Plautus
Der Schiffbruch (Rudens)
Plautus

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Zweiter Act.

Erste Scene.

Einige Fischer mit Nezen und Angelruthen treten auf.

Ein Fischer. Den arm gebornen Leuten geht's in jeder Art erbärmlich,
Vor allen dem, der nichts erwirbt und keine Kunst erlernt hat.
Er muß mit dem, was er besizt, aus Noth sich gnügen lassen.
Wie reich wir sind, das könnt ihr wohl schon seh'n an unserm Aufzug.
Die Ruthen und die Angeln hier sind uns Erwerb und Zierde.
Tagtäglich geh'n wir aus der Stadt an's Meer auf unsre Nahrung.
Wir tummeln uns nicht auf dem Plan mit Rennen, Ringen, Fechten.
Meerigel, Austern fangen wir, Meereicheln, Perlenmuscheln,
Seenessel, Felsenschnecken und gestreifte Buttenfische.
Dann greifen wir zum Angelfang, wir fischen unter Klippen.Viele Fische werden in den Felshöhlen mit der Hand gefangen. Dies ist die Klippenfischerei, wobei die Fischer ganz entkleidet sind, und also ziemlich durchnäßt werden, wie in den folgenden Versen angedeutet wird.
Wir holen unser Brod im Meer. Wenn's uns einmal mißlungen,
Wenn wir von Fischen nichts erhascht, so geh'n wir wohlgesalzen
Und reingewaschen still nach Haus, um nüchtern auszuschlafen.
Doch wie das Meer heut Wogen wirft, ist nichts für uns zu hoffen.
Glückt uns kein Austernfang, so zieh'n wir ab mit leerem Magen.
Laßt uns zur guten Venus fleh'n; sie woll' uns freundlich helfen!Die Fischer stehen zu Venus, die, als die Meergeborne, auch eine Göttin des Meeres war, und deßhalb Tempel am Meere hatte.

Zweite Scene.

Trachalio. Die Fischer.

Trachalio. Ich hatte sorgsam Acht, am Herrn ja nicht vorbeizulaufen.
Denn als er wegging, sagt' er mir, er gehe nach dem Hafen;
Ich solle hier bei'm Heiligthum der Venus ihn erwarten.
Doch Leute, die ich fragen kann, steh'n dort: ich gehe näher!
Gruß euch, ihr Meeresdiebe, Gruß euch, Muscheljäger, Angler,
Ihr hungerleidend Menschenvolk! Was macht ihr? Wie verderbt ihr?

Ein Fischer. Wie's Fischern ziemt, vor Hunger, Durst und Warten.

Trachalio.                                                                                       Habt ihr etwa,
So lang ihr hier steht, keinen Mann, roth, kräftig, streng von Anseh'n,
Mit ihm drei Andre gehen seh'n in Mänteln und mit Dolchen?

Der Fischer. Von solchem Ausseh'n, wie du sagst, kam Keiner, daß ich wüßte.

Trachalio. Auch keinen Kahlkopf, untersezt, mit aufgestülpter Nase,
Mit großem Bauch, verdrehten Brau'n und Runzeln vor der Stirne,
Der Götter und der Menschen Haß, von Schande voll und Lastern,
Ein altes Füchslein, und mit ihm zwei ziemlich hübsche Dirnchen?

Der Fischer. Ein Mensch, mit solchen Gaben und Verdiensten ausgestattet,
Der soll zum Henker eher geh'n, als in der Venus Tempel!

Trachalio. Doch, saht ihr ihn, so sagt's.

Der Fischer.                                           Hieher kam Keiner dieses Schlages.
Lebwohl!

Trachalio.       Lebtwohl! (die Fischer entfernen sich.)
                                  Ich dacht' es gleich; wie ich's gedacht, geschah es.
Mein Herrchen ist geprellt; der Schuft, der Kuppler, zog von dannen.
Er stieg zu Schiff; die Mädchen nahm er mit; ich traf es richtig!
Die Lasterbrut! Er lud den Herrn sogar hieher zu Tische.
Was kann ich jezt wohl Bess'res thun, als hier den Herrn erwarten?
Und sollt' ich dann die Priesterin der Venus seh'n, so will ich
Sie fragen, ob sie Weit'res weiß; sie gibt mir sicher Auskunft.

Dritte Scene.

Ampelisca tritt aus dem Tempel. Trachalio.

Ampelisca. (spricht in's Haus zurück)
Ich weiß schon: an der Villa hier zunächst dem Venustempel,
Da soll ich pochen und um Wasser bitten.

Trachalio.                                                         Welche Stimme
Drang da zu meinem Ohre?

Ampelisca.                                 Wer spricht hier? Wen seh' ich? Himmel!

Trachalio. Ist das nicht Ampelisca, die vom Tempel kommt?

Ampelisca.                                                                               Ist das nicht
Trachalio, den ich sehe dort, der Knecht des Pleusidippus?

Trachalio. Sie ist's.

Ampelisca.             Er ist's. Trachalio, willkommen!

Trachalio.                                                                   Danke, – gleichfalls!
Wie geht dir's?

Ampelisca.               Schlecht, so jung ich bin.

Trachalio.                                                         O sage mir was Bess'res!

Ampelisca. Vernünftigen Leuten ziemt es nur die Wahrheit sich zu sagen.
Doch sprich, wo Pleusidippus ist, dein Herr.

Trachalio.                                                             Ei, ei! Als ob er
Nicht drinnen wäre.

Ampelisca.                     Sicher nicht; auch kam kein andrer Mensch her.

Trachalio. So kam er nicht?

Ampelisca.                           Du redest wahr.

Trachalio.                                                       s' ist sonst nicht meine Sache. –
Doch – ist das Morgenmahl bereit?

Ampelisca.                                             Welch Morgenmahl? Ich bitte –

Trachalio. Ihr opfert hier, so viel ich weiß.

Ampelisca.                                                   Freund, sprichst du das im Traume?

Trachalio. Nun, Labrax hat den Pleusidipp zum Schmaus hieher geladen,
Dein Herr den meinen.

Ampelisca.                           Was du sagst, ist, traun, nichts Wunderbares.
Betrügt er Gott und Menschen, das ist alte Kupplersitte.

Trachalio. Ihr opfert nicht, so wenig ihr, als euer Herr?

Ampelisca.                                                                       Du trafst es.

Trachalio. Was machst du sonst denn hier?

Ampelisca.                                                   Aus Angst und vielfach herbem Leide
Und aus Gefahr des Todes nahm uns Arme, ganz Verlass'ne,
Die Venuspriesterin zu sich, mich selbst und die Palästra.

Trachalio. So ist Palästra, meines Herrn Geliebte, hier?

Ampelisca.                                                                       Ja freilich.

Trachalio. Gar lieblich, Ampelisca, klingt dies Wort aus deinem Munde.
Doch möcht' ich gern von der Gefahr, in der ihr wart, vernehmen.

Ampelisca. In jüngster Nacht, Trachalio, ist unser Schiff gescheitert.

Trachalio. Was? Euer Schiff? Was schwazest du?

Ampelisca.                                                             So hast du nicht vernommen,
Daß uns der Kuppler ingeheim von hier entführen wollte
Fern nach Sicilien, und gesammt einschiffte seine Habe?
Dies Alles ging jezt unter.

Trachalio.                                 Dank, Neptunus, großen Dank dir!
Kein Würfelspieler ist geschickt, wie du! Du hast in Wahrheit
Den allerschönsten Wurf gethan, in Grund gebohrt den Gaudieb.
Wo steckt der Labrax jezt?

Ampelisca.                                 Ich glaub', er zechte sich zu Tode.
Auf große Becher hat Neptun ihn diese Nacht geladen.

Trachalio. Da leert' er nothgedrungen wohl sein Glas. Mein Ampeliskchen,
Wie lieb' ich dich! Wie hold du bist! Wie honigsüß du redest!
Wie wardst du mit Palästra denn gerettet?

Ampelisca.                                                         Gleich vernimmst du's.
Wir sprangen angstvoll aus dem Schiff in's Boot, sobald wir sahen,
Daß unser Schiff an Klippen trieb; ich löste flugs das Seil ab;
Indeß die Andern zagten, riß der Sturm uns samt dem Boote
Rechts ab von ihnen, und so sind wir mannigfach von Winden
Und Wogendrang die ganze Nacht graunvoll umhergeschleudert:
Mit Mühe trug uns endlich heut der Sturm halbtodt an's Ufer.

Trachalio. Ja, ja, so macht's Neptunus gern; er ist ein strenger Zöllner;
Wenn Waaren nicht ganz sauber sind, (mit einem schelmischen Blick auf Ampelisca)
                                                            verschüttet er sie alle.

Ampelisca. Zum Henker du mit dem Geschwäz!

Trachalio.                                                           Nein, du, mein Ampeliskchen!
Ich wußte längst und sagt' es oft: so wird's der Kuppler machen.
Die Haare trag' ich künftig lang und spiele den Propheten.Bei Römern und Griechen trugen Dichter, Wahrsager und Gaukler langes fliegendes Haar.

Ampelisca. Habt ihr's gewußt, du und dein Herr, was ließet ihr ihn fortgeh'n?

Trachalio. Was sollt' er thun?

Ampelisca.                             Das fragst du noch, wenn er sie liebte? Täglich
Und nächtlich sie bewachen, auf der Lauer steh'n! In Wahrheit,
Schlecht hat er hier, wie Viele schon, gesorgt, der Pleusidippus.

Trachalio. Wie meinst du das?

Ampelisca.                               Es ist ja klar.

Trachalio.                                                     Nun, weißt du? Wer in's Bad geht,
Der wird, und wenn er sorgsam auch auf seine Kleider achtet,
BestohlenKleiderdiebstahl beim Bade kam bei den Griechen oft vor, und die athenischen Geseze sezten Todesstrafe darauf. ; denn vor wem er sich soll hüten, weiß er niemals.
Der Dieb kennt seinen Mann genau; der Hüter kennt den Dieb nicht.
Doch führe mich zu ihr! Wo ist sie?

Ampelisca.                                               Geh nur in den Tempel!
Da siehst du, wie sie sizt und weint.

Trachalio.                                                 Das seh' ich wahrlich ungern.
Was weint sie denn?

Ampelisca.                       Ich sage dir's. Sie härmt sich ab im Herzen,
Daß ihr der Kuppler ein Kästchen nahm, in dem die Zeichen waren,
Woran sie ihre Eltern einst erkennen kann. Sie fürchtet,
Das sei verloren.

Trachalio.                   Und wo war das Kästchen?

Ampelisca.                                                               Auch im Schiffe.
Nun, meint sie, sei es samt dem Schiff auf hoher See versunken.
Auch war darin des Kupplers Gold und Silber sammt und sonders.
Er schloß es selbst im Koffer ein, damit sie ihre Eltern
Ja nicht erkennen könnte.

Trachalio.                               Ha, welch unerhörter Frevel!
Ein freigebornes, freies Weib, die zwingt er in die Knechtschaft.

Ampelisca. Den Koffer holt' ein Taucher wohl herauf; da weint die Arme,
Daß ihr das Ding abhanden kam.

Trachalio.                                           Nun, desto mehr ist's nöthig,
Daß ich sie trösten gehe, daß sie nicht so sehr sich abhärmt.
Viel Gutes ward ja Vielen schon auch wider ihr Verhoffen.

Ampelisca. Doch weiß ich auch, daß Viele, die gehofft, die Hoffnung täuschte.

Trachalio. Drum ist des Gleichmuths heitrer Sinn der Mühsal beste Würze.
Ich gehe, willst du weiter nichts.

Ampelisca.                                         Geh nur!
(Trachalio geht.)                                     Ich will besorgen,
Was mir die Priesterin gebot, bei'm Nachbar Wasser holen.
Bät' ich in ihrem Namen drum, bekäm' ich's alsbald, sagt sie. –
Noch sah ich niemals eine Frau (dünkt mir) von solcher Würde,
Die mehr verdiente, daß ihr Gott und Menschen freundlich wären.
Wie artig, ach, wie liebevoll, wie edel und wie willig
Sie uns, die Scheuen, Nassen, Ausgeworf'nen, Halbentseelten,
Aufnahm in's Haus, als wäre sie die Mutter, wir die Töchter!
Wie sie geschürzt zum Bad sogar selbst uns das Wasser wärmte!
Nicht aufzuhalten, hol' ich gleich, wie sie's befahl, das Wasser.
(sie pocht an das Landhaus des Dämones.)
Heda!
Ist Jemand hier im Hause, der aufschließt? Erscheint denn Niemand?

Vierte Scene.

Sceparnio. Ampelisca.

Sceparnio. (noch im Hause, ohne gesehen zu werden)
Wer übt so ausgelassen frech an unsrer Thüre hier Gewalt?

Ampelisca. Ich bin es.

Sceparnio.                   Was gibt's Gutes hier? Ei, ei, ein allerliebstes Kind!

Ampelisca. Guten Morgen, junger Mann!

Sceparnio.                                               Den besten Morgen, junge Frau!

Ampelisca. Zu euch komm' ich.

Sceparnio. Gern gewähr' ich dir ein Obdach, wenn du mich zu Nacht besuchst,
Wie du da bist; denn fürwahr, jezt halt' ich dich nicht auf bei mir.
Doch – was willst du, schmuckes, holdes Dirnchen?

Ampelisca.                                                                         Halt, du thust mit mir
Gar zu traulich!

Sceparnio.                 Götter! Dies ist Venus' wahrstes Ebenbild.
Welcher Muthwill' in den Aeuglein! Welcher wunderschöne Wuchs!
Wie der Geier – (sich selbst verbessernd)
                            wie der Adler, wollt' ich sagen, leicht und schlank!
Dann, o Gott! welch schöne Brüstchen! Ach, und welcher Honigmund!

Ampelisca. (ihn abhaltend)
Mensch, ich bin kein Bauernbissen. Hältst du nicht die Hand zurück?

Sceparnio. Darf ich denn nicht fein und sachte dich berühren, feines Kind?

Ampelisca. Hab' ich einmal Muße, bin ich dir zu Scherz und Spiel bereit.
Aber jezt – weßhalb ich komme, thu' es, oder weigre mir's.

Sceparnio. Nun, was willst du?

Ampelisca.                                 Dem Gescheidten sagt mein Aeußres, was ich will.

Sceparnio. (verliebt die Hände nach ihr ausstreckend)
Also sagt wohl auch mein Aeußres dem Gescheidten, was ich will.

Ampelisca. Wasser hier bei euch zu holen, sandte mich die Priesterin.

Sceparnio. Aber ich bin Herrscher hier. Wenn du nicht bittest, kriegst du nichts.
Mit Gefahr nur gruben wir mit unserm Karst den Brunnen aus.
Schmeichelst du mir nicht besonders, trägst du keinen Tropfen weg.

Ampelisca. Was versagst du mir das Wasser, das der Feind dem Feinde gibt?

Sceparnio. Was versagst du mir die Dienste, die der Freund dem Freund erzeigt?

Ampelisca. Alles will ich ja gewähren, was du forderst, lieber Schaz.

Sceparnio. (bei Seite)
Ei, der Daus! Ich bin geborgen. Nennt sie mich doch ihren Schaz! –
Wasser kriegst du. Nicht umsonst sollst du mir gut sein. Gib den Krug!

Ampelisca. Da! (sie gibt ihm den Krug)
                  Doch bring' ihn ohne Säumen!

Sceparnio.                                                         Warte, Schaz, bin gleich zurück.
(er geht in das Haus.)

Ampelisca. (allein)
Was sag' ich nun der Priesterin, weßhalb ich hier so lange blieb?
(sie sieht nach dem Strande)
Wie muß ich jezt noch zittern, ach, erblickt mein Auge nur das Meer!
Doch was gewahr' ich Arme fern am Strande dort?
Den Kuppler seh' ich, meinen Herrn, und aus Sicilien seinen Gast,
Die beide, wie ich wähnte, längst das Meer verschlang.
So lebt für uns mehr Ungemach, als wir gedacht.
Was zaudr' ich? Fort in den Tempel, daß ich's ungesäumt
Palästren melde, daß wir zum Altare flieh'n,
Bevor er herkommt, dieser Schuft, und uns ergreift!
Ich eile fort; hier gilt es wohl geschwind zu sein.
(ab.)

Fünfte Scene.

Sceparnio kommt mit dem Wasser zurück.

Sceparnio. Ich glaubte nie, bei'm Himmel, daß so viele Lust
Im Wasser stecke! Ha, wie gern zog ich's heraus!
Der Brunnen schien mir minder tief als sonst zu sein.
Ganz mühelos zog ich's herauf! Doch – ohne Ruhm –
Ich bin ein Schlingel, daß ich heut zum erstenmal
Zu lieben anfing. Hier das Wasser, schönes Kind!
Trag's so, wie ich, anständig, daß du mir gefällst.
Wo bist du, Schäzchen? Nimm es hier! Wo bist du denn?
Sie liebt mich, glaub' ich – ja! Der Schelm hat sich versteckt.
Wo bist du? Nimm doch hier den Krug! Wo steckst du denn?
Sei doch gescheidt! Mach' endlich einmal Ernst mit mir!
Du willst den Krug noch immer nicht? Wo steckst du denn?
Die seh' ich nirgends. Ihren Spott treibt die mit mir.
So stell' ich hier denn mitten auf den Weg den Krug.
Wenn aber hier nun Einer ihn entwendete,
Der Venus' heil'gen Krug? Ein schlimmes Spiel für mich!
Sie legt mir Schlingen, fürcht' ich fast, damit man gar
Mit Venus' heiligem Kruge mich ertappen soll.
Mit vollstem Rechte ließe mich die Obrigkeit
Im Kerker tödten, sähe man den Krug bei mir.
Er ist gezeichnet»Er ist gezeichnet« mit dem Bilde der Göttin, deren Tempeldienst er gewidmet ist. , schreit von selbst, wem er gehört.
Jezt ruf' ich mir die Venuspriesterin heraus,
Daß sie den Krug nimmt. An die Pforte tret' ich hier.
(er klopft an die Thüre des Tempels.)
He, Ptolemocratia! Holla! Nimm den Krug mir ab!
Ein unbekanntes Dirnchen hat ihn hergebracht.
(da Niemand heraustritt:)
Muß selbst hinein ihn tragen. Hab' ein neu Geschäft,
Wenn ich das Wasser denen auch noch tragen soll.
(er geht in den Tempel.)

Sechste Scene.

Labrax. Bald darauf Charmides.

Labrax. Wer sich in Noth, am Bettelstabe sehen will,
Vertraue nur sein Leben dem Neptunus an.
Denn wer einmal mit diesem angebunden hat,
Den schickt er, zugerichtet so wie mich, nach Haus.
Wie klug, o Freiheit, warst du, daß du nie den Fuß
In's Schiff zu sezen dir getraut mit Hercules!Anspielung aus einen uns nicht mehr bekannten, vielleicht moralisirenden Mythus, wie sich viele dieser Art an den Namen des Hercules anknüpften.
(sich umsehend)
Wo steckt mein Gastfreund, der mir all die Noth erschuf?
Ah sieh, da kommt er!

Charmides.                         Wo (zum Henker!) eilst du hin?
Denn dir so rasch zu folgen bin ich außer Stand.

Labrax. O wärst du doch, eh meine Augen dich geseh'n,
Am höchsten Kreuz verendet auf Sicilien!
Durch deine Schuld nur widerfuhr mir solches Leid.

Charmides. Wär' ich des Tages, da du mich in deinem Haus
Einführtest, lieber tief gesteckt im Kerkerloch!
Die Götter bitt' ich, daß sie dir dein Lebenlang
Nur solche Gäste schicken, die dir ähnlich sind.

Labrax. Als bösen Dämon führt' ich in mein Haus dich ein.
Was hab' ich dir, Verruchter, auch mein Ohr gelieh'n?
Was mußt' ich fortgeh'n? Was bestieg ich doch ein Schiff?
Wo ich des Gutes mehr verlor, als ich besaß.

Charmides. Kein Wunder wahrlich, daß dein Schiff in Trümmer sprang,
Das dich, du Dieb, samt deinem Diebesgute trug!

Labrax. Dein schmeichlerisch Gerede war mein Untergang.

Charmides. Du botst an deinem Tische mir ein schnöd'res Mahl,
Als man's dem Tereus und Thyestes vorgesezt.Tereus, König von Thrakien, hatte Philomela, die Schwester seiner Gemahlin Prokne, entehrt, und ihr die Zunge ausgeschnitten. Aus Rache tödtete Prokne den eigenen Sohn Itys, und sezte ihn dem Vater zum Mahle vor. – Den Ehebruch seines Bruders Thyestes zu rächen, schlachtete Atreus dessen eigene Söhne, dem Vater selbst zum Mahle.

Labrax. Ach, Götter! Mir wird übel! Halte mir den Kopf!

Charmides. Ha, spiest du, mußt du speien, dir die Lungen aus!

Labrax. Palästra, Ampelisca, weh! Wo seid ihr jezt?

Charmides. Die sind der Fische Futter wohl auf hoher See.

Labrax. Durch deine Schuld nur kam ich an den Bettelstab,
Da deinen stolzen Lügen ich mein Ohr erschloß.

Charmides. Du solltest mir noch danken, ich verdiente das,
Daß ich im Meer dich salzte, ungesalz'ner Wicht!

Labrax. Auf, daß du fortkommst! Fort von hier an's höchste Kreuz!

Charmides. Geh selber: ich war eben schon daran, zu geh'n.

Labrax. Weh mir!
Gibt's einen Menschen, der im Elend lebt wie ich?

Charmides. Ich bin noch viel elender, als du's bist, Labrax!

Labrax. Wie so?

Charmides. Weil ich es nicht verdiente; du verdientest es.

Labrax. O Binse, Binse, wie beneid' ich dein Geschick,
Daß du den Ruhm der Trockenheit dir stets bewahrst!Die Binse wird auch mitten im Wasser nicht durchnäßt.

Charmides. Ich übe mich ganz artig auf's Scharmüzeln ein;
Denn Alles sprech' ich zitternd aus vor lauter Frost.

Labrax. Ein kalter Badherr bist du doch, Neptun; ich ging
Von dir mitsamt den Kleidern, und es friert mich noch.
Für warm Getränke richtet er kein Zimmer ein;
Nur kaltes und gesalznes Wasser reicht er uns.

Charmides. Gott! Wie die Eisenschmide doch so glücklich sind,
Die bei den Kohlen sizen! Immer sind sie warm.

Labrax. O hätt' ich jezt doch einer Ente Glück, so daß
Ich trocken würde, wie ich aus dem Wasser bin!

Charmides. Wie, wenn ich als Nußknacker im Theater mich
Verdänge?Der Nußknacker, in der Urschrift manducus, gehörte zu den theils lächerlichen, theils schreckenden Spuckgestalten, welche bei den öffentlichen Spielen der Römer gezeigt wurden, deren Maske sich besonders durch einen weit offenen zum Verschlingen geöffneten Mund und durch lange öfters zusammenklappende Zähne auszeichnete. Köpke nach Festus.

Labrax.             Weßhalb?

Charmides.                       Klappr' ich mit den Zähnen doch
So hell. Gebadet ward ich heut mit vollem Recht.

Labrax. Weßwegen?

Charmides.               Weil ich mich mit dir in's Schiff gewagt,
Der du von Grund aus alles Meer mir aufgewühlt.

Labrax. Ich folgte deinen Reden; du versprachest mir,
Daß dort mit Buhlerinnen großer Handel sei;
Ich könne da recht Geld verdienen, sagtest du.

Charmides. Da wolltest du schon, ungeschlachte Bestie,
Auf Einen Schluck einschlingen ganz Sicilien!

Labrax. Ha, welch ein Hai verschluckte meinen Koffer mir,
Worin ich all mein Gold und Silber eingepackt?

Charmides. Derselbe, denk' ich, der den Beutel mir verschlang,
Der voll von Geld in meinem Reisekoffer war.

Labrax. Weg, Alles weg bis auf das Eine Röckchen hier
Und diesen Wisch von Mantel! 's ist um mich gescheh'n!

Charmides. Dann mach' ich Brüderschaft mit dir, das darf ich wohl:
Wir geh'n zu gleichen Theilen.

Labrax.                                           Wenn die Mädchen nur
Gerettet wären, lebte mir doch noch ein Trost.
Doch wenn der junge Pleusidipp mich jezt gewahrt,
Von dem ich für Palästra schon ein Pfand erhielt;
So richtet der mir widerliche Händel an.
(er bricht in Thränen aus.)

Charmides. Was weinst du, Narr? Um Jeden auszuzahlen, hast
Du noch genug, so lange deine Zunge lebt.

Siebente Scene.

Sceparnio. Charmides. Labrax.

Sceparnio. (kommt aus dem Tempel zurück)
Himmel, was soll das bedeuten, daß die beiden Mädchen dort
Weinend in der Venus Tempel fest umfah'n der Göttin Bild,
Fürchten sich weiß nicht vor wem? Sie sagen, in der jüngsten Nacht
Trieb der Sturm sie lang umher, und warf sie morgens an den Strand.

Labrax. Junger Mensch, ich bitte dich, wo sind die Mädchen, die du meinst?

Sceparnio. Hier im Tempel.

Labrax.                                 Wieviel sind es?

Sceparnio.                                                       Just so viel als ich und du.

Labrax. Die sind mein.

Sceparnio.                     Das weiß ich nicht.

Labrax.                                                         Wie ist ihr Ausseh'n?

Sceparnio.                                                                                       Ziemlich hübsch.
Alle beide könnt' ich lieben, hätt' ich wacker mich bezecht.

Labrax. Nun – es sind doch Mädchen?

Sceparnio.                                             Du bist lästig: geh hinein und sieh!

Labrax. Charmides, gewiß, da drinnen müssen meine Mädchen sein.

Charmides. Mögen dich die Götter strafen, sind sie drinnen oder nicht!

Labrax. Eilig brech' ich ein im Tempel.

Charmides.                                             Lieber noch im Todtenreich!
(Labrax geht in den Tempel.)

Charmides. (zu Sceparnio)
Schaffe mir doch eine Stätte, Freundchen, wo ich schlafen kann.

Sceparnio. Schlafe hier, wo dir's beliebt; es ist Gemeingut; Niemand wehrt's.

Charmides. Doch du siehst, in welchem Stand ich mit den nassen Kleidern bin.
Nimm mich auf in deinem Hause; schaffe mir ein trocknes Kleid,
Während ich die meinen trockne; will dafür erkenntlich sein.

Sceparnio. Dieser Lumpen, sieh, allein ist trocken: nimm ihn, wenn du willst!
Der vertritt mir Alles, Hut und Mantel, wenn es regnen will.
Gib mir deins; ich will es trocknen.

Charmides.                                               Willst du, daß zum zweitenmal
Auch zu Land mir abgespült wird, was ich schon im Meer verspielt?

Sceparnio. Ob du's abspülst oder einsalbst, keinen Deut verschlägt mir das.
Dir vertrau' ich nicht das Kleinste, wenn ich nicht ein Pfand erhielt.
Schwize, oder stirb vor Kälte, sei gesund, sei krank: ich mag
Keinen fremden Gast im Hause; gibt es doch schon Streit genug.
(ab.)

Charmides. (ihm nachrufend)
Gehst du schon? – Ein Sklavenhändler ist der Mensch, sei's wer es sei;
Denn er kennt kein Mitleid. Doch was steh' ich Armer hier so naß?
Will doch lieber in den Tempel, und verschlafe dort den Rausch,
Den ich wider meine Neigung nothgedrungen gestern trank.
Wie bei Griechenweinen, goß Neptunus uns Meerwasser zuDas Feuer der griechischen Weine suchte man dadurch zu mäßigen, daß man Meerwasser dazu goß. ,
Hoffte so mit seinem Salztrank uns den Durchgang aufzuthun.
Was bedarf's der Worte weiter? Wenn der Gott uns länger noch
Nur ein wenig zugesprochen hätte, lägen wir daselbst
Eingewiegt in tiefen Schlaf: jezt schickt er uns halbtodt nach Haus.
Muß jezt nachseh'n, was der Kuppler drinnen macht, mein Tischgenoß.
(er geht in den Tempel.)


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