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Wer wandelt in dem dunkeln Wald,
Den Wölfe sonst als Aufenthalt
Nur hinter dicken Bäumen kannten?
Wer liest im großen Folianten,
Dort bei der Quell', mit frommem Fleiß?
Es ist ein sehr andächt'ger Greis.
Jetzt schweigt befiedertes Gewimmel;
Die Abendröthe glühet kaum.
Er kniet bei einem großen Baum,
Und schaut in den viol'gen Himmel.
Und ungesehn und ganz allein
Streckt er hinauf in Sternenschein,
Mit blassem, weinendem Gesichte,
Die Hände zu dem ew'gen Lichte,
Und seufzt, indem er leise spricht:
Wo find' ich doch im Finstern Licht?
Du, droben, in der schönen Klarheit,
Vertilge mir der Zweifel Qual,
Erläutre mich durch deinen Strahl!
Und zeige meinem Geist die Wahrheit.
In Jesus heil'ger Liebesthat,
Ja selbst wenn eitle Welt sich naht,
Wenn Sonne sinkt, wenn Sterne brennen,
Im Dunkeln – muß Ich
dich erkennen.
Doch – wo die Blume schön und groß,
Da nagt der Wurm in ihrem Schooß;
Und wo das Gute sich entfaltet,
Da ist der Böse mit sogleich,
Wie der Versucher in dem Zweig,
Und schleicht sich, bis er oben waltet.
Zwar bricht wohl wieder Tag hervor
Durch's ewig lichte Himmelsthor,
Und schaut die Erde freudetrunken,
Wenn Finsterniß dahin gesunken.
Zwar fühl' ich selbst des Guten Lust,
Süß zu erfüllen meine Brust.
Das Laster kann mich nur erschrecken.
Und gegen dieses Schreckenbild,
Mit diamantnem Tugendschild,
Muß kämpfend ich die Brust bedecken.
Doch – ohne Schatten, was ist Licht?
Wir fühlen ohne Schmerzen nicht
Die wahre Freude hier im Leben.
Ward Bosheit nicht der Welt gegeben,
Damit sie immer, kampfbereit,
Die Tugend stärke durch den Streit?
Wenn Wolken uns den Mond verrathen,
Zeigt er sich schöner nicht der Welt?
Und was ist selbst der beste Held
Wohl ohne große Siegesthaten?
Also ist Laster Tugend mit,
Und das, was ich mit Zorn bestritt,
Kann auch die Liebe wohl verdienen.
Was Gutes mir zuvor erschienen,
War Täuschung nur und Leidenschaft,
Ein Stachel für die träge Kraft.
Bestimmt vorher muß Alles werden;
Ein Spielzeug in des Mächt'gen Hand;
Und ich, der ich mich frei genannt,
Bin nur ein armer Sklav' auf Erden.
So rief Gott selbst die Schlang' hervor,
Wodurch die Unschuld gleich verlor
Das Elternpaar in Edens Haine?
Was Allmacht ist, das wirkt alleine.
Die Blume machte Gott so weich
Um selbst sie zu vertilgen gleich?
So ist er selbst als Wurm erschienen?
Nein, nein! das ist er nicht. Und wer?
Ein
andrer Gott, von unten her?
Zwei Götter!! Welchem soll ich dienen?
Mehr sprach der bleiche Klausner nicht.
Er sank und fiel auf sein Gesicht,
Und ohne Hoffnung, ohne Glaube,
Wand er sich, wie ein Wurm, im Staube.
So lag der kummervolle Greis,
Auf seiner Stirn des Todes Schweiß.
Da wacht' er aus dem finstern Traume.
Die Sonne trat aus Ostens Hall',
Und eine kleine Nachtigall
Sang dort ihr Morgenlied vom Baume.
Und wie der Alte völlig wach,
Sah er bei dem krystallnen Bach,
Wo sich in's Meer hinaus begaben
Die Wellen – einen schönen Knaben.
Er machte mit der kleinen Hand
Ein tiefes Loch sich in den Sand,
Damit die Fluth hinaus nicht liefe;
Und mit dem Löffel glatt und sein,
Gar schön geformt von Elfenbein,
Schöpft er das Wasser aus der Tiefe.
Als dieß der gute Klausner sah,
Ging er dem schönen Knaben nah;
Das holde Bild ihn sehr erfreute.
Er sprach: Mein Kind, was machst du heute?
»Ach!« rief es, »ich bin fleißig sehr.
Ich leere aus das große Meer!
Hier in mein Loch will ich es füllen.«
Unmöglich, Kind! der Alte spricht. –
»Bei weitem so unmöglich nicht,
Als zu ergründen Gottes Willen.«
Starr, wie gefesselt an den Ort,
Stand er bei seines Engels Wort.
Der schöne Engel war verschwunden.
Er hatte seinen Trost gefunden.
Mit Thränen hebt er sein Gesicht,
Schaut in das junge Morgenlicht,
Begrüßt die Aehren und die Trauben,
Und ruft: O Vater, weis' und hehr!
Vergib! ich grüble nimmermehr.
Du bist mein Gott, und ich will
glauben.
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