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Eingang. Drahomira entfährt der Hölle, sich an Ottgar zu rächen. Er lagert vor Dürnkrut. Aufzählung der böhmischen Völker. Ottgar im Kriegsrath mit seinen Feldherrn. Kunegunde, von Drahomira empört, erfüllt ihn mit unversöhnlicher Rachgier. Meinhard von Görz, und Lichtenstein, die Gesandten Rudolphs, kommen, ihm Frieden zu biethen, und zugleich, als sie ihn zum Turniere laden, um die Hand seiner Tochter für Rudolphs Sohn zu frei'n. Wallstein, Ottgars Liebling, trägt heimliche Liebe zu ihr. Ottgar entläßt die Gesandten mit zweifelhaften Worten. Beschließt den Kampf. Gesichte der Zukunft.
T
ön', o Heldengesang, von den schmetternden Kriegesdrometen
Wieder geweckt, von Rudolph nun, dem Kaiser der Deutschen,
Der obsiegend der Macht des Böhmenköniges, Ottgar,
Wahrte die Rechte des Reich's, und, kehrend vom blutigen Schlachtfeld,
Gründete Habsburgs Thron an den Ufern der mächtigen Donau,
Seinem Geschlechte zum Ruhm, und unzähligen Völkern zum Segen!
Wer empörte sofort, nach dem jüngsterrungenen Frieden,
Wieder die Fehd' und das Grau'n der menschenvertilgenden Feldschlacht?
Ein unseliger Geist,
Drahomira.
Drahomira war die Gemahlinn Vratislavs, Herzogs von Böhmen, der die Heidinn in der Hoffnung, daß sie sich zum Christenthume bekehren würde, im Jahr 907 ehlichte. Sie gebar ihm zwei Söhne, Wenzel und Boleslav, und als er im Jahr 916 starb, und seine Mutter, die heil. Ludmilla, die vormundschaftliche Regierung übernehmen wollte, stand sie in der berufenen Ständeversammlung zu Prag dagegen auf, zog sich mit ihrem jüngeren Sohn, Boleslav, auf das feste Schloß Wischehrad zurück, und wüthete beinahe durch vier Jahre, mit Beihülfe des heidnischen Stadtrichters Palhog, gegen die Christen mit Feuer und Schwert. Darauf ließ sie die Kirche zu Bunzlau zerstören, und endlich auch ihre Schwiegermutter auf dem Schlosse Tetin hinrichten. Wenzel, obgleich nur ein Jüngling, kam hierauf nach Prag, berief die Stände im Jahr 921, und entsetzte sie der Regierung. Doch ruhte die unmenschliche Mutter nicht, bis ihr jüngerer Sohn den älteren im Jahr 938 auf ihr Anstiften durch Brudermord auf die Seite schaffte. Nach der Sage soll sie auf dem Hradschin die Erde lebendig verschlungen haben. S.
Cosmas Pragensis L. I. Hist. – Pulkawa Hist. Boh. C. 15. Dubrav. Hist. Boh. L. 5. Sylvius, Hagek etc. Die Herrscherinn Böhmens
War sie, und noch ist ihr Nahme mit Schauder genannt in dem Land dort:
Denn Wratislav, dem christlichen Fürsten, vermählet als Heidinn,
Trug sie den Christen Haß in der schrecklichen Brust, und verfolgte
Sie mit Feuer und Schwert. Sie waffnete selbst den Erzeugten,
Boleslav, daß er Wenzel ermorde, den eigenen Bruder,
Weil er dem Heiland getreu, festhielt an dem heiligen Glauben,
Und verübt' auch sonst an dem Volk' entsetzliche Frevel:
Zaubergewaltig, ergeben dem Trug der Hölle – der Schwarzkunst;
Bis urplötzlich die berstend' Erde zu Prag, am Hradschin, sie,
Lebend, verschlang. Noch jüngst ausspie der klaffende Felsen
Dort bald finsteren Rauch, bald bläuliche Flammen: denn oft kam
Noch in der Neumondsnacht (so heischt' es die Sag') ihr zu opfern,
Mancher, vom Wege des Heils Verirrter, dahin, und Verdammniß
Ward ihm zu Theil. D'rum hieß, als früher geweihetes Wasser
Sprengte der Priester umher, und flehende Worte zu Gott rief,
Ottgar füllen den Zauberschlund mit dem lastenden Felsblock
So, daß auf immer verhüllt die Spur des unseligen Raum's sey.
Unten im Höllenpfuhl, der außer des kreisenden Weltalls
Gränzen sich noch unendlich erstreckt, erhob Drahomira
Jetzt, verwundert, ihr Haupt, und sprach wuthfunkelnden Blickes:
»Ha! wie kommt es, daß heut der betäubende Rauch, und die Flamme,
Die ich genährt in dem Schlund', in welchem ich schrecklichen Tod fand,
Qualmend herab sich wälzt, und keiner der Sterblichen seither,
Opfernd vor ihm, die Schar der Unseligen mehrt in dem Pfuhl hier?
Meister, ist dir's genehm, daß ich eile hinauf nach des Erdballs
Fluren, und forsche, wie solches gescheh'n? Bald öffnet Verführten
Wieder der Schlund sich weit; ich sende sie, dir zu Gefallen!«
Sagt' es, und blickte nach Satan hin, der, riesengestaltet
Saß auf dem glühenden Thron', und die furchtbarn Augen zum Boden
Heftete, so die unendliche Qual des zerrissenen Herzens
Durch empörenden Trotz und erheuchelte Ruhe zu bergen;
Aber umsonst: denn nimmer birgt er das innere Weh' mehr,
Das von der finsteren Stirn' und den zuckenden Wangen sich kund thut.
Nicht erhob er auch jetzt den Blick von dem Boden: er winkte
Nur mit dem Haupt, daß die Höll' erzitterte, jener den Beifall:
Alsbald fuhr sie in brausender Hast von dem schrecklichen Wohnsitz
All der Unseligen auf, und nahte dem Lande der Böhmen.
Kaltverachtenden Blicks gewahrte sie dort auf den Fluren
Reiches Gedeih'n, und rings die freundlichen Städt' und die Dörfer;
Aber vor allen, am Moldaustrom' erglänzend die Hauptstadt,
Praga, im lieblichen Reiz erst jüngstentfalteter Blüthen.
Sieh', und ein Pilger kam vom Gelobten-Lande gezogen,
Der vor Jahren die Heimath verließ! Er blickte mit Staunen
Lang' um sich her: da naht' ihm, lächelnd, ein Greis, und im Beiseyn
Jener Verworf'nen zugleich, die ihm leis aufhorchte, begann er:
»Fremdling, suchst du den Mann, der hier ein Eden erschaffend,
Wie durch Wundergewalt das Leben der Menschen verschönt hat?
Nun ist er fern: denn wiss' es, der Held und erhabene König,
Ottgar, streute mit Liebe die Saat, und ihm reifte zum Segen
Wohlstand unter dem Volk' in des Landes erfreuender Schönheit.
Auch erlagen die Gegner ihm stets, und es kündiget allwärts
Seines Nahmens Unsterblichkeit der herrlichste Siegsruhm.
Dennoch hielt er so gern in der dunkelen Scheide das Eisen,
Frieden ersehnend, zurück, und entblößt' es auch jetzt, nur gezwungen,
Gegen des streitbarn Rudolphs Macht. Er wird sie für immer
Bändigen: denn er zog, gar furchtbargerüstet, zum Kampf' aus.
Ach, ihn drängte zum Friedensbruch Kunegunde, die Gattinn!
Grimmvoll ist ihr Gemüth, und ihr Herz verwildert durch Herrschsucht,
Die ihm das Böse vergilt, das er Margarethen, der frommen,
Margareth, die Tochter des babenbergischen Leopold des Glorreichen, Herzogs von Oestreich, war die Wittwe Kaisers Heinrich VII., und bereits an Jahren vorgerückt, als Ottokar, wohl nur in der Absicht, mit ihrer Hand Oestreich und die Steyermark zu erlangen, sie im Jahr 1252 heirathete, aber schon im Jahr 1261 sich von ihr, wegen beschuldigter Unfruchtbarkeit, wieder scheiden ließ. Sie starb zu Krems im Jahr 1267 im Kloster, und zwar, wie Einige behaupten, durch Gift, mit welchem sie Ottokar aus der Welt geschafft haben soll. Doch hat Hanthaler
Fast. Campilil. T. I. P. II. Dec. VII. §. 1. C. XXXIV. diese Behauptung widerlegt. Sie liegt in dem Kloster Lilienfeld, das ihr Vater stiftete, ihm zur Linken, vor dem Hochaltar, begraben.
Einst als Gatt' erwies! Dieß Eine verdunkelt den Hochglanz
Seines Ruhms: ihn lenket ein Weib, das, Böhmen zum Jammer,
Selbst Drahomiren gleich, der Unheilstifterinn, wüthet,
Die für den schnöden Gewinn: zu gebiethen des Himmels Gewittern;
Auf den Flügeln des Sturms einher zu fahren im Luftraum,
Oder unsichtbar Menschen zu nah'n – zu schau'n, und zu horchen
Dort in dem traulichen Kreis' der Versammelten, und zu verderben
Alle, die auch mit lispelndem Laut, mit umschauendem Blick nur
Ihrer gedacht, und tadelnde Worte gesprochen: für solches
Hatt' einst diese verkauft die unsterbliche Seele der Hölle;
D'rauf noch Schuld gehäufet auf Schuld, bis schrecklicher Tod ihr
Macht und Leben entriß, und die Böse dem Bösen gesellte,
Als urplötzlich die berstend' Erde zu Prag, am Hradschin, sie,
Brausend, verschlang: zur Strafe der wildumtobenden Blutgier,
Frevelnden Götzendienst's,und schrecklicher Christenverfolgung.
Aus dem furchtbarn Schlund aufquoll noch in unseren Tagen
Finsterer Rauch; doch Ottgar barg ihn, den Menschen zur Rettung,
Die, vom Satan bethört, leichtgläubigen Sinnes, ihr nächtlich
Opferten, dort ihr Geschick in kommender Zeit zu erfragen,
Oder sich trüglichen Glücks zu erfreu'n zu unendlichem Jammer.«
Sagt' es, und ging. Da flog, von der Schmähung empört, Drahomira
Ihm auf dem Heerweg nach, und haucht' ihm Gift in das Antlitz:
Alsbald stand er, erbleicht, und sank, vergehend, zusammen –
Lag, und stöhnte vor Schmerz, bis endlich der Zauber entfloh'n war.
Aber sie starrete jetzt, tiefsinnend, und sonder Bewegung
Wie der Aar, der erst die mächtigen Flügel geschlagen,
Regungslos hinschwebt in der bläulichen Luft, in des Schlundes
Grauen hinab. Das Aug' ihr rollete wild in den Kreisen;
Knisternd sträubt' ihr Rabenhaar sich empor von der Scheitel,
Und voll Grimms erzitterten ihr die Lippen; sie sagte:
»Ottgar, Fluch sey dir! Du vernichtest des felsigen Schlundes
Zaubergewalt, die Viele nach mir in's Verderben hinabriß?
Gläubig nahten ihm oft die Verblendeten, welche, des Schicksals
Dunkeln Pfad zu erkunden, auf ihm, des dräuenden Himmels
Warnung zum Trotz, der drückenden Last des Lebens entledigt,
Gerne für trügliches Erdenglück das ewige böthen.
Aber von diesem verbannt durch eisernrichtenden Machtspruch,
Sollt' ich den glühenden Durst nach Rache, durch Trug und Verblendung,
Ich nicht löschen am Volk, das, gläubig, der Täuschung sich hingab?
Trost ist's, wenn in der Brust der Unseligen solchem noch Raum blieb,
Mit in dem ähnlichen Jammergeschick die Gefährten zu sehen.
Wie, du entziehst, ein Thor, durch höhnenden Frevel auch die mir?
Ha, dir sey jetzt Rache geschworen! Nicht will ich mehr rasten,
Bis dein Heldenweib – ihr werde der Thron und die Herrschaft,
Ja, sie herrsche nach dir, mir ähnlich an Kraft und Gesinnung,
Gegen den Feind dich reizt, und du in dem Kampfe, besiegt, fällst;
Also büße den Ruhm, der dir Drahomiren empörte.«
Und sie flog nun hin, wo im weitverbreiteten Marchfeld
Ottgars furchtbares Heer von Dürnkruts
Dürnkrut. Siehe den merkwürdigen Aufsatz: »Die Entscheidungsschlacht im Marchfelde zwischen Rudolph und Ottokar 1278« im Archiv für Geographie, Historie etc. Nr. 1 und 2 des J. 1814. Der vortreffliche Geschichtschreiber, Chorherr Kurz, sagt in seinem
Oestreich unter Ottokar und Albrecht I.: »In Rücksicht des Schlachtfeldes stimmen die Berichte nicht ganz überein, welches wohl nicht anders möglich ist, da zwei Heere nothwendig eine große Strecke einnehmen, und während einer so entscheidenden Schlacht an mehreren Orten gestritten wird. Daß an dem Marchfluß gekämpft ward, in welchem viele Böhmen den Tod fanden, bestätigen alle Chroniken. Der Bezirk von
Stillfried bis
Idungspeugen hinauf, war der eigentliche Kampfplatz;
Chrutterfeld, das ebenfalls genannt wird, liegt in der Mitte. Die Schlacht muß sich von Stillfried gegen den
Weidenbach und bis
Marcheck ausgedehnt haben, da Rudolph in seinem Stiftsbrief sagt: »Gott habe ihn nicht fern der Kirche von Marcheck aus Todesgefahr errettet.«
In loco ab ecclesia eadem non longe distante nos quasi in angustiis mortis positos liberavit ab hostibus: et prostratis eisdem liberavit gloria triumphali.
Bodmann cap. I p. 100. Wahrscheinlich deutet er auf die Gefahr, die ihm drohte, als ihm das Pferd unter dem Leib' erstochen ward.
Calles
T. II. p. 552-562 hat alle hierher gehörigen Stellen gesammelt.« Hügeln hinunter,
Lagerte, dort mit höllischer Lust ihm, verderbend, zu nahen.
Leise schwebte die Nacht auf den ringsverstummenden Erdkreis
Nieder. Aus Süden erbraus'te der Sturm, und jagte die Wolken
Auf an des Himmels Zelt. Sie rissen im eilenden Zug' oft
Weit entzwei: da blickte der volle Mond aus des Himmels
Bläue so düster herab, und die Stern', in Nebel sich hüllend,
Trauerten: denn ein Unhold naht' auf den Flügeln der Windsbraut.
Jetzt, wie die ragenden Wäll' und die Häuser der mächtigen Hauptstadt,
Meilenlang bedecken den Plan, und oben zum Bergrand
Aus der Tiefe herauf dem Wanderer, düsteren Schimmers
Glänzet der Lampen Schein in der Nacht, unzählig und endlos:
Also erschien ihr das Heer des Königes, das er erst gestern,
Nach der Eroberung Drosendorfs, des trotzenden Städtchens,
Am Gestade der March, auf Dürnkruts Fluren vereinte.
Bald erspähte sie dort in des Lagers Mitte, vor allen,
Ottgars hochgewölbetes Zelt, das schimmernde Leinwand
Außen umhüllte; von innen hing, zur Erde herunter,
Scharlachgeröthetes Tuch, verbrämt mit goldenen Fransen.
Sieh', in dem grasumwucherten Raum', ihm zur Linken und Rechten,
Ragten die Zelt', erhöht, der Kunring', tapferer Ritter,
Die in dem Kreis' östreichischer Herrn, wie der Mond in der Sternflur,
Glänzten an ad'liger Macht und weitverbreitetem Eigen:
Denn Hadmar, und Leutold, die Zwillinge, hausten zu Dürnstein
Bald, und bald zu Weitra und Horn; in des rollenden Jahres
Monden wechselnd die Burg; doch immer in trauter Gemeinschaft:
Sonder Gattinn und Kind, des Waffengemenges sich freuend.
Aber mit feindlichem Sinn, von dem Kaiser gewendet, vereinten
Sie mit des Königs Panier jetzt zwanzig flatternde Fähnlein.
Jeglichem folgte die Zahl von fünfzig bepanzerten Reitern,
Die mit dem Schild' und dem Helme bewehrt, und der Lanze bewaffnet,
Feurige Rosse zum Kampf vortummelten, siegenden Muths voll.
D'rauf g'en Idungsbeug, auf dem sandumhülleten Blachfeld,
Welchen die schwellende Fluth der March seit Jahren gehäuft hat,
War des Fußvolks Macht, zehntausend tapferer Männer –
Waren die Reiter gestellt, an der Zahl zweitausend und fünfzig,
Die sich der König in Böhmen erlas, und mit trefflichen Waffen
So, wie jene, versah. Die muthigen, löwenbeherzten,
Lenkten die Rosse mit Kraft und Geschick, die, feurigen Blutes,
Wild umtobten im Kampf', und die Reihen der Feinde zerstampften.
Lobkowitz führte sie an, der ruhmgekrönete Feldherr.
Aber vor Ebenthal, der freundlichen Burg, an des Hügels
Abhang, lagerten sich des vielbevölkerten Mährens
Tapfere Söhn': an der Zahl achttausend erlesenes Fußvolk,
Die, mit dem Panzerhemd' und der eisernen Haube bewehret,
Führten im Kampfe den Speer und den breitgehämmerten Säbel.
Milota rief sie in's Feld, ein Ritter, der Ersten des Landes.
Sonst zur Freude gestimmt, als liebender Vater und Gatte,
Sah er des Lebens Blüthenjahr' und die reifere Mannszeit
Schwinden im Glück. Nur als ihm die zarteste Tochter, Lüdwinen,
Sie mit täuschender Huld in den Schimmer des Hofes verlockend,
Ottgar schnöde verführt', und der Schmach die gefallene Preis gab:
Da verscheuchte der Menschenhaß und die brütende Rachgier
Jegliche Freude vor ihm. Nur Weniges sprach er, und das noch
Sprach er mit bitterem Hohn' und wildauflachendem Ingrimm;
Aber nicht mied er des Herrschers Näh', und harrte des Tages,
Der ihm den Durst nach Rach' einst kühlete schrecklich und furchtbar.
Dort dem König zur Linken, hinab sich dehnend bis Stillfried,
Stand Klein-Reussens Volk, das jüngst an den Ufern des Peltew,
Lembergs Mauern nicht fern, zu Fuß und zu Pferd sich vereinte:
Jenes, geübt, von der Armbrust, schnellvorschreitend im Schlachtfeld,
Mitten in Feindes Brust den schwirrenden Pfeil zu entsenden;
Dieses, im Waffengemeng' schnellfüßige, hurtige Rosse
Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels:
Dann mit des Fußes Druck und dem Stoße der nervigen Rechten
Einzustürmen im sausenden Flug' in die feindlichen Reihen.
Beide, gleich an der Zahl, dreitausend tapfere Mannen,
Folgeten Herbot von Füllenstein, der riesengestaltet,
Ragte vor allen hervor in dem Heer', und rühmlich bekannt war
Ob des unbändigen Muths, und der ritterlichsiegenden Thatkraft.
Doch auch der Meißner kam und der Thüringer jüngst aus der Heimath,
Ottgars Recht zu verfechten im Kampf', als Bundesgenoß her!
Muth in der Brust, und Kraft in der Rechten, die Lanze zu schwingen,
Brachten sie mit, und beiden geboth der tapfere Markgraf
Dietrich, Heinrichs Sohn, des Erleuchteten, mächtigen Ansehn's.
Jenen vereint, stand auch des korngesegneten Bayerns,
Also auch Sachsens Volk in dem Vorderzuge geordnet:
Gierig des Kampfs, und geübt, die tödlichen Lanzen zu schwingen.
Heinrichs schaltendem Wink, des Herzogs, folgten die Bayern;
Markgraf Pfeils die Sachsen mit Lust in die furchtbare Feldschlacht.
Gegen den Weidenbach, in des weitgedehneten Thalbrunns
Niederung hin, erhöht auf vierzig ragenden Schäften,
Flatterten hoch in der Luft, verschieden an Farb' und an Zeichen,
All des erlesenen Vorderzugs kampfdrohende Fähnlein.
Jeglichem waren gesellt fünfhundert tapfere Krieger,
Welche das Panzerhemd, und der Helm im Felde beschirmte.
Aber im Rücken des Heers, nicht ferne dem schimmernden Marchfluß,
War noch die Wagenburg, Feldzeug, und Geräthe des Lagers
Aufgehäuft, wie auch Mundvorrath für die dauernde Kriegszeit.
Also lagerten dort des Königs versammelte Scharen.
All' umhüllete jetzt der Schlaf mit bleiernem Fittig
Schon. Sie errangen zuvor, nach schrecklichem Kampfe, die Mauern
Drosendorfs, von dem Hohenberger, dem tapferen Feldherrn
Rudolphs, der sie mit Macht und entflammendem Muthe beschirmte.
Aber noch wacht' im Gezelt der König der Böhmen. Zum Kriegsrath
Rief er um Mitternacht die Feldherrn: denn von dem Kaiser
Waren die Friedensbothen zu ihm, in das Lager gesendet:
Meinhard, Graf von Tyrol, und Lichtenstein: in den Waffen
Beide berühmt. Nicht dacht' er zwar, den friedlichen Oehlzweig,
Den sein Gegner ihm both, mit versöhnlicher Rechten zu fassen:
Denn er sann nur blutigen Kampf, nur Tod, und Verderben
Ueber Rudolphs Haupt zu wälzen im Felde der Waffen;
Aber es sollte der Helden Verein, was er in dem Busen
Heimlich beschloß, nun künden mit lautentscheidendem Ausspruch.
Siehe, vor allen kam der Führer des reisigen Volkes,
Lobkowitz, ein gewaltiger Greis, deß' leuchtender Aarblick
Unter den buschigen Brau'n den Muth im Herzen verkündet,
Der auf die Waffenbahn ihn schon als blühenden Jüngling
Trieb, und das Herz ihm gewann des schlachtruhmdürstenden Königs!
Doch umwölkt war jetzt ihm die Stirne von inniger Trauer,
Und zur Erde geheftet sein Aug', da er dort vor dem Herrscher,
Schweigend, stand. Alsbald, obgleich von heimlichem Unmuth
Selber gebeugt, begann, mit erzwungenem Lächeln der König:
»Wahrlich, nicht wirst du den Feldherrn heut, mit dem Gram in den Augen,
Muth einflößen im Rath! Hat dir das treffliche Streitroß,
Das zum Siege dich schon in zwanzig Schlachten getragen,
Und aus Feindes Gedräng' oft rettete, heute das Futter,
Aechzend, verschmäht, und du sorgest vielleicht um den Liebling im Herzen?
Wie, verfehlte der Spürer im Wald des flüchtigen Rehbocks,
Oder des Hirsches Spur, mit dem sechzehnendigen Hauptschmuck?
Fasse dich, tapferer Greis! Bald wird der Braune genesen;
Bald erfreut uns der Fried', und du streckst in fröhlichen Stunden,
Draußen am Rasengrund der waldumränderten Hügel,
Wieder im Hörnerklang' und Gebell verfolgender Spürer
Raschanstürmendes Wild mit sausenden Lanzen zu Boden.
Denke des Worts: bald sind wir heimisch im Lande von Oestreich.«
»Herr,« sprach jener bewegt, »gewartet mit emsiger Sorgfalt
Wiehert das Roß, das mich in zwanzig Schlachten getragen,
Und aus dräuender Todesgefahr oft rettete, muthig
Drüben im Zelt! Nicht denk' ich des Weidwerks jetzt in den Tagen
Ernsten Kriegs, deß' Bild uns jenes, im sanfteren Frieden
Oft ergetzt, und die Kraft uns stählt in erhöhter Gesundheit.
Ja, du sprachst es im Scherz nur, o Herr! Doch dünkt es mich selber:
Nicht wohnt Heiterkeit dir in den tieferglühenden Augen.
Möge die dunkle Nacht verborgenen Strebens enthüllen
Jetzo der Wahrheit leuchtender Strahl! Zum wichtigen Kriegsrath
Riefst du die Feldherrn: denn die Friedensbothen des Kaisers
Harren der Antwort im fernen Gezelt. Des Friedens erwähnst du?
Heischest Rath, und ach, beschlossen im heimlichen Busen
Hast du den Krieg auf Leben und Tod! O, möchte des Friedens
Freundlicher Ruf den Haß aus deinem empöreten Herzen
Nun verscheuchen, und dir und dem Volk die Fülle des Segens
Schaffen hinfort! Erfüllt hast du mit unendlichem Kriegsruhm
Weithin die Erd' umher; allüberall preisen die Völker
Deine Weisheit und Kraft. Zieh' heim nach dem herrlichen Erbreich,
Das dir gehorcht – nach Böhmen und Mähren: die trefflichsten Völker
Nährt es im blühenden Schooß. Dort lebe dem Glücke der Deinen,
Und unsterblicher Ruhm harrt dein, in der spätesten Zeit noch.
Hast du nicht jüngst mit Siegel und Schrift und mit heiligem Eidschwur,
Oestreich, Kärnthen, und Krain, als Lehen, entsagt vor dem Kaiser
Selber, auf Glauben und Treu', und im Treubruch hoffst du zu siegen?
Bebe der That: schwer rächte den Bruch geschworenen Eides
Stets an den Sterblichen noch die ewigwaltende Vorsicht.«
Ottgar stand, erschüttert im Geist vor dem Schreckensgedanken;
Sprechen wollt' er schnell, und es bebten die Lippen ihm leis' nur.
Doch nun drang ihm das Wort aus den festgeklammerten Zähnen:
»Ha, sey nun, und auf immerhin, der Leib und die Seel' auch
Mit in dem Spiele gewagt! Nicht kann ich mehr weichen: die Gattinn –
Ja, das schreckliche Weib, hat mich zu dem Schritte gezwungen.
Da ist kein Rückgang mehr: ich folg', ein Opfer des Schicksals!«
»Wie,« so sprach, ihm freundlicher nahend, der Greis, »um die Herrschaft
Stritten des Reiches Hort und der König von Böhmen; im Frieden
Schieden sie erst, und die rach'empörende Zunge der Gattinn
Drängte sie wieder zum Würgen zurück? Nicht mühen die Frau'n sich
Ab in dem Feld. Wenn wir erlagen, erkiesen sie wieder
Sich den neuen Gemahl, und erfreu'n sich im Kreise des Lebens;
Doch uns lass' das Wohl und das Wehe des Landes bedenken.
Ottgar, stolz und tapfergesinnt, gehorchte dem Weib' nun?«
Siehe über dieses Gespräch Hornecks Reim-Chronik, Cap. 132-136.
Also der Greis; doch, da er es sprach, entflammte des Königs
Niedergeheftetes Auge sich stets zu größerer Wuth noch.
Wie der Drache mit glühendem Blick von dem finsteren Felsschlund
Aufschaut, wenn ein Ruf ihn empört; dann zischend dem Eingang
Nah't, und, das Haupt zum Boden krümmend, den furchtbaren Rachen
Weit vorstreckt, den Feind zu verschlingen, begierig: so sah er
Jetzo dem Greis' in das Aug', und stöhnte vor heimlichem Ingrimm.
Endlich rief er, bewegt: »Halt ein! O tadle den Gatten
Nicht, der solchem Weibe gehorcht: Margarethen, der Frauen
Sanfteste, stieß ich von mir: da sandte der Rächer im Himmel
Mir Kunegunde. Sie hat, ja, bebe dem schrecklichen Wort nur,
Ueber mich Macht und Gewalt. Wie ein Geist des ewigen Abgrunds
Steht sie vor mir ... mich schrecken entsetzliche Träume. Verschließe
Das in der redlichen Brust. Sieh', hätt' ich auch tausend und tausend
Eide geschworen: umsonst! Nicht kann ich zurück in dem Kampf mehr
Weichen: ich muß ihn mit Habsburgs Leu'n nun enden für immer.«
Jetzo winkt' er dem Greis': denn, eilenden Schrittes, genahet
Waren die Feldherrn all', und einten sich ihm in dem Kriegsrath.
Neben ihm saß zur Rechten der Hort und Gebiether der Bayern,
Heinrich; zur Linken ihm Pfeil, der Markgraf; d'rauf um den Tisch her,
Der, nach Lagers Gebrauch, von niederen Bänken umstellt war,
Lobkowitz, Czernin, Zierotin; dann Milota, Dietrich,
Herbot von Füllenstein, und die Kunring', tapfere Helden.
Doch von der Mitte herab des hochgespannten Gezeltes
Hing die flammende Lamp', endlos vom Oehle genähret,
Und erhellte den Tisch in des Zeltraums düsterem Schimmer.
Eben hatt' er die Helden begrüßt, und wollte beginnen:
Sieh', da scholl's von Hufen der Roß' in der nächtlichen Stille
Näher und näher, und jetzt absaßen die Reiter am Zeltthor.
Ottgar winkte sogleich dem blühenden Jünglinge, Wallstein,
Der ein Liebling ihm war, schon seit der zartesten Kindheit.
Alsbald eilt' er hinaus, und faßte vom niederen Gluthherd
Einen leuchenden Span, den dort ein Krieger entflammte:
Schürend die Gluth, und häufend zugleich das harzige Kienholz.
Mächtiger flammte der Span, da ihn über dem Haupt in die Graunnacht
Wallstein hob, und schauete: wer die Versammelten störe?
Staunend, sah er die Königinn selbst, Kunegunde, sich schwingen
Aus dem Sattel, im Kreis' erlesenen Reitergefolges;
D'rauf durcheilte sie rasch den Zelteingang, und, den Vorhang
Schleudernd entzwei, schritt sie, mit stolzer Geberde, zum Sitz hin,
Den der Jüngling verließ, an der Seite des Königes selber.
Ueber ihr schwebte mit grimmerfülletem Blick Drahomira
Leise herein. Sie trieb die Königinn eilig von Drösing
Her in der dunkelen Nacht, daß sie erst durch schmähende Reden
Reize den Gatten, und dann entflamme zur Gier nach des Krieges
Schrecknissen, mehr denn je, in des Raths entscheidendem Zeitraum.
Wehe, sie forscht', auf Arges bedacht, im Kreise der Helden
Gierig herum, wie die Schlange verhüllt in dem laubigen Zweig lauscht:
Ob ein Vögelchen ihr zur Beute sich bieth'? – und sie fand noch
Dort den Ersehneten nicht; doch, als der blühende Jüngling
Eintrat, dachte sie schnell dieß Herz zu berücken durch Ehrsucht,
Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher!
Als der König die Gattinn ersah, da erblaßten die Wangen
Ihm vor Zorn; doch schwieg er, und ließ die Stolze gewähren.
Auf daß keiner im Rath' ihn verachtete – jeglicher dächte:
Jetzt erschiene sie hier, ersehnet von ihm, und gerufen.
Rasch war ihr Drahomira genaht: in dem Hauche des Unholds
Ward ihr Busen empört, und alsbald rief sie verhöhnend:
»Ha! welch' Wunder geschah? Schon heut erfreuen die Böhmen
Sich der Eroberung Drosendorfs, der mächtigen Festung,
Nach den Tagen unendlichen Müh'ns? O, schändliche Thorheit
War es: vor ihr die goldene Zeit zu vergeuden – zu harren,
Bis der klügere Feind, noch arm an Kriegern und Waffen,
Sich verstärket', und euch des Eisens Spitze wohl biethet!
Schnell, mit würgender Hand euch bahnend den Weg in die Hauptstadt,
Mußtet ihr folgen der Stimme des Ruhms, und dem dringenden Aufruf
Rüdiger Waldrams
Rüdiger Waldram nennt
Fugger, in seinem
Ehrenspiegel des Erzhauses Oestreich, den Bürgermeister Wiens, der an Rudolph, mit dem König der Böhmen einverstanden, heimlichen Verrath sann. Bei andern Schriftstellern heißt er Paltram Vazo. Der Sänger Rudolphs fand jenen wohlklingender zu seinem Zwecke. (S. auch
Wolf. Lazius Chron. Vienn. Lib. IV. und
Gerard Roo. Hist. Austr. Lib. I. dort, des muthigen Meisters der Bürger,
Der nun bald, ein schmähliches Opfer, dem Feinde verrathen,
Fällt durch euere Schuld, durch eure Verblendung, und Feigheit.«
Siehe, da grinste vor Lust Drahomira den Helden in's Antlitz;
Doch jetzt fuhren empor von dem Sitz die Versammelten alle;
Ballten die Faust vor Zorn, und wollten enteilen: nur einer,
Milota, regte sich nicht, und lächelt' unheimlich für sich hin.
»Faßt euch,« rief der König, bewegt, »die Königinn duldet
Schon seit jenem unseligen Tag, der uns, und die Völker
Böhmens beschimpft – dem Tage der Huldigung,
Die Erzählung von der Huldigung Ottokars auf der Donau-Insel
Kamberg, wo er, nachdem die täuschenden Zeltvorhänge gefallen waren, auf den Knieen vor dem Kaiser liegend, den beiden, durch die Donau geschiedenen Heeren gewiesen ward, ist von vielen gründlichen Geschichtsforschern als unstatthaft verworfen worden. nagenden Kummer
Und zerrüttendes Weh' in den Tiefen des Herzens. Ihr Helden,
Dessen gedenkt, und achtet den Schmerz des unglücklichen Weibes:
Denn nicht wägt er genau das raschverwundende Wort oft,
Das der Zung' entflieh't im Sturm der empörten Empfindung.
Aber vernehmt es, was ihr in der Stille der nächtlichen Stunden
Jetzo mit uns erwägen soll't nach euerer Weisheit:
Rudolph sandte zuvor zwei tapfere Ritter in's Lager
Her, uns dringender noch als jüngst, die Hand zur Versöhnung
Biethend. Erneuend sodann den Wunsch: durch unserer Kinder
Wechselheirath das Band der Freundschaft für immer zu gründen,
Ladet er uns g'en Wien, zu turnei'n; die Speere zum Scherz nur,
Nicht zum Ernst zu versuchen, und dann die ersehnte Verlobung
Durch ein gastlich Mahl zu feiern im schimmernden Prunksaal.
Solches verkündete heut' in geheim uns Rüdiger Waldram;
Aber zugleich: g'en Lilienfeld
In einem der anmuthigsten Gebirgsthäler Unter-Oestreichs, am Fuße der Alpen, und an dem Ufer des Traisenflusses, liegt das Cisterzienser-Stift
Lilienfeld, von dem babenbergischen Leopold VII., oder Glorreichen, im Jahr 1202 gestiftet, dem der Sänger Rudolphs durch acht und zwanzig Jahre angehörte, und demselben in den letzten sieben Jahren als Abt, k. k. Rath und niederöstreichischer Landesstand, vorgesetzt war. hin ziehe der Kaiser
Albrecht, seinem Erzeugten, mit hundert Reitern entgegen,
Der in den schwäbischen Gau'n die Krieger ihm warb, und vom Aargau
Her die tapfersten führt, die ihm oft errangen den Lorber,
Altgedient, und versucht im Grau'n der eisernen Feldschlacht.
Soll mein Volk vorstürmen bis Wien, daß unser Vertrauter,
Waldram, ihm eröffne das Thor in der nächtlichen Stille,
Wie er es eben verhieß, mit den treuen Bürgern verstanden?
Ist's wohl räthlicher noch, mit Kunrings Reitergeschwadern
Ueberzusetzen in Fähren den Strom der mächtigen Donau,
Und aus dem Hinterhalt den Kaiser zu fah'n in der Waldschlucht,
Welche sich links und rechts an dem Kaumberg, trüglich herumschlingt?
Nie versagt' ich das Ohr dem Rathe der Männer: was dünkt euch?«
Herbot schrie zugleich mit dem Kunring, lärmend, und laut auf:
»Fort nach Wien! Bald sinkt mit der kühnerrungenen Hauptstadt
Rudolphs Macht in den Staub: wir bürgen für herrlichen Sieg dir!«
Lobkowitz fuhr von dem Sitz', des Friedens Ruf zu erneuern;
Aber ihm kam Kunegunde zuvor, und sagte dem König:
»Wie, du spähest noch jetzt nach schlauverhülleten Pfaden,
Thöricht verlassend die kühnere Bahn, die schnell zu dem Ziel führt?
Ist denn völlig gewichen von dir der Muth und die Kühnheit,
Die von Siegen zum Sieg dich leitete, Schlachtenberühmten?
Zahllos warben die Freier um mich. Masowiens
Masovien (Masuren), eine Landschaft in Polen, welche an Preußen, an Groß- und Klein-Polen und an Lithauen gränzte, früher durch eigene Herzoge regiert, und unter König Sigismund I. mit Polen vereiniget ward. Ihre vornehmsten Städte waren Warschau und Plozk. (Hartknoch
de Republ. Pol. L. I. c. 10.) Herzog
Ließ auf dem glänzenden Thron mir Macht und Reichthum zur Erbschaft;
Aber ich achtete keinen Mann, im stolzen Bewußtseyn
Herrschender Geisteskraft, und lautgepriesener Schönheit.
Auch du bothst mir die Hand. Der Ruf erscholl in den Ländern:
Ottgar trug des Sieges Panier zu dem Belt hin; erbaute
Dort noch Königsberg,
Königsberg, die zweite Residenzstadt Preußens an der Pregel, von mehr als 60,000 Einwohnern, und einer Universität, die in der neueren Zeit durch Kant berühmt geworden ist, soll Ottokar im Jahr 1254 gegründet haben. und schlug, heimkehrend, die Scharen
Ungerns im Feld auf das Haupt. Er einte die Steyer- und Ostmark
Dann, als Sieger, mit Kärnthen und Krain dem böhmischen Erbreich,
Und errang die Bewunderung so der entlegensten Völker.
Ha, da sank mein Stolz, beschämt, vor dem Helden! Ich gab mich
Eiteler Täuschung dahin: mit der königlichsieghaften Rechten
Würd' er auch mich erheben im Glanz' unsterblichen Ruhmes.
Weh', nun steh' ich gebeugt, entehrt, und fruchtlos geopfert!
Aber, denkst du der Ehre nicht mehr, so gedenke der Schmach doch!
Soll ich den Mann, den König, und ach, den Gatten noch mahnen
Dort an den graunerregenden Tag, wo gegen den Eidschwur,
Der dich bewog, dem Kaiser zu huldigen heimlich im Zeltraum,
Er, o schreckliche Schau! auf des Eilands ragendem Hügel,
Das die Donau umschlingt mit weitgedehneten Armen,
Plötzlich am listiggestalteten Zelt den rauschenden Vorhang
Fallen hieß, und dich vor den Augen unzähliger Krieger,
Die an dem Strom sich dieß- und jenseits, feindlichgesondert,
Lagerten, wies zum Hohn' – auf die Kniee gesunken, o schändlich,
Ottgar, dich, dem er an dem Hof' einst dienet', als Marschalk,
Daß Rudolph in seinem sieben und dreißigsten Jahre an den Hof Ottokars, der übrigens als ein großer Feldherr jungen Fürsten allerdings zum Muster dienen konnte, berufen, und zu seinem Hofmarschalk ernannt worden sey; daß er dann mit ihm die, bei dem Einfall der Tartaren wieder heidnisch gewordenen, Preußen bekämpfte, im Jahr 1260 einem Kriegszug gegen die Ungern beigewohnt, und wegen ausgezeichneter Heldenthaten von ihm den Ritterschlag erhalten habe, sind Erzählungen aus seinem Leben, deren Wahrheit hie und da bestritten worden ist.
Huldigend dort, in dem Staub'! O, könntest du solches vergessen?«
Ottgar preßte die Stirn' in die Fläche der Linken, und glühend
Rann ihm die Thrän' an der Wange herab. Er sucht', es zu bergen;
Blickte grimmiger auf, und rief: »Nicht werd' ich's vergessen!«
Doch nun drang Drahomira noch mehr in die Fürstinn. Sie hob sich
Eilig vom Stuhl' empor, und sagte mit leuchtenden Augen:
»Ha, die Dromet' erklinge dem Volk', und gebiethe den Aufbruch
Nach den Mauern von Wien; in die Luft hoch flatt're die Sturmfahn'
Vor den Scharen einher, und leite sie glücklich zum Sieg' hin!«
Rief's; doch Ottgar sprach nun so zu dem tapferen Helden,
Lobkowitz: »Wie, du schweigst, mein sieggekröneter Feldherr?
Nie ermangelt' ich deines Raths, und deiner Erfahrung,
Weisheit, Treue und Kraft verdank' ich, was rühmlich gescheh'n ist.«
Lobkowitz wiegte das Haupt, und sprach eintönig und trocken:
»Haben doch and're vor mir, dem wankenden Greise, gesprochen,
Die das heißere Blut, wie im Sturm, fortreißt auf des Ruhmes
Glänzender Bahn – weit blieb ich zurück', und bin es zufrieden.
Sieh', ich wähnte, wir lieh'n ein Ohr des Kaisers Gesandten?
Doch vor dem zürnenden Blick der Königinn? Sey es denn morgen!«
Also der Held. Da sprach Kunegunde voll Wuth zu dem König:
»Wohl, ich weiche zurück bis Drösing. Sinnst du auf Frieden
Noch mit dem Kaiser, so sey's; doch nimmer siehst du mich lebend
Wieder: nur mord' ich zuvor mit Freuden die blühende Tochter,
Eh' ein schmählicher Bund dem verhaßtesten Feind sie vereine.«
Rief's hinschreitend; erhob sich auf's Roß, und eilte nach Drösing,
Das sie den Abend zuvor mit ihren Erzeugten bezogen.
Jetzt ließ Ottgar schnell die Gesandten des Kaisers entbiethen,
Die schon lange voll Gier in dem fernen Gezelte des Rufes
Harrten. Meinhard', Graf von Tyrol, erschien, und zur Seit' ihm
Nahete Lichtenstein: des Heer's erlesene Zierden.
Stattlich traten sie ein, und setzten sich würdig zum Tisch hin,
Grüßend den König zuvor, und d'rauf, die versammelten Feldherrn.
Meinhard neigte das Haupt, und begann mit edelem Anstand:
»Rudolph, mein erlauchtester Herr, und Kaiser der Deutschen,
Sendet uns, Meinhard und Lichtenstein, nicht unwürdige Bothen,
Freundlich zu dir, erhabener Herr, und König der Böhmen!
Wollest darum uns hören mit Huld, und unsere Reden
Nicht verachten, da wir, nur arm an zierlichen Worten,
Stets mit dem rauheren so, wie mit unserem blinkenden Eisen,
Das wir zu führen gelernt, zum Ziel vorstreben, und treffen.
Frieden beut er dir mit leichtversöhnlichem Herzen;
Doch er beut ihn im Augenblick, wo er völlig gerüstet,
Nicht, wie jüngst in dem Land', entblößt von Kriegern und Waffen,
Sollte schon fast ihn erflehen von dir – nein, wo er im Kriegsbund,
Mächtige Völker vereint, und der Treue der Völker gewiß ist.
Daß du als Kaiser ihn anerkenn'st; ihm Böhmen und Mähren
Tragest zu Leh'n; auf die ost- und die steyrische Mark, so auf Kärnthen,
Krain, entsag'st: das ist des Friedens enthüllte Bedingniß.
Drei gewaltige Vesten im Land: hier Drösing im Marchfeld,
Dort Pöchlarn, und Enns sollst du mit starker Besatzung
Halten zum Unterpfand durch drei der Jahre, von heut' an.
Ha! du erstaunest? So ist's; ihr sollt euch finden in Freundschaft.
Heilig ist Rudolphs Wort, du kannst ihm sicher vertrauen.«
Als er die Rede voll Kraft jetzt endete, herrscht' in dem Zeltraum
Stille umher: doch Lichtenstein, gewahrend den Vortheil,
Grüßte den König zuvor, und begann mit heiterem Blick so:
»Ernstes sagte der Graf. Mit Gott und eurem Gewissen
Werdet ihr solches erwägen zum Glück und zum Segen der Völker,
Die ihr beherrscht; doch leiht auch mir ein günstiges Ohr noch.
Nicht vom blutigen Kampf: von der Minne ersehneten Freuden,
Von Turnei'n, und dem festlichen Mahl gedenk' ich, zu sprechen.
Allwärts ist es bekannt, daß Herr Rudolphus, der Kaiser,
Ein Turnei, bei'm Tabor,
Tabor. Ein an dem linken Ufer der Donau, Wien gegenüber liegendes Dorf. am kommenden Donnererstag schon,
Der Sanct Rochus geheiliget wird, zu halten, gesinnt ist:
Denn nach Frieden verlangt sein Herz, und er hat dich geladen.
Solcher Ehre Gewinn verschmäht kein tapferer Mann je.
Sieh', d'rum harret er dein und deines so edeln Gefolges,
Das den Herrscher umglänzt, wie die Stern' umglänzen den Vollmond!
Aber noch höhere Freuden gedenkt, nach vollendetem Festmahl,
Oben im prunkenden Saal der Kaiser mit dir zu bestellen:
Lieblich erblüheten dir die schönsten der Töchter – in Söhnen
Ihm sein Glück: zum Bund der Einigung beut er die Hand dar:
Hartmann führ' als Braut sich Hedwig, voll siegender Schönheit,
Thekla, voll zartester Huld, sein Rudolph heim. So ersehnt er's.«
Als er gesprochen das Wort, und noch weiter gedachte zu reden:
Sieh', da warf sich in brausender Hast der muthige Jüngling,
Wallstein vor! Er stand, und hielt sich die Brust mit der Rechten;
Athmete tiefer, begann zu sprechen, vermocht's nicht; er stürzte
Dann zum Gezelte hinaus, und verschwand im nächtlichen Dunkel.
Ottgar blickt' ihm, erstaunt, jetzt nach. Er wähnte: sein Liebling
Sey urplötzlich erkrankt, und von wüthenden Schmerzen befallen;
Doch Drahomira durchschaute sein Herz; sie lächelte grimmig;
Jubelte dann laut auf, und folgte dem fliehenden Jüngling:
Ihm für Hedwig die liebende Brust noch mehr zu entflammen,
Und zu verderben mit ihm den, ihr verhaßten Beherrscher.
Im erleuchteten Zelt verstummten von neuem die Helden;
Gar nicht wollten von Ottgars Mund' die Worte sich lösen.
Endlich hob er sich auf, und sagte den Beiden zum Abschied:
»Wahrlich, nicht ahnete mir's, so glühend verlange der Kaiser
Uns bei festlichem Turnkampf, Tanz, und Gelagen zu sehen!
Aber wohlan – das kündet ihm nur, so er etwa daheim ist:
Ottgar werdet ihr schau'n im Gefolge der Edeln, und hören,
Was er vom Frieden gedacht, und der Kinder ersehnter Verlobung!
Aber, ihr Herrn, gehabt euch wohl; der Himmel geleit' euch!«
Beid' erstaunten der Red', und eilten unmuthig von dannen.
Draußen sagte zu Lichtenstein der tapfere Meinhard:
»Ritter, sprecht, was dünkt euch? Nicht einmal die Krume zum Imbis,
Nicht des Weines so viel, das unsere Lippen benetzte,
Reicht er zum Trunk' uns dar. Ich meine: von Heirathsgedanken
Ist er so fern, wie dort von mir Veiths glänzender Wagen,
Der an des Himmels Rand zum eisigen Norden hinabsinkt.
Ha! und merktet ihr nicht, wie schnell der arge Verräther
Rudolphs nächtlichen Ritt g'en Lilienfeld ihm enthüllte?
Ach, er zog nur mit schwachem Geleit! Kommt: gut ist die Vorsicht!«
Rasch aufschwangen sie sich in den Sattel, und flogen nach Wien hin.
Aber der König entließ die Versammelten. Jetzo noch einmal
Blickt' er Jedem in's Aug', und sagte mit rauherer Stimme:
»Mir zerwühlet die Wuth das Herz. Wie kecklich die Ritter
Sprachen, als sey ich im Feld nicht fürder zu scheu'n, und, dem Ball gleich,
Nun rechts hin, dann links im schwebenden Fluge zu wenden;
Aber es zehr' ihr Hort sich zu Tod' an seinen Gelüsten.
Mein Entschluß ist gefaßt: am Morgen gebiethet den Aufbruch
Euerem Volk. Wir ziehen entlang den schlängelnden Marchfluß
Bis an den Weidenbach, wo, erhöht, des räumigen Lagers
Wall uns schirmt g'en List und Gewalt. Verstanden mit Waldram,
Sey in dem Ueberfall nur ›Rache‹ der Würgenden Schlachtruf!
Ruhet ein Weniges noch: bald rufen euch laut die Drometen.«
Jene gehorchten dem Wort', und eilten nach ihren Gezelten.
Aber der König ging noch lang' im Schimmer des Nachtlichts
Sinnend umher. Oft seufzt' er laut; er ballte die Faust oft
Vor Erbitterung; stand, ging wieder, und hatte nicht Frieden.
Endlich warf er sich hin auf das Lager, und schlummerte leis' ein.
Ueber dem Haupt des Schlummernden hing sein schützender Engel,
Trauernd. Verglommen war sein Glanz. Wie auf thürmender Alpen
Ewigbeschneiten Höh'n der rosigglühende Schimmer
In ätherischer Bläue verglimmt in der sinkenden Dämm'rung:
Also auch er, den Schwermuthsblick auf den armen gerichtet,
Den ein furchtbarer Traum umfing. Margarethe, die Gattinn,
Welch' er schnöde verstieß, naht' ihm, und sah ihn so trauernd
An, aus dem hüllenden Leichentuch: er wandte sich, schaudernd,
Weg, und hieß sie entflieh'n. Nicht lang', und in hoher Verklärung
Schwebt' auf schimmernden Au'n, und bekränzt mit himmlischen Rosen,
Sie vor ihm hin. Er folgte – sie floh; doch jetzt, an dem Ufer
Eines unendlichen Stroms hielt sie den eilenden Flug an;
Sah, huldflehenden Blicks, zu dem Himmel empor, und entschwand ihm,
Schatten gleich, wenn Nebelgewölk umhüllet die Sonne.
Wieder umfing ihn des Todes Nacht. Um sich her auf dem Schlachtfeld
Sah er unzählige Leichen gehäuft: bis endlich ihm selber
Dort zwei Würger genah't, mit rach'ausblitzenden Augen,
Tief in die Brust einstürmten den Speer, und höhnten im Tod noch.
Stöhnend wand er sich dann im Schlaf', und in mächtigen Tropfen
Stand ihm der Schweiß auf der Stirn' und den hochgerötheten Wangen.
Doch nicht völlig verhüllt den Augen des Himmelsbewohners
War des schlummernden Königs Geschick. Er sah Drahomira
Walten um ihn, und Gefahr ihm bereiten auf schlüpfrigem Pfad hier,
Der zum Verderben führt, und zu nieversiegendem Jammer.
Flehend faltet' er jetzo die Händ', und blickte mit Ehrfurcht
Auf zu dem Thron des Ewigen, der in des kreisenden Weltalls
Hehrstem Raum', auf lichtausströmenden Sonnen erhöht steht.
Dorthin drang sein Blick, wo Cherub- und Seraphim selber
Sich in der Nähe des Throns mit den Fittigen hüllen die Augen,
Dreimal Heilig singend dem Herrn, der herrscht von dem Thron dort,
Hehr, allmächtig, weis', und gerecht, barmherzig und gnädig!
Ueber die Himmel hinauf erhebt er das Haupt; auf dem Abgrund
Ruht sein Fuß, und sein Arm umfaßt das kreisende Weltall.
Als er gewürdigt ward, die Blicke zum Thron zu erheben,
Sah er, schauernd vor Ehrfurcht, dort enthüllet die Zukunft:
»Ottgar, der nun bald mit reuigem Sinn um Erbarmen
Fleh'n wird, büßet die Schuld vergangener Jahre: den Feinden
Fällt er besiegt in dem Kampf', und verlieret das Reich und das Leben;
Aber sein Gegner wird ein Vater des Herrschergeschlechtes,
Das in die fernste Zukunft hinab unzähliger Völker
Glück zu fördern, erwählt, im Segen der Erde genannt sey.«
D'rauf gewahrt' er den Wink des Herrn: »daß es also gescheh'n wird!«
Sieh', da flammten, und floh'n, und kehrten in Eile die Sonnen
Wieder zur Bahn! Der Donner rollte hinunter am Weltrand,
Kreisende Monden und Sterne vorbei; die Vesten des Erdballs
Zitterten; hoch aufrauschte das Meer, und die Ström' und die Flüsse
Brausten wirbelnd zurück, und schäumten empor in den Luftraum.
Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht
Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.