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IV. Humoristica.

Mein Lied ist eine Thräne,
Die trüb vom Auge fällt,
Doch unterm Fallen spiegelt
Sie bunt die ganze Welt.

Der Dichter.

Was der Dichter voll von Schmerzglut
Schrieb mit seinem eignen Herzblut,
Liest er Freunden und Gevattern,
Die wohlmeinend ihn umschnattern,
Trägt es dann des andern Tages
Zum Großtürken des Verlages:
»Nun im Hinblick auf das Damen-
Publikum in Gottes Namen.«

Zeit um Zeit zerfloß indessen,
Alte Leiden sind vergessen,
Unsern Dichter sieht man laufen,
Eine Wurst sich einzukaufen;
Metzgerin reicht sie hernieder,
Eingewickelt in die Lieder,
Die er einst voll wilder Schmerzglut
Schrieb mit seinem eignen Herzblut.

An Apollo.

Laß mich nicht wie jene werden,
Großer Gott, ich bitte dich,
Die vor allem Volk der Erden
Reden halten fürchterlich.

Kommt auch einstens diese Wut mir,
Himmlischer, so schlage drein,
Treibe dann den hohen Hut mir
Dumpfen Klangs von oben ein.

Bis zum Nacken treib' ihn nieder,
Daß nach kurzem Todeskampf
Ich erstick' in meiner Lieder
Höchstureignem Schwefeldampf.

Der Buddhiste.

Sie fliegen auf der Eisenbahn
Mit brausend wildem Dampf,
Still krattelst du zu Fuß bergan
Und kriegst den Wadenkrampf.

Ihr rechnender Gedanke sprüht
Als Blitz von Draht zu Draht,
Dein liederträumendes Gemüt
Kommt überall zu spat.

Sie schweifen mit Kometenbrunst
Trüb-endlos wärts und wärts,
Doch ruhig klar durchglänzt den Dunst,
Dem Pol-Stern gleich, dein Herz.

Die Harmlosen.

Ach wie harmlos bin ich doch
Und wie harmlos ist mein Vater,
Wohl zufrieden immer noch
Dient dem württemberg'schen Staat er.

Auf der offnen Straße gehn
Mit anständigstem Gesichte
Sohn und Vater, ungesehn
Machen sie jedoch Gedichte.

Lind ist ihres Liedes Ton,
Denn sie haben feine Ohren,
Nur bisweilen murrt der Sohn,
Daß er überhaupt geboren.

Mit der tiefsten Höflichkeit
Ziehn sie stets die hohen Hüte,
Schlagen mühsam jeden breit
Mit bewußter Herzensgüte.

Darum achtet man so sehr
Solchen Vater und sein Kindel,
Doch sie selbst empfinden schwer
Dieser Welt vielargen Schwindel.

Und um an ihr bessres Sein
Nicht den Glauben zu verlieren,
Gehn sie oftmals ganz allein
In dem grünen Wald spazieren.

Klimmen oft in Abendglut
Auf der Vorzeit heil'ge Trümmer,
Und erforschen da mit Wut
Deutsch' und römische Altertümer.

Und in hoher Andacht tönt
Nun ihr klarer Geist sich hier aus,
Und dann ziehn sie weltversöhnt
Im Triumph ins beste Bierhaus.–

Ach wie harmlos bin ich doch
Und wie harmlos ist mein Vater,
Ach sie bringen endlich noch
Uns als Lustspiel aufs Theater,

Die Olympier.

Donnerschwere Wolken tauchen
Aus der Nacht des Aetna-Kraters,
Doch am allerstärksten rauchen
Die Philister meines Vaters.

Thronen in der Oelbier-Höhle
Nicht mit nordischer Phantastik,
Nein in griechisch-klarer Wöhle,
Als olymp'sche Götterplastik.

Ihre hohen, himmlisch reinen
Stirnen, nie von Ungeduld heiß,
Denken ganz im allgemeinen
An den neugewählten Schultheiß.

Und ich selbst, der kleine Spötter,
Mich nicht aufzureiben brauche,
Nur bisweilen fragt der Götter
Einer, ob ich denn nicht rauche? –

Sieh, nun kreist in ihrer Mitten
Eines Riesenrettichs Walze,
Den der Vater selbst geschnitten
Und bestreut mit Opfersalze.

Horch, das Schnarchen stockt allmählich
In den langen Pfeifenröhren, –
Die Olympier, sanft und selig,
Nur das Gras noch wachsen hören.

Die Bummler.

Scheine doch, du liebe Sonne,
Wieder auf der Bummler Rücken,
Daß sie wieder, wie die Mücken,
Klumpen bilden voller Wonne.

Wo die prächtigen Alleen
Wölbender Kastanienbäume,
Nebenan des Schlosses Räume,
Kann man euch tagtäglich sehen.

Kann man sehn euch alle Tage
Sehnsuchtsvoll aus Eck' und Enden
Hieher eure Schritte wenden
Mit dem Zwei-Uhr-Glockenschlage.

Schon von fern hört man euch lachen,
Auf Gerecht'- und Ungerechten
Pflegt ihr ja stets eure schlechten
Randbemerkungen zu machen.

Glücklich fielen eure Lose,
Während Haß die Völker peinigt,
Euch in Liebe stets vereinigt
Meines Vaters große Dose.

Und so bleibt ihr ohne Frage,
Nach dem guten Mittagessen
Wiederkäuend, weltvergessen,
Doch im Grund die Herrn der Lage.

Aber wenn von dumpfen dreien
Schlägen dröhnt der Bauch der Glocken,
Werft ihr euch gelind erschrocken
In die einzelnen Kanzleien.

Bleib' euch sonst in allen Stücken
Eure hohe Bummelwonne;
Scheine doch, du liebe Sonne,
Lange noch auf ihren Rücken.

Sonntag.

O wie rinnt in meine Glieder
Eine stille Seligkeit,
Sonntag, Sonntag ist es wieder,
Abgelegt das Werktagskleid.

O wie machst du jede Plage,
Alles wieder schön und gut,
Nachgeschmack von jenem Tage,
Da der Herr der Welt geruht.

Rufst in unserer gescheiten,
Fleiß'gen Welt oft wunderbar
Mir zurück die seligen Zeiten,
Als es immer Sonntag war.

Für die nächste Schöpfungsfrage
Mach' ich, Herr, den Vorschlag nun:
Ruhen mögst du sechs der Tage
Und am siebten gar nichts thun.

Mein Herz ist gut.

Mein Herz ist gut, mein Ruf ist schlecht,
Ich führ' ein Heidenleben,
Und lache mit dem bunten Specht
Und weine mit den Reben.

Im Thale weiß ich jeden Baum
Und eine jede Blüte,
Den allergrünsten Waldessaum
Führ' ich mir zu Gemüte.

Weiß, wo die schönste Quelle blitzt
Durchs finstre Felsgesteine,
Die seligste der Drosseln sitzt
Im Abendsonnenscheine.

Auch jedes gute Menschenherz
Weiß ich geschickt zu grüßen,
Mit meinem kinderleichten Scherz
Sein Leben zu versüßen.

So liebt mich alles weit und breit,
So hallt durch meine Lieder
Der teuren Heimat Herrlichkeit
In hoher Wonne wieder.

Und wenn ich durch des Todes Joch
Einging zum ew'gen Leben,
Wird sanft von mir ein Odem noch
Mein Heimatthal umschweben.

Sonderbar.

Sonderbar, ein solcher Abend
Ist nicht übertrieben labend,
Trotz der honigsüßen Torten
Und des Weins von allen Sorten.

Trotz der liebenswürd'gen Damen,
Welche hier zusammen kamen;
Jede ist für sich allein
Süßer noch als Tort' und Wein.

Aber sind es gar so viele,
Greift man zum Gesellschaftsspiele,
Wieder mit Verwegenheit
Spielen sie Verlegenheit.

Und der Mann in seinem Grame
Wendet sich von seiner Dame,
Wird dem Becher wieder hold
Und tritt ab als Trunkenbold.

Poesie.

O Zaubrin Poesie,
Du hast mich stets benebelt,
Und hast mir Hand und Knie
Von Jugend auf geknebelt.

Mein Vater sandte mich
Nach vieler Herren Ländern,
Da draußen sollte sich
Des Sohnes Sinn verändern.

Sein Wesen wurde zwar
Beweglicher und freier,
Doch als er heimkam, war
Mit ihm die alte Leier.

Ernst, der Gymnsilke.

1.

Ach jeden Morgen knappe
Ich schwer mit meiner Mappe
In das Gymnasium;
O wie viel besser triebe
Ich mich mit meiner Liebe
Am Lindenplatz herum.

Die Herren Professoren
Zerreißen mir die Ohren
Mit ihrem Redefluß;
Ich weiß nicht, was sie wollen,
Und meine Thränen rollen
Auf meinen Livius.

2.

Immer doch auf der Altane
Bin ich so alleine,
Forsch' in meinem finstern Wahne
Starr in ihrem Stundenplane,
Zittere und weine.

Sie indes im Haus der Fibel
Wird die allerletzte,
Weil sie, denkend an's Geliebel,
Im Französischen »terribel«
Mit »ernst« übersetzte.

Und zu Hause, wehe, wehe.
Wohnt sie unter Drachen,
Die, wenn ich vorübergehe
Und nach der Geliebten sehe,
Zu den Laden machen.

Die Geliebte.

Mein Vater ist ein Fiedelmann,
Der wunderherrlich geigen kann,
Wie geiget er so schöne,
Er geiget fis und geiget cis,
Das giebt ins Herz mir einen Riß,
Die vielen, vielen Töne.

Meine Mutter ist eine große Dam',
Die sitzt so da als wie im Gram,
Und thuet nichts als schweigen,
Der Vater auch macht nicht viel Wort,
Und geht gleich nach dem Essen fort,
Zu fischen und zu geigen.

Mein Liebster ist ein Gymnasist,
Was eigentlich noch gar nichts ist,
Doch ist er gar so holde,
Und käme selbst ein Lieutenant
In silberstrotzendem Gewand,
Ich keinen andern wollte.

Die Eltern nicht verliebt mehr sind,
Ich bin das allereinz'ge Kind
Und sitze so alleine,
Und wenn die schöne Mutter schweigt,
Und wenn der gute Vater geigt,
Ich oft im stillen weine.

Die Geliebte vor dem Pfarrer.

Das arme Kind, der Pfarrer mußt'
Das Schreckliche erfahren,
Sie steht vor ihm sich kaum bewußt
Mit ihren goldnen Haaren.

Der Pfarrer denkt in seinem Sinn:
Noch eine süße Speise,
Der feine Mund, das weiche Kinn,
Die Stirn, die blendend weiße.

Gewöhnlich ruft uns unsre Pflicht
Zu vorgerücktern Damen,
Zu solchen Jungfraun, welche nicht
Sich mehr verbräutigamen.

Sie aber ist nicht fünfzehn Jahr
Und schon so ausgebildet,
Und ihre Augen sind fürwahr
Von Liebe schon durchmildet.

Und eine Wehmut überschleicht
Den alten Seelenhirten,
Dann aber spricht er: Kind, wie leicht
Zählt man zu den Verirrten.

Mit einem Jüngling stehst du schon
In zärtlicher Bekanntschaft,
Mir sagt es mit gerechtem Hohn
Die sämtliche Verwandtschaft. –

Wie wurde wie das Blut so rot
Das Kind, das heilig holde,
Und wieder blaß als wie der Tod,
Als ob sie sterben sollte.

Dann aber ist ein Thränenstrahl
Aus ihr hervorgebrochen, –
Ich habe nur ein einzigmal
Mit ihm ein Wort gesprochen.

Der Mantel.

Wär' die Welt nur bloß gemein,
Doch sie stört auch unsern Wandel,
Hülle mich noch fester ein,
Alter Philosophenmantel.

Alter Freund und Havelock,
Du mein einzig Hausgeräte,
Aber wie des Heilands Rock,
Stark gewirkt und ohne Nähte.

Was dir zwar nichts Neues war,
Eine Liebe sahst du sterben,
Und so ließ ich dieses Jahr
Dunkelmumienbraun dich färben.

Halbägyptisch eingesargt.
Geh' ich um in diesem Tuche,
Geh' ich durch des Lebens Markt,
Wie zu flüchtigem Besuche.

Meine Straße.

Königsstraße, meine Wonne,
O was wär' ich ohne dich,
Auf dein Pflaster scheint die Sonne,
Wenn es noch so winterlich.

Schon seit zwanzig Jahren schreite
Ich an deiner Sommerseite,
Wurde niemals deiner satt,
Hauptpulsaderstrom der Stadt.

Sehe hier mit schnellen Schritten
Treffliche Israeliten,
Welche an des Volkes Heil
Unablässig nehmen teil.

Auch erscheinen, freilich minder
Häufig, unsre schönen Kinder,
Mädchenjugend, hoch entblüht,
Kinder nur noch im Gemüt.

Ferner Dichter, groß von Namen,
Denen kolossale Dramen,
Während sie vorüber gehn,
Sich im Eingeweide drehn.

Redakteure dann der Blätter,
Jene mager, diese fetter,
Diese rosig, jene fahl,
Je nach Abonnentenzahl.

Und am Ende wie ein Kläger
Mir der eigene Verleger,
Drei Kritiken in der Faust,
Trüben Augs hinunter saust.

In dem Café hat sein Ziel er,
Wo die Schau- bis Trauerspieler,
Götzenartig wunderbar,
Mit gebranntem Lockenhaar.

Nur im Fluge dort verweil' ich,
Wieder auf die Straße eil' ich,
Und schon auf dem vierten Stein
Stellt ein lieber Freund sich ein.

Wenn ich einst im Grabe ruhe,
Wird man geistweis meine Schuhe,
Einwärts, wie sie jetzt schon gehn,
Diese Straße wandeln sehn.

Vor der Stadt.

Mußtet mich schon wieder locken,
Ihr geliebten Pflastersteine,
Bei dem ersten Sonnenscheine
Werdet ihr schon wieder trocken.

Neben eurem reinen Kandel,
Drin Schneewasser niederschäumen,
Geh' ich gar so gern in Träumen
Mit gedanken-schwerem Wandel.

Nur von ferne hör' ich tosen
Hier den Wogenschlag der Menge,
Wie sie in der Gassen Enge
Ewig aufeinander stoßen.

Aber hier ist Friede, Friede,
Hier die letzten Häuser stehen,
Zwischen Gärten darf ich gehen,
Bei der Vögel frohem Liede.

Bis zum freien Walde draußen
Wächst hier Baum an Baum hinüber,
Selig bis zu mir herüber
Bricht der Frühlings-Stürme Sausen.

Am Biertisch.

In der Bierphilister Dom
Sitz' ich wieder still und heilig,
Mich umschleicht ihr Redestrom
Unabsehbar trüb-langweilig.

In das Glück der Ewigkeit
Kann ich mich so ganz versenken,
Denn das macht sich dann erst breit,
Wenn erlosch das letzte Denken.

Ich vergesse wundersam
Dieser Erde schwere Nöte,
Gleichend einer in den Schlamm
Eingebacknen Urweltskröte.

Liebchen.

Liebchen, laß dich nicht beirren,
Wie sie schnauben, wie sie blasen,
Wie sie klauben, wie sie girren,
Diese alten Kaffeebasen,
Nachbarinnen, Nähterinnen,
Ewige Verräterinnen,
Denn das Strahlende zu schwärzen,
Fehlt es nie an Menschenherzen.

Doch von Anmut übergossen,
Wandelst du auf stillen Wegen,
Unter deinen Sohlen sprossen
Friede, Freude, Licht und Segen,
Sonnenhaft ist dein Gemüte,
Strahlt in immer gleicher Güte
Durch das schwere Graun der Nächte
Auf Gerecht'- und Ungerechte.

Und die Seele, die dein eigen
Ward im weitem Weltgetriebe,
Will zu deiner Seele neigen
Sich in immer heißrer Liebe,
Tiefer als die Meereswogen,
Heller als der Himmelsbogen,
Heilig wie des Altars Flammen,
Wachsen wir in eins zusammen.

Der Poet.

Bringe mich nicht ins Gedränge,
Wieder willst du eine Menge
Von Gedichten, o mein Kind,
Weißt du nicht, von allen Seelen,
Die auf dieser Welt sich quälen,
Dichter am bequemsten sind.

Nur in Traumeswogen wollen
Hin sie ihre Tage rollen,
Folgend ihrem Genius,
Und wenn sie das Haupt bewegen,
Wollen sie's an Liebchen legen
Und es weihn mit sel'gem Kuß.

O mein Liebchen, o Constanze,
Immer haben sie das Ganze
Nur im Aug' und sehen zu,
Wie sich Mensch mit Menschen plagen,
Und sich nimmer doch erjagen
Lebensglück und Seelenruh.

Wir, mit Göttern aufgewachsen,
Lassen um die Erdenachsen
Alles drehen wie sich's dreht,
Bis der Urgeist feine Tiefen,
Die vom Aetherlichte triefen,
Ueber unsre Seelen weht.

Dann in honigsüße Worte,
Duftend wie des Himmels Pforte,
Gießen wir, was wir erlauscht,
Um damit dein Herz zu grüßen,
Liebchen, daß zu deinen Füßen
Strom des ewigen Lebens rauscht.

Endlich.

Wirklich über alles Erwarten
Schicken sie endlich Verlobungskarten:
»Eduard Paulus und Constanze Renz«,
Geschahs nicht im seligen duftenden Lenz,
So geschieht's doch im Herbst, wenn erdröhnen die Keltern,

Und zwar mit Bewilligung jeglicher Eltern,
Das ist ein Glückwünschen und Besuchen,
Ein Backen von mürben und anderen Kuchen,
Ein Laufen und Schnaufen von den Verwandten,
Ja selbst von den fast Unbekannten:
Wir sind nicht überrascht, wir haben gewußt,
Daß dies lang schon geschlummert in liebender Brust.
Wann wird dann wohl die Hochzeit sein? –
Ich denk', wenn wir wieder leben im Mai'n,
Wann die singenden Schwalben wiederkehren,
Dann sollt ihr den Hochzeitstrauß bescheren:
Dem Mann einen Schlafrock, der Frau die Pantoffeln
Und einen großen Sack mit Kartoffeln,
Auch Rinds- und Schweineschmalz obendrein,
Dann soll die frohe Hochzeit sein.

Die Vettern und die Basen.

Die Vettern und die Basen,
Wie haben die getobt,
Ganz über alle Maßen
Ins große Horn geblasen,
Als sie geschrieben lasen,
Man habe sich verlobt.

»Aus eignen Mitteln leben,
Das können sie ja nicht,
So was ist zu vergeben,
Wenn man ein Kind noch eben,
Hier streng zu widerstreben,
Ist unsre Christenpflicht,«

Die Vettern und die Basen,
Man lud sie alle ein,
Und wie sie nun so saßen,
Vom Welschen und vom Hasen
In langen Schnitten aßen,
Da sagte Keines »Nein«.

Verkauft.

Schön bist du, schön wie der Mond,
Tritt er vor den Sternenreigen,
Deine Haare, lang und blond,
Blau dein Aug' und so tief eigen.

Nimm ihn, heißt es, zwanzig Jahr,
Schrecklich, wenn man ledig bliebe, –
Nimm ihn doch, er zahlt sie bar,
Eine heiße Jugendliebe.

Nimm ihn, – doch kein Dichter wird
Dir zu deiner Hochzeit harfen,
Warum hast du dich verirrt
Unter grause Börsenlarven?

Mit Dukaten deckt der Wicht
Grenzenlose Geistesöde,
Warst so schön, ich dachte nicht,
Daß dein Herz sich selber töte.

Fahren wirst du künftig einst
Auf Ostindiens Tigerfellen,
Aber in der Nacht du weinst,
Und nichts kann die Nacht erhellen.

Deiner Schönheit stille Welt
Wird als wie ein Traum zerstieben,
Und dir bleibt nur noch das Geld,
Und das mußt du ewig lieben.

Die Studentin.

Liebes Kind, was eilest du
Immer deiner Aula zu,
Wo in ungezählten Scharen
(Oft schon mit ergrauten Haaren)
Jene Blaustrumpfangesichter
Lauschen auf den großen Richter,
Der da all' die großen Dichter,
Klopstock, Wieland, Schiller, Goethe,
Mit ergreifendem Geflöte
Auseinander fein tranchiert,
Daß ihr fast den Kopf verliert, –
Daß, wie eine saure Gurke,
Ihr die süßen Münder dreht
Und mit schwärmrischem Geschlurke
Arm in Arm nach Hause geht.
O ihr furchtbar blauen Strümpfe,
Ueber Felsen, über Sümpfe,
Durch die allertiefsten Gossen
Kommet ihr dahergeschossen,
Hell in Haufen, daß da laufen
Die Studenten, zu verschnaufen
Vor den Röcken und Mantillen,
Deren Lernlust nicht zu stillen,
Die so in Ekstas' geraten,
Während daß zu Haus der Braten
Anbrennt und die ganze Küche
Voll der schrecklichsten Gerüche!

Am Hünengrab.

Hier liegt der Riese begraben,
Das ist kein Menschenwerk,
Denn einen ganzen Berg
Sie aufgeschüttet haben.

Es stehen auf dem Grab
Die Tannen, wie kleine Pflanzen,
Und in den Zweigen tanzen
Die Vöglein auf und ab.

Es rutschen dran herum
Die Herrn Archäologen,
Wie ganz hineingebogen
Ins graue Altertum:

»Man sieht's dem Hügel an,
Er ist von einem Kelten!
Wir lassen das nicht gelten,
Hier schlummert ein German!«

Es ist so still im Wald,
Kaum regen sich die Buchen,
Ich glaub', ich hör' ein Fluchen
Im tiefen Felsenspalt:

»Was rüttelt ihr mein Grab?
Mir rinnt ins Aug' die Erde,
Ich komm' mit meinem Schwert«,
Und schlag' den Kopf euch ab!«

Am Rhein.

O ziehe mir nicht an den Mittelrhein,
Mein Sohn, ich rate dir gut,
Da quält dich die Sonne mit bleiernem Schein,
Versengt dir den Strauß auf dem Hut.

Da schlüpfen die Schnaken zu dir herein
Und saugen dir aus dein Blut,
Und Kellner sacken begierig ein
Dein sauer erworbenes Gut.

Dring' rasch bei Rüdesheim hinein
In des Stroms aufwirbelnde Flut,
Da stehn in langen gewaltigen Reihn
Die Bürgen in Abendglut.

Da fließt von den felsigen Bergen der Wein
Und erfüllt dich mit herrlichem Mut,
Und die Flaschen sind groß und die Rechnungen klein,
Und die Leute zufrieden und gut.

Berlin.

(1869).

Hier wohnt der König, Siegesadler drängen
Aus allen Ecken sich mit scharfen Fängen,
Das Haus ist schlicht und anspruchslos gehalten,
Allein es birgt die größte der Gewalten.

Der König winkt, und hunderttausend Krieger
Gehn in die Schlacht als wie gereizte Tiger,
Und ringen, wie sich auch die Leichen türmen,
Bis sie der Feinde letzte Schutzwehr stürmen.

Und wieder winkt der König, und Museen
Voll Marmorbildern sieht man auferstehen,
Und an der prächtigsten der Vorderseiten
Die Friedensgöttin ihre Flügel breiten.

Paderborn.

Einst in starker siebenfacher Ader,
Umschirmt von Eichen, uralt, riesengroß,
Im Wodans-Heiligtume sich ergoß
Geheimnisvoll der tiefe Born der Pader.

Da kam der Pfaffe und mit ihm der Hader,
Das edle Sachsenblut in Strömen floß,
Und bald ein Dom den heil'gen Quell verschloß,
Auftürmt sich wuchtig Quader über Quader.

Noch steigt empor der Bau so schwer und klotzig,
Darunter vor die müden Quellen schleichen,
Und auch die Menschen, nicht mehr sachsentrotzig,

Sie wanken traurig hin, wie halbe Leichen,
Doch schwarz dazwischen gehen breit und protzig
Die Pröbste mit den unfehlbaren, Bäuchen.

Im Keller.

»Anständig singen ist erlaubt!« So liest
Man an der Wand in riesigen Plakaten,
Wo dunkelbraun bei Wurst und Schweinebraten
Im Nachtgewölb das Bier in Strömen fließt.

Unwiderstehlich sich dazu ergießt
Der Liedesdrang der Bürger und Soldaten,
Die sich zusammenthun, und Morithaten
Urmenschlich brüllen, wie durchs Herz gespießt!

Glückselig Volk, dem in der Erde Bauch,
Umnebelt von dem dicksten Tabaksrauch,
Des Daseins rätselhafte Qual verschwindet,

Bis es zuletzt, vom Spiritus erhellt,
Den dornenvollen Weg zur Oberwelt
In schwankender Verfassung wieder findet.

Traum.

Ich träumte just von der Gesellschaft Fratzen,
Da saßen sie in langen schwarzen Fräcken
Hochnasig vor den silbernen Gedecken,
Mit großen Orden und noch größern Glatzen.

Man tischte Rebhuhn auf und Trichter-Spatzen,
Ein jedes thät an einem Hölzchen stecken,
Man ließ es sich verdientermaßen schmecken,
Und amüsierte sich mit lautem Schmatzen.

Ich bin erwacht – was hast du denn, mein Sohn?
Mir ist so katzenjämmerlich zu Sinne,
Ob dieser Götzen, fett aus fettem Thon!

Was blieb dir von unsterblichem Gewinne?
Ich schaue in das Höllenfeuer schon,
Da schmelzen sie herab von ihrer Zinne!

China.

Wahrlich nacht und immer nächter
Wird's in diesem schönen Land,
Unter Pöbelhohngelächter
Stürzt man als ein wunder Fechter
In den aufgestäubten Sand.

Ach, vergebens nach Gedanken
Spähet aus der trübe Blick,
Spähet aus nach allen Flanken,
Nur verbrauchte Schatten wanken
Mit ersterbendem Genick.

Immer tiefer die Erweichung,
Immer blühender der Sumpf,
Froschgebelle, Krötenlaichung,
Dankadressen-Ueberreichung,
Denn das Strebertum ist Trumpf!

Gesang der Wilden.

Endlich muß die Nacht erscheinen,
Wo sich rotten die Gemeinen,
Es errichtet die Kommune
Eine schaurige Tribüne,
Und es brennt im Erdölfeuer
Alles was da gut und teuer!

Auf, empor zum Flammenfeste,
Auf, ihr klotzigen Paläste,
Wo vor Rotfisch und vor Hummer
Man nicht sah des Armen Kummer,
Wo man fort den Dichter schickte,
Und dafür den Truthahn spickte –
Wo sie flugs mit dem sich mästen,

Was ein Jahr aus dem gepreßten
Mark des Volkes ihnen brachte, –
Wehe, wehe, sachte, sachte
Schleicht das Unheil, aber endlich
Wird es aufstehn und unendlich
Rasch und grausam euch vernichten,
Blutigrot den Himmel lichten.– –

Ach, ihr habt es schon vergessen,
Und nun dürft' ihr an das Essen,
Dürft' nun Austern, Aal und Salmen
Mit dem breiten Maul zermalmen,
Xeres und Champagner trinken,
Bis die müden Aeuglein blinken,

Die in grauer Nächte Mitten
Manches Goldstück schon beschnitten –
Und nun dürft' ihr an das Tanzen
Mit den allerschönsten Schranzen,
Mit den zärtlichsten Karessen
Fest an eure Brust sie pressen. –

Ach darinnen wohnet keine
Seele, jene himmlisch reine,
Ist dem Armen nur gegeben,
Der da ringt im rauhen Leben,
Rastlos denkend, forschend, dichtend,
Oder Prachtgebäud' aufrichtend,
Der da unter glühendem Schaffen
Langsam Mensch wird aus dem Affen!

Lemuren

Umlagert von Lemuren,
Such' ich der Gottheit Spuren
Umsonst in diesem Thal,
Das sich am Klatsch nur freuet,
Der täglich sich erneuet,
Sich aufbäumt zum Skandal.

Ich, mit dem Blick der Griechen,
Vermag nur hinzusiechen
In diesem zähen Kot,
Bei diesen Abderiten,
Sie können mir nichts bieten,
Ich sehne mich zu tot.

Die Nächte ohne Schlummer,
Am Tage Kampf und Kummer
Und bitterböser Neid,
Da wird man müd und mürbe,
Da wünscht man, daß man stürbe,
Gealtert vor der Zeit.


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