Friedrich Wilhelm Nietzsche
Fragmente 1869-1874, Band 1
Friedrich Wilhelm Nietzsche

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[Ende 1874]

[Dokument: Mappe loser Blätter]

38 [1]

Prometheus und sein Geier sind vergessen worden, als man die alte Welt der Olympier und ihre Macht vernichtete.

Prometheus erwartet seine Erlösung einmal vom Menschen.

Er hat Zeus das Geheimniss nicht verrathen, Zeus ist an seinem Sohne zu Grunde gegangen.

Die Blitze im Besitz der Adrasteia.

Zeus wollte die Menschen vernichten – durch Krieg und Weib und deren Sänger Homer: in summa die griechische Cultur, allen späteren Menschen das Leben verleiden; er wollte sie durch Nachahmung und Neid gegen die Griechen tödten.

Sein Sohn machte sie, zum Schutze vor diesem Ende, dumm und furchtsam vor dem Tode, und brachte sie zum Hass gegen das Hellenische; so vernichtete er Zeus selbst. Zeit des Mittelalters zu vergleichen den Zuständen vor der That des Prometheus, wie er ihnen das Feuer gab. Auch dieser Sohn des Zeus will die Menschen zerstören.

Prometheus schickt ihnen den Epimetheus zu Hülfe, der die ganz alte Pandora wieder aufnimmt (die Geschichte und Erinnerung). Und wirklich lebt die Menscheit wieder auf und Zeus mit ihr, letzterer aus einer Fabel im Mythus. Das fabelhafte Griechenthum verführt zum Leben – bis er, genauer erkannt, wieder davon abführt: sein Fundament wird als schrecklich und unnachahmlich erkannt. –

(Prometheus hat den Menschen den Blick auf den Tod entzogen, jeder hält sich für ein unsterbliches Individuum und lebt thatsächlich anders, als ein Glied der Kette.)

Periode des Misstrauens gegen Zeus und seinen Sohn; auch gegen Prometheus, weil er ihnen den Epimetheus geschickt hat.

Vorbereitung des Chaos.

Prometheus wird durch Epimetheus über seinen Fehler bei der Schaffung der Menschen belehrt. Er billigt seine eigne Strafe.

Der Geier will nicht mehr fressen. Prometheus' Leber wächst zu sehr.

Zeus, der Sohn und Prometheus sprechen mit einander. Zeus löst ihn, Prometheus soll die Menschen noch einmal einstampfen, die Form neu bilden, das Individuum der Zukunft. Mittel wie man eine Masse, einen Brei erzeugt. Zur Linderung der Schmerzen der einzustampfenden Menschheit verleiht der Sohn die Musik.

Also: Concession an Prometheus, Menschen sollen wieder entstehen; Concession an Zeus und Sohn, sie sollen erst vergehen.

38 [2]

Zur Form des Ganzen: der Geier spricht allein und erzählt: ich bin der Geier des Prometheus und durch die seltsamsten Umstände seit gestern frei. Als Zeus mir aufgab, Prometheus' Leber zu fressen, wollte er mich entfernen, denn er war eifersüchtig wegen des Ganymed.

38 [3]

Alle Religion hat etwas Nachtheiliges für den Menschen. Was wäre geschehn, wenn Prometheus nicht zu Mekone listig gewesen wäre! Der Zustand unter dem Sohn, wo die Priester alles auffressen.

38 [4]

"Ach ich Unglücksvogel, ein Mythus bin ich geworden!"

38 [5]

Die Menschen durch das Christenthum, wie die griechischen im Hades, so schattenhaft. Blut trinken. (Kriege.)

38 [6]

Bei des Prometh<eus> Bildung der Menschen hat er versehn dass Kraft und Erfahrung des Menschen zeitlich auseinanderliegen: alle Weisheit hat etwas Altersschwaches.

38 [7]

Die Götter sind dumm (der Geier schwätzt wie ein Papagei); als Zeus Achill Helena und Homer schuf, war er kurzsichtig und kannte die Menschen nicht; das wirkliche Resultat war nicht die Vernichtung der Menschen, sondern die griechische Cultur. Darauf schuf er den Welteroberer als Mann und Weib (Alexander und Roma, die Wissenschaft), sein Sohn Dionysus den Weltüberwinder (dumm-phantastisch, entzieht sich das Blut, wird ein fanatischer Hadesschatten auf Erden, Gründung des Hades auf Erden). Die Weltüberwinder nehmen den Gedanken des Welteroberers an – und nun scheint es um die Menschen gethan. Zeus geht dabei fast zu Grunde, aber auch Dionysus-Überwinder. Prometheus sieht, wie alle Menschheit zum Schatten geworden ist, im Tiefsten verdorben, furchtsam, böse. Aus Mitleiden schickt er ihr den Epimetheus mit der verführerischen Pandora (griechische Cultur). Jetzt wird es unter den Menschen ganz gespenstisch und ekelhaft und breiartig.

Prometheus verzweifelt [+ + +]


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