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V. Sonette.

Nun magst du dich im Strom der Zähren
Erlösen von dem dunklen Drang
Und deine Seele mit Gesang
Und wunderbarer Freude nähren.

Rückblick.

Die Märchen dieser Welt hab' ich genossen
In ihrer Schönheit und bin müd davon,
Dies alles dünkt mich oft ein eitler Hohn,
Was Menschen treiben, leere Narrenpossen.

Und steh' ich dann von Thränen übergossen,
Erschreckt mich einer Himmelsharfe Ton, –
Ich sehne mich nach jenem Gottessohn,
Von dem das Licht des Friedens ausgeflossen.

Vor grauen Jahren, als ich noch ein Kind,
Ergriff mich schon ein namenloser Schauer,
Sah ich die Wolken gehn im Abendwind,

Die Sterne strahlen voll erhabner Trauer, –
Das Leben mir als wie ein Traum zerrinnt,
Doch mein Gedanke wird von ewiger Dauer.

Verschollen.

Verschollen ist er, der so süße Lieder
Ersonnen, die noch heut in aller Mund,
Die Mädchen singen's laut im Wiesengrund,
Und ferne Thäler hallen's fröhlich wider.

Kurz war sein Lebenslauf, bedrängt und nieder
Ging er dahin auf diesem Erdenrund,
Die Füße wurden ihm vom Wandern wund,
Auf harten Stein oft legt er seine Glieder.

Da draußen wo der alte Lindenbaum
Die knorrigen Wurzeln einschlägt in die Heide,
Ruht er schon längst von seinem Lebenstraum,

Von jäher Lust und bitterlangem Leide; –
Oft wenn bei Nacht der Wind bewegt die Flügel,
Steigt auf sein Geist und singt auf jenem Hügel.

Vorfrühling.

Von Sternen hell und laulich wunderbar
Sind schon die Nächte und die Tage glühen,
Die ersten sanften blauen Blumen blühen,
Aufsteigt der Himmel unergründlich klar.

Und was in mir von Schutt und Elend war
Nach dieses Winters altersgrauen Mühen,
Vermag in neue Hoffnung aufzusprühen,
Erlöst ist meine Seele ganz und gar.

Dort bei der Linde, die vom Hügel sieht
Und schon so manch Jahrhundert überdauert,
Um welche noch der Geist der Vorwelt zieht,

Die schon so vielen in das Grab getrauert –
Dort will ich sitzen bei der Vögel Lied,
Von einem Hauch der Ewigkeit umschauert.

Spätsommer.

Vergänglichkeit – die grauen Nebel wallen
Feuchtherbstlich durch das rebengrüne Thal,
Ich bin allein im öden Gartensaal,
Bei seinen längst verlassnen Säulenhallen.

Und Götterbilder, herrlich einst vor allen,
Schaun wehmutsvoll von Giebel und Portal,
Vermorscht und moosig, schon viel hundertmal
Ist Reif und Regen auf ihr Haupt gefallen.

O Wandersmann, bald kommt auch dir die Stunde,
Daß dir das Wort erstirbt im roten Munde,
Und nimmermehr lichtblauer Augen Schein

Dir tröstlich fällt ins wunde Herz hinein,
O Wandersmann, zieh' fort in Gottes Namen
Und säe still der Liebeswerke Samen.

Heimat.

Das Heimatthal seh' ich im Traume wieder,
Die Heideblumen, licht und mannigfalt,
Ob meinem Haupte rauscht der Buchenwald,
Die Drosseln singen ihre Abendlieder.

Durch wild verwachsne Schluchten steig' ich nieder,
Da steht ein Leichenstein so still und kalt,
Von einem schönen Rosenbusch umwallt.
Bedeckt von einem schattenreichen Flieder.

O weh', mir wird das Auge wieder schwer
Von längst verhaltnen Thränen, nimmermehr
Kann ich mich freuen, bald vollendet werden

Mag auch mein schwerer Pilgerlauf auf Erden,
Bin müd geworden diese kleine Weile,
Je mehr ich wandre, um so mehr ich eile.

Julia.

Das Laub hing herbstlich schon um die Altanen
Des hohen Schlosses, das so kühn und frei,
Geschmückt mit Werken edler Bildnerei,
Aufschimmert aus dem Dunkel der Platanen.

Da gingst du hin, uns wiederum zu mahnen,
Daß auch das Herrlichste vergänglich sei,
Und warest doch so lieb und fromm und treu,
Und ließest schon die höchste Schönheit ahnen.

Der Blume gleich, die einen Lenz nur lebt,
Mit ihrem Duft ins Himmelblau verschwebt,
Zog es dich rasch des Lichtes Urquell zu,

Im Fluge nur berührtest du die Welt,
Die viel verspricht und gar so wenig halt,
Und fandst aus Kampf und Schmerz die ew'ge Ruh.

Schwäbische Alb.

In allen Thälern Obstbaumblütenduft,
Aus den Gehängen Buchenwälder streben,
Darüber hoch die Felskolosse schweben,
Und Lerchen steigen jubelnd in die Luft.

Der Epheu schlingt sich dicht von Kluft zu Kluft,
Um jede Klippe einen Kranz zu weben,
Und in der Tiefe, welch geheimes Leben
In quelldurchrauschter Höhlen kühler Gruft!

Vor dem Gebirg die Einzelberge ragen,
Das kahle Haupt verklärt vom Abendlichte
Und schön umrauscht von alten Heldensagen.

Von ihren Burgen, jetzt in Staub zerschlagen,
Ward einst im Sturmeslauf die Weltgeschichte
Bis in das ferne Morgenland getragen.

Hohenstaufen.

Der schönste Berg, wenn man gen Süden geht,
Wohl kenntlich an des hohen Hauptes Blöße,
Ein Heldengrab von ungeheurer Größe,
Worüber eine dunkle Wolke steht.

Verlassen liegt er, – längst im Wind verweht'
Ist ihm der Waffen trotziges Getöse,
Die Kaiserburg sank durch des Schicksals Stöße,
Wo sie gewesen, wird jetzt Gras gemäht.

Noch immer aber blickt der mauerlose
Ehrfurcht gebietend in das Land hinaus,
Es ging doch alles Herrliche und Große

Jahrhundertlang vom Hohenstaufen aus,
Für unser Volk in seinem tiefsten Kummer
Lag Barbarossa nur im Zauberschlummer.

Linde zu Lorch.

Am Thor steht ein uralter Lindenbaum,
Mit weitem sturmzerzaustem Blätterkranze,
Oft wenn er sich verklärt im Abendglanze,
Errauscht in ihm sein erster Jugendtraum:

»Mir ist, es waren wenig Jahre kaum,
Daß man mich eingesetzt als junge Pflanze,
Da traten oft zu mir zum Reigentanze
Die Hohenstaufen aus dem Klosterraum.

»Doch eine Nacht kam, nie vergeß' ich jene,
Es ward ein schwarzer Sarg bergauf getragen,
Darinnen lag die Kaiserin Irene,

»Die starb im Schmerz, weil ihr der Mann erschlagen,
O welche Nacht, kein Aug' war ohne Thräne,
Der ganze Berg erscholl von Weheklagen.«

Urach.

Im Abendschatten unter Eichenkronen
Zerstäubt der Sturzbach in das Felsenthal
Und netzt mit seinem silberhellen Strahl
An seinem Fuß des Waldes Anemonen.

Nun kommt der Mond, als rotes Feuer thronen
Sieht man ihn drüben ob dem Trümmermal
Der Herzogsburg, wo jetzt im Rittersaal,
Dem wildverwachsnen, die Gespenster wohnen.

O reine, kühle, wonnevolle Nacht,
Herflutend um der nahen Berge Gipfel,
Es irrt und flirrt in märchenhafter Pracht

Das Licht des Mondes durch der Bäume Wipfel,
Und wie der Sturzbach ewig rauscht und rauscht,
Mein stilles Herz der eignen Tiefe lauscht.

Hohenzollern.

Wie lange mußte unser Volk sich schmiegen,
Der Welsche stand zu Straßburg auf der Schanze,
Wir gingen unter fremdem Lorbeerkranze,
Verbluteten in unglücksel'gen Kriegen.

Nun wieder frei die deutschen Banner fliegen,
Ein kühn Geschlecht, erprobt im Waffentanze,
Führt unser Volk, das herrliche, das ganze,
Für sein geheiligt Recht von Sieg zu Siegen.

Nun ist es Tag, und krächzend fliehn von hinnen
Die alten Raben, um die blanken Zinnen
Der Zollernburg fließt hell der Sonnenschein,

Und hell auch blicken in die Welt hinein
Die neuen Kaiser, um mit starken Händen
Der Hohenstaufen Tagwerk zu vollenden.

Uhland-Tübingen.

Hier hat sich abgespielt ein Dichterleben,
Das war so lauter, wie der Sonnenschein,
Und wie die Lüfte, die so frisch und rein
Die alte frohe Musenstadt umschweben.

Gebietend schaut sie aus dem Grün der Reben
Mit ihrer Pfalz ins Neckarthal hinein,
Im Hintergrund aus grauem Kalkgestein
Das Albgebirg, von Buchenwald umgeben.

So oft der Frühling kommt ins deutsche Land,
Daß auch die »fernsten tiefsten Thäler« blühen.
Und über der Gebirge Felsenrand

Den »Alpen gleich« die Abendwolken glühen,
Erwachen auch in aller Herzen wieder,
O Ludwig Uhland, deine süßen Lieder.

Hauff-Lichtenstein.

In erster Dämmrung, wenn die Finken schlagen,
Welch lustig Wandern durch das Buchengrün,
Von oben winkt der Lichtenstein so kühn,
Als wie von Feenhand emporgetragen.

Im tiefen Thal beginnt es kaum zu tagen,
Da schon des Felsenschlosses Zinnen glühn,
Und weit umher des Himmels Wolken blühn,
Die eben noch in finstrer Gräue lagen.

Und dort am höchsten Riff steigt einsam auf,
Von Epheuzweigen liebevoll umschlungen,
Dein schlicht Erinnrungsmal, o Wilhelm Hauff,

Der du den Ort unsterblich schön besungen –
Schwermütig steigt es auf im Morgenrot,
Das dir geleuchtet in den frühen Tod.

Gerok-Stuttgart.

So wie du warst, so bist du auch geschieden,
Mit sanftem Lächeln, heller Träume voll,
Des Glanzes harrend, der da kommen soll,
Zu trösten die Beladenen hienieden.

Des Tages Mühe hast du nicht gemieden,
Goldkörnig unter deinen Händen schwoll
Ein Meer von Saaten – und darüber quoll
Ein Liederhauch, voll Kraft und Gottesfrieden.

Dein Heimatthal, mit grünem Rebenhange,
Das du so oft durchschrittst auf stillem Gange,
Gedankenfroh, in Abendsonnenglut –

Nun läßt es dir die Grabesglocke läuten,
Doch mild und mächtig bis in fernste Zeiten
Auf ihm der Schimmer deines Geistes ruht.

Maulbronn.

Schon ist es Herbst, die bunten Blätter fallen
An Busch und Baum, gelöst vom Sonnenschein,
Der fließt mit hold gedämpfter Glut herein
In diese gotisch kühn gewölbten Hallen.

Fein ausgeführter Zierat sproßt an allen
Den Säulenknäufen, die aus dunklem Stein,
Da schlingt sich Eichenlaub und wilder Wein,
Da sitzen Adler mit gekrümmten Krallen.

O süßes Schweigen – um die Klostermauer
Weht leise nur der Abendwinde Schauer,
Im Garten noch die letzte Rose blüht,

Und hier der große Brunnen Perlen sprüht,
In dessen weiten, schöngeschafften Schalen
Sich Wolkenzug und Himmelsbläue malen.

Ihr Berge meiner Heimat.

Ihr Berge meiner Heimat, sanft und mild,
Ihr schmeichelt euch in meine Seele wieder,
Erweckt in ihr des Wohllauts Traumgefieder,
Daß mir die Thräne übers Auge rinnt.

Schon tausendmal durchs blühende Gefild
Sah ich zu euch vom Waldesrande nieder,
Ich kann mich nicht ersättigen, immer wieder
Hängt mir der Blick an eurem zarten Bild.

Nicht kühngezackt, in weicher Schwingung ziehn
Die Linien fort, die langgedehnten, blauen,
Bis sie ins fernste Himmelslicht verthauen.

So ging auch meiner Seele längst dahin
Der Erde Kampf, und dieses Lebens Grenze
Verschwimmt mir sanft in einem ew'gen Lenze.

Dank.

Von grenzenlosem Dank bin ich bezwungen,
Seh' ich mein Leben an und seine Früchte,
Vor Gottes Thron zerschlagen ich mich flüchte,
Von meiner ganzen Nichtigkeit durchdrungen.

Was ich gewann, hast du, mein Gott, gegeben,
Ich habe nur die Hände aufgehoben,
In reiner Schale reichest du von oben
Die Flammenflut aus deinem eignen Leben!

Die Kraft des Willens ward in mir gebrochen,
Seit ich von diesem Wundertrank durchfeuert,
Er saugte mir das Mark aus meinen Knochen.

Zum Nebel wurde mir das Weltgetriebe, –
Das Ufer weicht, auf breitem Strome steuert
Mein Kahn hinaus ins Meer der ewigen Liebe.

Das wilde Grab.

Ein wildes Grab, bedeckt mit Lauch und Kressen,
Dazwischen kümmerlich die zahme Rose,
So liegt es da, das kreuz- und namenlose,
Die andern Gräber pflegt' man unterdessen.

Sie prangen reich mit Lorbeern und Cypressen,
Sind zierlich eingefaßt von dunklem Moose, –
Er aber ruht im stillen Erden-Schoße,
Von aller Welt verlassen und vergessen.

Die lieben Freunde haben sich verzogen.
Ihn grüßet nur der Mond vom Himmelsbogen,
Ihm weihen nur die Wolken ihre Thränen.

Wer sich so mannlich durch die Welt geschlagen,
Deß Grab kann nichts, als wilde Blumen tragen, –
Gott aber hat erfüllt sein tiefstes Sehnen.

Am Grabe meines Vaters.

Zehn Jahre sind's, daß du hinweggeschieden
Aus dieser Welt, voll Unruh und voll Nacht,
Nun wieder hell der junge Sommer lacht,
Schlingrosen blühn um Grabespyramiden.

Du aber wandelst fort im seligen Frieden, –
Und ich auch streite nicht mehr, müd gemacht
Von dieses Lebens Kampf und Niedertracht,
Von ihm schon jetzt wie durch den Tod geschieden.

Der Drang nach Licht, den du in mich gelegt,
Auf's ewige Heil das ewige Vertrauen,
Wuchs fort in mir und ließ mich unentwegt

An meiner Seele schönem Einklang bauen, –
Wie wird es sein, wenn einst die Stunde schlägt,
Da wir verklärt ins Angesicht uns schauen.

Am Wilden See.

Gekommen war ich zu dem wilden See,
Im Hochmoor über blauen Tannenbergen,
Gespensterhaft Legforchen ihn umzwergen,
Fern von der Welt und ihrem Kampf und Wehe.

Der Pflanzenwuchs wird hier unalternd zähe,
Vor Sturm und Eis und Schneedruck sich zu bergen,
Kein Vogel singt, – kein Nachen, keine Fergen
Verstören hier die reine Gottesnähe.

Hier möcht' ich sitzen in der Sommernacht,
Bis aus dem See die Morgensterne scheinen,
Tief unter mir das Land, wo still und sacht

Schon längst im Grabe ruhen all' die Meinen, –
Hier möcht' ich sitzen, aus der Seele Schacht
Die Lavaglut der Sehnsucht auszuweinen.

Dahin.

Es kam ein Traum der Jugend über mich,
Ich sah die fernen Waldgebirge glänzen,
Unendlich fast den Horizont umkränzen,
Darüber schwang die Gabelweihe sich.

Und wieder kam ein Träumen über mich
Im Heimatthal – glückselig ohne Grenzen,
Das Licht des Himmels durfte mich durchlenzen
Aus Mädchenaugen, hold und minniglich.

Dann aber wurde ich hinausgetragen
Im Nebeldunst auf eine kahle Heide,
Es regnete, – in ihrem nassen Kleide

Sahn mich die blauen Glocken an voll Klagen,
Die letzten Blumen, traurig und erfroren, –
Und Lieb' und Lust und Leben war verloren.

Die Nachtigall.

Aus Meerestiefen steigt in meiner Seele
Das Wort empor und wird zum Glockenklange,
Und wird zum herzerlösenden Gesange,
Daß meinem Geist die Sonntagsruh' nicht fehle.

Wenn ich mich oft in tausend Aengsten quäle,
Wenn ich aus dieses Lebens Sturm und Drange
Zur alten Heimat weinend hinverlange,
Strömt mühelos das Lied mir aus der Kehle.

Ich bin die Nachtigall, in Nacht geboren,
Die sich auf diese Erdenwelt verloren,
In engen Schluchten singt sie wundervoll,

Von ew'ger Sehnsucht singt sie, ew'gem Lieben,
Und singt, von dunklen Ahnungen getrieben,
Daß vor der Zeit sie selig sterben soll.

Frühling.

ist der Frühling wundervoll gekommen,
Der Obstwald blüht bis in die tiefsten Schluchten,
Die Erde kann die Blüte kaum verwuchten,
In ihrem eignen Silberlicht erglommen,

Und in den blauen Sonnenduft verschwommen –
Die Augen, so den ewigen Frühling suchten,
Sie hangen jetzt an meiner Heimat Buchten,
Als ob das Elend aus der Welt genommen.

Umrauscht von unsichtbaren Engelsflügeln,
Darf ich auf diesen feingeformten Hügeln
Dem nahen Felsgebirg entgegenwallen:

Dort öffnet sich die schönste Alpenwiese,
Ihr klarer Quell führt mich zum Paradiese –
Da wohnen sie in hohen Säulenhallen.


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