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»Mein Gott, mein Gott, wie siehst du denn aus?«
Hela richtete sich auf, mußte sich aber wieder hinlegen. Sie schien sehr krank zu sein.
Ostap wollte lächeln, aber das Lächeln erfror ihm auf den Lippen, sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzlichen Grimasse.
»Wie zerstört du bist!« stöhnte sie auf. »Wie siehst du denn aus?«
»Hela, ich bin dir dankbar. Ich glaubte, du würdest mich garnicht empfangen wollen, und du hast sogar Mitleid mit mir.«
Sie antwortete nicht. Es entstand ein langes Schweigen.
Ostap kaute nervös an der Zigarette. Dann sah er sie mit einem Male sehr ruhig an.
»Erinnerst du dich, Hela?« Er sprach heiser und sehr leise. »Erinnerst du dich an die Zeit, bevor dir dieser Beelzebub, dieser Gordon, seine Visite machte? Du liebtest mich nicht, aber du fühltest dich wohl in meiner Nähe. Du suchtest Schutz bei mir und ich gab ihn dir. Du warst auch stolz: du fühltest, daß du mich vor dem Abgrund errettetest, und das machte dich selbst stark und weniger verzweifelt. Erinnerst du dich daran?«
Sie faßte ihren Kopf mit beiden Händen.
»Sprich nicht davon! Sprich nicht. Ich möchte dir mein ganzes Herz hingeben, wenn dir das etwas helfen könnte; aber der Mensch hat mich zerstört, er hat meine Seele aufgerissen. Ich verblute, ich verblute! Ich kann an nichts anderes denken, ich habe kein anderes Gefühl, ich – ich ...«
Sie brach in Schluchzen aus.
Nie hatte Ostap sie früher weinen gehört.
»Warum kamst du zu mir, Ostap, warum? Warum grade zu mir?«
Sie sah ihn schluchzend an.
Er antwortete nicht. Mit größter Deutlichkeit sah er die Zerstörung in ihrem Gesichte. Die Augen waren tief eingefallen, sie war erschreckend mager geworden ... Er hatte alles vergessen, er studierte förmlich dies verfallene Gesicht ... Was doch der Schmerz für eine Zerstörung in dem erbärmlichen Menschengesicht anrichten kann!
»Warum kamst du zu mir?« wiederholte sie und faßte ihn an den Händen.
Er dachte nach. Aber er war nicht imstande, seine Gedanken zu sammeln.
Sie rüttelte an ihm.
»Was ist dir, Ostap? Herrgott, was fehlt dir?«
Er sah sie verzweifelt an. Und wieder begann er leise zu sprechen.
»Ich habe dort unten in dem Bordell die fixe Idee bekommen, daß du mich am Ende doch retten könntest. Ich glaubte, nein ich dachte darüber nach, daß wir beide doch die Unglücklichsten sind, daß wir beide ...«
Er schwieg plötzlich.
»Aber das geht nicht«, sagte er nach einer Weile ... »Jetzt seh ich ein, daß es nicht geht ...«
Ihr Mund zuckte, sie öffnete die Lippen, als wollte sie etwas sagen, aber sie vermochte es nicht.
Von neuem fing sie an zu schluchzen, und es dauerte lange, bis sie sich beruhigte.
»Und was nun?« fragte sie plötzlich.
»Was nun?« wiederholte er nachdenklich und lächelte mit einem schiefen Lächeln.
»Du, Ostap!« Sie stand auf und faßte ihn an den Schultern ... »Steh auf ... Du wirst doch nicht ...«
Er stützte den Kopf in beide Hände.
Sie rüttelte an ihm.
»Ostap!!«
Er sah zu ihr auf und lächelte.
»Ich liebe dich, Hela. Ich habe dich nie so geliebt wie jetzt. Ich habe alles vergessen. Ich denke an nichts. Ich sehe dich nur in der heiligen Größe des Schmerzes und der Verzweiflung. Ich habe dich in mir, ich trage dich in meinem Herzen, losgelöst von allen deinen Verhältnissen, aber ich habe jetzt, jetzt plötzlich verstanden, daß ich mich irrte, wenn ich glaubte, daß wir bei einander Ruhe finden würden.«
»Nein! Nein! Nicht wir ... nicht wir!«
»Oh – ich weiß nicht, wessen Verzweiflung größer ist, deine oder meine?«
Er stand auf, kniete neben sie nieder, nahm ihre Hände und küßte sie lange und inbrünstig.
»Im Namen meines großen Verbrechens spreche ich dich von aller Schuld los!« sagte er plötzlich fast irrsinnig und feierlich.
Aber im Nu schien er zur Besinnung zu kommen, er stand hastig auf, und ohne sie anzusehen, ging er aus dem Zimmer.
Sie war ganz betäubt.
»Ostap! Ostap!« schrie sie nach einer Weile und stürzte ihm nach.
Aber er war schon auf der Straße.