Max Pulver
Selbstbegegnung
Max Pulver

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Landschaften

Douarnenez

1.

              Hier lockt das Meer mit silberblauer Seide;
Im roten Stein verlieren sich die Buchten;
Goldgelbe Locke, reifendes Getreide
Und Schwaden schwanken Grases füllt die Schluchten.
Die Ulmen stehn mit sanftumrissenen Rändern
Am Klippenhange zwischen leichten Dächern,
Die grelle Straße knüpft in ihren Bändern
Ans Tal den Berg mit seinen Kieferfächern.
Auf breitem Sande läuft verlorne Brandung
In Wellen aus, die sich zu Schaum zerhasten:
Weit draußen sucht ein braunes Boot die Landung
Und schüttelt sich mit abgerefften Masten.
Ein zornig Scheltwort schaffender Matrosen
Fliegt bis zu uns durch's stete Windestosen.

 
2.

              In dichten Horden, lockeren Geschwadern
Hält hundertfacher Kiel nach hellem Porte.
Knapp klingen keltische Kommandoworte;
Das Steuer schlitzt des Meeres Silberadern,
Und silbern schwillt die Last der braunen Boote,
Sardinen schichten sich bis an die Bänke;
Der Segelbalken saust mit kurzer Schwenke
Im Boot herum, die Leinwand fällt wie tote
Verweste Masse auf den Leichenhaufen.
Wie dröhnt der Strand, der nun von Kindern strotzt.
Ein tolles Schaufeln, Klettern, Hin- und Wiederlaufen,
In das der Tod aus glasigen Augen glotzt.
Die blanken blutigen Leiber zarter Fische
Umtobt das Raubglück und die Lebensfrische.

 
3.

          Ihr grauen Kirchen auf den Klippen,
Ihr stillen Kreuze tief im Sand,
Ihr Glocken mit den hellen Lippen
Ruft Abendsegen übers Land.
Weit draußen im kristallnen Sunde
Verlieren Boote sich im Blau.
Die Nacht steigt aus dem schwarzen Grunde
Der See auf, Gruß dir holde Frau,
Maria, der dies Land zu eigen
Seit Gottesblut am Altar floß,
Und nicht mehr gälischer Priesterreigen
Die Mispel mäht, den Mond umschloß.
Seit Christi Blut die Flamme reinigt,
Die wahllos Opfer sonst verschlang.
Seit – der erniedrigt und gesteinigt –
Uns Heiland ward, das All durchdrang;
Seit jenes Mondes Kraft ermattet,
Der einstmals Meer und Volk gespeist:
Du Sonne, hast sein Licht verschattet,
Und seine Gläubigen stehn verwaist.
Es wehn nur wirre letzte Funken
Von jenem Glauben um den Stein.
Du aber hebst Dich werdetrunken
Aus kurzem Tod zu stetem Sein.

 
4.

        Sonne glüht im Klippenkessel,
Blauer Mittag gleißt im Meere.
Nackt und ledig jeder Fessel
Stehst du da, du Schlanke, Hehre.
Deine flinken Glieder gleiten
Über grüne Algenriffe,
Wie die Welle ist dein Schreiten
Auf dem blanken Kieselschliffe.
Kurzes braunes Haar im Winde,
Lange Schenkel, schmale Lenden,
Gleichst du kaum erblühtem Kinde
Doch mit männlich starken Händen.
Zart olivengrüne Schimmer
Huschen über Brust und Nacken,
In dem Schwarz der Felsentrümmer
Schwindet deiner Schritte Knacken.
Jetzt hebst du mit einem Male
Dich auf sonnbeglänztem Steine,
Aphrodite aus der Schale:
Gischt und Sonne im Vereine
Rieseln über dich und glänzen,
Glück und Wonne macht mich trunken:
Pan läßt lockende Kadenzen
Schwellen, wach im Traum versunken
Fühl ich dich in meinem Arme,
Eng und enger die Verschränkung,
Und der Wind spannt weiche, warme
Schleier völliger Versenkung.

 << zurück weiter >>