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VIII. Krach und Liebe.

Krach und Liebe.

1880.

Unter Lindenbäumen erwacht' ich zum Leben,
Die Vögel flogen um mein Haus,
Es sah so schön, so fröhlich aus,
Die Berge mit den grünen Reben.

Der Weise.

Maienmorgen, aufgeschlossen
Ist das junge Grün der Linden,
In die Holzbank hingegossen
Wir den Weisen wieder finden.

Wieder trug er seinen Ranzen
Aus dem Land der Lazzeronen,
Far niente zu verpflanzen
Auch in nördlichere Zonen.

Von dem Lockenhaupte schauert
Schwarz und breit ein Filshut nieder,
Kaffeebrauner Mantel trauert
Um die vielgereisten Glieder.

Auf dem Blick, dem sanften, blauen,
Trägt er eine goldne Brille,
Und im Unterrock, dem grauen,
Schopenhauers »Welt als Wille«.

Jetzt mit einem Rattelhunde
Kehrt er nach dem Heimatthale,
Schaut befremdet in die Runde,
Auf die Stadt im Sonnenstrahle.

»Weh, wie bist du groß geworden,«
Ruft er aus, »mit Häusermassen
Schwillst du nach der Berge Borden,
Nicht vermag's das Thal zu fassen.

»Weh, wo sind die schmalen Wege,
Die durch Obstbaumgärten führten,
Ob dem Wiesenbach die Stege,
Die mich oft zu Thränen rührten.

»Wo wir erste Veilchen suchten
Mit den Mädchen früh am Morgen,
In den windgeschützten Buchten
Unter Blüten ganz verborgen.

»Nicht umsonst als Erzbuddhisten
Lockt es mich ins Land der Inder,
Bei den Herrn Kapitalisten
Ist kein Raum für Sonntagskinder.

»Dieser Tanz um goldne Kälber
Wird noch grauses Unheil stiften
In ganz Deutschland, und mich selber
Samt der Nation vergiften.

»Diese Gründer soll – –« da siehe,
Kommt ein hohes, schlankes Mädchen
Aus dem Nachbarhaus, die Kniee
Regt sie sittsam, wie in Drähtchen.

Auf dem Sommerhute sprossen
Ackerblumen, gelbe Halme,
Geistvoll ist sie aufgeschossen,
Wie das Wunderbild der Palme.

Und ihr Aug', das blaue, reine,
Und die langen blonden Flechten,
Ist's ein Traumbild, ist es eine
Sendlingin von höhern Mächten?

Leicht beschwingt, gleich einem Pfeile,
Biegt sie nach der nächsten Straße,
Und der Mann in höchster Eile
Folgt, als ob er liebesrase. –

Wo sich schon die Hügel heben,
Tritt sie rasch in einen Garten,
Ein Palast, vollendet eben,
Streckt daraus die Mauerscharten:

Ganz von Sandstein, groß und mächtig,
Mit drei schwebenden Balkonen,
Rings umher ein Garten prächtig:
»Weh, wenn hier die Eltern wohnen!«

Da vom Gärtner aufgeschlossen
Wird das Thor, vorüberfahren
Im Gespann von Ungarrossen
Mann und Frau – »ob sie es waren?«

Er schon ältlich, streng von Miene,
Stumm, als ob er Pläne brüte,
Sie noch reizende Blondine,
Eine zarte Frauenblüte.

Und der Weise tritt voll Zagen
An die hohe Gitterthüre:
»Wer im Haus wohnt, möcht' ich fragen,
Freute mich, wenn ich's erführe.«

Gärtner, ohne aufzuschauen:
Dieses die Besitzer waren,
War mein Herr mit seiner Frauen,
Eben sind sie ausgefahren.

Reiche Leute, doch nur eine
Tochter. – »War es jenes Mädchen?
Jenes blonde, engelreine?«
Das ist unser Elsabethchen!

Und der Weise dankt dem Alten, –
Starrend im Gewühl der Schmerzen,
Muß er sich am Gitter halten,
Und er spricht mit wundem Herzen:

»Es gelangen die Kamele
Leichter noch durch Nadelöhre,
Als des Reichen arme Seele
In der Engel Jubelchöre.

»Doch noch schwerer ohnegleichen
Kann ein Armer hier auf Erden
Mit der Tochter eines Reichen,
Die er lieb hat, selig werden.«

Thränen in den Augen, bleibt er
Lang noch vor dem Garten stehen,
Mit dem Stab im Sande schreibt er
Einen Vers, voll Angst und Wehen:

»Elsa, wie von einer Toten,
Muß ich tiefentsagend hören,« –
Kommt der Hund, mit seinen Pfoten
Seine Dichtung zu zerstören.

Und der Weise lächelt bitter,
Denkt an seines Lebens Mühen,
Gierig durch das schwarze Gitter
Sieht er, wie die Rosen blühen.

Wasserstrahlen sprühen, steigen
Aus den Alabasterbecken,
Hinter dunklen Myrtenzweigen
Marmorbilder sich verstecken.

Also an dem Thor von Eden
Liest ein Sünder fluchbeladen:
Eintritt nicht für einen jeden,
Nur für den von Gottes Gnaden!

Die Begegnung.

Klirrend kommt mit seinem Sabel
Elsas Vetter, Offizier:
Weiser Mann, wie geht es dir?
»O mir geht es miserabel.«

»Bäschen mit den blonden Flechten,
Bäschen hat mir's angethan,
Längst vertreibt mein Liebeswahn
Mir den Schlaf aus meinen Nächten.«

Fröhlich spricht der edle Vetter:
So dies Feuer ist im Haus,
Heute morgen flog sie aus
Bei dem wundervollen Wetter.

Komm mit mir zum hohen Walde! –
Ach so schlug sein Herz noch nie –
Rasch und mühsam klimmen sie
An der steilen Weinberg-Halde.

Droben auf dem grünen Rasen,
Unter Bäumen, kühl und frisch,
Sitzen schon am langen Tisch
Elsa und drei alte Basen.

Heil'ges Glück, an ihrer Seite
Ist gerade noch ein Sitz,
Und der Weise, wie der Blitz,
Setzt sich drauf und blickt ins Weite.–

Gleichwie ferne Kirchenglocken,
Klingt ihm alles was sie sprach,
Wundertöne, welche nach
Fabelhaften Inseln locken.

Die That.

Als der Weise heimgekommen,
O da sang er keine Lieder,
Wie sonst immer immer wieder,
Furchtbar fühlt er sich beklommen.

War's, weil er zu sehr sich freute,
War es Ahnung künftiger Schmerzen,
Ganz wie mit gebrochnem Herzen
Legt er sich aufs Lager heute. –

Nicht des Morgens Rosen nehmen
Ihm die Nebel von der Stirne,
Mit zermartertem Gehirne
Geht er aus in dumpfem Grämen.

Aber als er sie gesehen,
Mit den schönen ätherblauen
Augen, die von Güte thauen,
Spricht er rasch: es soll geschehen!

Geht zurück nach seinem Zimmer,
Sucht nach seinem alten lieben
Büchlein, das er selbst geschrieben
Und im Selbstverlag noch immer.

Blau in Gold ist es gebunden,
Und er schreibt dazu mit Zagen,
Daß die Liebe ihm geschlagen
Unausfüllbar tiefe Wunden.

Wie nach ew'gem Schicksals-Willen
Sie die seine müsse werden,
Seiner Seele schon auf Erden
Ihre Sehnsuchtsqual zu stillen.

Dreimal an die Briefpostlade
Trägt er's, und es steht ein kalter
Angstschweiß auf ihm – in den Schalter
Wirft er's endlich: »Gott mir gnade!«

Elsa im Garten mit Lili.

Ganz ein sonderbarer Mann
Ging vorgestern mit spazieren
Nach dem Waldschloß – o der kann
Einen köstlich amüsieren.

»Ging am langen Pilgerstab,
Den er schnitt an Meeresborden:
Den er trage bis zum Grab,
Mitglied vom Buddhistenorden.

»Edel ist sein Angesicht,
Doch den Kopf, den läßt er sinken,
Was er treibt, man weiß es nicht:
Lebt vom Essen und vom Trinken.

»Ist ein dichtendes Genie,
Das sich von der Welt gewendet,
Ach – und heute morgen, sieh,
Hat er mir sein Buch gesendet.

»Las es schon, es stehn darin
Von Italien hübsche Sachen,
Manches hat gediegnen Sinn,
Uebers Meiste muß man lachen.

»Und dazu, nein denke noch,
Schreibt er an mich solche Lieder,
Liebe, Gute, rat' mir doch,
Send' ich sie nicht sogleich wieder?« –

Und die Freundin, in die Hand
Nimmt sie rasch die losen Blätter:
»Ja, der ist mir wohl bekannt,
Barometer steht auf Wetter!

»Krank vom tiefsten Liebesweh,
Hat er Lied um Lied geschrieben,« –
»Aber sag', wie könnt ich je
Just in solchen mich verlieben?

»Und mein Vater würde nie
Mir dazu sein Jawort geben.
Ist ihm doch die Poesie
Das Verhaßteste im Leben.«

»Liebes Kind, verschwör' es nicht,
Dichter haben Zaubermächte,
Ueberstrahlt vom Himmelslicht,
Thun traumwandelnd sie das Rechte.«

Vor dem Fenster.

Die Wolken hängen tief herab,
Es dunkelt schon im Garten,
Der Weise wandelt auf und ab,
Als wollt' er sie erwarten.

In ihrem Erkerzimmer sieht
Er jetzt ein Licht erschienen:
Ihr Schattenbildnis kommt und flieht
Dort hinter den Gardinen.

Sein Herz in Wonne überschwillt,
Er hat sie heut begegnet,
Ihr Grüßen war besonders mild,
Wie wenn es Blüten regnet.

Und diesen Abend darf er noch
Sie auf dem Balle sehen,
Wohl tanzt er herzlich schlecht, jedoch
Es muß einmal geschehen.

Ihm ist, schon sei in ihrer Brust
Die Liebe wach geworden,
Aufströmt ein Lied ihm unbewußt
In seligen Akkorden:

»Wolken ziehen um dein Dach,
Das im schönen Thale stehet,
Um dein friedliches Gemach
Schon der Nachtwind schaurig wehet.

»Perlgerät und Edelstein
Nimmst du von den blanken Tischen,
Daß mit ihrem bunten Schein
Sie dein Angesicht erfrischen.

»Denn seit jener einen Stund'
Dir das liebliche verblaßte,
Und in deiner Seele Grund
Eine fremde Macht dich faßte.

»Du gehörst dir nicht mehr an,
Denkend trittst du an das Fenster,
Dran vorbei in wildem Bann
Jagen Engel und Gespenster.

»Immer ärger stürmt es her,
Tollverworrenes Getriebe,
Aber durch das graue Meer
Bricht ein Strahl der ewigen Liebe.

»Wolken ziehen um dein Dach,
Das im schönen Thale stehet,
Um dein friedliches Gemach
Schon der Nachtwind schaurig wehet,«

Er singt's und immer weiter flirrt
Das Licht im Erkerraume,
Doch der Poet hat sich geirrt,
Er wandelt bös im Traume.

Wohl sitzt hier schön Elisabeth
Zum Ball im blauen Kleide,
Verstimmt, verstört, ihr Denken geht
In unverstandnem Leide.

Die Basen haben ihr gesagt,
Sie werde aufgezogen
Von jedermann, als wilde Jagd
Sei's durch die Stadt geflogen.

Der Weise sei ein Taugenichts,
Versuch' es längst mit allen,
Bis sie vom Klange des Gedichts
Bethört, ins Netz gefallen. –

Sie hält das Büchlein in der Hand
Und die geschriebnen Lieder,
Ihr Geist ist fern hinweggebannt,
Sie blättert planlos wieder.

Da hört sie rasche Schritte gehn,–
Eh' sie sich kann besinnen,
Muß auch der Vater vor ihr stehn
Und alsogleich beginnen:

»Mein Kind, was hast du denn gethan,
So zeig' mir die Gedichte,
Aus welchem Grund nahmst du sie an,
Die Stadt weiß die Geschichte.

»Die ganze Sache kam heraus,
Dort auf dem Lindenplatze,
Da malt man Bilder an das Haus
Von dir und deinem Schatze.«

Elise drauf und seufzet tief:
»Das hat er mir gesendet,
Das Büchlein hier und hier den Brief,
Drin er an mich sich wendet.«

Der Vater schlägt den Fuß zurück
Und liest den Brief geschwinde,
Und sagt: »Das ist ein großes Glück,
Das ich es so noch finde.«

Läßt scharf auf ihr die Augen ruhn:
Es bebt an allen Gliedern
Schön Elsabeth, was soll sie nun
Dem Vater nur erwidern.

Es strömt bis über ihre Stirn
Das heiße Blut zusammen,
Ihr ist, als wäre ihr Gehirn
In tausend Feuerflammen.

»Beruhige dich,« der Vater spricht,
»Ich bring' es schnell ins reine,
Liebst du den Weisen oder nicht,
Erkläre nur dies Eine.

»Er hat es ungeschickt gemacht,
Der gute Herr Poete,
So daß er dich bereits gebracht
In übeles Gerede.«

In Elsa's edlem Herzen steigt
Kein Geist empor im Grimme,
Allein in ihrem Herzen schweigt
Auch jede andre Stimme:

»Ich lieb' ihn nicht, ich haß' ihn nicht,
Still ist's in meinem Herzen –«
»So laß uns thun nach unsrer Pflicht,
Doch ohne ihn zu schmerzen.«

»Die Lieder wollen wir geschwind
Ihm alle wieder senden!«
»In Gottes Namen,« sagt das Kind, –
»So hat es müssen enden!«

Der Vater hört es hocherfreut,
Holt Siegellack und Schnüre,
Und packt und packt, damit es heut
Der Weise noch erführe.

Der Ball.

Er mit seinen Urwaldstiefeln,
Ach, nun ist er auf dem Balle,
Elsa ist noch nicht gekommen,
Sonst versammelten sich alle

Vor ihm her auf langen Bänken
Thronen sie in hellen Scharen,
Wie auf einem Sklavenmarkte
Dort im Lande der Tartaren.

Hinter jeder Tochter ihre
Mutter, wie ein Adler schauend,
Sich auf diesen oder jenen
Eine Heiratshoffnung bauend.

Und der Weise in Verzweiflung:
Hier bekomm' ich keine Nahrung,
Wo ist jene Form, die göttlich
Aller Rätsel Offenbarung?

Eben wieder geht die Thüre,
Und sie kommt, im Kerzenlichte
Ueber ihre Eltern ragend
Mit dem Sonnenangesichte.

Nicht im Ballanzug, im blauen
Seidekleid ist sie gekommen,
Und schon wiegen sich die Paare,
Von des Walzers Wut durchglommen.

Aber mit den Urwaldstiefeln
Naht sich schon der Liederdichter,
Achtet nicht auf der Verwandten
Unwahrscheinliche Gesichter.

Grüßt nachdrücklich mit dem Kopfe,
Schieflings, wie er immer pfleget,
Doch die Hohe, wie ein Holzbild,
Steht sie lautlos, unbeweget.

Ohne Wunsch und Ziel, austilgend
Alle Glut und alles Hoffen,
Steht sie, und es zuckt der Arme,
Wie vom Blitz ins Herz getroffen.

Unermeßlich bis zum Weltschmerz
Muß sich ihm sein Leiden dehnen,
Und er duckt in eine Ecke,
In den Augen starre Thränen.

Deckt sie mit den Händen, die da
Seinem Fracke lang entragen,
Will an jeglicher Erlösung
Dieser Todeswelt verzagen, – –

Nach dem Ball.

Am offnen Fenster sitzt
Das Kind noch lang im Dunkeln,
Der Morgensterne Funkeln
Zu ihr herüber blitzt:

»Was hab' ich denn gethan,
Daß ich ihn weggestoßen,
Dieweil er nur mit Rosen
Bestreute meine Bahn.

»Aus seinem Auge quoll
Ein Strahl der tiefsten Schmerzen,
Und kam aus einem Herzen,
Das reich und wundervoll.

»Die andern, die ich sprach,
Wie sind sie arm gewesen,
Er rief in meinem Wesen
Die besten Geister wach.

»Ich sah sein Angesicht
Im Ueberdrang der Zähren
Urplötzlich sich verklären, –
O das vergeß' ich nicht.« –

Da löscht der Sterne Schein,
Die Wolken werden grauer,
Der Morgenröte Schauer
Weht schon vom Fichtenhain.

Zurück.

Aus gräßlich durchgehärmter Nacht
Hat er sich früh erhoben,
Durch seine Brust verhundertfacht
Graun-wüste Bilder toben.

Er setzt sich wiederum aufs Bett,
Ermüdet bis zum Tode,
Da bringt ein grauliches Packet
Ihm von der Post der Bote.

Der Arme wiegt es in der Hand,
Er weiß ja was darinnen,
Aus seinen Augen unverwandt
Die heißen Thränen rinnen.

Und endlich muß er's öffnen doch,
Da liegt so Brief als Lieder,
Ja selbst der alte Umschlag noch,
Nur umgedreht, ist's wieder.

Das Packpapier so regengrau,
Und wie er darauf geschrieben
»Mit Schriften ohne Wert«, genau
So ist es nun geblieben. –

Auf der Heide.

Auf der Heide sitzt der Weise,
Unversöhnt in seiner Qual,
Abendglocken klingen leise,
Leise aus dem tiefen Thal.

Wilde Felsennelken blühen,
Golden in der Sonne Gold,
Und am klaren Himmel glühen
Zarte Wölkchen, engelhold.

Stunden schon in seinem Wehe,
In den Mantel eingemummt,
Sitzt er an dem kleinen Seee,
Unglückselig und verstummt.

Und auch Elsa, Zweifel treiben
Ihre Seele, jung und mild,
Kann nicht mehr im Garten bleiben,
Strebt empor ins Berggefild.

Auf der schöngeschlungnen Steige,
Die von Villen dicht besät,
Drängt sie aufwärts, da zur Neige
Schon die liebe Sonne geht.

Ganz umströmt vom Abendschimmer
Hier die hohe Heide ruht,
Und das Mädchen wandelt immer
Weiter nach des Bergsees Flut.

Felsig-niegegangne Pfade,
Waldeslüfte, frisch und rein,
Aber sieh, am Seegestade
Sitzt der Weise auf dem Stein.

Und er hat sie schon gesehen,
Wie sie geht im Abendlicht,
Märchenzauber zucken, wehen
Ueber seinem Angesicht.

Und im Nu den Sitz verlassend,
Tritt er kecklich hin zu ihr,
An der linken Hand sie fassend:
»Elsa, o vertraue mir.

»Gönne mir nur zwei Minuten
Hier auf diesem Felsenstein,
Dann mag still mein Herz verbluten
Unglückselig und allein.«

Und er zieht sie zu sich nieder
Aengstlich auf das graue Moos,
Leise beben ihre Glieder,
Und er spricht wie teilnahmlos:

»Heute morgen, schon beklommen
Ob dem gestrigen Versuch,
Hab' ich noch zurückbekommen
Jenen Brief und jenes Buch.

»Schlecht ist wohl der Text gewesen,
Den zum Buch der Weise schrieb,
Seine Werke mag man lesen,
Aber er ist niemand lieb.«

Spricht's und wagt hineinzuschauen
In ihr klares Angesicht,
Ganz betäubt von Glück und Grauen,
Aber Elsa lächelt nicht.

Wortlos, wie in leisem Grimme,
Sitzt sie da, wie schwer gekränkt, –
Und er spricht mit matter Stimme,
Seinen Kopf herabgesenkt:

»O verzeihen Sie, – es zittert
Meine Seele, wie ein Blatt,
Das der Frühlingssturm zerknittert
Und in Staub geworfen hat.

»Scheiden wir, o diese Stunde
Wird mir ewig teuer sein,
Bis sie mich im Thalesgrunde
Unbetrauert senken ein.

»Dieses Auge wird als Leuchte
Ueber meinem Haupte stehn,
Wenn des Alters trübe, feuchte
Wolkenschauer drüber gehn.

»Meines Schmerzlieds tiefste Töne
Wird es stärken, wie ein Geist,
Daß ich gottvoll mich versöhne,
Der ich grenzenlos verwaist.

»Scheiden wir« – und wie gebrochen
Irrt sein Blick zu ihr hinan,
Hörbar seine Pulse pochen,
Und er sieht sie flehend an.

Aber Elsa, tief errötend,
Schaut ihm starr ins Angesicht,
Plötzlich alle Scheue tötend,
Sie mit weichen Lauten spricht:

»Ich vermag es nicht zu fassen,
Was ich Ihnen sagen soll,
Nur das Eine weiß ich, lassen
Wir den mißverstandnen Groll.«

»Alles, alles will ich geben,
Alles, alles will ich thun,
O mir scheint, mein ganzes Leben
Soll in Ihren Händen ruhn.«

Es versagen ihre Lippen,
Weil sie weinen, weinen muß,
Und er drückt auf ihre Lippen,
Wie im Traume, Kuß auf Kuß.

Die Werbung.

Draußen an dem Saum der Wiese,
Die begrenzt vom Erlenbach,
Sitzt der Vater der Elise,
Denkt der letzten Tage nach.

Wie verändert ist mein Kind doch,
Ihre Wangen sind verblüht,
Reizbar ist sie, und so lind doch
War von jeher ihr Gemüt.

Hab' ich mich vielleicht vergriffen,
Daß ich sie vom Weisen zwang,
Der ihr doch so frech gepfiffen
Den verlockenden Gesang.

Nicht bin ich ein Feind der Lieder,
Sind sie wirklich wahr und echt,
Aber ganz ist mir zuwider
Dieses lungernde Geschlecht,

Das in Hochmut unergründlich
Niemals weiß, wohin es strebt,
Thatenlos, bequem und sündlich,
Auf der andern Kosten lebt.

Solch ein reiches, schönes Mädchen,
Solch ein lichter Edelstein,
Wäre wohl für das Poetchen
Wie gefunden, – aber nein!

Nein! – nicht reich braucht sie zu küren,
Nur ein wackrer, thät'ger Mann
Soll sie zum Altare führen,
Der sich selbst ernähren kann!

Also denkend sitzt der Vater
An des Baches grünem Rand,
Doch der Weise, furchtsam naht er,
Tief den Schlapphut in der Hand.

»Guten Tag,« schon aber stocken
Seine Lippen, – wie noch nie,
Steht er in den Tod erschrocken, –
»Bitte doch, was wünschen Sie?«

»Guten Tag, ich will es wagen,
Einmal muß es doch ja sein,
Jetzt bei Ihnen anzufragen,
Sagen Sie auch dreimal Nein.

»Alles, alles will ich tragen,
Dieser Erde tiefste Pein,
Blutend mich durchs Leben schlagen,
Bis Elisabeth wird mein.

»Ihre mir geweihte Liebe,
Ihrer Augensterne Glut,
Hält mich, – bis im Weltgetriebe
Gott an uns ein Wunder thut.

»Daß, was ich im Traum der Lieder
Wonnetrunken längst geschaut,
Einst als Wirklichkeit hernieder
Ueber unser Leben thaut.«

Aber liebt Sie denn Elise?
»Gestern sprach sie's glühend aus!«
Und der Alte fährt auf diese
Nachricht zornerfüllt heraus:

Wahrlich, hinter meinem Rücken
Waget ihr bei Sturm und Nacht,
Euch an mir vorbei zu drücken,
Nein, das hätt' ich nicht gedacht!

»Es war Zufall, Fügung Gottes,
Will ich sagen, und Er wird,
Sind Sie jetzt auch bösen Spottes,
Zeigen, daß wir nicht geirrt.«

Ich bin auch kein blöder Spötter,
Und weiß auch, was Recht und Pflicht,
Noch, mein Herrchen, eure Götter,
Die verehr' ich freilich nicht.

Denn sie heißen Träumen, Schlafen,
Liebelein und Müßiggang,
Und ihr bleibet ihre Sklaven
Euer ganzes Leben lang!

»Eure Götter,« ruft der Weise,
Dem das Blut ins Auge rollt,
»Find' ich unter allem Preise,
Kälber sind's aus rotem Gold.

»Tanzt euch satt, es kommen Tage,
Und die Tage sind nicht fern,
Da im wilden Wetterschlage
Ihr erfahrt die Hand des Herrn!

»Grausig wird der Himmel krachen,
Und die Welt in Flammen steht,
Aber durch den Höllenrachen
Wandelt lächelnd der Poet.

»Lebet wohl, was wollt ihr wetten,
Auf, es gilt Elisens Hand,
Einstens will ich euch erretten,
Wenn ihr gänzlich abgebrannt!«

Todesbleich von seinem Sitze
Fährt der Alte, außer sich –
Doch der Weise: »Laß die Hitze,
Bester, ich empfehle mich!«

Und mit graziösem Schwunge
Schwingt er seinen breiten Hut,
Und mit einem kühnen Sprunge
Setzt er durch des Baches Flut.

Abschied.

Alle Lerchen singen in dem Himmel,
Alle Lilien stehen auf dem Feld,
Aus dem Thal mit silbernem Gebimmel
Schwärmerisch der Chor der Glocken gellt.

Und er spricht: »Lebt wohl, ihr Pietisten,
Lammesfromm und vor der Stirn ein Brett,
Und ihr andern, die noch keine Christen
Und noch Feinde sind vom Schweinefett.«

Wieder trägt er seinen braunen Mantel,
Dornenstock und seinen breiten Hut,
Und begierig seinem Lebenswandel
Folgt der Rattenfänger, treu und gut.

Auf dem letzten rauhen Felsensteine
Rastet er sich aus im Morgenrot,
Und verhüllt sein Haupt, damit er weine,
Denn er ist betrübt bis in den Tod.

Dann beginnt er: »Enger Thaleskessel,
Muß hinauf in freie Bergesluft,
Rasch vergessen bei Cyan' und Nessel
Deinen süßlichen Kloakenduft.«

»Mag das Größte hier dein Herz ersinnen,
Niegeahnte Weisen, o Poet,
Noch die Palme wird nur der gewinnen,
Der am höchsten auf dem Geldsack steht!«

Und die Glocken hören auf zu gellen
Tief im Thal, er schickt den Abschiedskuß,
Und der Rattelhund beginnt zu bellen.
Weil man wieder auf die Reise muß.

Die Verhaftung.

Kraftlos und in öder Trauer
Schleicht er auf der Straße fort,
Da begegnet ihm ein blauer
Schutzmann aus dem nächsten Ort.

»Landsmann, wohin geht die Reise,
Euer Bündel drückt nicht schwer?«
Fragt der ganz vergnügt und leise
Und geht forschend nebenher.

»Ach, wohin, was wird's noch werden,
Und woher, ich weiß es nicht,
Nur im Traum sind wir auf Erden,
Und verlöschen wie ein Licht.«

»Wo Sie hingehn, möcht' ich wissen« –
»Bin ein Blatt im Winde nur,
Jäh vom Lebensbaum gerissen,
Wank' ich über Berg und Flur.

»Und nur dieser Rattenfänger
Mir als Freund zur Seite irrt,« –
»Das ertrage ich nicht länger,
Hiemit Er verhaftet wird!

»Dieser Hund hat keine Marke,
Und Er selbst nur Handgepäck!«
Fest am Arme führt der Starke
Ihn zum nahen Dorfe weg.

Kinder geben das Geleite,
Nach dem Rathaus geht die Jagd,
Wo sofort der meterbreite
Schultheiß ihn gemütlich fragt:

»Wo ist Er geboren worden?«
»Thalheim heißt die teure Stadt,
Wo sich jeder einen Orden
Holt, sobald er keinen hat.«

»Wie heißt Er?« »Ich heiße Maier,«
»Alt?« »Sie sagen dreißig Jahr,«
»Ledig?« »Selbst nahm ich den Schleier,
Weil mir keine günstig war.«

»Welch' Gewerbe?« »Lyrikaster.«
»Was ist das?« »Ein saures Brot!«
»Also Bäcker?« »Nein ein Laster,
Das mich treibt in frühen Tod.«

»Hat Er wirklich eine Krankheit,
Er scheint förmlich ungesund,
Prangt mit übergroßer Schlankheit,
Wie sein Scherenschleifershund!«

»Liebeswehe heißt mein Leiden,
Längst gebrochen ist mein Herz,
Möchte Friedenspalmen schneiden,
Um zu pilgern himmelwärts.«

»Glaubt Er gar an Most und Bebel
Und ist sonst ein Atheist?«
»Nein bei Gott, allein ein Knebel
Tief in meiner Seele ist.

»Möchte in Erlösungsworte
Gießen, was die Brust mir schwellt,
Und des Paradieses Pforte
Wäre frei für alle Welt!«

»Schutzmann, der ist nicht gefährlich,
Zwar im Kopfe nicht gescheut,
Doch in seiner Dummheit ehrlich,
Wären nur so alle Leut!«

Auf der Hünenburg.

Da liegt die Burg der Hünen,
Wo wieder neu belaubt
Die Buchenwälder grünen
Ums alte Felsenhaupt.

Gemieden ist die Stelle,
Gespenstig ist der Ort,
Nur riesenhafte Wälle
Von Steinen liegen dort.

Verwildert ist die Stätte
Durch Baum- und Dornenwuchs,
Es sucht sich hier sein Bette
Der Marder und der Fuchs.

Vergangen die Gefechte,
Der rauhe Schlachtgesang,
Der durch die Winternächte
Zum Thale niederdrang.

Verschleudert die Geschosse
Aus starker Heldenhand,
Zu Staub verbrannt die Rosse
Im lohen Opferbrand.

Begraben auch die Frauen,
Die mit dem keuschen Blick
Prophetisch konnten schauen
Das kommende Geschick.

Manch runder Hügel stehet
Noch über ihrem Staub,
Geheimes Flüstern gehet
Durchs frische Buchenlaub.

Und hier im hohen Walde,
Im kühlen Höhlenritz,
Hält er als »letzter Skalde«
Verborgen seinen Sitz.

Dort wandelt er alleine
Mit seinem Hund einher
Von Fels- zu Felsensteine,
In Träumen, tief und schwer.

Heut auf dem höchsten Felsen
Steht er im Morgenstrahl,
Die Nebelbilder wälzen
Sich drohend durch das Thal.

Er singt: »Ihr Schriftgelehrten
Und Pharisäerlein,
Die meinem Volk verwehrten
Das Grab im Götterhain!

»Die seine Bundeseichen
Gefällt mit frevlem Schlag,
Euch alle soll erreichen
Der Graun-Vergeltungstag!«

Da muß sein Blick gewahren
Fern überm Thalesrand
Zerstreute Männerscharen
Mit Fahnen in der Hand.

Bedenklich schaut er nieder.
Merkt endlich, was es sei:
»Man wählt zum Reichstag wieder.
Da bin ich auch dabei.«

Die Reichstagswahl.

Blauer Montag – schlechter Magen,
Und die Köpfe dick und seicht.
Ein unsäglich Unbehagen
Alles Menschliche beschleicht.

Durst auch, Durst am frühen Morgen,
Und vertrunken ist das Geld,
Selbst der Freund will nicht mehr borgen
Auf der mangelhaften Welt! –

Gar noch Wahltag ist es heute,
Brennend sticht der Sonnenschein,
Dicht im Staube ziehn die Leute
In das alte Städtchen ein.

Mit des Reiches Fahne wieder
Veteranen, jung und stramm,
Singen hell die deutschen Lieder,
O, das klingt so wonnesam!

Stumm darauf, in vollen Bärten,
Männer der Demokratie –
Schüchtern folgend ihren Fährten,
Tritt der Weise neben sie.

Denn schon springt mit einer Glocke
Auf den Stuhl ihr Kandidat,
Gegen ihn, im schwarzen Rocke,
Steht ein echter Bureaukrat;

Bauern auch mit Lederhosen,
Tief den Dreispitz im Genick,
Zu beschwören heut des großen
Vaterlandes Wehgeschick.

Dreimal läßt die Glocke tönen
Auf dem Stuhl der Demokrat,
Aber dann mit Donnerdröhnen
Streut er aus der Worte Saat:

»O ihr Bauern, noch so teuer
Ward es in dem neuen Reich,
Und die stets erhöhte Steuer
Holt am ersten man bei euch!

»Hans und Frieder fehlt dem Pfluge,
Einsam steht der Ochs am Berg,
Doch getrost, bald aus der Fuge
Geht das heikle Uhrenwerk.

»Sagt, wo sind die Milliarden?
Schaurig gähnt das Defizit,
In des Volkes letzte Schwarten
Machen sie den letzten Schnitt.

»Daß man neu im Golde schwimme,
Nimmt man euch den Tobak auch –
Bismarck ruft's mit Donnerstimme:
Nußlaub auch giebt guten Rauch!«

Vivat hoch, es gärt im Volke,
Vivat hoch, der Demokrat!
Trostlos steht, in finstrer Wolke,
Der Regierungskandidat!

Da gedenkt der Weise: brechen
Muß ich jetzt das Volksgewühl!
»Bitt' ums Wort!« – So laßt ihn sprechen!
Er beginnt mich Hochgefühl:

»Germania als Kassandra.«

»Einsam, wie ein wunder Adler,
Sing' ich meine Klagelieder,
Ohne Lober, ohne Tadler,
Denn mein Wort ist euch zuwider,
Nur der falsche Klang des Goldes
Hat für euch noch etwas Holdes.

Einen Krieg hat man geschlagen,
Wie noch nie die Welt gesehen,
Riesig die Trophäen ragen
Und die deutschen Banner wehen,
Doch nach all' den schweren Siegen
Ist nur das Papier gestiegen.

Kaum die Toten sind begraben,
Und das Reich ist ausgeründet,
Wird geschachert und geschaben
Und gewuchert und gegründet,
Als ob diese große Zeiten
Nur ein Israel befreiten.

Und ihr seht vor euren Thoren
Nicht den Feind voll Racheblicken,
Wie ihm seine Trikoloren
Tausend flinke Hände flicken,
Hütet euch, die Wacht am Rheine
Strahlt im blut'gen Wiederscheine!

Und ihr seht im eignen Lager
Nicht die finstern Schatten schleichen,
Ausgeklüftet, glatt und hager,
Hergesandt aus welschen Reichen,
Um mit ihren Kuttenstricken
Licht und Leben zu ersticken.

Und ihr sehet nicht den Drachen,
Der mit ihnen eng im Bunde,
Mit dem Erdölflammenrachen
Lauert er im Hintergrunde,
Wehe, wenn das Ungeheuer
Uns entreißt des Staates Steuer!

Aber einsam in der Wüste
Sing' ich meine Klagelieder,
Und zerschlage meine Brüste,
Denn mein Wort ist euch zuwider,
Einsam meine Stimme schallet:
Hütet euch, daß ihr nicht fallet!«Doch sie schreien wutgerüttelt:
Schlagt ihm doch den Schädel ein!
Aepfel,nicht vom Baum geschüttelt,
Fliegen sausend hinterdrein,

Faule Eier auch in Menge;
Breit gedeckt von seinem Hut,
Flüchtet er aus dem Gedränge,
Denn er kennt die Gegend gut.

Rasch aus einem Hinterhause,
Ueber einen Berg von Mist,
Klettert er, und das Gebrause
Immer noch im Wachsen ist.

»Hängt ihn an den höchsten Galgen!«
»Nein, er ist ein Ehrenmann!« –
Und ein brüderliches Balgen
Ist der Rede Frucht sodann.

Keuchend einer Römerstraße,
Die seitab zum Walde zielt,
Folgt er, duckend sich im Grase,
Während daß er rückwärts schielt.

Doch sein Hund nur folgt den Spuren,
Und nun kühn wie Hannibal,
Geht er aufrecht durch die Fluren,
Ueberdenkend seinen Fall.

Spricht: »O Schuster, bleib' beim Leisten,
Politik ist nicht dein Fach,
Dichtend magst du etwas leisten.
Redend warst du immer schwach.«

Zu dem nahen Waldessaume
Er mit seinem Hunde irrt,
Da vom großen Eichenbaume
Gläserklang entgegenschwirrt:

Männer sind's aus bessern Ständen,
Drüben aus der Nachbarschaft,
Becher haltend in den Händen,
Reden sie mit großer Kraft.

Zweige um das Haupt sie flechten,
Lachen laut in muntrem Chor –
Und er denkt: »Das sind die Rechten!«
Geht, und stellt sich ihnen vor.

Der Geburtstag.

Der Mama Geburtstag heute,
Eingeladen viele Leute,
Schmausen schon am langen Tische,
Sind bereits am zweiten Fische.

Schöne Herrn und junge Damen
Zu dem Wiegenfeste kamen,
Hochehrwürdig unter ihnen
Alte Tanten und Kousinen.

Flammenreiche goldne Lüster
Bändigen des Saales Düster,
Aus den schweren Prunktapeten
Große Oelgemälde treten.

Und zu jeder neuen Speise
Andre Weine, rote, weiße,
Und wie Wein an Wein sich schließt,
Munterer die Rede fließt.

Eingehüllt in Brüßler Kanten,
Die durchfunkelt von Brillanten,
Sitzt Elisabeth beim Mahle,
Wunderschön im Kerzenstrahle.

Ihrer Liebe bange Schmerzen
Drängt sie stark zurück im Herzen,
Denkt, bei Menschen dieser Sorte
Sei die Sehnsucht nicht am Orte.

Rechts von ihr, gebrannten Haares,
Und im Hintergrund viel Bares,
Sitzt ein junger Mann voll Leben –
»Soll uns einen Eidam geben,«

Denkt der Vater, ihr zur Linken,
Seine grauen Aeuglein blinken,
Ganz in Festeslust zerflossen,
Weil er viel des Weins genossen.

Jener spricht zu ihr voll Hulden:
Fräulein, vierzigtausend Gulden
Gilt vom Bauplatz jetzt der Morgen,
O da lebt man ohne Sorgen.

Habe selbst der Morgen sieben,
Und sobald Sie es belieben,
Laß ein Haus ich bauen – Ihnen
Drin mein lebenlang zu dienen.

Elsa drauf nach kurzer Pause:
»Mich verlangt nach einem Hause,
Fensterlos und kühl und klein,
Da wird mir am wohlsten sein.«

Er nach längerem Besinnen:
»Klarheit kann ich nicht gewinnen,
Laß das Haus in allen Fällen
Auf die Winterseite stellen.«

Horch die Champusflaschen knallen,
Pfröpfe auf die Tafel fallen,
Und daneben am Klaviere
Regen sich der Hände viere:

Eingeladne Virtuosen,
Die ums Warme grandiosen
Mißbrauch treiben mit Gefühlen,
Rasend in den Tasten wühlen!

Riesenhaftes Applaudieren,
Gläserklang und Toastieren, –
»Else, laß die Noten bringen,
Eine Arie zu singen!«

Ruft der Vater, sie verblaßt,
Doch sie rasch sich wieder faßt,
Und mit elegantem Schritt
Sie zu dem Klaviere tritt.

Und sie spielt, ha, welche Weisen,
Tanzmusik, phantastisch reißen
Ihre Klänge, hell von Scherzen,
Flammend fort der Hörer Herzen.

Brava! brava! voller immer
Wird ihr Anschlag, toller immer
Zuckt und blitzt es durch die Tasten
Hin in fieberhaftem Hasten.

Alles eilt vom Sitz und ohne
Nachzudenken zum Salone,
Von der Töne Wollustwogen
In den Wirbeltanz gezogen.

Elsa lächelt, wie sie draußen
Hört die Tanzeswellen brausen.
Neben ihr im atemlosen
Staunen stehn die Virtuosen.

Und nun rasch mit holden Mienen,
Fortzuspielen, winkt sie ihnen:
»Mit Vergnügen,« sagen die,
Und im Nu verschwindet sie.

Geht aufs Zimmer – tief alleine
Sitzt sie dort im Dämmerscheine,
Ohne Trost und ohne Thränen,
Bis sich muß ihr Busen dehnen.

Und in balsamsüßen Bächen
Ihr hervor die Thränen brechen –
Dann vom Tische nimmt sie wieder
Zitternd seine letzten Lieder,

Die, als er die Stadt verlassen,
Bei dem Gärtner er gelassen,
Drin sein ganzes ew'ges Lieben
Er in Flammenschrift geschrieben.

»Hier ist Geist und reines Leben,«
Spricht sie endlich, – »und daneben,
Unter mir am offnen Fenster,
Grinsen greuliche Gespenster.

»Wie sie jauchzen, wie sie johlen,
Und er flieht auf wunden Sohlen,
Seine Kraft im Sturme bricht,
Großer Gott, verlaß ihn nicht.

»Nur an Dir emporgerichtet,
Hat er Lied um Lied gedichtet,
Unser Lieben, unser Leben
Ganz in Deine Hand gegeben.«

Horch, da dringen sanfte, schöne,
Wehmut-überhauchte Töne
Vom Salon, und träumend nieder
Sinkt ihr Haupt auf seine Lieder.

Der Traum.

Der Weise ruht mit seinem Hund
Auf einem Hünengrabe,
Ein König sitzt im Hügelrund
Samt aller seiner Habe.

Um seine Stirn ein Diadem,
Aus purem Gold getrieben,
Zur Hand die Waffen, die bequem
Ihm hingelegt die Lieben.

Die Waffen und die Krone sind
Allmählich am Zerbrechen,
Nun geht um seinen Leib so lind
Der Gurt aus Eisenblechen.

Der Weise sinkt in süßen Traum,
Und sieht aus seinem Grabe
Den König steigen hörbar kaum,
Der fragt ihn, was er habe.

»Ich habe nichts und trage nichts,
Als meine eigne Schwere,
Und bade mich im Quell des Lichts
Nach Schopenhauers Lehre.

»Und weil ich ruh' auf deinem Grab,
So will ich deiner Seelen,
Damit sie Unterhaltung hab',
Vom Neuesten erzählen:

»Wir haben in dem letzten Krieg
Das Vaterland gerettet,
Es folgte Schlag auf Schlag der Sieg,
Germania ward entkettet.

»Auch haben mir unendlich Gold,
Unendlich Gold gewonnen,
Doch wie der Bach ins Weltmeer rollt,
Ist unser Gold zerronnen.

»Da haben wir Papier gemacht
Mit großen Wasserzeichen,
Nimm deine goldne Kron' in acht,
Sie werden dich erreichen!«

Der alte Hüne stöhnte tief,
Verkroch sich in den Rasen,
Der Weise aber weiter schlief
Ganz über alle Maßen.

Und wieder taucht ein helles Licht
Empor in seinem Traume,
Ein lieblich Mädchenangesicht
Erscheint am Eschenbaume.

Wie schön ihr die Korallen stehn
Zum weißen Sommerkleide,
So zeigen sich die Bergesfeen
Im Wald und auf der Heide.

Sie tritt zu ihm in holder Scheu
Mit einem Kranz von Rosen,
Und sagt: »Ich blieb dir lieb und treu,
Du darfst mich nicht verstoßen.«

Um seine Locken legt sie nun
Den Kranz von roten Rosen,
Läßt lang auf ihm die Augen ruhn,
Die blauen, stillen, großen.

Er zuckt empor, verschwunden ist
Das holde Traumgebilde,
Durch Thränen lächelt der Buddhist
Vor Wehmut und vor Milde.

Ein wundervolles Ahnen geht
Ihm auf im Herzensgrunde:
»Es dachte die Elisabeth
An dich zu dieser Stunde.

»Gieb acht, es wird noch alles gut,
Du mußt empor dich raffen,
Dir kaufen einen andern Hut,
Und wie die andern schaffen.

»Du schriebst ja schon so manches Buch,
Das niemand noch gelesen,
Weil's Poesie – das ist dein Fluch
Von Jugend auf gewesen.

»Geh' auch einmal den Hundetrab,
Die breite Heeresstraße,
Steig' von dem Pegasus herab,
Bequeme dich der Phrase.

»Schreib' übers Kunstgewerbe doch,
Das thust du nicht verstehen,
Beginne diesen Abend noch,
Es wird vortrefflich gehen.«

In der Bergstadt.

Durch der Bergstadt enges Thor
Tritt er ein mit raschen Schritten,
Eilend nach dem Münsterchor,
Der sich mächtig hebt inmitten.

Turmlos, weil zu groß gedacht,
Steht der Bau mit seinen Schiffen,
Und in seine kühle Nacht
Tritt der Weise, tief ergriffen.

In den Bogenfenstern glühn
Fromme Bilder, purpurfarben,
In den Kreuzgewölben blühn
Golddurchblitzte Blumengarben.

Aus dem Hintergrund beginnt
Eine Orgel sanft zu tönen,
Und der Weise, wie ein Kind,
Beugt sich vor dem Ewigschönen.

Seiner Heimat süßes Thal
Sieht er dort am blauen Strome,
Hoffend wiederum einmal,
Tritt er aus dem hohen Dome.

Draußen an der Nebenwand
Ein Gerüst und Leitern stehen,
Maurer, Kellen in der Hand,
Eifrig auf und nieder gehen.

Dicke, weiße Farbe quillt
Drunter aus der großen Tonne,
Oben prangt ein Freskobild,
Englein grüßen die Madonne.

Und weil mehrfach das Gewand
Der Gestalten halb verblichen,
Wird von der Gesellen Hand
Jetzt das Ganze zugestrichen.

Er erspäht's – den Kübel um
Stößt er rasch samt Farb' und Kellen,
Vor Erstaunen starr und stumm
Stehen aufrecht die Gesellen.

Aber dann: was geht's Euch an,
Das gehört der Stiftungspflege,
Die hat's in Akkord gethan,
Geld her, oder es giebt Schläge!

Doch der Weise, rasend wild:
»Wer noch einmal mit der Kelle
Rührt an das Marienbild,
Den erschlag' ich auf der Stelle!«

Sausend mit dem Pilgerstab
Holt er aus, – die Maurer brüllen
Wütend vom Gerüst herab –
Volk beginnt den Platz zu füllen.

Niemand weiß was werden soll,
Niemand bändigt mehr die Geister, –
Da zur Rettung wundervoll
Naht der Oberbürgermeister.

Mit dem Haupte, schon schneeweiß,
Teilt er sorgsam das Gedränge,
Ehrerbietig einen Kreis
Bildet rasch um ihn die Menge.

»Dieses hohe Meisterstück
Wollen schnöde sie vertünchen,«
Ruft der Weise, – »kam zum Glück,
Und nun möchten sie mich lynchen.«

»Schaut doch, wie das Angesicht
Der Madonna fein gemalet,
Welch ein überirdisch Licht
Aus den langen Wimpern strahlet.

»Rührend ist hier jeder Zug
Der jungfräulichen Gebärde,
Bitten kann ich nicht genug,
Daß das Bild erhalten werde.«

Näher tritt mit festem Blick
Unser Oberbürgermeister,
Senkt den Kopf tief ins Genick,
Schweigt und schweigt, – dann endlich preist er

Selbst das Bildnis – »Ja fürwahr,
Schönheit hat es und Noblesse,
Sah's noch nie, ging Jahr für Jahr
Dran vorüber in die Messe.

»Stets mit seinem Heil'genschein
Soll es uns am Dome blinken –
Und Sie lad' ich freundlich ein,
Mit mir ein Glas Wein zu trinken!«

Der Krach.

Als der graue Nebel sich verzogen,
Tritt er furchtsam in die Riesenstadt,
Die sich mit gewalt'gem Häuserbogen
Um der Berge Kranz gelagert hat.

Wunderbar aus Gold und Marmelsteinen
Türmt empor Palast sich an Palast,
Alle Menschen hier zu fliegen scheinen,
Aufgeregt in fieberhafter Hast.

Ein Getös, Karrossen an Karrossen,
Und darinnen liegen schön und breit
Damen, von Juwelen übergossen,
Im Gesicht vornehme Müdigkeit.

Jeden Augenblick bekommt von hinten
Der Buddhiste einen leichten Stoß –
»Wär' ich bei den blauen Hyazinthen
Doch geblieben in des Waldes Schoß!«

Murmelt er, und durch die Menschenmenge
Keilt er sich zum Börsenplatze vor,
Aber grausig ist das Volksgedränge,
Fürchterlicher Lärm umtäubt sein Ohr!

Von der Börse langen Marmorstufen
Kommt ein markdurchdringendes Geschrei,
Eines nur versteht man aus den Rufen,
Ein entsetzliches Owaih! Owaih!

Um der Börse hohe Porphyrsäulen
Prallt ein Menschenwirbelstrom herum,
Wölfen gleich, die Aktionäre heulen:
»Schwer geprüft wird doch das Publikum!«

Andre wieder, in den Zeitungsblättern
Bohren sie sich bis zum Hals hinein:
»Alles hin, da steht's mit Riesenlettern,
Ach, es kann, es kann, es kann nicht sein!«

Drüben trägt man eine schwarze Bahre,
Und der Weise fragt zum Nachbar hin:
Herrscht die Cholera hier? »O nein, bewahre.
Da liegt wiederum ein Gründer drin.«

»Ist das Geld verjobbert, geht's ans Henken,
Und dem einen folgt der andre nach,
Junger Mann, es giebt wohl viel zu denken
Der von Gott gesandte große Krach!«

Und der Weise nickt mit offnem Munde, –
»Kracht es hier, so kracht es wohl auch dort,«
Sagt nachdenklich er zu seinem Hunde,
»Komm, wir gehen sogleich wieder fort.«

Am Steinkreuz.

Wetterwolken, fürchterliche Hitze,
Nicht ein Lüftchen durch die Tannen geht,
Mühvoll klimmt er auf des Berges Spitze,
Wo ein halbversunknes Steinkreuz steht.

Welch ein Blick, von Waldgebiet umdichtet,
Liegt der Bodensee im blauen Glanz,
Und dahinter, riesig aufgerichtet,
Ragt in Glut der Hochgebirge Kranz.

Aber todesmüde sinkt er nieder
Auf die Heide neben seinen Hund,
Plötzlich kommen ihm die Thränen wieder
Und er klagt aus tiefstem Herzensgrund:

»Alles, alles, alles fehlgeschlagen,
Keine Rettung auf der ganzen Welt,
Hunger knurrt mir leise schon im Magen,
In der Tasche klirrt mein letztes Geld.

»Wehe mir, an gar so mancher Thüre
Pocht' ich heiß, da ward mir aufgethan,
Daß ich schöne Tröstungen erführe,
Aber niemand nahm sich meiner an.

»Was mir fehlt, das ist im Blut das Eisen,
Geltend mich zu machen, o mein Gott,
Meine Freunde nannten mich den Weisen,
Aber längst bin ich der Buben Spott.

»Das Gefilde prangt voll goldner Aehren
Und verheißt dem Landmann reichstes Glück,
Ich allein, ich kann mich nicht ernähren,
Ew'ger Vater, nimm dein Kind zurück.« –

Immer schwerer drückt auf ihn der Kummer,
Keine Thräne seine Seele stillt,
Da versinkt sein Haupt in jähen Schlummer,
Einen Schlummer, tief und todesmild.

Und die Vöglein singen auf der Heide:
Lebensmüder Pilger, gute Nacht,
Deiner wartet eine große Freude,
Eine Freude, wie du nie gedacht.

Heimkehr.

Freudig in das grüne Thal
Strebt er heim im Morgenstrahl,
Wie die Stadt so prächtig liegt
Und sich an die Berge schmiegt.

Wälder glühen in der Rund,
Jubelnd bellt der Rattelhund, –
Mit den Türmen, stolz und hehr,
Steigt sie aus dem Nebelmeer.

Doch er schweigt vor Freuden still,
Denn er hat jetzt was er will,
In der Tasche einen Brief,
Der zum Lehrer ihn berief

Auf die Universität –
Weit gebracht hat's der Poet,
Weiter als er je gedacht
Und die andern ausgemacht.

Durch die Straßen voller Hast
Strebt er nach dem Steinpalast,
Den der Vater seiner Braut
Von den Aktien erbaut;

Grüßt ihn laut von ferne schon,
Aber leer steht der Balkon,
Oede steht ihr Fenster auch,
Das sonst linder Blumenhauch

Ueberschwoll, wo frisch und flink
Sang ihr lieber Distelfink,
Ach, der ganze Stock ist leer,
Und sein Herz wird centnerschwer.

Aber sieh, ein heller Troß
Drängt sich in das Erdgeschoß,
Drinnen herrscht ein wüster Schall,
Stampfen wie in einem Stall.

Tief erregt das Angesicht,
Er sich Bahn zur Halle bricht,
Sagt, was wird denn da gemacht?
»Nun sie sind jetzt auch verkracht!

»Wohnen jetzt im Hinterhaus,
Mit der Herrlichkeit ist's aus,
Heut noch währt die Auktion,
War die halbe Woche schon.«

Bis zur Decke Kist' an Kist'
Drohend aufgestapelt ist,
Alter Tage Glück und Glanz,
Staubig und entwertet ganz.

Einer schwingt den Hammer schwer,
Und das Publikum umher
Paßte nicht in den Salon,
Maste Weiber, plumper Hohn!

Unsrem Weisen wird es heiß,
Er sich kaum zu halten weiß –
»Hier ein Fink im Käfig noch,
Der pfeift aus dem letzten Loch!«

Eine Frau, bedenklich stark,
Ruft: »ich gebe sieben Mark,«
Daß es ihm das Herz zerreißt,
»Zwanzig Mark!« und klirrend schmeißt

Er das Goldstück auf den Tisch,
Nimmt den Vogelkäfig frisch,
Und verschwindet aus dem Thor –
Das kommt ihnen närrisch vor.

Die Botschaft.

Auf dem Dache sich die Kätzchen sonnen,
An dem Fenster sitzt Elisabeth,
Leis im engen Hofe rauscht der Bronnen,
Der beim alten Fliederbaume steht.

Windenblumen blühen um die Scheiben,
Niedre Fenster, aber nett und blank,
Und das Mädchen sieht die Wolken treiben
An dem Himmel, ist vor Schmerzen krank.

»Keine Nachricht, keine, nicht verlassen
Hat er mich – und darum ist er tot,
Gar so wüst-unsicher sind die Straßen,
Jeden Tag ein neues Schrecknis droht.«

Und sie drückt das Antlitz in die Hände,
Und ein heißer Strom von Thränen bricht
Ihr vom Auge schwer, als ob sie fände
Nimmermehr aus dieser Nacht ein Licht.

Horch, da singt mit wunderlichem Locken
Vor dem Fenster ihr ein Vögelein,
Aus den Thränen blickt sie süß erschrocken,
Und ihr kleiner Liebling fliegt herein.

Und sie streichelt seine bunte Schwinge,
Kosend wendet sich das kluge Tier,
Um das Hälschen trägt es eine Schlinge,
Drin ein schmales Ringlein von Papier.

Auf dem Ringlein steht umher geschrieben:
»Elsabeth, wir sind unsäglich reich,
Nicht umsonst war unser treues Lieben,
Diesem Vogel folgt ein andrer gleich.«

In der Laube.

Was wedelt denn der Rattelhund
So munter mit den Ohren,
Sie sitzen Hand in Hand jetzund,
Er küßt sie auf den Rosenmund,
Ins Paradies verloren.

Sie blickt ihn an voll Zärtlichkeit
Und unnennbarer Wonne,
Nach jahrelangem Herzeleid –
So bricht aus trübem Wolkenkleid
Der Strahl der Maiensonne.

Weich über ihrem Haupte schlingt
Sich eine Rebenlaube,
Der treue Fink im Käfig singt,
Und über ihre Seelen dringt
Ein lichter Gottesglaube.

»Was hab' ich doch, mein liebes Kind,
Dir alles zu erzählen,
Du weißt ja, wie die Dichter sind,
Und daß sie werden doppelt blind,
Beim Wunsch, sich zu vermählen.

»So warf ich jüngst aus Liebesweh,
Im Kreise der Doktoren,
Der Dame neben den Kaffee
Auf ihre Robe, weiß wie Schnee, –
Da war das Spiel verloren.

»Nun bin ich selbst ein Doktor gar,
Ich kann es kaum begreifen,
Und weiß nun selbst was ewig wahr,
Und muß in der gelehrten Schar
Mich auf mein Wissen steifen.

»Und nie versagt mir dieser Hort,
Denn in den meisten Fällen
Schleppt sich ein mißverstandnes Wort,
Stets wieder abgeschrieben, fort,
– Wir nennen das die Quellen.«


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