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Meister Hanns war in neuester Zeit ganz stillschweigend und in sich gekehrt, die Trennung von Martha hatte ihm tiefer ins Herz gegriffen, als er sich selbst und noch weniger vor den Gesellen bekennen mochte. Oft Tage lang redete er kein Wort außer nur das Nothwendigste. Oft suchte Langhanns wieder den alten Ton des muthwilligen Scherzes beim Meister anzuschlagen, aber es gelang ihm nie, einmal demselben ein leichtes Lächeln abzulocken; Meister Hanns blieb ernst. Auch bei den Gesellen gieng es lange nicht mehr so lustig her wie früher. Nur wenn der Herr des Hauses nicht da war, fuhr Langhanns fort, durch seine leichtsinnigen Reden die anderen aufzuheitern.
Eines Tages waren die Gesellen allein in der Gießerei, der Meister war nach Hall gegangen, um sich neues Metall zu verschaffen; er sagte, dass er erst abends wiederkommen werde.
Da gieng es in der Gießerei wieder munter her, man sang, man lachte und scherzte.
»Heute«, begann Langhanns, »wollen wir wieder einmal die Wirtschaft nach gewohnter Weise führen! Jeden, der ein trauriges Wort über die Lippe lässt, sperren wir in den Keller hinunter, aber etwa nicht zum Wein, sondern in den tiefen Keller und zwar so lange, bis wir den Meister daherkommen sehen. Da mag er dann allein ernste Betrachtungen anstellen. Küche und Keller soll heute ganz unser sein. Ich mache heute, wie es sich von selbst versteht, für unsere fürstliche Tafel den Kellermeister, der dürre Peter soll den Koch, das Breitmaul den Schalksnarren, Wolf den Aufschneider, der Mohr den Aufträger darstellen, und Du, Triefauge, sollst unter dem Tische sitzen und die Knochen auffangen, welche wir Dir hinunterwerfen; etwas wollen wir Dir schon daranlassen. Wie heißt halt mein Name ins Latein übersetzt? Gib einmal Antwort! Was stehst Du da wie ein Maulaffe?«
Das Triefauge sah sich heute allein, er stimmte daher auch in den Ton der anderen ein.
»Wenn Du es gerade wissen willst,« sprach das Triefauge zu Langhanns, »so will ich Dir's sagen: › Longinus‹ heißt Dein Name auf lateinisch. Etwas hast Du von Longinus, nämlich dass Du ein guter lanceator oder Schlächter bist, sonst aber hast Du vom heiligen Longinus gar wenig!«
»Schau' wie witzig!« sprach Langhanns, »dafür darfst Du aber auch heute mit uns zu Tische essen, ist wohl gut, wenn Du wieder einmal aufthaust, so gefällst Du mir!«
»Gebt mir nur brav Satz!« erwiderte das Triefauge, »dann werden meine Reden schon auch gesalzener werden, und ihr werdet sehen, dass der Lateinikus Euch nicht nachsteht.«
»Dürrer, gehe jetzt in die Küche!« sprach Langhanns, »sonst bekommst Du mir keinen Tropfen Rothen, und sollte Dir auch das Feuer auf dem Herde den letzten Tropfen Blut aufgetrocknet haben und Deine Kehle vor Durst verschmachten.«
»Ihr werdet zufrieden sein!« sagte der dürre Peter, »doch wenn ein wenig Ruß in die Brühe hineinkommt oder ein kleines Köhlchen, so dürft Ihr mir das nicht übel nehmen, das passiert der besten Köchin, und ein bischen versalzen darf ich es wohl auch, geht dann der Wein umso besser.«
»Auf das kommt's eben nicht an!« sprach Langhanns, »die Kohlen geben eine helle Stimme, wir singen dann das schone Räuberlied, das anfängt:
»Wie lustig ist des Räubers Leben;
Denn ihm gehört die ganze Welt:
Das Geld, das Gut, der Saft der Reben.
Sagt an, was noch dem Räuber fehlt?
Trala, trala, trala, trala etc.«
Doch das weitere nach dem Essen; wir schlagen den ganzen Nachmittag blau; nicht wahr, Ihr seid alle einverstanden?«
»Ja!« riefen alle, und nun legte der dürre Peter die Lederschürze weg und gieng in die Küche. Bald prasselte und knisterte dort das Feuer, dass es eine Freude war; ein Hase wurde an den Spieß gesteckt, und als sich eine braungelbe Rinde gebildet hatte, gab der dürre Peter mit einer helltönenden Glocke das erste Zeichen; es war das Zeichen, dass Langhanns nun sein Amt anzutreten habe.
Nicht so bald hatte Langhanns den wohlbekannten Ton gehört, warf auch er die Schürze weg, aus dem rußigen Glockengießergesellen wurde nun ein gar possierlicher Kellermeister und Tafeldecker.
Langhanns stieg hinunter in den Keller und füllte sechs grünlasierte irdene Krüge mit Rothem bis an den Rand, dann trug er sie hinauf in die Zechstube. Er breitete ein blaues Tuch über den Tisch, legte jedem seinen hölzernen Teller und das Esszeug zurecht und stellte zu jedem ein Krüglein. Ein großer Brotlaib fehlte auch nicht auf dem Tische. Nachdem Langhanns nochmals prüfende Blicke über den Tisch geworfen hatte, schob er den hölzernen Balken, der in die Küche hinausgieng, hinweg und rief dem dürren Peter zu: »Fertig Dürrer! Jetzt magst Tu die Raben zum Aase rufen; reiche mir das Ergebnis Deiner Kochkunst herein!«
Und der dürre Peter stellte den Hasen, der wohl auch aus dem Friedberger Forste herübergewandert war, dem Langhanns hinein; dann aber gab er ans allen Kräften mit der Essglocke das zweite Zeichen.
»Hoho!« schrie ihm Langhanns in die Küche hinaus, »glaubst Du denn, die in der Zechstube hier lägen auf den Ohren. Schellst ja, dass Du uns alles Wild im Walde auf zwei Stunden im Umkreise verscheuchst und mir das ganze Gehör verschlägst. Weißt ja doch, wie schnell wir dieses Zeichen immer hören.«
Und bald waren alle um den Tisch versammelt und hieben auf den Hasen ein, als ob sie eine Woche lang keinen Bissen mehr in den Mund gebracht hätten.
Dem dürren Peter gefiel es, dass sein Hase so gut mundete, er aß weniger.
»Hast gewiss die guten Bröckchen schon in der Küche draußen Dir auf die Seite gethan!« sprach der Mohr zu dem dürren Peter, »Du hast es wie alle Köchinnen, sie leben von der Luft, wenn man es ihnen nur glauben möchte.«
»He, Kellermeister!« sagte nun der dürre Peter zu Langhanns, »Du verstehst Dein Amt gar schlecht; merkst Du denn nicht, dass mein Krüglein keinen Tropfen mehr herauslässt und ich nicht einmal mehr die Nagelprobe anstellen kann.«
»Mein Krüglein auch!« rief der Wolf. »Meines auch!« das Breitmaul, und so fort alle.
»Lasst mich doch zuerst noch dieses Bein abnagen!« sprach Langhanns, »seid Ihr durstige Seelen. Wenn ich so wäre, wäre es erklärlich; denn bei mir braucht es lange, bis nur ein Tröpfchen den so tief unten liegenden Magen erreicht. Bis zu den Zehen kommt wohl gar nie etwas, und doch müssen sie auch ihre Dienste leisten. Mir fällt gerade etwas ein. Es wird am gescheidtesten sein, wenn wir gleich das ganze Fässlein heraustragen, dann mache sich jeder selbst Kellermeister.«
Gesagt, gethan, bald stand das Weinfässlein auf der Bank in der Zechstube, und jeder drehte die Pipe, so oft es ihm beliebte.
Da war nun ein Lärmen, ein Jubeln, Jauchzen und Singen, als ob Kirchtag gewesen wäre; es dauerte fort, bis die Abenddämmerung hereinbrach.
»Triefauge!« rief endlich Langhanns, »geh' hinaus auf die Warte oder dem guten Wässerlein und spähe, ob etwa der Meister kommt, er würde seine Brauen tüchtig zusammenziehen, wenn er uns in so heilloser Wirtschaft anträfe.«
»Da bin ich!« rief der Meister zur Thüre hereintretend. »So macht Ihr's, wenn ich einen Augenblick aus dem Hause bin? Ich will Euch! – Zur Strafe müsst Ihr mir nun heute das ganze Fässchen noch ausleeren und zwar bis zum letzten Tropfen, ich will Euch aber mithelfen!«
Wenn auch anfangs alle über die unvermuthete Ankunft des Meisters betroffen waren, so hatten sie es doch ihm bald abgemerkt, dass er heute die frühere gute Laune habe.
»Nun, das wird eben nicht unsere ärgste Sorge sein,« sprach Langhanns, »wir glaubten schon, nun werde ein rechtes Donnerwetter losbrechen.«
»Nein, nein!« sprach der Meister, »fürchtet Euch nicht und fahrt nur fort: Wie soll ich Euch in Eurer Fröhlichkeit stören, wir haben schon noch andere Fässer im Keller; bis der Purlepaus geleert ist, können wir schon noch etliche Mal kirchtagen; im Etschlande haben sie des Weines noch genug, Geld haben wir auch.«
»Aber Meister,« fragte nun der Langhanns, »wie kommt es denn, dass Du auch wieder ein christenmenschliches Gesicht herzigst. Jetzt sind es schon Wochen und Monate, dass Du immer dreinschautest, grimmiger als die bepanzerten Eisenfresser in der Franciscanerkirche in Innsbruck droben.«
»Wie es gekommen,« sprach Hanns, »will ich Euch kurz sagen:
Als Martha fort war, da war auch meine Lebenslust mit ihr fortgewandert, ich kam hinter das Sinnen und Trachten. Während ich aber heute in Hall war, wurde ich über mich selbst ärgerlich und dachte mir: ›Ei was, wegen einer solchen empfindsamen Schwärmerin sollst du dich noch länger abhärmen?‹ Ich gieng in eine Schenke, griff zum Kruge und habe so lange da hineingeschaut, bis meine alten Lebensgeister wieder erwachten. Als ich von der Schenke hinausgieng, kam mir die ganze Welt wie ein großes Narrenhaus vor, wo alles leichtsinnig herumtanzte, es drehte auch mich im Kreise, ich ließ es gehen und tanzte auch mit. Die Vögel pfiffen mir den Wald herauf so schöne Abendliedchen, dass ich endlich auch mitpfiff; Ihr werdet sehen, dass ich von nun an wieder der alte Meister sein werde, das war nur wieder so ein zeitweiliger Anfall einer alten Jugendkrankheit!«
»Das heiß ich einmal ein gescheites Wort reden!« sprach das Breitmaul, »Dein düsteres Wesen hätte uns das Hiersein bald verleidet. Du kannst uns aufs Wort glauben, wir Gesellen redeten schon von der Wanderung.«
»Dazu kommt es wohl nicht mehr!« sprach der Meister, »Ihr bleibt und ich werde wieder sein, wie ich war, nun lasst uns den Bund mit Wein besiegeln. Trinkt, trinkt wacker, kein Tröpfchen soll mehr im Fasse bleiben!« –
Und nun gieng der alte Tanz von neuem an, nur mit dem Unterschiede, dass jetzt der Meister auch dabei war und fast wie ein Unsinniger sich geberdete.
Da waren die Gesellen, besonders der Langhanns, wieder in ihrem Elemente.
»Nur eines fehlt noch!« rief Langhanns, »eine kleine Schlächterei wäre heute noch so zum Schlusse am rechten Platze, wie herrlich wäre ich dazu aufgelegt; es würde mir als ein kleiner Hochzeitstag erscheinen, einige unter meinem Messer bluten zu sehen oder sie im Walde drunten mit der Büchse aufs Korn zu nehmen. Käme doch jetzt der alte Grünspecht aus Friedberg! Läge er nicht sicher drüben hinter seinen hohen Schlossmauern und Schlosshunden auf dem Strohsacke, so wollte ich ihm gerne seine Zeche zurückbezahlen und ihn des Rundganges im Forste für immer entheben. So aber lässt sich heute kein Mäuschen sehen, niemand hat Lust in unsere Herberge einzuziehen, obgleich wir ihm gerne schnell den Laufpass in das Paradies geben wollten. Triefauge, schüre das Feuer, ich treffe ja kaum mehr die Pipe des Weinfasses an. Und Du, Meister, erzähle Deine Geschichte noch zu Ende; denn das Fass geht auch bald zur Neige. Aber dass Ihr andern mir das Maul haltet, sonst schlage ich Euch die Zähne alle in den Schlund hinunter!«
»Das Ende meiner Geschichte wollt Ihr?« sprach der Meister. »Wohlan denn! Füllet zuerst meinen Krug, dann geht es besser. Wo sind wir geblieben? – Richtig bei meiner Hochzeit.
Wer heiratet, sieht den Himmel voll Bassgeigen, er glaubt, es fange ein irdisches Paradies an, und so war Martha anfangs wirklich auch glücklich. Ich, ich konnte es nicht sein, ewig nicht, der Wurm und innere Widerspruch starb nicht; ich mochte es versuchen, wie ich wollte, mich selbst zu täuschen und mir vorzusagen: Du bist glücklich; es war doch nicht so. Und so konnten ich und Martha in der Länge doch nicht zusammenstimmen. Ihr Seelenglöcklein klang so rein und helle; das meine aber war zersprungen, hatte eine weite Kluft und gab einen dumpfen düsteren Ton oder gar den Ton eines Armensünderglöckleins. Ich wurde gegen sie gleichgiltiger und kälter, sie merkte das wohl, aber den wahren Grund konnte sie nicht errathen. Sie that alles, was einer guten Hausfrau zusteht, sie suchte meine Wünsche mir abzulauschen, aber es fehlte der Kern unserer wahren Harmonie. Sie hatte Religion, – ich keine. Ihr Leben war mir ein beständiger Vorwurf, darum suchte ich sie zu mir hinabzuziehen, weil es mir unmöglich war, mich zu ihr hinauf zu erheben. Ich ließ da und dort ein grobes Scherzwort fallen, lächelte über ihre Frömmigkeit und unterließ es, mit ihr das Morgen- und Abendgebet zu verrichten und in die Kirche zu gehen. Anfangs war sie darüber befremdet, ich sah sie oft heimlich weinen. Sie sprach gar liebevoll zu mir: ›Hanns, ich weiß nicht, wie Du nun geworden bist, ich kenne Dich nicht mehr; ach, bleibe der alte gute Hanns, ich will dann alles vergessen, was ich gesehen und gehört habe,› ‹– dabei hob sie unter Thränen so schön und bittend die Hände zu mir auf, dass ich, um nicht weich zu werden, hinüber in die Werkstätte oder gar nach Hall an den Zechtisch eilte. Wohl blieb ich der alte Hanns, aber der Hanns – ohne Gott, Hanns Steinhart.
Nach und nach gelang es mir, die überfrommen Dinge von Martha abzustreifen. Ich verbot ihr, so oft nach Hall oder Volders hinab zur Kirche zu gehen. Selbst an Sonntagen musste sie mir oft zu Hause bleiben, und so war sie mir endlich erträglicher geworden. Schon lachte sie manchmal mit, wenn eine zotige Rede fiel, allmählich vergaß sie auch das Beten, es gieng mit ihr abwärts; der Spiegel ihrer Seele war nun auch getrübt. Das war es, was ich wünschte. Sie merkte es nicht, auf was ich lossteuerte.
Anfangs hatte sie die Zechstube fast wie eine Heiligenkapelle eingerichtet. Der alte Herrgott mit der Narrenkappe musste weg, und ein neuer wurde hinaufgemacht, und alle Heiligenbilder, welche sie von ihrer Heimat mitgebracht hatte, mussten an den Wänden prangen.
Ich ließ es damals gehen. Als ich aber Martha ihren Gott aus dem Herzen gestohlen hatte, sagte ich einst zu ihr: »Diese heiligen Dinge stehen nicht gut in einer Zechstube. Den Gästen taugt es nicht, wenn dieselben so ernst auf ihr Thun herabschauen!« Ich nahm die Heiligenbilder weg und that sie in einen Winkel, wo sie jetzt unbeachtet und voller Spinnengewebe liegen; dann zog ich wieder den alten rußigen Herrgott mit der Narrenkappe heraus und stellte ihn in die Ecke hinein, wo er früher war, und Martha sagte nichts mehr dazu. Nur ein Bild ließ sie sich nicht nehmen, das Bild Unserer Lieben Frau, das sie über dem Bette aufgehängt hatte. Dieses wegzubringen half kein Ueberreden, kein Drohen, und so ließ ich es endlich an seinem Platze, obgleich mir das Bild droben oft im Wege stand, weil es gar so wehmüthig herabblickte.
Ihr werdet fragen, wie ich doch beim Kaufe auf diese Herberge verfallen bin? Als ich nach der Schlossgeschichte auf der Flucht nach Tirol war, kam ich in diese Gegend und kehrte hier ein. Schon damals sprach mich diese wilde Einsamkeit mit dem schwarzen Hause mitten im Walde sehr an. Ich traf hier allerhand weltfahrendes Volk. Mein Blick hatte bald heraus, was für ein Gelichter hier hause. Ich zechte mit den Gesellen, traute ihnen jedoch nicht, weil ich viel Geld hatte und schlich mich wieder davon; vielleicht würden sonst meine Gebeine auch schon lange draußen im Rosengärtchen liegen. Ich glaube fast, Langhanns, ich habe Dein und des Wolfs Gesicht schon damals unter den Gesellen bemerkt, gewiss könnte ich es nicht sagen, es ist schon einige Jahre her!
»Ja wohl!« sprach der Langhanns, »ich war schon da, und der Wolf auch, ich erinnere mich noch ganz gut an den Fremdling, der uns durch seine Sprache einen Mann aus dem Reiche verrieth. Wir hatten Dich schon als Opfer auf unsere Liste gesetzt, doch Du warst klüger und hast uns überlistet; wäre schade gewesen, wenn wir Dir damals den Garaus gemacht hätten, aber wer konnte es voraussehen, dass Du noch unser Meister würdest! Nichts für ungut, Meister!«
»O nein!« fuhr der Meister fort, »übrigens wäre es auch nicht so leicht gewesen, mich abzuthun; ich hätte gewiss meine Haut und die Goldstücke nicht umsonst hergelassen. Nun, wie es weiter gekommen ist, wisst ihr wohl selbst. Anfangs war ich im Glockenhofe ohne Gesellen, aber nach und nach kamt Ihr aus dem Gebüsche herausgekrochen; denn Gleich und Gleich findet sich.«
Langhanns. »Unser Nest stob, als der vorige Meister starb, der auch sein Handwerk prächtig verstand, auseinander. Man murmelte in Hall drunten von dem Glockenhofe, als ob es da droben nicht so ganz in Ordnung wäre, und sohin machten wir uns fremd. Wir wussten auch nicht, wer etwa die Gießerei übernähme und ob der neue Meister auch wieder ein kleines Nebenhandwerk betreibe. Als wir hörten, dass ein Meister aus Büchsenhausen komme, hatten wir höllischen Respekt. Wir mussten zuerst sondieren, wessen Kalibers er sei, und als wir das erste Mal hieherkamen und den alten Glockenhof in eine Heiligenkapelle umgewandelt antrafen und sahen, wie die Martha ein gar so frommes verklärtes Gesicht machte, – da glaubten wir schon, dass wir unser Glück anderswo versuchen müssten; wir verzichteten auf unsere alte Herberge. Da aber brachtest Du uns bald auf andere Gedanken, wir fanden in Dir nicht nur einen Anfänger, sondern den Meister aller Meister, der alle seine Vorgänger an Schlauheit und Kühnheit übertraf; und darum zollen wir Dir heute auch unsere Ehrfurcht und begrüßen Dich neuerdings als unseren Hauptmann!«
Der Meister: »Nun habt Ihr meine Geschichte zu Ende gehört! Gelebt habe ich, das muss man sagen! Und wenn auch der Schwager, wie König Wenzel den Henker zu nennen beliebte, einst meinen Lebensfaden abschneiden sollte, so habe ich doch der Welt gezeigt, dass ich war, man wird in Jahrhunderten noch von dem Volderwalder-Glockengießer Hanns Gatterer reden.«
Langhanns: »Wahr ist es, ein gefährliches Leben ist das unsrige, aber man genießt doch etwas! Was hat denn so ein Bauernfünfer für ein erbärmliches Dasein; er schindet und rackert sich sein ganzes Leben lang ab. Ein Stückchen schwarzes Brot und das einfältige Wasser ist sein Antheil, und was weiß er von seinem ganzen Leben auf Erden, wenn es vorüber ist? Nicht mehr als der Maulwurf, der in seiner Blindheit schlechte Erde herausschiebt. Wir aber zehren von dem Schweiße und der Mühe anderer und leben dabei wie ein König in Frankreich. Und unser Tod, sei es auch durch Henkershand, ist beim Licht betrachtet leichter, als wenn wir in langer Krankheit und bittern Schmerzen auf dem Lager uns wälzend dem Knochenmann entgegensetzen müssten. Darum auf, Gesellen! Lasst das Lied zum Lobe des Räuberlebens erschallen und stimmt mit an:
Wie lustig ist des Räubers Leben;
Denn ihm gehört die ganze Welt:
Das Geld, das Gut, der Saft der Reben.
Sagt an, was noch dem Räuber fehlt?
Trala, trala, trala, trala etc.
Und so gieng es weiter, bis endlich sich alle heiser geschrien hatten und die Strahlen der Morgensonne schon durch die Ritzen der Fensterbalken hereindrangen.