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VI. Der Krieg.

1870.

Was unsre Väter kaum
Erblickt im Morgengrauen,
Den höchsten Sehnsuchtstraum
Wir in Erfüllung schauen.

Die Botschaft.

Grüngoldige Heimat, im Nelkengedüft,
Mit Laubwaldthälern und Felsengeklüft,
Wo die Reben sich schlingen von Hügel zu Hügel,
Und die Schwalben sich schwingen mit lässigem Flügel.

Wo die Landhäuser schimmern auf allen den Höhn,
Umrungen von Gärten, so blühend und schön,
Wo der Himmel so blau, so mild und so lachend,
Mit der Flamme des Liedes die Seele durchfachend.

O meine Heimat, in leuchtender Sommerluft und bedeckt mit blühenden Bäumen, wie umfängst du wieder mein Herz, daß es niemals altert! – Und so blieb ich ein Kind und verlange nicht hervor aus dem himmlischen Thal, das Hügel und Schluchten umgrünen und ragende Wälder umrauschen; sitze wieder im hochgelegenen Garten und sehe die schönen Mädchen, wie sie scherzend vorübergehen, Blumen im Haar. O stilles Leben in Wonne, und die Musik spielt so tröstliche Weisen, und die älteren Frauen stricken weiter und sagen sich wunderbar hübsche, ganz nagelneue Geschichten.

Und bei schlanken Kaffeekannen
Und gelinder Melodie
Rinnt die Zeit, man weiß nicht wie,
Holden Flügelschlags von dannen.

Aber dunkles Gewölk rollt auf, es wird Abend – und von der Stadt her fliegt eine Kunde, umdüsternd plötzlich die Gedanken der arglos Weilenden: Krieg soll es geben, Krieg mit Frankreich! Einen schnöden, abscheulichen Krieg, von dem Kaiser der Franzosen vom Zaun gerissen! Wildes Murren, und der Wind fährt auf und wühlt und wütet in den Bäumen und beugt die Blätter herab, wie tausend Zungen des Hasses! Krieg soll es geben, und wir alle gehen mit, sagen die jungen Freunde, die zu mir hertreten unter die Linde. – Ganz Deutschland wird sich erheben.

Und nimmt den Krieg, den man ihm aufgedrungen,
Mit tiefem Ernste, mit erhabner Seele,
Und sorgt, daß keines seiner Kinder fehle,
Da nun zur Schlacht der grause Ruf erklungen.

Die Mädchen verschwinden, es wird immer dunkler, aber fröhlich klingen unsere Gläser in die Nacht hin; ein Gefühl gewaltiger unbezwingbarer Widerstandskraft durchdringt alle, und der Sturmwind stößt in die Linde, wirft Blätter und blühende Zweige den Freunden aufs Haupt, so daß die edelstolzen Gesichter wie zum Siege bekränzt sind.

Des Jägers Lied.

Es rauscht in stolzen Wogen
Dahin der grüne Rhein,
Von Wolken überflogen
Starrt auf das Felsgestein.

Hier saß die Haare strählend
Die schönste Jungfrau einst,
In Todesangst dich quälend
Du jetzo für mich weinst.

Du weißt nicht, ob erschlagen
Ich lieg' am grünen Rhein,
Ob fremde Reiter jagen
Mich ins Gebirg hinein.

Ich trag' auf meinem Herzen
Dein Bild, gefaßt in Gold,
Es blickt mich an voll Schmerzen
Und doch so wunderhold.

Mir klingt's von Zauberlauten
Vergangner Seligkeit,
Da wir zusammen schauten
Ins blühende Getreid.

Ich hört' aus deinem Munde
Das Wort der Liebe wehn, –
O fühl' zu dieser Stunde,
Daß wir uns wiedersehn.

Wörth.

Der Abend kommt wieder, warm und geräuschlos, die Sterne des Himmels treten hervor, heilig-hell, und lächeln herein auf den Erdball. Noch immer kein Extrablatt!

Sein Weh zu lindern, zerschlägt sich das Volk in Wirtschaftsgärten und rauchende Kneiphöhlen, anders geartete steigen empor an den Bergen und schluchzen.

Da plötzlich zuckt es durch die grauenvolle Schwüle des Thals! – Sieg der Deutschen bei Wörth! Mac Mahon aufs Haupt geschlagen!

Das fährt in die Stadt unermeßlich, der ganze Thalkessel siedet und brandet und brodelt, in allen Gassen schäumt es und kocht es, als kreisen die Eingeweide der Stadt, alle Plätze werden schwarz, beginnen zu wirbeln und schleudern sternförmig durch die engen schlundartigen Gassen das Volk hinaus, das hier furchtbar sich stopft, dort wieder hervorbricht, singend und rasend und alles mitfortreißend.

Haufen um Haufen brechen wie Stoßwellen durch die breiteren Straßen, brüllend die Wacht am Rhein, und an allen Fenstern, Dachläden und Giebellucken erscheinen Gestalten, oft schon im Hemde, neigen sich, beugen sich: Hoch Deutschland! Hoch!

Und horch! als es tagt, fliegt eine neue Kunde fernher vom Spicherer Berg: Nach elfstündigem blutigem Ringen die Höhen erstürmt und den Feind auf allen Punkten geworfen! – Hast dich verrechnet, Ludwig Napoleon!

Zum goldnen Rheinweinstrand
Hat es ihn hin gelüstet,
Allein der Gute fand
Das deutsche Volk gerüstet.

Ein Sturm reißt alle mit,
Vom Felsen bis zum Meere,
In gleichem Schritt und Tritt
Bewegen sich die Heere.

Und an demselben Tag,
Im Süden und im Norden,
Geschieht der große Schlag,
Das große Männermorden.

Es hallt die Felsenschlucht
Hellauf von deutschen Hieben,
In regellose Flucht
Spahis und Turkos stieben.

Der Kampf.

Der Feind hat auf der ganzen Linie kehrt gemacht und zieht sich in das Innere seines Landes. Unaufhaltsam drängen die Deutschen nach. Fahnen, Kanonen, Flinten, Munition, Tausende von Gefangenen, Brückengestelle, Belagerungsparke, Hunderte von Fahrzeugen fallen den Siegern in die Hände; so eilig geschieht der Rückzug. Aber noch ist das Hauptheer unberührt und ungeschlagen und hat einen großen Vorsprung. Wenn es entkommt, kann es sich verfünffachen, wird ihm die Kraft ins Gigantische wachsen und es wird unbesiegbar sich stellen können hinter Paris, der stärksten und größten Festung der Welt. Da wirft General von Moltke die Vorhut der Deutschen, meist Reiterei, dem zurückeilenden Heer in den Weg. Der Feind ist weit in der Uebermacht und im Gefühl, daß er durchbrechen muß um jeglichen Preis. Aber er darf nicht hindurch, ganze Regimenter der Deutschen gehen zu Grund, aber sie siegen, weil sie nicht weichen, und drängen den Feind Schritt um Schritt von Paris ab und geben ihren Brüdern Zeit, herbeizueilen von allen Seiten, Heldenthaten geschehen, wie nirgends. Den andern Tag kann nicht weiter gekämpft werden, zu groß ist die Zahl der Gefallenen. Doch als der dritte Morgen graut, beginnt die Schlacht aufs neue. König Wilhelm selbst ist unter den Vorderen, und zangenartig drängen die Deutschen heran.

Der Feind ist furchtbar verschanzt, hat den Vorteil der Verteidigung bei ganz ausgezeichneten Fernwaffen; stockförmig übereinander liegen seine Schützengräben und Geschützreihen, durch Erdaufwürfe und Flechtwerke zu Festungen gemacht. Aber ein entsetzlicher übermenschlicher Mut rast in den Deutschen, sie ringen und ringen, werden zu Boden geschmettert, stehen auf und ringen wieder.

Den ganzen Tag währt die Schlacht, grauenerregend, ganze Thäler füllen sich mit den Leichen der Erschlagenen; – mit sinkender Nacht sind alle Verschanzungen erstürmt, der Feind ist abgeschnitten von seinem eigenen Land, das ganze Heer verloren.

König Wilhelm nach der Schlacht.

Im heil'gen Morgenrot
Muß ich zu Dir hintreten,
Aus tiefster Seele beten,
Herr über Not und Tod.

Du hast in einer Schlacht
Mir Tausende vernichtet,
Doch hast Du sie durchlichtet
Zuvor durch Deine Macht.

In ihre Seelen floß
Ein Strahl von Deinem Leben,
So war ihr Vorwärtsstreben,
Ihr Ringen riesengroß.

Sie liegen schwer und dicht,
In jähem Kampf geschieden,
Doch ist ein hoher Frieden
Auf ihrem Angesicht.

Im heil'gen Morgenrot
Muß ich zu Dir hintreten,
Aus tiefster Seele beten,
Herr über Not und Tod.

Blutrote Tage standen längst am fernen Gesichtskreis des dahingeknechteten tiefelend gewordenen deutschen Volkes – uralte grause Verheißungen, seit Jahrhunderten umhergetragen – jene ganz furchtbaren Kämpfe, die einst geschlagen werden müssen von unserem Volk. Kämpfe in der Stunde seiner endlichen Erlösung, wo es sich schart um seinen wiedererstandenen Kaiser, der hängt den Heerschild an den Birnbaum auf dem Walserfeld, und der Baum ist wieder voll blühender Knospen. – Uralte trostreiche Verheißungen, die nun in Erfüllung gingen in den gräßlichen Schlachten im Westen von Deutschland, bei Metz.

Seht ihr den Birnbaum auf dem Walserfeld,
Nun blüht er wieder und an seinem Ast
Hängt nun der Heerschild und mit kühner Hast
Schlägt dran mit seinem Schwert ein greiser Held.

Das ist ein Klang, der ganz entsetzlich gellt,
Daß einig wird, was lange sich gehaßt,
In wildem Todesmut sein Schwert umfaßt,
Nach Westen wogt in Waffen eine Welt!

Schwarz wird die Luft vom Hagel der Geschosse,
Der Boden stöhnt vom Hufgestampf der Rosse,
Zu wahren Bergen türmt sich Leich' auf Leiche.

Dann aber zieht der Frieden ein auf Erden,
Und jener greise Held wird Kaiser werden,
Heil, Wilhelm, dir und deinem deutschen Reiche!

Moltke bei Sedan.

Die Toten sind begraben
Und es zerrinnt die Nacht,
Und wieder sollst du haben
Die fürchterliche Schlacht.

Mein Volk ist nicht zu halten,
Es schläft, die Hand am Schwert,
Unruhig auf der kalten,
Von Blut beträuften Erd'.

Ja wer die deutschen Bürger
An ihrem Herde stört,
Sich eben so viel Würger
Graunvoll heraufbeschwört.

Die Morgennebel qualmen,
Der Tag wird heiß und schwer,
Ich werde dich zermalmen
Mit deinem ganzen Heer.

Im Weinhaus.

Eine sehr gemischte Gesellschaft: Professoren, Typographen, Redakteure, Buchhändler, Baumeister, Landesbeschreiber und Goldschmiede. Meist genialische Naturen verbrachten sie ihre Jugend traumartig in inneren Kämpfen, bis des Lebens Hunger sie zwang, auf mehr oder minder bequemliche Art ihr karges Brot zu verdienen. Eine Gesellschaft der verschiedensten Menschen, daher voll Haß und augenblicklicher Verachtung gegen einander, und kampfbereit immer, doch auch wieder weich wie Kinder und nachgiebig bis zur furchtbarsten Entblößung. Ein kleiner Buchhändler ist darunter, ursprünglich ein Bildner in Klebwachs und Töpfererde, zierlich gebaut, mit Augen brillenschlangenähnlich, grünfunkelnd und irrend und die andern verwirrend, aber noch beschwirrender ist seine Rede, Plattes und Gewaltigstes, Tiefsinnigbeizendes und Längstabgetretenes angstlos zusammenrunend in Eins. Lauernd sitzt gegenüber der alte Professor, in sich versponnen und nahsichtig, aber grundgelehrt und entschlossen, in jede Lücke der Unterhaltung sich einzukrallen auf ewig. Er lauert umsonst, schon ergriff der hohe Buchhändler das Wort, ein majestätischer Mann, bildschön, mit großen feuchtschmachtenden Augen; und er spricht mit einer prachtvollen, weithin tönenden, theatralischen, beinahe tragischen Stimme von der Größe der Zeit.

Aber herein tritt plötzlich, als eine Lichterscheinung, wie das Mädchen aus der Fremde von Schiller, der einzige wirklich Reiche in der Gesellschaft, gefolgt von seinen innigsten Freunden. Er ist jung, liebenswürdig, gewandt, mildheiter und bedürfnislos wohlhabend, wie die hellenischen Götter, sein Gesicht hat etwas Offen-Edles; – und merkwürdig genug, wie die strahlendsten Griechengötter, z. B. Bacchos, immer auftreten mit einem zahlreichen Gefolge, worin die dumpfen, mehr erdschweren, gebundenen, leidenschaftsvollen, aber immer noch herrlichen Eigenschaften des Gottes verkörpert sind, – so folgen auch ihm entschieden satyreske Gestalten, mit leicht-gespitzten Ohren, aufgesträubten Haupthaaren und starren bürstenartigen Bärten, – aber gewaltige, hochnützliche Männer, kühn im vordersten Kampf um Deutschlands Einheit und Freiheit, und einer davon ruft mit begeisterter Stimme: Wißt ihr es, Freunde, Metz ist gefallen; 173 000 Franzosen sind kriegsgefangen; hört ihr nicht draußen den Sturm, der schon drei Tage und drei Nächte tobt und in den Wäldern unzählige Stämme geknickt hat! Er kam aus Deutschland und fuhr gegen Metz und stieß an die langen Grabhügelreihen von Marslatour und Gravelotte, wo die vielen, vielen Tausende schlafen, und es ward ein Sausen und Stürmen und Stöhnen, daß man glaubte, die Geister der Erschlagenen steigen aus den Gräbern und kämpfen in der Luft mit den feindlichen Geistern und schlagen sie nieder und jagen mit ihnen hinein in die Stadt. In dieser Nacht übergab sich die Festung!

Die Nachricht.

Ich aber trink' alleine
Auf euren Heldentod
Vom kühlen Heimatweine,
Er glüht so dunkelrot.

Es fällt in schweren Flocken
Der Schnee ans Fenster mir,
Er fällt auf eure Locken
Da draußen fern von hier.

Wo furchtbar hinter Wällen
Die Riesenstadt sich hebt,
Die Feuerschlünde gellen,
Daß rings die Erde bebt.

Deine jungen Freunde sind tot! Wer soll noch übrig bleiben? Die Krüppel und die Lahmen, die zugleich schlechte Gedichte machen und andern damit zur Last fallen! Wer ist noch sicher, daß ihm nicht jähstes Unglück die Wurzeln seines Daseins zerreiße! – Im Schnee verkrustet und vergraben, liegen sie in breiten Haufen, und ihr Herzblut rinnt in wilden Strömen rauchend hervor, – aber es ist noch lang nicht genug, der Kampf wütet fort trotz der Grimmkälte, planlos, rasend, wie von Dämonen gepackt, und nur der Tod vermag Ruhe zu schaffen.

Da gilt nicht Schonung und Erbarmung,
Das ist ein Ringkampf unerhört,
Wo sich in gräßlicher Umarmung
Nation an Nation zerstört.

Es geht auf Jahrhunderte hinein, der Weltgeist selbst ist diesmal beteiligt, und furchtbar aufgeregt und aufregend breitet er seine Flügel über den Kämpfenden aus und weht ihnen übermenschliches Wollen in die Glieder. Hunderttausende fielen, was nützt es? man ist wieder wie beim Anfang des Krieges.

Noch eh' daß ihr getrunken
Des Lebens Süßigkeit,
Seid ihr dahingesunken
Mit Wunden, tief und breit.

Was wolltet ihr nicht wieder
Zu mir ins holde Thal,
Wohl schauen jetzt hernieder
Die Berge kalt und kahl.

Doch bald die Bäche rinnen.
Es kommt die Frühlingszeit,
Dann sind die Bergeszinnen
Von Blüten überschneit.

Dann gehn in Jugendfülle
Viel Jungfraun, stolz und hehr,
Sie gehn in schwarzer Hülle,
Denn ihr kommt nimmermehr.

Die Edelsten und Besten liegen jetzt tot auf fremder gefrorener Erde, ihre Augen sind zu, und der sinkende Schnee legt sich über ihr stilles Gesicht als feines Leichentuch, als weißes Sterbelinnen. Wer fragt weiter nach ihnen? – In der Ferne verhallen umsonst die Klagen ihrer Geliebten, aber sie rühren sich nicht, die Erschlagenen, und schütteln nicht den Schnee von ihren bleiernen Zügen.

Die Braut.

Die Sternenaugen schauen
Vom Himmel her so klar,
Auf den verschneiten Auen
Liegt tot die Heldenschar.

Die Wunden alle vornen,
So liegen sie gereiht,
Bei Disteln und bei Dornen
In Bergeseinsamkeit.

Wer aber kommt geschritten
Mit raschen Tritten dort,
Und wandelt hoch inmitten
Der bleichen Toten fort?

Was will die Jungfrau sehen?
Die Nacht ist grimmig kalt,
Die goldnen Haare wehen
Lang über die Gestalt.

So sucht sich die Walküre
Den besten Helden aus,
Daß sie ihn mit sich führe
In Wodans helles Haus.

Und sie hat ihn gefunden,
Grüßt ihn mit schrillem Laut,
In starren Todeswunden
Liegt er vor seiner Braut.

Sein Mund ist halb geschlossen,
Sein Haupt fiel sanft zurück,
Als ob er noch genossen
Im Tod das höchste Glück.

Als ob an ihrem Munde
Sein Mund noch einmal hing,
Eh' daß zum schwarzen Schlunde
Sein Leben schaudernd ging.

Sie knieet zu ihm nieder
Und spricht und deutet nicht,
Beschaut nur immer wieder
Sein edles Angesicht.

Und wie die Stunden rinnen,
Der Wald im Froste klirrt,
In ihrem Herzen drinnen
Es immer stiller wird.

Sie glaubt, daß sie geträumet,
Ihr drückt ein weicher Klang
Das Auge zu, was säumet
Die Liebende so lang?

Und aus des Himmels Thoren
Weht schon der Morgenwind,
Sie rührt sich nicht – erfroren
Ist das getreue Kind.

Paris.

Babel ist gefallen, die stolze hat trauernd ihr Haupt geneigt, in ihre Mauerkrone sind breite Lücken gebrochen, ihre hängenden Gärten hat der Feind zerrissen, hat ihre Trauben gekeltert und ihre Obstbäume abgehauen. – Und Siegesadler stiegen über weite Meere bis an die Grenzen der Welt und verkündigen den Menschen: Babel ist gefallen! Der Kaiser der Deutschen hat ihr den Fuß auf den Nacken gesetzt, ihre Stirn ist besudelt von Asche und Staub und dem Blut ihrer edelsten Kinder.

Und kläglich liegt sie mit gebrochnen Scharten,
Verhungert sind die Männer und getötet,
Und ringsumher ist alles Land verödet,
Das sonst ein fruchtbeladner lichter Garten.

Ja furchtbar zäh die deutschen Krieger harrten,
Bis jede Scholle sich mit Blut gerötet,
Bis man mit dreifach eh'rnem Ring umlötet
Die Riesenwälle, die von Waffen starrten.

Ganz Frankreich ruft: laßt uns die heil'ge retten!
Aus allen Herzen sprühn des Ingrimms Flammen,
Auf nach Paris, zu sprengen seine Ketten!
In weitem Kranz hängt Schlacht an Schlacht zusammen –

Umsonst, wie Leiche sich auf Leiche schichtet,
Und mit der Stadt wird auch das Reich vernichtet.

Siegesfest.

Auf allen Bergen lodern die Feuer, aus den hintersten Thalrändern funkeln die Flammen. Und der Mond gießt darüber sein zaubrisches Friedenslicht – die Hügelkränze liegen so weich, so dunsthell verschwommen, Böllerschüsse tönen herüber und abgerissene Stimmen fackeltragender Männer, die Siegeslieder singen. Auf den fernen Felsabstürzen der Alb liegen Feuer, wie hoch in der Luft, als wären es Lichter des Himmels. Dort aus den Falten des Thals dringt strahlende Helle, hier ist eine Stadt beleuchtet und an ihrem Ende ein gotischer Turm, dessen durchbrochener, mit Flammen besetzter Helm, einer riesigen Aloe gleich, in tausend Lichtblumen emporblüht. Denn Frieden ist wieder auf Erden, der Erbfeind liegt blutig am Boden, hat den Raub herausgeben müssen, den er Jahrhunderte lang in scharfen Krallen gehalten, und aufgerichtet ist wieder das Reich, das gewaltige Reich der Deutschen.

Wie lag mein Volk in Schmach und Not
Verknechtet und verkommen,
Bis ihm durch seiner Söhne Tod
Ein Morgenrot erglommen.

Sie ließen sich in edlem Groll
Mit Blut und Feuer taufen,
Nun rauscht der Rhein so tief und voll,
Wie bei den Hohenstaufen.

Es wurden wahr im Wettersturm
Die alten Sehnsuchtslieder,
Nun fliegt auf Straßburgs Münsterturm
Die deutsche Fahne wieder.

Am nächsten Morgen.

Von allen Türmen und Hausgiebeln flattern die Fahnen des Reichs, bewegt vom Südostwinde, der heute so feierlich herweht vom tiefblauen Himmel, und das ganze Volk strömt im Festaufzuge zum Marktplatz; die Handwerker und Gewerbe mit ihren Abzeichen, ihren Fahnen und klingelnden Ehrenpokalen, die Kaufmannschaft zu Roß mit prachtvollen seidenen Schärpen, die Kinder, lobsingend und Friedenspalmen schwingend, und die blühende Jugend, – die Gelehrten, Künstler und Dichter, letztere besonders unruhig und vorwärtsgebeugt vor Gedanken und Kummer, heute noch Unaussprechbares sagen zu müssen, – von den riesenhaften Thaten, von der Größe des Tags. An allen Häusern hangen Kränze, Aufschriften, Wappen, Bildnisse, Transparente. Auch an den ärmlichsten Häuschen, in den engsten Gassen, prangen Blumen und Bänder, die Bilder der Helden und selbstgedichtete rührende Sprüche.

Vivat noster Imperator
Guilelmus Triumphator,
Que subegit Galliam,
Vivat Bismarck, vir virorum,
Decus omnium Germanorum,
Qui creavit Patriam.

Ja, rührend ist es, Spruch für Spruch zu lesen, Von braven Händen sinnig angebracht, Sie offenbaren unsres Volkes Wesen, All' seine Lieb' und Treu und Kraft und Macht, – Germania, lang bist du Magd gewesen, Nun bist du als die Herrin aufgewacht, Und prächtig weht mit jubelndem Gebrause Des Reiches Banner über jedem Hause.

Alle Fenster und Staffeln sind bepflanzt mit den schönsten Mädchen und Frauen, alle Dächer, auch die steilsten, mit Dienstmädchen. Der ganze Markt ist erfüllt und selbst der dicke altersgraue Turm mit seinen drei steinernen Kränzen, Und der Oberbürgermeister gedenkt mit lauter Stimme der großartigen Zeit, der unerhört sieghaften Aufrichtung des neuen Reichs.

Der riesigen Gefahren
Im großen Völkerkrieg,
Der braunen Männerscharen,
Die uns gebracht den Sieg.

Wie sie zu jähem Sturme
Sich Löwen gleich vereint.
Bis sie von Wall und Turme
Herabgestürzt den Feind.
Die krummen Hörner klangen,
Wild scholl der Schlachtenruf,
Die Feuerfunken sprangen
Aus ihrer Rosse Huf!

Dann gedenkt er der gewaltigen Opfer, der teuren Gefallenen. Lautlose Stille, Und ein herrlicher Männerchor besingt die teuren Gefallenen. Alle Häupter entblößen sich. Ein markdurchdringender dumpfer ausgiebiger Gesang, den tiefsten Grund aufregend in der Seele des Volkes. Man denkt alles des Kummers, des Hungers, der Kämpfe, des Elendes, – man denkt an die furchtbaren Mühsale – Tod, Graun und Verstümmlung – an unser eigenes elendes schwaches fluchtartiges Leben, aber dann wieder an die alles durchsiegende Kraft des sittlichen Wollens im Herzen der Edlen, und wie Göttergestalten schweben vorbei die Bilder der teuren Gefallenen – Mannestugend und stammenden Mut unalternd herabhauchend. – Und wieder spricht der Oberbürgermeister, und dann erklingt – alle Häupter entblößen sich wieder:

Nun danket Alle Gott,
Mit Herzen, Mund und Händen.

Das ganze Volk singt mit, auf dem Platz, auf den Gassen, aus den Fenstern, auf den Dächern, auf dem altersgrauen dicken gotischen Turm, von dem herab Posaunen schallen. Und der Südostwind trägt es weithin über das frühlingsselige Thal und die Fahnen des Reichs flattern empor in den blauen krystallklaren Himmel.

Den Gefallenen.

Sie liegen schlecht gebettet
Am seinen Marnestrand,
Die heldenkühn gerettet
Das deutsche Vaterland.

Und aus dem Boden dringet
Hervor manch Frühlingskraut,
Von wilden Schwänen klinget
Ein wanderfroher Laut.

Wir aber sind beim Feste,
Wie man noch keines sah,
Es drängen sich die Gäste
Herbei von fern und nah.

Es geht in Reigentänzen
Der Mädchen holde Schar,
Mit heil'gen Siegeskränzen
Im goldgelockten Haar.

Es kreisen hohe Becher
Voll dunkler Weinesglut,
Und sprühen durch die Zecher
Gewalt'gen Lebensmut.

Es ist der Feind vernichtet,
Der einem Riesen gleich,
Und wieder aufgerichtet
Das große Friedensreich!

O rühre deine Flügel,
Du Heller Morgenwind,
Und schüttere die Hügel,
Wo sie begraben sind.

Und rausche in den Bäumen
Am fernen Marnestrand,
Daß sie noch einmal träumen
Vom deutschen Vaterland.


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