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Vierter Gesang.

Morgen. Turnier am Tabor. Von Drahomira erregt, höhnt Wallstein Hartman, Rudolphs Sohn; kommt unerkannt in schwarzer Rüstung Ottgar heran; widersteht ihrer Einflüsterung, den Kaiser zu morden; ersticht Hartmans Roß; wirft den Fehdehandschuh Rudolph, zum Kampf auf Tod und Leben, hin, und entflieht im schrecklichen Donnergewitter.


L eis' entschwebte die Nacht; aus dem hehren Gewölbe des Himmels
Schwanden die Sternenheere dahin, und auf gaukelnden Lüftchen
Schien ein freundlicher Tag sich herab auf die Fluren zu senken:
Doch, es erhob vor dem Morgenroth am östlichen Erdrand
Sich ein Nebelgewölk, das, eiligen Flugs, sich verbreitend,
Mehr und mehr den hochaufwölbenden Himmel befleckte.
Sieh', als jetzo dem Saum der lichtergewordenen Höhen
Näher die Sonne kam: da erglühten im bläulichen Luftraum
Rings die zerrissenen Wolken umher, blutröthlichen Schimmers.
Jetzt erhob sie das Haupt; nur sparsam scholl aus den Lüften
Und aus dem Wald, der Morgengruß der befiederten Sänger
Ihr entgegen: sie sah mir trauerndem Blicke herüber.
Schwül umwogte die Luft; erboster quälten die Fliegen
Menschen und Thiere zugleich; dumpf klang der wechselnde Windstoß
Ueber die Heid': er kräuselte weit den Rücken des Stroms hin,
Und erhob in Wirbeln den Staub. Kein kühlender Nachtthau
Hatte die Fluren erquickt, und die Schöpfung trauerte ringsum:
Zeichen all' annähernden Sturms und gewaltigen Regens.
Aber im Zelteingang, verlassend das nächtliche Lager,
Saß der Kaiser, und sah mit düsterem Blick' in des Morgens
Dräuende Gluth. Er dacht' im Geiste das dunkele Schicksal
Tausender, bis zu dem Abendlicht' entschieden zum Leben,
Oder zum Tode, mit Angst! Bald sollten die Lose, so grau'nvoll,
Fallen des blutigen Kriegs – des holdumlächelnden Friedens,
Wie es dem mächtigen Feinde gefiel, dem er ihn gebothen.
Ach, der Jammer des Volks durchdrang ihm die Seele! Zum Himmel
Hob er den Blick, und lispelte so mit gefalteten Händen:
»Laß den Frieden, o Herr, ihm mild erscheinen im Frühroth,
Und erwärmen sein Herz mit den huldausspendenden Strahlen,
Daß er erkenne die eigene Schuld, entsage der Rachgier,
Und, als Herrscher versöhnt, heimkehre den Seinen zum Segen!«
Aber mit Staunen vernahm's der, einst kampfdürstende Marbod,
Als er umschwebte das Haupt des Bethenden, wie er dem Gegner
Frieden gelobte, versöhnlich und mild, und konnt' es nicht fassen –
Er, der stets nur Schlachten ersehnt', und glühenden Muths voll,
Selber aufreizte den Feind auf den Pfaden des irdischen Lebens.
Zweifelnd stand er lange vor ihm. Er wähnte, bekümmert:
Ihm gebrech' es an Kraft und an raschvordringender Kühnheit
(Nicht begreifend sein Herz, ein Irrender, Lichtesberaubter)
Wiegte das Haupt, und fuhr, verstört, zu dem Morgengewölk auf.

Siehe, der Kaiser trat alsbald erheiterten Blickes
Aus dem Gezelt, und hörte mit Lust, unferne dem Lager,
Walten geschäftig das Volk der Zimmerer, Schmied', und der Schreiner.
All' die Nacht forthämmerten sie bei dem Scheine der Kesseln,
Die mit schwärzlichem Pech und duftendem Harze genähret,
Weit erhellten die Au an des Heerwegs schlängelndem Zug hin.
Draußen bei Floridsdorf am Donaustrande, wo dreifach,
Strahlen gleich, fortzieh'n die länderverbindenden Straßen:
Diese nach Ungerland – nach Böhmen und Mähren die andern,
Eileten sie, zu erbau'n die Gerüst' und die Schranken der Turnbahn.
Hundert Schritte, die Straß' entlang, und der Breite nach fünfzig,
Ebneten sie den Grund schnurgleich, und bestreuten ihn zolltief
Dann mit dem schimmernden Sand, der drüben am Ufer gehäuft lag;
Fügten auf Säulen die Balken umher, und trennten mit Absicht
So von dem Wiesengrund das langgedehnete Viereck.
Aber es wich an dem unteren Rand des umschrankten Gebiethes
Quer ein Balken zurück, so er Einlaß both den Erwählten,
Und an dem oberen stand, gar herrlich gestaltet, die Prachtlug Lug, Lueg im Oberdeutschen eine Warte, Specula, welche demnach dem französischen Loge entspricht. Siehe Theuerd. Cap. 47.
Oben verziert mit dem Doppelaar, mit der Kron' und dem Zepter,
Und von Innen geschmückt mit Sammtvorhängen von Purpur,
Die an dem Saum' umher von goldnen Blumen erglänzten.
Dort dem Herrscher und seinem Gefolg', erles'nen Geschlechtes,
Standen die Sitz' erhöht, und emporgereihet im Halbkreis';
Doch ein breites Gerüst, entlang die Schranken der Turnbahn,
Bauten sie auch; versahn's mit emporgereiheten Sitzen
Für schaulustiges Volk aus den nahen und fernen Gefilden,
Und erhöhten die luftigen Zelt', entgegen der Prachtlug:
Tapferen Rittern zur Rast, die her zu turneien gekommen.
Als der Krieger dem Zelt' enteilete, stand er, vor Staunen,
Plötzlich verstummt; er rieb sich die Augen im dämmernden Frühroth;
Sann: ob Träume der Nacht ihn äfften, oder von fern her
Irgend ein Zauberer kam, und die Luftgebilde zur Schau gab?
Doch bald lacht' er des eitelen Wahns: hochrühmend die Meister
Des, mit Geschick und regsamer Kraft geförderten Werkes;
Eilte hinaus, sein Roß an dem Standpfahl, wo es die Nacht durch
Ruhete, jetzt mit sorglicher Treue zu warten, und klopft' erst
Selbes am mähnigen Hals' mit der Hand, im freundlichen Zuruf;
Aber es scharrt' in dem Grund', und wieherte, gierig des Futters.
Rings erwachte Getös' und unendlicher Lärm in dem Lager.

Jetzo erscholl Getrab anstürmender Rosse, den Ohren
Hörbarer stets; dann sah das Aug', umspähend, von fern her
Blitzen die Harnisch und Helm', und endlich erkannte der Kaiser
Meinhard, und Lichtenstein, die er, Frieden zu biethen, gesendet.
Angelangt im Gewölk' umwirbelnden Staubs vor dem Herrscher
Rissen die beiden das Roß am Zügel zurücke. Sie sprangen
Aus dem Sattel behend', und nahten ihm, grüßend mit Ehrfurcht.
Aber er rief erstaunt: »Wie, Meinhard kehrt uns, empört heim?
Lichtenstein, was bringt ihr zurück aus dem böhmischen Lager?
Sanft ist des Friedens Hand: sie streut in des Lebens Gefilden
Blumen umher – die in Eisen gehüllete Rechte des Krieges
Trieft vom Blut der Erschlagenen; doch, wenn eben dem Unhold
Heiliges Recht das Schwert vertraut, da bringt er vom Schlachtfeld
Muth, selbstständige Kraft, und Sicherheit unter die Völker:
D'rum auch der Krieg erwünscht, wenn nur das Recht ihn gebiethet.
Jetzt, fürwahr ersehnte mein Herz den Frieden, und wohl mir,
Wenn der König, versöhnt, zum gebothenen selber die Hand reicht!«
Meinhard sagte darauf: »Nicht hat uns der König von Böhmen
Ritterlich' Ehre gewährt – gastfreundlich das Herz uns erheitert:
Grimm bewölkte sein Aug', da er sprach, und finster uns ansah.
Wie der furchtbare Leu' mit glühenden Blicken des Gegners
Harrt auf dem Plan, daß er ihm zermalme die Knochen: so dünkt mich
Sah der König uns an, und schwerlich sinnt er auf Frieden.
Aber vielleicht, daß Lichtenstein, der glückliche Freier,
Frohere Kunde gebracht: deß' will ich mich gerne bescheiden.«
»Zwar,« so begann jetzt Lichtenstein, »versprach uns des Königs
Zornumwölketer Blick des Guten nicht viel, und ich bürgte
Für den Frieden nicht mehr mit dem Kopf: er möchte nicht fest steh'n;
Aber noch stehet das Spiel, und es fällt der entscheidende Würfel
Heute noch nicht. Ich sehe dahier mit unsäglicher Hochlust
Schon die Schranken gefügt zum Turnei, und bald, in dem Prunksaal,
Den von der Decke herab unzählige Kerzen erleuchten,
Minniglich schöne Frau'n und Fräulein, an gastlichen Tafeln
Würdiggepaart umher mit den sieggekröneten Rittern.
Welche Beseligung, mich in dem lärmenden Kreise zu treffen:
Denn auch trägere Zungen bewegt die fröhliche Mahlzeit!
Höre mich Jung und Alt; nicht spricht ein faselnder Seher!
Daß des Königs verdüsterter Geist noch heute sich aufhellt,
Künd' ich zuvor: denn wißt es, er kommt, und nah' ist die Zeit schon,
Zum dankbiethenden Turnkampf her, mit erlesenen Rittern.
›Dort,‹ so sprach er vor uns, ›soll's bald allmänniglich kund seyn,
Was er vom Krieg und Frieden gedacht, und der Kinder Verlobung.‹«
»Gott befohlen das Ein' und das Andere!« sagte, gen Himmel
Schauend, der Kaiser, und wandte sich; dann begann er von neuem
Wieder, mit sorglichem Blick: »Wo weilt mein tapferer Hugo?
Das sey ferne, daß ihm was Leides geschehen: mir bräche
Wahrlich vor Kummer das Herz um den treugesinneten Helden.«

Kaum entfloh ihm das Wort, da tönte von ferne der Hufschlag
Brausender Rosse die Straße heran, die entgegen den Marken
Ungerns führt am linken Gestad der mächtigen Donau.
Hugo war's, der kam (weit hinter ihm folgte der Knappe,
Schlechter beritten, denn er) die stäubende Straße herüber;
Doch nun hemmt' er das Roß, und die Wange, wie Flammen geröthet,
Lächelt' ihm, als er gegrüßt. Er schwang sich vom Sattel, und sagte:
»Herr, nicht hast du umsonst die Gäste geladen: erhellt sind
Weit die Straßen hinaus von schimmernden Kleidern und Waffen.
Trog nicht der Schein, so trabt von dem Bisamberg an der Donau,
Deß' unendlicher Ruhm an köstlichem Moste bewährt ist,
Ein gar stattlicher Haufe heran: die flatternden Fähnlein,
Weiß, wie des Schneebergs Haupt, verkünden uns böhmische Kämpen.
Aber, als sie dahier zum Scherz nur brechen die Lanzen,
Harren ihrer im Hinterhalt gar ernste Gesellen,
Und ersehnen den Kampf. Der Ungern blühender König –
Blühend, und jung fürwahr! verhieß dir Hülf', und gewährt sie:
Denn vor mir durchschwamm sein furchtbares Reitergeschwader,
Jauchzend, die March, und steht auf Oestreichs Erde, vor Marcheck
In dem Geröhr', längs hin dem Weidenbache, verborgen.
Zürne nicht, daß ich zu kommen verzog. Viel hatt' ich zu reden, –
Von dem Kaiser zumal, und dem Greis', wenn alles ihm abstirbt,
Wird die Zung' allein stets rühriger noch mit den Jahren.
Auch gebrach's nicht an köstlichem Trank', an magyarischer Tänzer
Fröhlichem Lärm, und du weißt, dein Haug ist freudig gestimmet,
Sieht er die Humpen gefüllt, und um ihn lebendig die Jugend:
Dennoch stellt er sich ein, wo es gilt, und die Klingen entscheiden.«
»Ruhe,« so sprach mit lächelndem Blick der erhabene Kaiser,
»Raschvorstürmender Greis, in dem Zelt' auf das Lager gesunken!
Aber euch beid', obgleich ermüdet vom dauernden Ritte,
Lockt, deß' bin ich gewiß, Drometengeschmetter zur Turnbahn,
Rüstet euch denn. Mir ziemt, hausväterlich sorgend, im Lugsaal
Fertig zu stehen, und dort die Gaste mit Huld zu begrüßen.
Meinhard, zieh' im festlichen Schmuck, mit flatternden Fähnlein,
Zinken, und Paukengetön', und hundert erlesenen Reitern
Bis zu des Lagers Rand' entgegen dem Herrscher von Böhmen:
Ihn zu begrüßen nach Würd', und des Turnspiels Sitte geziemend!«

Also entließ er mit heiterem Muth die gewaltigen Helden.
Aber er stieg die Stufen empor in die herrliche Prachtlug,
Eilete vor, und sieh', ihm nahten die theuren Erzeugten
Albrecht, Hartmann, und Adelheid: nur blieb in der Hofburg
Agnes, die holde, daheim, die leidende Mutter zu pflegen.
Alsbald scholl aufjubelnder Pauken Getön', und Drometen
Schmetterten laut in des wimmelnden Volks unendliches Jauchzen:
Denn, wie der Bienen unzähliger Schwarm, in des kehrenden Frühlings
Milderem Hauch, fortzieht in die lieblichduftenden Fluren,
Gierig des Honigseims, und rings umsummet die Blüthen:
Also zog aus der Stadt, von dem nahen und fernen Gebieth her,
Zahllos, Jung und Alt, im Schmucke der festlichen Kleider,
Und erfüllte die hohen Gerüst', augblendenden Schimmers.
Mitten im dichten Gedräng' erglänzten, vor allen, die Edeln,
Die im glühenden Muth vortummelten feurige Rosse:
Herrlich geschmückt der Reiter zugleich, und das wiehernde Schlachtroß.
Doch wer könnte die Zahl, und den Ruhm der Tapferen künden?

Otto von Meißau kam: Feldoberster war er des Kaisers,
Reich in dem Land umher an Gütern und Mannen, und reicher
Noch an errungenem Ruhm' im dräuenden Felde der Waffen.
Blau, wie des Himmels Zelt, mit Gold umrändert, und seiden,
Floß ihm der Mantel am Rücken hinab von dem Harnisch, und blau war
Auch sein Wehrgehäng mit der seidenen Schärp' und dem Helmbusch;
Also des Rosses Hauptzier, Zaum, und die schuppigen Decken
Vorn an der Brust und den Seiten herum, von Eisen gefüget.
Aber das Einhorn wies sein Schild im goldenen Feldraum,
Wie es zum muthigen Kampf von dem schroffen Felsen sich aufbäumt.
Solchen trug ein Knapp ihm nach, und der andere folgt' ihm,
Haltend die zween hochragenden Speer' in der nervigen Rechten.
Pauk' und Dromet' erklang, da er jetzt vor den rühmlichen Schranken
Hemmte sein feuriges Roß, absaß, und in's dunkele Zelt ging.

Bald nachfolgte dem Helden zuerst der kühne Capellen:
Oberster Führer auch er im Heere des Kaisers, und werth ihm
Ob der beständigen Treu', und des nie zu erschütternden Muthes.
Meergrün hatt' er zur Farbe gewählt, und verzieret mit Silber
Seine Rüstung zugleich, und des Rosses herrliches Reitzeug.
Aber den Schild, wo ein Wehrgehäng den silbernen Feldraum
Dreimal durchschlingt, und vom Helm sich des Adlers Fittig erhebet,
Trug ihm der Knappe nach, und ein anderer brachte die Waffen.
Freudig ersah ihn das Volk, und als er mit edelem Anstand
Sich vor dem Schrankenthor von dem schnaubenden Rosse herabschwang,
Rief erneueten Gruß der Klang der Drometen und Pauken.

Nun kam Trautmansdorf, von acht selbst-eigenen Söhnen –
Angeeigneten sechs, umringt, vor die Schranken. Des Bruders
Ehrenreich, den einst ein wüthender Eber zerrissen,
Als er im Walde des Weidwerks pflog, verlassene Waisen
Waren die sechs, und er, ein liebender Vater den einen,
Wie den andern; doch sie lohnten ihm herrlich die Sorgfalt:
Wohlgesittet, fromm, und im blühendentfalteten Leben
Alle, voll Heldenmuths, nachfolgend dem edelsten Vater.
Nicht entbehrt' er im Krieg, nicht daheim, nicht an heiliger Stätte
Selber ihres Gefolg's, und lächelte, stolz in dem Herzen,
Seines Glücks, das höher denn all' sein Reichthum ihn dünkte,
Wenn ihm das Volk, erstaunt, nachsah, und den Segen ihm zurief.
Aber nicht lang', da sinkt, wie, vom sausenden Hagel zerschmettert,
Halmfrucht draußen im Feld, die herrliche Schar in das Grab hin –
All', erschlagen vom Feind, und einsam kehret der Vater
Heim in die Ahnen-Burg: ihn tröstet ihr rühmlicher Tod nur.
Doch jetzt naht' er vor seinen, ihm gleich gerüsteten Söhnen:
Denn von Silber blank war Harnisch, und Helm, und der Helmbusch;
Also das Wehrgehäng, die Schärpe, der seidene Mantel,
Und der glänzende Schild, (den, goldengehörnet, ein Widder
Zierete) weiß wie der Schnee, mit der Wehre des stattlichen Rosses.
Jubelnd im Paukenklang', erschollen die eh'rnen Drometen.

Doch jetzt naht' ein Paar der Edelgestein' in dem Adel
Oestreichs: Lichten- und Dietrichstein. Aus der steyrischen Mark stammt
Jener (Ulrichs Sohn, des trefflichen Ritters und Sängers,
Der sein Leben der Frauen-Ehr' und dem Degen verschrieben) Alles, was hier, und weiter unten von Turnier und Turniergebräuchen gesagt wird, mag in Rüxners Turnierbuche; in Du Cange dissertations sur l'histoire de St. Louis , und in Menestrier (Claude Franç.) Traité des Tournois, Joustes etc. Lyon 1669. IV. seine Belege finden.
Dieser aus Oesterreich, ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern:
Er, stets düstern Gemüths, da jener des heiteren Vaters
Frohsinn geerbt; doch einte schon frühe der trautesten Freundschaft
Unauflösliches Band die Herzen der tapferen Ritter.
Hochroth zierte des Lichtenstein, und seines Gefährten
Waffengeschmeid Kornblumenblau. Im grünlichen Feldraum
Wies des Winzers Messer sein Schild, und im goldenen zeigte
Jener des Lichtenstein zwei schrägablaufende Balken.
Schmetternd klang die Dromet', und die Pauken donnerten laut auf.

Sieh' auch die beiden Demantberg', auf welche sich Oestreich
Ruhig stützt: der Schwarzen- und Stahrenberg (in des Ruhmes
Ehernen Tafeln genannt, und hochgepriesen für immer)
Sprengten eilig heran! In des Schildes goldenem Feldraum
Führete jener den Aar und das Hüfthorn; dieser im lichtblau'n
Einen geschnäbelten Wolf, und kor sich zur Farbe der Ehren
Blaßgelb, silbergeschmückt, da jener mit goldenem Zierrath
Wählte das dunkele Kirschenroth, erfreulich zu schauen.
Mächtiger hob sich zur Luft der Pauk' und Dromete Getön' auf.

Kurd von Haselau, der achtzigjährige Ritter,
Naht' im Fluge heran. Noch rüstig und Kampfes begierig,
Stieg er vom Roß, und ging, den ehrenden Sitz an der Prachtlug
Einzunehmen: erwählt zum Turnvogt heut von dem Kaiser.
Ihm nachfolgten zugleich der Seldenhofer, der Pfannberg,
Hardeg, Hohenberg, und der Wildon: treffliche Kämpen!

Jetzt anlangten im Ehrengeleit die böhmischen Ritter:
Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Wallstein,
Dann auch Herbot von Füllenstein, der reußische Kampfheld,
Riesengestaltet, im Trotz allbeugender Stärke sich rühmend,
Den sich Ottgar jüngst zum Feldherrn kor, und als Herrscher
Einst in der steyrischen Mark dem Volk aufstellte zum Zwingherrn.
Sieh', gar herrlich geschmückt erschienen die Ritter, als sollte
Oestreichs ad'ligen Glanz heut jener von Böhmen verdunkeln!
Tausende wandten den Blick nach den Fremdlingen, alle voll Sehnsucht:
Ottgarn dort zu schau'n, als Freund: er säumte zu kommen.
Dreimal, und lauter stets erhob sich der donnernden Pauken
Und Drometen Getön, den nahenden Fremden zu Ehren.
Doch, vernehmend den jubelnden Schall, enteilten die Helden
Oestreichs hurtig dem Zelt', und schwangen sich auf in den Sattel.

Meinhard, führend die Böhmen heran, verlangte vom Thorwart,
Da er den Degen erhob, Einlaß in die rühmlichen Schranken.
Alsbald wich der Riegel zurück, und in Reihen geordnet
(Jene zuerst, und drauf die Heldensöhne des Landes)
Ritten entlang die Turnbahn all', in der nervigen Rechten
Hebend den Speer in die Luft, mit zögerndem Schritt nach der Prachtlug,
Wo der erhabene Kaiser saß, und der Kommenden harrte.
Als sie gegrüßt – er gedankt, da sprach der tapfere Meinhard:
»Mein durchlauchtigster Kaiser, und Herr! Des böhmischen Reiches
König entbiethet dir Gruß und Freundschaft zuvor, und erkläret:
Ihm selbst wehrt es ein böses Geschick des fröhlichen Turnspiels
Zeuge zu seyn; doch sendet er dir die tapfersten Ritter,
Hier den Ruhm des Vaterlands zu erhöhen als Sieger!«
»Wahrlich,« so rief der Kaiser ihm zu, »nicht dacht' ich: entrissen
Werde mir heut' ein Glück, das ich ersehnt' in dem Herzen
Aber wohlan: werth seyen uns auch die tapferen Ritter,
Die uns der König gesandt! Der Kampf beginne. Turneivogt,
Handle dein Amt! Der Herold rufe, der Sitte geziemend.
Grieswart sey für heut der edle Wildonier, Berchtold,
Breuner, und Pottendorf, die Kämpfer zu schirmen vor Unbill,
Ordnungbedacht: ihr Wink sey heilig geachtet von allen.«
Sagt' es, und setzte sich dann auf den schwellenden Pfühl. Da erhob sich
Haselau, der Greis, und ging nach der räumigen Halle,
Die sich unter der Lug aufwölbte, mit Purpur behangen,
Dort zu beginnen die Waffenschau. Die erlesenen Ritter
Legten sogleich den Speer und das Schwert, kampfgierigen Muths, hin.
Sorgsam prüfte der Greis die gebothenen: stumpf und gefahrlos
Sollten sie seyn – zum Scherz, nicht zum Ernst gebraucht in dem Turnkampf.
Zween der Grieswärt' hoben den Helm von dem Haupt', und empfiengen,
Schreitend umher links, rechts, ein bezeichnendes Los von den Rittern:
Jeglicher gab's, mit dem Nahmen verseh'n. D'rauf schüttelten mehrmal
Jene die Zeichen umher in dem Helm', und bothen (die Ordnung
Wechselnd) sie dar: der rechts, wo links der and're gefordert,
Also wählte sich dort ein jeglicher Kämpe den Gegner.

Jetzt erhob der Herold den Stab, und Tausende schwiegen;
Zog ein Blatt aus dem Busen heraus, das, rauschendentfaltet,
Glänzte von goldener Schrift, und las mit gewaltiger Stimme,
Allen verständlich, vor: »Wie der mächtigste Kaiser, Rudolphus,
Jüngst auf den heiligen-Rochus Tag, des Jahrs der Erlösung:
Tausend zweihundert und siebenzig-acht, der heute gezählt wird,
Alle die Edeln, von Nah' und von Fern, zu turneien am Tabor
Aufboth, die nach dem Recht' und nach Rittersitte gemeint sind.
Weiche darum von hier, der bar ist der ad'ligen Ahnen-
Reih' erhärtender Zahl, und der unehlich geboren;
Der in den Kirchenbann, in die Acht des Kaisers und Reiches
Fiel ob schändlicher That, ob Mord und Gottesverläugnung;
Der die Wittwen und Waisen bedrückt', und das zarte Geschlecht nicht
Schirmt' in Gefahr, nicht rächt', als Mann, g'en schnöde Verläumdung;
Der Meineides und Trugs, und unedlen Gewerbs sich bewußt ist,
So er dem Schild und dem Schwerte zur Schmach, einst Handel getrieben:
Ferne mögen sie stehen, sie all', und ermangeln des Vorzugs,
Der nur Edeln gebührt, in des Turnkampfs rühmlichem Feld hier!«
Rief's; dann faltet' er wieder das Blatt, und barg's in dem Busen.
Jetzt aufpflanzten, voll Hast, die hurtigen Knappen die Fähnlein
Ihrer Ritter so hier, als drüben, die Schranken hinunter,
Und die Grieswärt' theilten sich links und rechts an der Bahn hin,
Tragend den Stab in der Hand, zum Zeichen des heiligen Gastrechts.
Doch nun kehrten zugleich, im zögernden Schritte, die Kämpen
Wieder zurück, vor dem Schrankenthor sich fertig zu stellen.

Als der Kaiser die Kehrenden sah – dann vor sich das Volk dort,
Dann im Rücken die Bänke gedrängt voll grauender Ritter,
Edeler Herrn, und Frau'n, und zartaufblühender Fräulein:
Ach, da füllten sich fast ihm die Augen mit Thränen! Er wandte
Halb nach den Kindern sich um, und sprach mit inniger Rührung:
»Welch unzähliges Volk: nur die Ein' ersehen wir hier nicht –
Euere Mutter ist fern, und Agnes, als Pflegerinn wechselnd
Heute mit euch! Auch wir entbehreten freudig des Schauspiels –
Weilten so gerne daheim bei der Leidenden; aber die Pflicht ruft
Ehernen Lauts, und heißt all' and're im Herzen verstummen.
Weh', daß ich auch die Kunringe hier vermiß', und der Helden
Einige, die verlockt auf trugverhülleten Pfaden
Sich zu den Feinden gesellt, und im Schooße der eigenen Mutter,
Jenen gleich mit der grimmigen Faust zu wühlen bereit steh'n;
Aber vielleicht gelingt es mir noch die Verirrten zu sammeln!«
Jene schwiegen, und hielten die Hand vor die thränenden Augen:
Ob der Mutter betrübt; doch Hartmann vor allen: ein Liebling
War der Trauernde stets der holden Mutter gewesen.

Sieh', nun schwebt' auf dem Wettergewölk des umnachteten Himmels
Marbod daher! Er sah Drahomira vorüber im Eilflug
Ziehen, und folgen der Spur des schwarzgerüsteten Ritters,
Der mit geschlossenem Helm' aus dem böhmischen Lager herüber
Spornte den Rappen im Donnergalopp', an die Schranken der Turnbahn.
Nicht wie den Sterblichen war dem Geiste der Ritter verhüllet:
D'rum erbangt' ihm die Brust vor Angst ob seinem Erwählten,
Rudolph, dem er sich liebend geweiht: denn siegenden Hohn sah
Er in dem Blick Drahomira's, und kam, ihm rettend zu nahen,
Wenn sie, höllischen Trugs, Gefahr ihm sann, und Verderben.
Immer schneller verschlang des Tages Heit're der Wolken
Finstere Nacht. An dem Himmel herauf, und hinunter zum Erdrand
Zuckte der röthliche Blitz, und von fern her murrte der Donner:
Kommend auf Flügeln des Sturms, vom dräuenden Süden herüber.

Jetzt erscholl drometender Ruf, dreimaligen Stillstands,
Tief, eintönig, gedehnt: des Kampfs ersehnetes Zeichen.
Alsbald braus'te der Riegel zurück: in die rühmlichen Schranken
Ritt, gemessenen Schritts, hellstrahlend von Purpur und Goldschmuck,
Lobkowitz ein; den Schild ihm ziert' ein fliegender Adler.
Ganz durchmaß er die Bahn bis vor in die Nähe der Prachtlug;
Wandte das Roß, und harrete dort des würdigen Gegners,
Den das Los ihm beschied, und sieh', ihm nahte Capellen,
Muthigen Blicks! Da rief ihm Lobkowitz freundlich entgegen:
»Nun geschlossen den Helm, und fest in dem Sattel gesessen!
Schon viel Rühmens hört' ich von euch, Capellen! So laßt uns
Heut' erseh'n: ob mir, ob euch die Krone bestimmt sey,
Welche zum Dank uns beut die Erzeugte des edelsten Kaisers,
Adelheid, voll Engelshuld und himmlischer Schönheit.«
»Wohl,« entgegnete jener mit Trotz, »das laßt uns erproben,
Lobkowitz! Rasch seyd ihr, böheimische Kämpen, und dennoch
Sollt ihr Oestreichs Söhnen den Kranz nicht rauben im Turnkampf.«
Aber sie schlossen den Helm, und setzten sich fest in dem Sattel.
D'rauf, mit gewaltiger Faust vorsenkend den Speer aus des Bügels
Röhr', und den ehernen Schild vorhaltend dem Feinde zur Abwehr,
Spornten beide das Roß, das, weitvorgreifenden Sprunges,
Schnell, wie der Blitz, auf dem Plan mit tönendem Hufe dahinflog,
Bis inmitten der Bahn, urplötzlich, ein jeder der Gegner
Traf des anderen Schild mit des Speers abprallendem Eisen
So, daß der mächtige Schaft, in tausende Splitter zertrümmert,
Hoch empor in die Luft und umher auf dem zischenden Sand flog,
Und die Rosse, zurück' auf die Hinterfüße gesunken,
Noch dem gewaltigen Stoß' erzitterten, schreckenerfüllet.
Lautaufjauchzte den Kämpen das Volk; unzählige Stimmen
Zollten im tausendfältigen Ruf den Trefflichen Beifall.
Jetzt gedachten sie schon, aus dem Sattel sich schwingend, zu zeigen
Auch in dem zweiten Gang mit dem blinkenden Schwert die Gewandtheit,
Schnelle, und Kraft; doch laut rief dort der herrschende Turnvogt:
»Helden, es ist euch Siegesruhm die Fülle geworden!
Ruht von dem Scheinkampf jetzt! Vielleicht, so Gott es nicht wendet,
Werdet ihr bald zum Ernst, nicht zum Scherz, in schrecklicher Feldschlacht
Richten das blitzende Schwert auf die Brust anstürmender Gegner!
Ihr brach't zierlich den Speer: aus der Hand der holden Erzeugten
Rudolphs, wird euch herrlicher Lohn noch heut' in dem Turn-Dank!«
Jene kehrten zurück, in dem hohen Gezelte zu ruhen.

Stille wurd' es umher, und es faßt' ein heimlicher Schauder
Manchem die Brust bei'm ernsteren Wort des prophetischen Greises.
Doch nun braust' im Sturm der schwarzgerüstete Ritter
Näher, und riß den Rappen zurück' an dem leitenden Zügel,
Sonst durchbrach er im Sprung die hemmenden Schranken. Er nagte,
Wüthenden Grimms, am Gebiß', und schnob, und streute den Schneeschaum
Hin auf den Sand, den er mit den scharrenden Hufen umherwarf.
Edelem Stamm' entsprossen schien der gewaltige Reiter;
Aber noch barg der geschlossene Helm ihn den Augen des Volkes.
Stolz erhob er die Hand, und hieß mit stummen Geberden
Milota nah'n. D'rauf zog er ein Blatt aus den Fugen des Panzers,
Reicht' es ihm dar, und wies nach des Turnvogts herrschendem Sitz hin.
Milota lächelte Hohn, da er, spornend sein Roß, an den Schranken
Hinflog, und darreichte das Blatt dem staunenden Alten.
Dieser entfaltet' es schnell, und las mit vernehmlicher Stimme:
»Euch entbiethet zuvor, ihr edelen Herren und Ritter,
Ihren freundlichen Gruß Kunegunde, des böhmischen Reiches
Königinn! Dann verlangt sie, daß ihr den Ritter in Trauer
Nicht verschmäht, der glänzenden Stamms sich rühmt, und im Turnkampf
Heute, vor euch, ihr herrlichen Ruhm zu ersiegen, bereit ist.
Aber ihm werde nach Wunsch der letzte der Kämpfe gewähret!«
Stumm verneigte der Greis sein Haupt, und Milota kehrte
Wieder zurück. Da lispelte leis in die Ohren des Nachbars
Ein Barfüßermönch, der jüngst aus Böhmen gekommen,
Und auf dem volkerfüllten Gerüst schaulustig sich einfand:
»Seh' ich den Ritter dort, gehüllt in die finstere Rüstung,
Will es mich fast bedünken: er sey der Königinn Liebling,
Zawiß von Rosenberg, Zawiß von Rosenberg, der Geliebte, und nachher Gemahl der Wittwe Ottokars, Kunegunde, übte, während der Minderjährigkeit Wenzels, Herrschergewalt über Böhmen aus. Dieser, nach Ihrem Tod König geworden, trug ihm tiefen Haß im Herzen, welchem zu entgehen, und sich zugleich an dem feindseligen Herrscher zu rächen, Zawiß, durch eine Heirath mit der Base des Ungernkönigs Ladislav, sich gegen ihn zu verbinden suchte. – Doch, in dem Augenblick der Abfahrt ward er zu Prag durch List festgenommen, und nach mehr als Jahresfrist im Kerker zu Budweis enthauptet. der weitgepriesener Anmuth,
Blühender Jugendkraft, und tapferen Muthes, ihr Herz schon
Völlig gewann, das leis in heimlichen Flammen sich abzehrt.
Also rächt sich die Schuld! Ein Gleiches mit Gleichem vergolten
Wird dem Könige, der Margarethen verstieß, und den Unhold
Sich beilegte zum Weib: Kunegund' ersehnt sich den Buhlen.«
Also das Mönchlein sprach. Doch feuriger stets, und entflammter,
Zuckten die Blitz' umher im Gewölk', und auf ehernen Rädern
Sank stets tiefer herab des Donners rollender Wagen
So, daß die Menge mit Angst aufsah, und, des strömenden Regens
Denkend, nur an dem Leinendach des Gerüstes noch Trost fand.

Wieder erscholl gar feierlich ernst die Dromete. Zum Turnkampf
Rief sie ein Heldenpaar: da flog der muthige Wallstein,
Herrlich glänzend von Gold auf dem perlen-farbigen Sammttuch,
Ueber die Pläne hinab, und wandte sich, harrend des Gegners.
Sieh', ihm fiel das Los, mit dem Stahrenberg in den Schranken
Heute zum erstenmal, sich zu messen: zum Ritter geschlagen
Jüngst durch Ottgar selbst, der ihn vor jeglichem liebte!
Jugendlich hüpfte das Blut in den Adern des feurigen Helden
Noch. Er lechzte nach Ruhm; doch wüthete jetzt in der Brust ihm
Furchtbare Liebesgluth, seit er vernommen, daß Hedwig –
Sie, die Zierde der Welt, für welch' er thöricht entbrannt war,
Reichen sollte die Hand zum eh'lichen Bund dem Erzeugten
Rudolphs, Hartmann, und ach, Verzweiflung faßt' ihn erneut an!
Ungeheueres sann er empört im Gemüth, und nicht wußt' er
Wie er's vollbringe dereinst. Da sprach ihm jetzt Drahomira,
Die, nur auf Arges bedacht, auflauerte, leis an das Ohr so:
»Denke des Muths: vielleicht gelingt es dir heut, den Verhaßten
Dort mit höhnendem Blick zu reizen, und Rache zu üben!«
Alsbald wandt' er das Haupt, und sah mit höhnenden Blicken,
Lang' nach dem tapferen Hartmann hin, als hätt' er gefrevelt.
Zorngluth schoß in das bleiche Gesicht des Edeln: er hob sich
Hastig vom Sitz, ihn laut zur Rede zu stellen, entschlossen.

Doch schon nahete Stahrenberg, im feurigen Vorschritt
Zügelnd das Roß, und rief dem Gegner, lächelnd, entgegen:
»Erst so beweglich, und nun säumst du den Kampf zu beginnen?«
»Nein, ich säume nicht!« sprach alsbald der Zürnende, wähnend:
Jener zeihe der Feigheit ihn. Er ahnte nicht, wer ihm
Also empörte die Brust durch dunkle Gebilde der Rachgier.
Trotzig schloß er den Helm; ließ sinken den Speer in der Rechten;
Gab dem Rosse den Sporn, und flog dem Ritter entgegen,
Der nicht müßig geharrt: denn sieh', jetzt trafen die beiden
Sich inmitten des Plans, an dem Schilde die Speere zu brechen,
Wie es der Turnbahn Sitte geboth, und trefflich erzielte
Stahrenberg den Gewinn: sein Speer zerbrach an dem Turnschild
Wallsteins, den ein glänzender Stern erhellete, krachend;
Schlug auch den Stern entzwei, und zerstob in unzählige Trümmer!
Aber nicht so sein Gegenpart. Von stachelnder Rachgier
Glühend, nahm er das Abseh'n hoch nach dem Helm', und er stieß ihm
Solchen vom Haupt mit festnachstürmender Rechten, daß alsbald
Ihm an dem Kinn der Riemen zerriß, und im Sande der Helm hin
Kollerte. Zornerfüllt gewahrten die älteren Ritter
Wallsteins Frevelthat, und murreten. Aber dem Turnvogt
Schien gleichmäßig des Kampfes Gewinn: weil jener den Schild ihm,
Schmetternd, zerbrach, und dieser den Helm von dem Haupt ihm gehoben.
Stille herrscht' umher; kein Beifall krönte die Kämpen.
Stahrenberg ritt eilig zurück; doch zögerte Wallstein
Noch auf dem Plan, und sah von neuem mit höhnendem Ingrimm
Nach der Lug empor, wo Hartmann im glänzenden Harnisch,
Lieben Geschwistern vereint, sich fand an der Seite des Kaisers.
Ihn verhöhnet' er frech, und begann mit stachelnden Worten:
»Kühlere Lüftchen umweh'n dich dort; hier fühlt es sich heißer:
Komm, und versuch's'! Der Jugend Kraft zu erproben, ist rühmlich.«
Stöhnend vor edelem Zorn erhob sich der Jüngling, und forschte
Einen Augenblick in dem Antlitz des herrschenden Vaters.
Aber er saß in erschütternder Hoheit dort in der Mitte
Seiner Erwählten, und sah, verstummend, hinab auf den Ritter.
Jenem genug: er sprang die Stufen herunter, und warf sich
Schnell auf das wiehernde Roß, das draußen der Knappe gehalten;
Faßte, zitternd vor Hast, den Speer, und flog auf die Turnbahn.

Doch schon hatte zuvor von dem trugverblendeten Wallstein
Sich Drahomira gewendet, und hing mit flammenden Blicken
Ueber Ottgars Haupt. Er war's, der heute des Nachtgrau'ns
Farbe zur Rüstung sich wählt', als jene, voll höllischer Arglist,
Ihn zu dem Kampf hertrieb: nur Jammer zu schaffen, entschlossen.
Wie auf dem trüglichen Netz die giftige Spinne dahinfährt,
Wo die Beute sich fing, und diese mit klebrigen Fäden
Dicht umstrickt, daß kein' Errettung mehr von dem Tod ist:
Also ließ sie nicht ab von dem unglückseligen Herrscher,
Deß', sonst edele, Heldenbrust in wilder Empörung
Schrecklicher Ehrsucht gohr, und allein nach Rache sich sehnte.
Siehe, wie zween geschweifte Kometen am nächtlichen Himmel
Glüh'n, und in blutiger Kriegeszeit den zagenden Völkern
Dräu'n Pest, Hungersnoth, und Theurung: also erglühten
Jetzt Drahomira's zur Wuth empörete Blicke; sie hauchte
Ottgars horchendem Ohr den seelenverderbenden Rath ein:
»Pfeilschnell naht, und entfliehet das Glück: d'rum hasch' es im Flug jetzt,
Eh' es auf immer entweicht, und nicht wiederkehret dem Trägen:
Tritt mit Hartmann du in den Kampf; dir weiche dein Liebling
Wallstein. Thöricht vergaß der waffenbeschauende Turnvogt
Deine zu prüfen: du führst verderbliche. Schleudre den Jüngling
Erst in den Staub; dann wende dich, nah' ist der Kaiser, durchbohr' ihm
Kühn die verräth'rische Brust, und entflieh'. Dein schreckliches Reitroß
Trägt dich schnell aus umdrängender Noth: denn höllische Macht tobt
Ihm in den Adern. Auf, und räche dich jetzt an dem Gegner.«

Wild aufbäumte sich Ottgars Rapp', als jene gesprochen;
Scharrt' in dem Sand, und schnob, und drehte sich, wüthend, im Halbkreis':
Denn sie erregte das Thier durch Gaukelgebilde der Hölle.
Heimlicher Schauder ergriff das Volk und die edelen Ritter.
Ottgars Aug' umdüsterte Nacht: gleich Meeresorkanen,
Wühlten in seiner Brust die Empfindungen streitender Rachgier,
Ehre, und Pflicht. Doch jetzt besann er sich; sprengte den Rappen
Ueber die Schranken, und rief dem kampfbeginnenden Helden
Laut, im Brausen des nahenden Sturms und Donnergewitters:
»Wallstein, halt! Zieh' hin zu dem Schrankenthor', und vergönne
Mir in des Kampfs Entscheidung den Sieg. Kunegunde geboth mir
Sie zu rächen, und dich an dem schmähungliebenden Buben
Deß', der Kaiser sich nennt des heiligen, römischen Reiches.«
Wallstein eilte zurück; doch Hartmann rief ihm entgegen:
»Ha, du lügst! Nie hat mein Mund Kunegunden, noch jenen,
Der so frech sich erweist, so unritterlich handelt, geschmähet,
Weder heimlich, noch offenbar: das sollst du mir büßen.«
Rief's, und senkte den Speer, nicht erwägend, daß solchen der Knappe,
Nicht zum Kampf auf Leben und Tod – nur zum rühmlichen Scheinkampf
Ihm darreichte zuvor, in drängender Hast und Verwirrung.
Zwar erhob den Stab und die herrschende Stimme der Turnvogt;
Zwar abmahnten vom Streit die Grieswärt' dieß- und auch jenseits;
Aber sie achteten's nicht. Von dem lautaufheulenden Sturmwind
Ward verschlungen ihr Ruf, und die rachebefeuerten Gegner
Bringt zur Ruhe kein Stab jetzt mehr, noch zu klarer Besinnung.
Aber schon war, voll sorglicher Hast, dem erhabenen Kaiser
Marbod genaht. Nicht entging dem liebenden Geist Drahomira's
Unheilschwangerer Blick, die, beiden: dem Kaiser und Böhmens
Könige, Tod und Verderben sann, und in wilder Verwirrung
Leichen auf Leichen gehäuft, der Hölle zur frevelnden Lust, sah.
Jetzt umfaßt' er ihn heiß, und rief im Geistergelispel:
»Auf, und ziehe dein blinkendes Schwert, zur Wehre dich stellend!
Dir droht Mord und Verrath, und deinem Sohne Verderben
Von dem Fremdlinge. Horch, und verschmähe des Warnenden Rath nicht!«
Alsbald hob, von dem Geist erregt, der gewaltige Herrscher
Von dem Stuhle sich auf; entblößte das Eisen, und eilte
Schnell die Treppe herab auf die Pläne, den theuern Erzeugten
Gegen die Wuth des rascheindringenden Gegners zu schirmen,
Der so frech verhöhnte den Ruf des heiligen Gastrechts.

Jetzo sporneten, laut mit Geschrei, die erbitterten Helden
Gegen einander die Ross' auf dem Plan; doch, brausenden Fluges,
Trieb in dem Augenblick das entsetzliche Donnergewitter
Näher, und stäubte den Sand in wirbelnden Säulen vom Grund auf.
Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag urplötzlichen Donners
Flammt', und krachte herab aus dem finsteren Schooße der Wolken,
Die, gewitterschwer, tiefhangend, zum Boden gesunken,
Jetzo des Mittags Hell' in Nacht verwandelten ringsum.
Angst ergriff das versammelte Volk. Dem Schreckensgedanken
Bebte das Herz, als sey der Tag' allletzter gekommen.
Wie, und dennoch ruhten die zween erbitterten Gegner
Von dem Kampfe noch nicht? Sie sprengten die Läufer im Flug fort.
Jetzo, wo Ottgars Speer mit tödlicher Spitze dem Turnschild,
Harnisch, und Herzen zugleich des harmloskämpfenden Hartmann
Nahete, fuhr ein Blitz, an der Breite dem stürzenden Waldstrom
Aehnlich, zwischen die beiden herab, und entsetzlicher Donner
Rollte, betäubenden Schlags, erschütternd ringsum die Gegend,
Plötzlich ihm nach; doch Marbod sprang urschnell in den Blitz hin.
Sein entrüsteter Blick entflammte sich hell, und er schreckte
Hartmanns wildanstürmendes Roß vor dem Rosse des Gegners.
Bäumend hob es sich auf: da drang ihm der Speer so gewaltig
Ein in die Brust, daß der Schaft, erkrachend, sich bog, und entzwei brach.
Stöhnend sank das Roß auf den Rücken. Der Reiter entzog ihm
Schnell das Bein, und stand, ergriffen von inniger Wehmuth:
Schauend sein treues Thier, das jetzt mit den vorderen Hufen,
Jetzt mit den hinteren scharrt' in dem Sand – dann todt, und erstarrt lag.

Ottgar saß, geblendet vom Blitz', und schnaubend vor Ingrimm
Ob des gebrochenen Speers. Er hörte den schrecklichen Donner,
Hörte die lärmenden Ritter nicht mehr, die, empört von dem Frevel,
Naheten; doch er sann im schnellhinschwindenden Zeitraum
Eines Augenblicks. Drahomira empörte zur Wuth ihn,
Als der Kaiser zur Rettung des Sohns in Eile dahersprang;
Aber umsonst: denn stolz- und tapfergesinnet war Ottgar;
Feig ihm dünkte der Mord. Er riß von der Rechten den Handschuh,
Warf ihn entgegen dem Feind', entblößte das Eisen, und rief ihm:
»Rudolph, heb' ihn nur auf; denn es biethet auf Tod und auf Leben
Ottgar, zitt're vor ihm, dir Fehde für jetzt, und für immer!
Nichts von Frieden darum, und nichts von der Kinder Verlobung:
Rach' allein ist die Losung hinfort: das soll ich dir kund thun!«
Rief's, und gab dem Rosse den Sporn. Die Schranken hinüber
Trug es ihn fort im Sprung; dann, sausend, im Donnergaloppe
Weiter und weiter hinaus auf der stäubenden Straße nach Stillfried,
Und ihm sprengte sein Ehrengefolg' im eiligen Flug nach.
Aber in wilder Verwirrung schrie'n, und entstürzten die ander'n
Rings den Sitzen, und floh'n durch Sturm und Gewitter voll Angst heim.


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