Plautus
Der Schiffbruch (Rudens)
Plautus

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Erster Act.

Erste Scene.

Sceparnio im Dienste des Dämones tritt mit Schaufeln und Spaten aus dem Hause, um Lehmerde zu graben.

Sceparnio. Ihr guten Götter! Welch ein Ungewitter hat
Neptun in dieser jüngsten Nacht uns hergesandt!
Der Wind hat abgedeckt das Haus. Was red' ich mehr?
Es war kein Wind! Euripides' AlcmeneAlkmene hieß ein untergegangenes Trauerspiel des Euripides, worin Zeus in der Nacht, als Alkmene den Herakles gebar, ein solches Ungewitter erregte, daß das ganze Hausdach in Trümmer ging. war's.
So stürzt' er alle Ziegel uns vom Dach herab:
Ganz licht ward unser Haus, er setzte Lucken ein.

Zweite Scene.

Während Sceparnio an einen Haufen Lehmerde geht und zu graben und zu schaufeln anfängt, kommt Pleusidippus mit einigen Begleitern von der Stadt her. Bald darauf tritt Dämones aus seinem Hause.

Pleusidippus. (zu den Begleitern)
Da zog ich euch von eurer Arbeit ab, und doch
Ist's nicht gelungen, wessenthalb ich euch geholt.
Auch fand ich keinen Kuppler mehr am Hafen dort.
Doch wollt' ich meine Hoffnung nicht aus Lässigkeit
Aufgeben; darum hielt ich euch noch länger auf.
Jezt komm' ich, mich bei'm Venustempel umzuseh'n,
Wo, wie es hieß, er sein Gelübde lösen will.

Sceparnio. (für sich)
Ich muß den Lehm da kneten, so verwünscht mir's ist.Sceparnio mußte den Lehm kneten, um das vom Sturme beschädigte Haus wieder auszubessern.

Pleusidippus. Man spricht in meiner Nähe.

Dämones. (tritt aus dem Hause)                   He, Sceparnio!

Sceparnio. Wer ruft mich?

Dämones.                           Einer, der für dich sein Geld bezahlt.

Sceparnio. Da meinst du wohl, ich sei dein Sklave, Dämones.

Dämones. Wir brauchen viel Lehm; grabe ja recht tüchtig zu!
Ich sehe, daß ich das ganze Haus neu decken muß.
Denn jezo leuchtet's ärger durch, als wär's ein Sieb.

Pleusidippus. Mein Vater, dich, euch Beide grüß' ich!

Dämones.                                                                       Schönen Dank.

Sceparnio. Du nennst ihn Vater, – bist du Mann, Freund, oder Weib?

Pleusidippus. Ein Mann.

Sceparnio.                       O dann such' einen andern Vater dir.

Dämones. Ich hatte nur ein Töchterlein, das ich verlor.
Ich hatte niemals einen Sohn.

Pleusidippus.                                 Gott schenk' ihn dir!

Sceparnio. Und dir, du seist auch, wer du willst, die Schwerenoth,
Der uns mit Schwazen bei'm Geschäft zu schaffen macht.

Pleusidippus. Ihr wohnt in diesem Hause hier?

Sceparnio.                                                         Was fragst du dies?
Spürst du nach einem Orte, wo du stehlen kannst?

Pleusidippus. Das muß ein reicher und bewährter Sklave sein,
Der so das Wort führt, wenn der Herr zugegen ist,
Und gegen einen Freien sich so barsch benimmt.

Sceparnio. Das muß ein ungeschlachter, frecher Junge sein,
Der so zum fremden Hause kommt und lästig wird,
Wenn man doch nichts ihm schuldet.

Dämones.                                                 Still, Sceparnio!
(zu Pleusidippus)
Was willst du, junger Mensch?

Pleusidippus.                                     Für den die Schwerenoth,
Der hier so vorschnell vor dem Herrn das Wort ergreift.
Doch, ist es dir nicht lästig, möcht' ich gerne wohl
Dich kurz befragen.

Dämones.                       Bin bereit, auch bei'm Geschäft.

Sceparnio. (zu Dämones)
O gingst du lieber in den Sumpf, und schnittest Rohr,
Das Dach damit zu decken, weil's nicht regnet!

Dämones.                                                                   Schweig!
(zu Pleusidippus)
Du sprich, begehrst du was von mir.

Pleusidippus.                                             Antworte denn!
Kam dir ein Graukopf zu Gesicht mit krausem Haar,
Ein Schuft, ein Erzschelm, ein Halunk?

Dämones.                                                     So sah ich viel.
Denn solcher Leute wegen leb' ich jezt in Noth.

Pleusidippus. So mein' ich Einen, der zum Venustempel hier
Zwei Mädchen mit sich führte, dann sich rüstete,
Ein Opfer auszurichten gestern oder heut.

Dämones. Nein, junger Mann; schon viele Tage sah ich dort
Niemand ein Opfer bringen; doch kann mir es nicht
Entgeh'n, wenn Jemand opfert; denn hier holen sie
Stets Wasser, Feuer, Pfannen, Messer, Spieß, den Topf
Für's Eingeweide oder sonst Etwas. Genug!
Der Venus halt' ich Brunnen und Geschirr, nicht mir.
Jezt sind es viele Tage, daß hier Ruhe war.

Pleusidippus. Wie du es kundgibst, thust du mein Verderben kund.

Dämones. Um meinetwillen darfst du, traun, ganz heiter sein.

Sceparnio. Du, der des Magens halber um die Tempel streicht,
Du thust am besten, deckst du dir den Tisch daheim.
Denn ohne Zweifel lud man dich hieher zu Tisch:
Doch der dich einlud, läßt sich nirgends seh'n.

Pleusidippus.                                                             Ja wohl!

Sceparnio. Du ziehst mit leerem Magen heim, das steht dir fest.
Geh doch der Ceres lieber als der Venus nach:
Die nährt mit Liebe, Ceres schafft dir Weizen an.

Pleusidippus. (zu seinen Begleitern)
Der Mensch da trieb ein ganz abscheulich Spiel mit mir.

Dämones. Ihr ewigen Götter! Was für Menschen sind denn das
Am Ufer dort, Sceparnio?

Sceparnio.                                 Mir kommt es vor,
Man lud sie wohl zu einem AbschiedsopferEs gab eine eigene Art von Opfern bei den Römern, »propter viam, am Wege« genannt, das Abreisende zu Ehren des Hercules brachten, und dessen Eigenthümlichkeit darin bestand, daß man die Ueberbleibsel des Opferschmauses nicht aufhob, sondern verbrannte, wo also nichts übrig blieb. ein.

Dämones. Wie so?

Sceparnio.             Sie nahmen gestern, glaub' ich, nach dem Mahl ein Bad;
Ihr Schiff zertrümmert' auf der See –

Dämones.                                                   So sieht es aus.

Sceparnio. Wie uns das Haus samt Ziegeln auf dem Lande.

Dämones. (starrt auf das Meer hin)                                         Hui!
Wie winzig seid ihr Leutchen! Wie die schwimmen da!

Pleusidippus. Wo sind die Leute? Bitte dich!

Dämones.                                                       Zur Rechten hier:
Sieh, längs dem Ufer!

Pleusidippus.                     Wohl, ich seh's.
(zu seinen Begleitern)                             Ihr, kommt mit mir!
O wär' es, den ich suche, der verruchte Mensch! –
Lebt wohl! (er geht mit seinen Begleitern ab.)

Sceparnio.         Wir denken daran selbst, da mahne nicht.
Doch, o PalämonPalämon, der Sohn des Athamas und der Ino, der Tochter des Cadmus, der vorher Melicertes hieß, erhielt den Namen Palämon, als seine von dem rasenden Athamas verfolgte Mutter sich mit ihm vom lechäischen Felsen in's Meer stürzte, worauf beide durch Fürbitte der Venus von Neptun in Meergötter verwandelt wurden. , heiliger Gott, Genoß Neptuns,
Und den man seinen Gefährten nennt, o Hercules!
Was seh' ich, welchen Gräuel?

Dämones.                                         Nun, was siehst du denn?

Sceparnio. Zwei Mädchen sizen dort allein in einem Kahn.
Was sich die Armen ängsten! – Hohoho! Wie schön!
Vom Felsen treibt an's Ufer ihren Kahn die Flut:
Kein Steuermann vermocht' es jemals trefflicher.
Traun, größre Wellen sah ich nie mein Lebenlang.
Sie sind geborgen, wenn sie dort der Flut entgeh'n! –
Sieh dort: die Eine warf die Flut zum Boot heraus!
Doch ist's nicht tief. Leicht schwimmt sie wohl heraus. Hoho!
Sie rafft sich auf! Sie kommt heran! Nun steht es gut. –
Die Andre sprang vom Nachen an den Strand herauf.
Wie sie vor Angst in's Wasser auf die Kniee sank!
Sie ist gerettet, kommt heraus, ist schon am Land!
Doch wenn sie rechts sich wendet, ist ihr Tod gewiß.
Ja, ja!
Heut irrt sie wohl noch lang umher.

Dämones.                                                 Was kümmert's dich?

Sceparnio. Nimmt sie den Weg zum Felsen, stürzt sie dort hinab;
Dann hat sie jeden weitern Irrweg abgekürzt.

Dämones. Wenn du von ihrem Abendbrod heut zehren willst,
Sceparnio, sei dann immerhin für sie besorgt;
Wenn du bei mir willst essen, acht' auf mein Geschäft.

Sceparnio. Was du verlangst, ist billig.

Dämones.                                               Gut, so komm!

Sceparnio.                                                                       Sogleich.
(Beide gehen ab.)

Dritte Scene.

Palästra. (tritt auf)
Viel weniger herb erscheint doch das Leid
Der Sterblichen, wenn man's schildert im Wort,
Als wenn wir's durch die That erfahren.
Das wollte der Gott? Ich sollte, gebannt
In entlegenes Land, voll Zittern und Angst,
In solchem Aufzug hier einhergeh'n?
Und zu solchem Geschick, ach! kam ich an's Licht?
Das wäre mein Loos, das wäre mein Lohn,
Daß ich Arme so fromm, so treu mich bewährt?
Denn Qual wär' es mir nicht, ertrüg' ich die Qualen,
Nachdem ich an Eltern, an Gott mich versündigt.
Indeß wenn ich nie müde ward, dies zu meiden,
Verhängt ihr mit Unrecht, unbillig, unwürdig,
Mir das, große Götter!
Was soll denn noch mit den Bösen gescheh'n
In Zukunft, wenn ihr in solcher Art
Schuldlose belohnt? Denn wüßt' ich nur,
Daß ich oder daß meine Eltern gesündigt,
Ich beklagte mich nicht.
Doch die Schande des Herrn, die drückt mich hinab;
Auch ich muß büßen um seine Vergeh'n.
Sein Schiff und Alles verlor er im Meer.
Was ihm von Gütern übrig blieb, steht hier. (auf sich selbst deutend)
                                                                      Auch sie,
Die mit mir fuhr im Kahn, sank hinab in die Flut.
Nun bin ich ganz allein.
Wäre nur sie noch da, lebte sie noch im Licht,
Wäre mein böses Loos leichter durch ihren Trost.
Wo geh' ich nach Hoffnung, nach Rath, wo nach Hülfe,
So einsam in einsame Gegend verstoßen?
Hier starrt ein Fels! Hier braust das Meer!
Kein Mensch, der mir entgegentritt!
Dies Gewand, das mich deckt, ach, es ist all mein Gut!
Speise nicht weiß ich hier, keinen Ort, der mich schüzt.
Welchen Trost hab' ich noch, der in mir Lebenslust
Weckt? Den Ort kenn' ich nicht, war zuvor niemals hier.
Träf' ich doch Einen nur, der mir aus dieser Schlucht
Wo den Weg oder Steg zeigte! So weiß ich nicht,
Ob ich hier, ob ich dort, wo mich hinwenden soll.
Weit und breit kann ich kein Ackerfeld hier erspäh'n:
Schauder, Angst, Zweifel, Schreck fesseln mir jedes Glied.
Ach, ihr armen Eltern wißt nicht, wie ich jezt so arm geworden.
Freigeboren mehr denn Eine bin ich, doch ich war's umsonst.
Denn bin ich minder Sklavin, als wär' ich geborne Sklavin?
Euch konnt' ich niemals Liebes thun, die mich für sich erzogen!

Vierte Scene.

Ampelisca nähert sich von der entgegengesetzten Seite. Palästra.

Ampelisca. Was beginn' ich Bess'res nun, was frommt mir mehr, als wenn ich sterbe?
So im Elend leb' ich, so viel Sorge zehrt an meinem Herzen.
Länger schon' ich nicht des Lebens; jeder Trost schwand, jede Hoffnung.
Ueberall bin ich gelaufen, durchgekrochen alle Winkel,
Um mit Ohren, Augen, Stimme die Genossin aufzuspüren.
Doch ich fand sie nirgends, weiß nicht, wo ich geh'n soll, wo sie suchen,
Und ich kann auch Keinen finden, der mir dient auf meine Fragen.
Oeder ist kein ödes Land, als dieser Ort, als diese Gründe.
Wenn sie lebt, so rast' ich nicht, bis ich sie lebend wiederfinde

Palästra. Welcher Laut scholl mir so nah?

Ampelisca. Ich erschrack! Wer spricht so nahe?

Palästra.                                                             Süße Hoffnung, komm und rette!

Ampelisca. Ja, ein Weib ist's, eines Weibes Laut berührt mein Ohr: du wirst mich
Arme von der Furcht befrei'n!

Palästra. Traun, eine Frauenstimme drang zu meinem Ohr.
Sollt' es Ampelisca sein? Ihr Götter!

Ampelisca.                                                 Hör' ich dich, Palästra?

Palästra. Doch warum ruf' ich ihr nicht geschwind, daß sie's hört?
Ampelisca!

Ampelisca.         Wer ist da?

Palästra. Deine Palästra ruft.

Ampelisca. Rede, wo bist du denn?

Palästra.                                           Bin in gar großem Leid.

Ampelisca. So ich auch; denn mich traf, wahrlich, kein bess'res Loos.
Mich verlangt, dich zu seh'n.

Palästra.                                       Gleiches ist mein Begehr.

Ampelisca. Gehen wir der Stimme nach!
Rede, wo bist du?

Palästra.                       Hier.
Tritt zu mir, komm heran!

Ampelisca.                               Das geschieht unverweilt.

Palästra. Deine Hand!

Ampelisca.                   Nimm sie hier!

Palästra.                                               Bitte, sprich! Lebst du noch?

Ampelisca. Dir, ja dir dank' ich's nur, daß ich noch leben mag,
Weil ich dich, Herzchen, anrühren darf. Glaub' ich's doch
Kaum mir selbst, daß ich dich halte. Komm, küsse mich,
Du, mein Trost! Allen Schmerz, alle Noth linderst du!

Palästra. Was ich selbst sagen will, nimmst du mir aus dem Mund.
Aber jezt laß uns geh'n!

Ampelisca.                             Kind, wohin sollen wir?

Palästra. Folgen wir hier dem Strand!

Ampelisca.                                           Wo du willst, folg' ich dir.

Palästra. So mit durchnäßtem Kleid schwärmten wir hier umher?

Ampelisca. Was du nicht ändern kannst, trage nur in Geduld!
Doch was ist dieses?

Palästra.                           Was?

Ampelisca.                                 Siehst du?

Palästra.                                                     Was siehst du denn?

Ampelisca. Siehst du den Tempel hier nicht?

Palästra.                                                         Und wo?

Ampelisca.                                                                     Rechter Hand.

Palästra. Ein Haus gewahr' ich, wie es Göttern wohl geziemt.

Ampelisca. Nicht weit von hier, Kind, müssen Menschen sein; der Ort
Ist gar zu schön. Ich flehe, welcher Gott es sei,
Ihn an, er mög' uns gnädig aus der Noth befrei'n,
Mit seiner Hülfe nahe sein uns Armen hier.

Fünfte Scene.

Die Priesterin tritt aus dem Tempel. Ampelisca. Palästra.

Die Priesterin. Wer ist's, der den Schuz meiner Göttin hier anruft?
Der Laut frommer Beter entführt mich dem Hause.
Die Herrin ist wohlwollend, huldreich, gefällig;
Ihr habt euch zur huldvollsten Schuzfran gewendet.

Palästra. Gegrüßt seist du, Mutter!

Die Priesterin.                               Gegrüßt seid, ihr Mädchen!
Doch sagt mir, von wannen
Kommt ihr her, so mit durchnäßtem Kleid? Seid ihr doch
Recht traurig zugerichtet!

Palästra. Eben nicht gar so weit kommen wir her zu dir;
Doch der Ort, wo wir her fuhren, ist fern von hier.

Die Priesterin. Wohl mit hölzernem Gespann fuhrt ihr durch blaue Bahn?

Palästra. Allerdings.

Die Priesterin.         Aber dann schickte sich's mehr für euch,
Daß ihr im weißen Kleid kämet und ein Opferthier
Weihtet. Nicht so, wie ihr, tritt man im Tempel ein.

Palästra. Die der Sturm eben erst aus dem Meer auf den Strand
Warf, woher nähmen wir beide wohl Opfer? Sprich!
Flehend umfah'n wir Hülflosen dein Knie, o Frau,
Die wir am fremden Ort, ohne Trost, ohne Rath,
Fremde sind: rettend nimm unter dein Dach uns auf,
Fühle Mitleid mit uns beiden Unglücklichen;
Es winkt uns kein Obdach, uns winkt keine Hoffnung,
Und nichts weiter, als was du hier siehst, ist unser.

Die Priesterin. So gebt mir die Hand denn, erhebt euch, ihr Mädchen;
So mitleidig war keine Frau noch, als ich's bin.
Doch hier wohnt nur Armuth, nur Elend, o Kinder.
Kaum das eigne Leben frist' ich; Venus lebt von meinem Brod.

Ampelisca. Ist dies der Venus Tempel?

Die Priesterin.                                       Ja. Ich bin bekannt
Als dieses Tempels Priesterin. Doch was ich kann,
Werd' ich freundlich euch gewähren, wie's mein Vorrath mir erlaubt.
So folgt mir!

Palästra.             Wie schirmst du so liebreich, so gütig,
O Mutter, unsre Ehre!

Die Priesterin.                   Das ist meine Pflicht.
(Alle drei gehen ab.)


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