unterpfand ist unser: die Mutter,
Und die Töchter zugleich: denn Hartmann eilte von hinnen,
Das euch sichere Bürgschaft sey ersehnter Verzeihung.
Nur mir werde sie nicht. Ha, lieber zum eisigen Nordpol
Will ich, ein Bettler zieh'n, als Rudolphs Zepter gehorchen!
Kommt; viel lieber den Tod, als solch' unwürdiges Leben!«
Rief's, empört, und alsbald eileten jene dem Amtner
Nach. So wäre die Huth auf den ragenden Mauern erlegen;
Doch auf dem Rasenwall an der Burg, wo im Süden des Schneebergs
Heitere Stirn' der Wandelnde stets mit Freuden gewahret:
Da er ihm so viel sonn'erhellete Tage vorhersagt,
Ging, gemessenen Schritts, Bertrand, der tapfere Schweizer,
Hüthend umher. Als jetzt zum zwölften Mal von dem Kirchthurm
Dumpf die Glock' ausklang, von dem eisernen Hammer geschlagen,
Sieh', da stand er erstarrt! Ein Schrei – doch schrecklich zu hören,
Scholl ihm vom Mund; sein Haar aufsträubte sich; laut, wie im Fieber,
Klapperten ihm die Zähn'. Er sah zwölf Schattengestalten:
Häßliche Weiber der Stimm', und wankende Greise dem Gang' nach,
Kommen, in Leichentücher gehüllt, todbleich und den Nacken
Altersschwer gebeugt: die
Klag' genannt von dem Volk dort,
Welche, vereint (sechs hie, und drüben so viel') auf der Schulter
Trugen die Bahre heran, und stöhneten. Aber sie zogen,
Sein nicht achtend, vorbei; dann fort, an der Mauer der Hofburg
Steilrecht schwebend empor – fort über das Dach, und verschwanden
Fern in der finsteren Luft mit kläglichem, leisem Gewimmer.
Weiber, so sagt sich das Volk mit schaudernder Angst in die Ohren,
Die auf der irdischen Bahn sich unnennbarem Frevel ergaben,
Gingen im mitternächtlichen Zug einher auf dem Erdkreis;
Klagten, und ächzten, und trügen die Bahr' an der Kammer vorüber,
Wo, zumal bei den Fürsten des Volks – bei den Mächtigen, Hohen,
Bald anklopfet der Tod: sie sterben, und Weinen erschallet.
Jetzt vernahmen den Schrei die Gefährten des Kriegers. Sie blößten
Hurtig das Schwert; erkletterten schnell die ragende Mauer;
Schrie'n von fern: »Wer da?« und fragten zugleich um die Losung.
Zwar nicht kam aus dem Mund des Kriegers das heimliche Wort jetzt:
Denn noch stand er verstört, und zitterte; aber sein Hauptmann
Sah die nahende Schar bewaffneter Bürger: ihm ahnte
Schnöder Verrath. Alsbald erhob er die mächtige Stimme;
Schrie an die Nachbarhuth, und diese der nächsten, und nächsten
So, daß der Lärmruf rings umtönte die Veste: den Kriegern
Nun zum Glück' erregt von dem angstergriffenen Mann dort.
Als der Ueberfall dem Hort der empöreten Bürger,
Günther, mißlang: da mahnt' er sogleich die Seinen zur Rückkehr,
Sich mit Rüdiger Waldrams Macht zu vereinen am Neuthor.
Schon begann er den Kampf. In des weitgewölbeten Thorwegs
Mauern sah er die Stub' erhellt, und die Krieger entschlummert.
Nur die Wach' allein ging inner dem Thore den gleichen,
Ernstgemessenen Schritt herauf und hinab. An die Schulter
Hatt' er die Lanze gelehnt, und summte zuweilen ein Liedchen.
Schnell, wie der Blitz, flog Rüdiger vor, und setzte dem Krieger,
Dräuend, das Schwert auf die Brust, so er schrie, ihn zu tödten, entschlossen.
Ach, an dem Zürcher-See ließ Wolf in der reinlichen Hütte
Gattinn und Söhnchen zurück: denn kaum entschwand ihm ein Jahr erst
Glücklicher Ehe, als ihn zu den Waffen der tapfere Herzog,
Albrecht, rief! Er sann, des Kind's und der Gattinn gedenkend,
Einen Augenblick; dann dacht' er der Pflicht und der Rettung
Seiner Gefährten: er scbrie – der edelmüthige Krieger
Schrie, und sank, von Rüdigers Schwert durchbohrt, auf den Sand hin.
Wildes Getümmel erscholl. Hervor aus der dämmernden Wachtstub'
Stürmten Wolfs Gefährten, voll Hast, und Rüdiger Waldram
Hob das blutige Schwert mit gellendem Ruf in die Luft auf.
Alsbald trafen sich, im Gemeng, die empöreten Bürger
Und die Krieger zugleich. Wie Nachts von der eichenen Tenne
Lautes Gepolter erschallt, wenn emsige Löhner des Weizens
Goldene Frucht entdreschen dem Halm: so tönte der Waffen
Hämmernder Schlag von dem Schild' und dem Helm der kämpfenden Männer.
Nur Gestöhne der Wuth erscholl in den Hallen, und Blut floß
Rings in Strömen umher. Die Krieger des Kampfes geübter,
Würgten die größere Zahl; doch so, wie die Stier' auf dem Schauplatz
Von unzähligen Rüden umstürmt, mit furchtbaren Hörnern
Manchen der Feinde, durchbohrt, hinstrecken, und wüthend sich wehren,
Bis sie zuletzt erliegen der stets ergrimmteren Mehrzahl:
Also, nach tapferer Gegenwehr, erlag an dem Neuthor,
Ueberwältigt, die Huth von fünfzig tapferen Kriegern.
Ha, da flogen sogleich des Thors gewaltige Flügel,
Heulend, auf eisernen Angeln entzwei! Mit traulichem Handschlag
Grüßte die böhmische Schar, die draußen, mit steigender Kampfgier,
Harrete, hier das verbündete Volk, und stürzte, dem Mühlbach
Gleich, der schäumender Hast, durch weiteröffnete Schleußen
Wild herrauscht, in die Stadt, und Rüdiger jauchzete laut auf:
»Eilt zum Kampf, Gefährten des Siegs! Schon seh' ich erfüllet,
Was wir sehnlich gehofft: den Sturz des verhaßten Geschlechtes.
Unser die Stadt, das Volk empört. Auf, laßt uns die Söldner
All' erwürgen im Schlaf, die jetzt auch des Führers beraubt sind –
Hartmanns: denn er floh, feig bebend, zuvor aus der Festung!
Schließet die Flügel sogleich des festeinfugenden Thores,
Und erweckt die Bewohner der Stadt zum Kampf der Errettung.«
Czernin jubelte nicht. »Fürwahr,« so sprach er bedeutsam,
»Viel ist gescheh'n, und mehr, als die Hoffnung verhieß zum Beginne:
Nahe der Kaiserburg erblitzen die böhmischen Waffen;
Aber ich scheue des Glücks und des leicht zu bethörenden Volkes
Wankelmuth! Gar mächtig bewegt des herrschenden Stammes
Fromme Liebe die Brust: der Zauber, welchem die Herzen
Huldigen, kalt vom Erob'rer gekehrt – nicht selten auf immer.
Zwar verheißt uns die Schreckensnacht in dem Kampfe den Vortheil;
Doch uns bleibe dieß Thor. Des Rückzugs denke der Feldherr
Auch in dem Sieg, sonst gleitet sein Fuß auf schlüpfrigem Pfad' aus.«
Sagt' es, und ließ an dem Thor zweihundert tapfere Krieger,
Sorgend, zurück: Bolest, dem Amtner, die Kühnen vertrauend,
Der, in dem Felde bewährt, mit festausdauerndem Kampfmuth
Schirmer ihm sey, und dereinst, so es also des Krieges Geschick will,
Seinem Volk' es eröffne zur heißersehneten Rettung.
D'rauf vordrang er zugleich mit Rüdigers jauchzenden Scharen:
Denn schon hob aus der Stadt unendlicher Lärm und Getümmel
Sich in die Luft. Von den Thürmen umher ertönten die Glocken
Stürmenden Rufs; unzählige Feuer, mit hastigen Händen,
Rings auf den Zinnen entflammt, erleuchteten schrecklich die Umwelt,
Und Gebrülle der Wuth, unsinniger, frecher Empörung,
Scholl die drönenden Straßen hinab. Da fuhren die Mütter
Auf aus dem ruhigen Schlaf', und stürzten herbei an das Fenster,
Weinten, und rangen die Händ', umschart von heulenden Kindern.
Zitternd stand der Greis an der Thür: sein silbernes Haupthaar
Schlug ihm der Wind um die Stirn' und die toderblasseten Wangen –
Sah den eilenden Sohn, und schrie, daß er kehre, vergeblich.
Aber es mehrte die Schar der Verblendeten weniges Volk nur,
Das, unstät und heimathlos, in die Veste gekommen
Ehedem: treu verharrt' in der Pflicht die bessere Mehrzahl.
Doch schon trafen, voll Wuth, die Empörer und ihre Genossen
Auf das muthige Schweizervolk, das kühn im Verein stand.
»Hartmann!« scholl's in der Burg, und »Hartmann!« rings in den Straßen
Aengstlich und laut – umsonst: er weilte noch fern auf den Berghöh'n.
Da gedachten der Gegenwehr die Obersten: Arnold,
Flüe, und Hohenried, und stellten die Scharen im Halbmond,
Der sein Horn hier rechts, dort links in die Straßen hinausschob,
Gegen den wildempöreten Feind, vor der ragenden Burg auf:
Also vor ihr in dem Kampf, pflichttreu, zu sterben entschlossen.
Rüdiger stürmt' auf Hohenried, der vorne die Scharen
Ordnete, los, und schrie: »Dich, Rudolphs treuen Gesellen,
Will ich allen zuvor, als heulenden Bothen, zur Hölle
Senden: verkünd' es nur dort, daß sie folgen, und keiner entrinnt mehr!«
Rief's, vorschreitend, und jener begann: »Gewaltiger Prahler,
Wärst du so tapfer, als frech mit der tönenden Zunge: mir würde,
Trau'n, erbangen die Brust; doch komm, und büße den Frevel,
Den du verübst g'en Treu', und Pflicht, und den heiligen Eidschwur!«
So wortwechselten sie in dem Augenblick der Entscheidung.
Allen zuvor kam Hohenried, den blinkenden Degen
Schwingend, und drang grad' aus auf Rüdigers pochende Brust ein.
Aber er hielt ihm entgegen den Leun, von Silber gestaltet,
(Ottgars Löwen zum Ruhm') auf dem Schild von mächtiger Wölbung:
Dieser wehrte dem Stoß', und der sprödere Stahl, auf des Leu'n Haupt
Treffend, brach, wie unbeugsames Glas, mit kreischendem Mißlaut
Mitten entzwei. Da stieß, in des Gegners erschütterndem Unfall
Kühner geworden, ihm Waldram schnell die Spitze des Degens
Durch die erhobene Hand, daß ihr auch das umklammerte Heft noch,
Blutumhüllt, entsank – er wehrlos stand vor dem Gegner.
Sieh', er hätt' ihn durchbohrt: doch rissen hurtige Krieger
Ihn aus umdrängender Todesnoth, und führten ihn sorglich
Hinter die Reih'n, wo ihm Hülf' und erquickende Pflege zu Theil ward.
Waldram schrie: »Getreue, nun vor! Des Führers beraubet,
Wanken die Feinde. Hinauf in die Burg, wo, sehnend, die Gattinn
Rudolphs harrt mit den Töchtern des Siegs und der fröhlichen Heimkehr
Ihres Gemahls. Vergeblich harre sie. Eilt, und geleitet
Sie in das Kloster Sanct Dorothe'; doch führet sie sanft hin:
Denn sie that uns kein Leid, und nah't, abzehrend, dem Grab schon.
Nur dem Herrscher allein, der seither Kaiser sich nannte,
Zeiget euch unversöhnlich, und schont ihn selbst in dem Tod nicht!«
Also rasete Waldram hier. Die frechen Empörer
Griffen wüthender an, und drängten die mittlere Kriegsschar,
Ihres Gebiethers beraubt, stets weiter zurück in den Burghof.
Czernin spornte sein Roß nun links, nun rechts, und entflammte
Laut mit Geschrei sein Volk, in die Feinde zu stürmen. Es kämpften
Flüe dahier, und Arnold dort, voll eisernen Muthes,
Gegen ihn an, und zu schwach, der Menge die Spitze zu biethen,
Zog sich Flüe, im schräggedehneten Zuge, vom rechten
Eilig zum linken Horn, um, vereint dem kühnen Gefährten,
Arnold, dort zu steh'n, und zu fallen im rühmlichen Kampf nur.
Dichtgedränget in Reih'n, vorhielten die Schweizer die Lanzen
Hier dem stürmenden, reisigen Volk; die verwundeten Rosse
Wütheten – d'rauf noch mehr mit dem würgenden Eisen die Reiter
So, daß das Blut aufwogt', und die starrenden Leichen bewegte:
Dennoch wichen nicht hier, nicht dort die erbitterten Gegner.
Doch von dem Kahlenberg, voreilend dem fürstlichen Jüngling,
Nahete Marbod erst, und sah mit Schrecken des Kaisers
Schirmende Burg von der Macht des argen Verräthers gefährdet.
Nicht besann er sich lang', und eilte hinaus nach dem Tabor,
Wo der Kaiser im Zelt sanft schlummerte, mitten im Lager
Seines erlesenen Heers. Dort fand er auch nahe das Schlafzelt
Hugo's, den er erst gestern warnt'. Ihn dacht' er zu wecken,
Senkte den Flug rasch hin, und begann im Geistergelispel:
»Auf, erhebe dich, Greis! Bald schaust du die Flamme des Aufruhrs
Leuchten heran von den Thürmen der Stadt, und hörest von dorther
Stürmenden Glocken-Klang und Gebrüll empörter Gesellen.
Wie, so schnell vergaßest du nun des warnenden Traumes:
Lachtest wohl sein? Auf, säume nicht hier zu erwecken den Herrscher!«
Eben rief auch die Vorhuth schon an dem Rande des Lagers
All' das entschlummerte Volk stets lärmender auf zu den Waffen.
Aber der Greis erhob sich, voll Hast, und sah in der Wahrheit
Jenes erfüllt, was ach, nur ein Traum noch gestern ihn dünkte!
Eilig trat er sofort zu dem Herrscher, und sagte beklommen:
»Herr! unglaublich erschien dir vielleicht des träumenden Greises
Warnung? Tritt vor das Zelt, und vernimm mit Staunen des Aufruhrs
Wuthgeschrei in der Stadt, empört durch Rüdiger Waldram.
Willst du's, Herr, so eil' ich mit reisigem Volk vor das Burgthor,
Einlaß heischend, und dämpfe die Gluth, eh' ihr Flammen entfahren!«
»Nein, ich fürchte sie nicht,« so entgegnete jener, »den Auswurf
Meines Volks empörte der Rasende nur, und die Bessern
Hängen noch redlich an mir. Und wie, ist mein tapferer Sohn nicht
Wiens Besatzung ein schirmender Hort? Sind Mutter und Schwestern
Ihm nicht ein heiliges Pfand, und es wagten die frechen Empörer,
Ungestraft, mit frevelnder Hand an die Theuern zu tasten?
Hundert Reiter allein genügen mir, sie zu vernichten.
Komm, wir zertreten die Gluth gar leicht im niedrigen Staub noch:
Denn ich bau' auf die Hülfe des Herrn und die Liebe des Volkes.«
Heiter schwang er sich jetzt auf das Roß, und flog mit dem Helden
Hugo, im sicher'n Geleit erlesener Reiter zur Stadt hin;
Dann an dem Walle herum, bis er endlich des finsteren Burgthors
Graben ersah. Dort hemmt' er das Roß, und winkt': ein Drometer
Stieß in das schmetternde Rohr, und sieh', bald riefen die Krieger,
Kletternd herauf an dem Wall': »Ist's Hartmann, unser Gebiether?
Kommt er, ein Retter, heran in der Stund' entsetzlicher Nothwehr?
Laßt uns vernehmen des Freundes Ruf, und wir senken das Fallthor!«
»Gott, und das Vaterland!« so gab mit gewaltiger Stimme
Hugo zurück, »ist Freundesruf in dem Lager von Oestreich:
Aber nicht Hartmann – nein, den Kaiser gewahrt ihr als Retter!«
Laut erhob sich ihr Jubelgeschrei; doch näher und näher
Scholl von der Roß-Au her, wo sonst die Rosse der Krieger
Weideten, schon das Getrab und das Klirren des Waffengeschmeides
Auf in der Nacht. Ach, Hartmann war's! Ihn erkannte der Vater –
Ihn, den Vater, der Sohn. Verwirrung, Angst und Entsetzen
Faßten wechselnd ihn an; nur leis' und furchtsam begann er:
»Vater, ich ging, auf dem heiligen Berg für die Mutter zu bethen,
Wie ich es jüngst verhieß der Flehenden: denn nicht entfernt mehr
Scheint ihr des Lebens Ziel; doch ach, entsetzlichen Frevel
Seh' ich indessen verübt von den Meuterern hier, in dem Zeitraum
Einer entflohenen Stund'! Ich räch' ihn, und sollt' ich auch fallen.«
Aber der Vater schwieg. Erschütternd zu schau'n, wie er vor sich
Hinsah, schweigend und ernst. Da flog der unglückliche Jüngling
Ueber das Thor, das erst mit Getös', auf den Graben gesenkt, fiel,
Durch die finsterumwölbende Halle hinaus auf des Burghofs
Räumigen Platz. Er sah, wie auf Leichen erschlagener Brüder,
Rüdiger Waldrams siegender Macht ein tapferes Häuflein
Muthig entgegenrang, der jetzt, Entsetzliches sinnend,
Ueber die Stufen hinauf in die Kammer zu dringen gedachte,
Wo die Fürstinn sich fand mit den lieblichen Töchtern: entschlossen,
Sie mit frevelnder Hand in des Klosters Gewahrsam zu bringen:
Denn er wähnt' errungen die Burg, und dem böhmischen Löwen
Unterthan die Stadt mit Oestreichs herrlichen Fluren.
»Halt, Verruchter!« so rief, aus dem Sattel gestiegen, ihm Hartmann
Donnernd zu. Er entblößte das Schwert, und kam wie ein Rohrwolf,
Der in des Winters Frost, vom Hunger getrieben, voll Blutgier,
Ein in die nächtlichen Hürden stürmt, und die blöckenden Lämmer
Würgt mit zerfleischendem Zahn: so kam er in Eile gesprungen.
Flammen sprühte sein Aug', und aus seiner erhobenen Rechten
Zuckte der Blitz gen Waldram hin; doch als er ihm nahte,
Wandte sich dieser, und rief: »Ha, du, Verhaßter vor Allen;
Jetzo nur muthig heran: euch all' entsend' ich zur Hölle!«
Flog, so rufend, ergrimmt, dem Feind' entgegen, und strebte,
Stöhnend vor Hast, das Schwert in die tapfere Brust ihm zu stoßen;
Aber er schlug, vorschauenden Blicks, den nahenden Mordstahl
Seitwärts; führte den Todesstreich; zerschmetterte Waldrams
Helmdach tief in die Stirne hinab, und warf ihn entseelt hin.
Doch nicht rastet' er noch: er saß blitzschnell in dem Sattel
Wieder: erhob das blutige Schwert; ritt glühend vor Mordgier
Mitten hinein in die Schar der Empörer, und wüthete links, rechts
Dort mit würgender Faust, daß Leichen auf Leichen sich häuften.
Ihres Gebiethers beraubt, und entmuthiget, warfen die andern
Schnell die Waffen von sich, und floh'n, im Verborgenen Rettung
Suchend, davon. Die Burg ward frei durch den tapferen Jüngling.
Czernin drängte zuvor die hauptverwaiseten Scharen
Arnolds: ihm wichen die Krieger nur Schritt für Schritt in dem Wuthkampf,
Bis zu dem Schottenthore hinab. Sie schlossen sich eng' an
Dort vor dem Gotteshaus', und wehrten sich: alle für Einen,
Einer für alle zu sterben bereit, im rühmlichen Tod nur.
Keiner wär' ihm entfloh'n, wenn jetzo nicht, keuchend im Eilflug,
Näher der Reisige kam, und schrie: »Erschlagen ist Waldram:
Denket der Flucht! Er fiel in dem Kampf mit des Kaisers Erzeugtem;
Aber er selber, so jubelt das Volk, hält draußen am Burgthor.«
»Freunde,« so rief ihr Hort den Reisigen, »Rüdiger Waldram
Hat uns schnöde getäuscht: nicht des Kampfes Gefahren – der Festung
Leichten Besitz verhieß er uns jüngst, da er stolz sich des Antheils
Aller Bewohner vermaß! Mit Recht wohl büßt' er den Frevel.
Unser, zum Glück, das Thor: nun laßt uns gedenken der Rückkehr!«
Rief's, und den Tiefengraben entlang, zu dem stilleren Neuthor
Jagt' er das Roß: ihm nach die Reisigen alle. Die Flügel
Theilten sich heulend entzwei, und nicht rastet' er, bis er die Fähren
Wieder ersah an dem Ufer der weithinrollenden Donau.
Doch nicht füllte den Raum der schwankenden jetzo die Last mehr,
Wie zuvor: erwürgt in den Straßen der mächtigen Festung
Lag die Hälfte des reisigen Volks, das gestern herankam.
Aber mit Trauer im Blick, obgleich ein Sieger, und Retter
In der Gefahr, kam Hartmann jetzt aus dem finsteren Burgthor,
Langsam geritten heraus, wo sein der liebende Vater
Harrte; trauernd auch er, ob solchem Vergehen des Sohnes.
Dieser begann: »Verhallt ist der Sturm unsinnigen Aufruhrs:
Waldram büßte die Schuld: von meinem vernichtenden Eisen
Liegt er, durchbohrt, an der Treppe der Burg, die er, frevelnden Fußes,
Erst zu betreten gewagt; die Verbündeten schützte die Flucht nur.
Dennoch steh' ich vor dir, ein Schuldiger. Soll ich auch büßen –
Denke des dunkeln Geschicks, das oft auf irdischer Laufbahn
Auch die Besseren feindlich ereilt! Nie mög'es dich treffen!«
Und er senkte das Haupt. Doch Rudolph sah ihn, bewegt, an,
Hob die Rechte empor, und sagte mit rührender Stimme:
»Treu erfülletest du dein Wort, als edeler Ritter,
Mildgesinnet, und fromm, der sterbenden Mutter gehorsam;
Aber dich sollte die Pflicht mit eiserner Macht an die Festung
Bannen: ihr solltest du steh'n ein Hort in dräuender Kriegszeit,
Und ein wehrsamer Schild in der Noth. Wer darf sich erkühnen,
Das, was höher ihm schien, vor jener zu wählen nach Willkühr?
Herrndienst rief dich hier zu dem Dienste des Herrn, und du fehltest
Gegen das göttliche Wort des welterleuchtenden Lehrers.
Dein Vergeh'n, unglücklicher Sohn, soll keinem der Krieger
Künftig zum Beispiel seyn, zur Ermunterung, Gleiches zu wagen!
So wie ich jüngst, der Veste zum Schirm, das Schwert dir vertraute,
Stellst du's wieder zurück', in die Hande des Helden von Tauffers.«
Jener reichte das Schwert ihm dar, erblassend, und schweigend.
Sieh', jetzt kam aus dem Thor' ein Jüngling gelaufen, und rief so:
»Herr, voll Angst erschein' ich, ein Both' aus des Jammers Behausung.
Deine Gattinn verschied in den Armen der liebenden Töchter
Sanft und ruhig um Mitternacht, noch ehe der Hammer
Zwölf' ausschlug; o komm, und sey den armen ein Tröster!«
Hartmann warf sich vom Roß, und flog – ihm folgte der Vater,
Langsam und wankend vor Schmerz, die Stufen hinauf in die Kammer,
Wo die Heilige sanft entschlummerte: schnell zu erwachen
Wieder zum ewigen Glück' und nie vergänglicher Wonne.
Ihr zu dem Haupt' und den Füßen, die Stirn' in die Hände geheftet,
Saßen die Töchter umher: gleich Marmorgestalten am Grabmaal,
Die zur herzerschütternden Schau der Künstler gebildet.
Hartmann beugte sich über sie hin; er küßte, noch stöhnend,
Ihr die erkaltete Hand, und der leis'aufweinende Vater
Warf sich im stillen Gebeth' auf die Knie'. Nur Seufzer erschollen;
Thränen regten sich nur an den schmerzerstarreten Wangen.
Aber am Morgen wie dumpf und bang ertönen die Glocken
Von den Thürmen der Stadt! Was läuft, und drängt sich das Volk jetzt,
Thränenumflossenen Blicks, in die heiligen Hallen des Domes,
Den, wie im Dunkel der Nacht, unzählige Kerzen erhellen?
Feierlich schallt ein Wehe-Getön' aus der Orgel: Posaunen
Heulen, gedämpft, in den Sterbegesang vielstimmigen Chores,
Der von dem Tage des Zorns, von dem unerbittlichen Richter,
Von dem Gericht und dem Ende der Welt in Feuer und Flammen,
Spricht mit erschütterndem Laut. Doch jetzt gewahren die Augen
Mitten das Trauergerüst, auf drei, sich verjüngenden Stufen
Sinnig erbaut, und umher mit schwarzem Tuche behangen,
Ueber den Stufen gesammt ruht dort die sterbliche Hülle
Jener Verewigten schon, mit der Stirn' zum Altare gewendet,
In dem geräumigen, sammt- und goldbekleideten Bleisarg.
Oben ziert ihn die Krone von Gold; die schimmernden Wapen
Sind an dem Trauergerüst ringsher auf Säulen geheftet,
Und auf silbernen Leuchtern erhöht die flammenden Kerzen.
Weihrauch wallt empor in die heiligen Hallen; die Priester
Feiern das Seelen-Amt am Altar, und die bethende Volksschar
Liegt auf den Knieen, und schluchzt: um die Beste der Fürstinnen trauernd,
Die nur zum Segen gelebt, als Mutter der Armen und Waisen.
Aber, erschütternd zu schau'n: nicht fern dem heiligen Altar,
Knie't, von den Seinen umringt, und im Trauergewand auch der Kaiser:
Alle zugleich vor Schmerz erblaßt – wie gealtert seit gestern!
Ach, sie starren zuweilen mit rothgeweineten Augen
Nach dem Sarg', und sehnen sich, ihr, der selig Erhöhten,
Wieder vereinet zu seyn schon dort auf immer und ewig!
Als nun alles erfüllt, und die heilige Handlung vollbracht war,
Schwebte der Sarg, vom Gerüst' auf kräftige Schultern gehoben,
Langsam hinab in die Fürstengruft. Zu Paaren geordnet,
Gingen die Priester ihm vor, und beteten leise den Bußpsalm;
Ihm nachfolgten die Ihren mit wankendem Schritt. Und so ward dort
Beigesetzt in der Gruft die Leiche der edelsten Fürstinn.
Die Gemahlinn Rudolphs, Anna, verschied zu Wien am 23. Hornung des Jahrs 1281, von wo ihre Leiche nach Basel abgeführt, und in der Domkirche beigesetzt worden ist.
Aber der Kaiser sprach zu dem ältesten seiner Erzeugten,
Albrecht: »Glühender Schmerz nagt tief in dem Herzen des Vaters
Und der Erzeugten zugleich, die jetzo der Mutter beraubt sind.
Ach, mich zög' es wohl hin, in der einsamen Kammer zu trauern,
Jahrlang: denn nicht sehe ich mehr die holde Genossinn
Meines Lebens vor mir; nicht hör' ich die Worte des Trostes
Aus dem Munde der Gattinn hinfort, wenn Tage des Kummers
Nah'n! So lösen sich hier die trautesten Bande des Lebens,
Die uns umfingen mit Lieb', und wir steh'n am errungenen Ziel oft,
Wie der pilgernde Fremdling, allein. Doch sey es, wie Gott will!
Jetzt, wo das Glück der Völker, der Ruhm, und das Beste des Landes,
Unsrer Ehre vereint, von des blutigen Kampfes Entscheidung
Abhängt, laß uns das Leid, das eigene, tief in des Herzens
Unterstem Grund verschließen, und stark und kräftig einhergeh'n,
Wie es dem Manne geziemt, der würdig zu handeln, bestimmt ist.
Höre denn, was ich zuvor erwog im Gemüth', und getreulich
Dann zu erfüllen beschloß! Jüngst wüstete weit in dem Marchfeld,
Wege und Stege gesammt, das entsetzliche Donnergewitter
So, daß dem Heereszug Gefahren entgegen sich thürmen
Sonder Zahl, die ein Feldherr nie hochmüthig verachte.
Ich geleite das Heer gen Heunburg heute noch, morgen
Ueberzusetzen, gesinnt, den Strom auf künstlichen Brücken,
Daß sowohl Ottokar, als auch Rudolph schon zu ihrer Zeit eine Art Pontonsbrücke über Flüsse zu schlagen verstanden, erhellet aus
Hornecks Reim-Chronik Cap. 92, wo es heißt:
Chostleichen hiez er machen
Von Holczwerich ein Prukken
Dew waz von manigen stuckchen
Chluegleichen gevalten.
und dann
Bey der Tunawstaden
Do sich das Her vol gelait,
Do waz dew Prukken berait
Vber die Tunaw weit;
Die Prukken muesten alle Zeit
Wohl hundert Wegen tragen,
Wo des Kunigs Helfer lagen,
Da ward nach gesannt etc. etc.
In diesem 92. Capitel ist von der Einnahme des Preßburger Schlosses im letzten Krieg Ottokars gegen Ungern die Rede.
Die uns, auf Flöß' erbaut, und mit lastenden Ankern gefesselt,
Dienen zur Bahn. Schon sah ich am Ufer unzählige Stämme,
Wohl behau'n, und gefügt von den werkbeflissenen Löhnern.
Eile mir vor im Gefolg fünfhundert erlesener Krieger,
Dort zu gebiethen den Bau, mit kundiger Sorgfalt. Ich folge
Rasch mit dem Heere dir nach, und steh' an dem kommenden Morgen
Drüben am Ufer der March, vereint mit des Königs von Ungern
Tapferem Volk, im Rücken des Feind's, und im mächtigen Vortheil.
Rühmt er der Menge sich gleich, doch siege die Treu' und das Recht nur.«
Jener begann alsbald: »Mit Freuden gehorch' ich dir, Vater!
Aber, o sieh', da sprengt dein Hartmann, eilenden Fluges,
Mit dem getreuen Kurd, der einst in den Jahren der Kindheit
Ihn auf den Armen trug, und den blühenden Jüngling das Reitroß
Bändigen lehrt' auf der Ritterburg, ein tapferer Degen,
Näher; mich dünkt: zu weiterer Fahrt, mit dem Treuen, gerüstet!«
Hartmann hemmte den Lauf, und sagte, herüber gewendet:
Denn schon stand sein Roß auf dem Sprung, zu den Staunenden also:
»Leb' wohl, Vater, und ihr, Geschwister mein, auch ihr alle,
Lebet auf lange denn wohl! Gar viele der Wege hienieden
Sind's, die Gott die Seinigen führt; doch bringt er uns einst dann
Wieder zusammen im Glück von unvergänglicher Dauer!
Fort an den vaterländischen Rhein – hinüber nach Aargau,
Führt mich der Weg: denkt mein, des Entfernten, mit Liebe zuweilen!«
Rief's; dann gab er dem Pferde den Sporn, und schwand auf dem Heerweg
Plötzlich dahin: ihm sah'n die Beiden mit thränendem Blick nach.