Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

»Ja, die Franzosen sind komisch!« begann er. »Ich kenne sie nicht in ihrem eignen Lande, aber ich habe genug von ihnen hier gesehen und gefühlt. Denn wohl hundert, wenn nicht mehr, haben auf mir gesessen, sind aufgesprungen und dann wieder auf mich gefallen. So ein richtiger Franzmann der kann nicht lange ruhig auf einem Fleck sitzen. Ich gehörte der alten Madame Schleppegrell und war schon einige Jahre alt, als die Franzleute in unsere Stadt kamen. Ganz allmählich und zuerst etwas ängstlich: denn sie waren aus vielen Städten des Deutschen Reiches ausgewiesen, weil sie sich nicht gut betragen hatten. Obgleich sie aus Frankreich flohen, weil ihnen dort nach dem Leben getrachtet wurde, so dachten sie doch nicht daran, sich dem deutschen Volke dankbar zu beweisen, das sie zuerst mitleidig und barmherzig aufnahm. Ganz im Gegenteil: kaum waren sie in Sicherheit, bildeten sie sich ein, sie könnten regieren und alles so einrichten wie es ihnen paßte. Und wenn sie merkten, daß die gutmütigen Deutschen sich nicht alles gefallen ließen, dann schalten sie auf die Sauerkrautesser und Biertrinker, und fanden sie ungebildet und verwildert. Ich habe manches Gespräch der Franzosen untereinander angehört und mich oft über sie geärgert. Unter manchem dummen, ruhmredigen Kerl wäre ich gern zusammengebrochen, aber ich war dazu zu stark gearbeitet. Tischler Sörnsen, der mich verfertigte, machte nur gute Arbeit: sonst hätte Madame Schleppegrell mich auch nicht gekauft. Sie war eigen und gestrenge: wenn sie mit einem Staubtuch durch ihre Zimmer ging, dann hatten wir alle Angst. Jeder richtete sich auf und suchte zu blitzen, wie sich das für echtes Mahagoni gebührt. Und begreifen kann ich es noch immer nicht, daß Frau Schleppegrell der alten Herzogin Obdach gewährte und ihr die zwei besten Zimmer mit den besten Mobilien gab.«

»Es war eben eine Herzogin!« warf die Laute ein, und der Stuhl knisterte spöttisch.

»Nun ja, eine Herzogin mag sie schon gewesen sein sie hatte das Benehmen einer großen Dame, aber daß Dankbarkeit gleichfalls zu einer großen Dame gehört, war ihr nicht klar. Wie elend und verhungert kam sie in unsere Stadt! Es war schon eine Reihe von Franzosen da, und auch Verwandte und Bekannte von ihr. Sie begegneten ihr, wie sie von Harburg über die Elbe kam, bedauerten sie mit vielen Worten und fragten gleich, ob sie nicht recht viel Geld mitgebracht hätte. Geld wollten sie alle haben: ganz natürlich. Mit Geld kann man bekanntlich selbst den Teufel tanzen machen: und diese Stadt hier hatte selbst nicht viel Geld und mußte sich einen Teil dessen, was sie für die Flüchtlinge tat, bezahlen lassen. Ich sage, nur einen Teil: Das Essen und die Wohnung. Das Mitleid und Wohlwollen, das den Leuten hier entgegengetragen wurde, das ist niemals bezahlt und niemals anerkannt worden!«

Der Stuhl schöpfte Atem und die Laute klagte leise.

»Natürlich, du bist anderer Ansicht!« begann der Stuhl von neuem. »Du bist immer in der feinen Gesellschaft gewesen, und wenn die Aristokraten auf dir gespielt und dazu gesungen haben, dann waren sie liebenswürdig und gut. In den unterirdischen Kellern der Pikardie, oder wo es war, da zeigte die Gesellschaft auch nicht ihre großen Fehler. Da waren alle täglich in Gefahr, und wenn der Tod über einem hängt, dann wird man artig. Aber wie die Menschen in Sicherheit waren, wurden sie gleich unbescheiden. Auch deine Herzogin, liebe Laute, die ich dich häufig bei ihr gesehen habe, da du in ihrem Schlafzimmer, hinter dem Bett hingest und nicht gerade sehr geehrt wurdest. Obgleich du von feinerer Machart bist als ich, und noch dazu das mit dem heiligen Blut bespritzte Band trugest. Aber die Herzogin war alt und vergaß manches, das sie hätte im Gedächtnis behalten sollen, und obgleich sie manchmal über den guten hingerichteten König weinte, und über Marie Antoinette seufzte, so dachte sie doch mehr daran, wie sie es selbst ein wenig bequem haben möchte. Sie hatte sehr wenig Geld mitgebracht, aber verschiedene Kleider. Dazu auch ihr Gebetbuch und einigen Schmuck, den sie gern anlegte. Aber im Gebetbuch las sie nur, wenn sie wußte, daß der Bischof kommen würde. Dann puderte sie ihr Haar, trug schwarze Spitzen darüber, legte ein seidnes Kleid an und klebte sich einige Pflästerchen ins Gesicht. Sie war dann wirklich noch sehr stattlich, und der Bischof küßte ihr die Hand und machte ihr eine schöne Redensart. Sie erwiderte mit einem frommen Spruch, dann lächelten sie beide und sprachen von anderen Dingen. Von Frankreich, von Paris, und daß sie beide hofften, noch einmal wieder hinzukommen. Sie lasen Briefe und erzählten, wer nun unter dem Fallbeil gestorben war. Manchmal waren sie betrübt, manchmal aber meinten sie, er oder sie habe ihr Schicksal verdient. Es war wohl anregend, ihnen zuzuhören, der Bischof war wirklich ein guter, alter Herr, der auch versuchte, seinen Landsleuten zu helfen. Aber wenn sie beide in der richtigen Stimmung waren, dann schalten sie über unsere Stadt und ihre Bewohner. Sie nannten sie schwerfällig und langweilig: ungebildet und habgierig. Ich habe mich oft geärgert, und hätte gern an Madame Schleppegrell von diesen Reden berichtet. Aber es ist ja so dumm, daß wir, die sogenannten Gebrauchsmöbel, keine Sprache haben. Wenigstens keine, die die Menschen verstehen. Denn sie haben schlechte Ohren und hören nur grobe Laute.

Madame Schleppegrell war geschmeichelt, eine so vornehme Dame im Hause zu haben. Von jeher hatte sie eine Vorliebe für stolze Namen, und der Name der Herzogin war großartig genug. Ihre Miete bezahlte sie nicht, und über das Essen schalt sie. Sie war gewohnt, sehr feine Gerichte zu speisen, wenigstens in Paris. In dem Keller lebte sie von Kohl und Rüben: aber das war lange vergessen. Sie und der Bischof seufzten nach den Speisen des königlichen Hofes und nach den feinen Weinen. Der Bischof hatte einen Neffen mitgebracht, der einen Handel mit französischem Wein begann. Von dem bezog der alte Herr hin und wieder einige Flaschen, brachte sie mit, und die beiden alten Herrschaften tranken sie in aller Stille aus. Sie wurden dann vergnügt und sangen Lieder, die ich nicht verstand, über die sie aber sehr lachten, weil sie an ihre Jugend dachten. Manchmal sagten sie, daß sie glaubten, im Traumland zu leben, und daß sicher noch einmal ein angenehmes Erwachen kommen würde. Gelegentlich kamen noch mehr Franzosen zu der Herzogin und berichteten ihr die letzten Neuigkeiten. Sie hörte sie gern, aber sie war nicht immer freundlich gegen ihre Überbringer. Besonders nicht gegen die, die nicht sehr vornehm waren. Sie sagte, man dürfe auch in der Verbannung nie vergessen, was man seinem Stande schuldig wäre. Von der allgemeinen Menschenliebe, wie sie damals gebräuchlich wurde, wollte sie nie viel wissen. Der Bischof war milder gesonnen: und sein Neffe, der Vicomte, nannte ihn einen Jakobiner. Das war der, der mit Weinen handelte und sich Hareng nannte. Das heißt Hering auf Deutsch, und er sagte, der Hering wäre gerade gut genug für seinen Flaschenhandel. Seinen wirklichen Namen weiß ich nicht: aber ich konnte Louis gut leiden. Wenn er auch manchmal unausstehlich hochmütig war, und gegen die dummen Deutschen wetterte. Aber das sagte er nur, wenn er mit der Herzogin allein war; dann lachte sie und nannte ihn einen Taugenichts; wenn er aber Madame Schleppegrell auf der Treppe begegnete, dann machte er seine schönste Verbeugung und seine freundlichsten Augen. Dieser Vicomte war ein sehr hübscher Mann und immer sehr gut gekleidet. Der Handel mit Flaschenweinen warf doch wohl allerlei ab, und der Herr Louis verstand es, sein Geld zusammenzuhalten. »Er ist der geborene Kaufmann!« sagte sein Onkel von ihm, und die Herzogin schüttelte den Kopf.

Ein Edelgeborener dürfte sich nicht so sehr um das häßliche Geld bekümmern, sagte sie, und zählte doch jeden Abend ihre Goldstücke und silbernen Speziestaler, und rechnete und dachte schwer nach. Denn sie kannte Herrn Wolf, von der Firma Wolf und Steinheim, und dieser hatte über England Geld für sie in Empfang genommen, das ein treuer Pächter ihr schickte. Das aber durfte der Bischof nicht wissen, und auch nicht der Herr Louis. Beide waren der Meinung, daß die Herzogin noch eben so arm wäre wie an dem Tag, als sie recht erbärmlich von Harburg nach Altona kam. Damals hatte sie aber nach einige Diamanten in ihren Schuhen versteckt, und dazu kam das Geld von dem getreuen Beamten. Herr Melchior Wolf überbrachte ihr diese gute Nachricht, und die Herzogin war freudig gestimmt und sehr gnädig.

»Sie sind ein braver Mann, Monsieur Wolf!« sagte sie und reichte ihm ihre Hand. »Die Deutschen sind ehrliche Leute, ich habe es nicht geglaubt; weil bei uns in Frankreich so viel Unehrlichkeit ist. Und nicht wahr, sie sprechen mit niemandem darüber? Wenn Sie mir anständige Zinsen versprechen können, dann werde ich Ihnen das Geld lassen! Aber, Verschwiegenheit!« Herr Melchior verbeugte sich schweigend, und mit etwas verwundertem Gesicht. Er hatte große, schwarze Augen und eine gelbliche Gesichtsfarbe. Eigentlich hätte man ihn für einen Franzosen halten können, und deswegen mochte ihn die Herzogin schon gern. Außerdem war er in Paris gewesen und sprach ein glattes Französisch, das ihr gleichfalls gefiel. So konnte sie also mit ihm über ihr kleines Vermögen reden und sich gelegentlich Geld von ihm geben lassen, das sie vorsichtig versteckte. Herr Louis sollte keinesfalls dahinter kommen. Mir gefiel der Melchior sehr gut. Er saß so ernsthaft und ruhig auf mir: nicht wie die zappeligen Franzosen. Ich konnte das kleine Riekchen nicht begreifen, das ihm immer aus dem Wege ging. Sie war die Nichte von Madame Schleppegrell und weilte zu längerem Besuch bei ihr. Damals kam man noch zu längerem Besuch zu seinen Verwandten, besonders wenn man ein junges Mädchen war. Dann lernte man die Hauswirtschaft, kochen und nähen, scheuern und bügeln, und wenn man später keinen Mann kriegte, dann wurde man eine gute Tante. Eine, die überall half, wo es Krankheit gab und wo Kinder geboren wurden. So eine Tante war ein nützlicher Gegenstand, solange sie selbst in guten Jahren und gesund war. Wenn das Alter zu ihr kam und sie nicht mehr helfen konnte, wurde sie oft vergessen und starb in der Einsamkeit. Gerade wie auch wir guten Möbel manchmal vergessen werden, und es auch bei echtem Mahagoni vorkommt, daß es in den Ofen gesteckt wird, wo es bei vorsichtiger Behandlung noch lange ein Zimmerschmuck sein könnte!«

Der Stuhl schwieg, und die Laute seufzte von neuem.

»Auch ich gehöre zu den Vergessenen. Die Glut des Feuers wäre nicht so bitter, wie die Gleichgültigkeit der Menschen!«

»Meinst du?« Der Stuhl knisterte behaglich. »Du hast es sonst doch gut, und ich bin's auch zufrieden, in dies Zimmer gekommen zu sein, wo ich den Himmel sehe, die Bäume rauschen höre, und der Mond mich bescheint. Es ist mir nicht immer gut gegangen, wenn ich auch nicht aus dieser Stadt herauskam. Auch in der Heimat können einem die Menschen weh tun.

Der Mond warf ihm einen hellen Strahl zu.

»Laß das Philosophieren und berichte weiter. Der Melchior fällt mir nämlich gerade ein, und auch das Riekchen. Habe ich nicht gesehen, daß der Melchior bei meinem Licht einen Liebesbrief schrieb, der an das Riekchen gerichtet war?«

»Ganz recht: sie hat ihn auch erhalten, und ihn, auf mir sitzend, gelesen. Denn die Herzogin war gerade krank, und sie mußte im Wohnzimmer wachen, damit sie der alten Dame süßen Tee geben könnte, wenn sie danach verlangte. Aber, da die Kranke meistens schlief und im ganzen recht wenig krank war, so hatte Riekchen Zeit, ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, und beim Schein des Nachtlichtes diesen Brief von Herrn Melchior zu lesen. Sie lächelte ein wenig vor sich hin, als sie die vielen Liebesworte las, und lehnte sich dann fest an mich. Dabei sah sie in das kleine Licht der Öllampe und dachte an mancherlei Dinge. Ich konnte es ihrem Gesicht ansehen. Es war ein liebes, blondes Gesicht, wie die Töchter unseres Landes es haben. Frische Farben, goldene Haare, blaue Augen, und über dem roten Munde eine kecke kleine Nase. Dabei eine zierliche Figur, und ebensolche Kleidung. Ein dunkles Zitzkleid mit weißer Schürze; ein weißes Häubchen, und darunter die blonden Haare. Ich konnte es dem Melchior Wolf nicht verdenken, daß er das Mädchen zu seiner Frau machen wollte. Das Riekchen wäre auch wohl gern mit ihm in sein behagliches Haus gegangen, wenn nicht der Herr Louis gewesen wäre. Dieser französische Graf mit den seinen Reden, dem vornehmen Auftreten, den schöngepflegten Händen und den blitzenden Augen. Gerade, als die Herzogin das Bett hüten mußte, kam er häufig in ihre Wohnung und fragte nach dem Befinden. Und Riekchen gab ihm meistens Bescheid. Zwar rief, wenn sie wach war, auch die Herzogin nach ihm, aber er blieb nur einen Augenblick an ihrem Bett sitzen, küßte ihr die Hand und erklärte, vor Geschäften ersticken zu müssen. Aber wenn er Abschied genommen hatte, zog er mich vor die Tür auf den kleinen dunklen Vorplatz, setzte sich auf mich und wartete, bis Riekchen die Treppe hinauf kam. Dann umfing er sie, küßte ihre Hand und flüsterte allerlei närrisches Zeug, das die Leute immer auf Vorrat haben, wenn sie verliebt sind. Und Riekchen, die zuerst nicht alles verstand, was der Franzose sagte, lernte bald ein sehr gutes Französisch, und antwortete ihm erst zagend, dann immer freundschaftlicher. Der französische Graf flüsterte ihr vieles zu. Daß sein Geschäft sehr gut gehe, und er höchst notwendig eine kleine Frau gebrauche. Es müßten natürlich noch einige Wochen vergehen, und seine Frau Tante dürfte nichts davon merken. Sie wäre so adelsstolz und würde eine bürgerliche Nichte nicht als solche anerkennen, und er wollte sie nicht erzürnen.

»Werden Sie denn auch in unserer Stadt bleiben?« Riekchen fragte es zaghaft, und er lächelte sie an.

»Aber selbstverständlich, mein teures Leben! Könnte ich anderswo atmen als dort, da Ihre Heimat ist? Was ist mir Frankreich? Ein häßlicher Traum voll Blut und Schrecken. Hier in dieser idyllischen Ruhe werde ich mein Glück an Ihrer Seite finden!«

So schwatzte er, und Riekchen traten vor Glück die Tränen in die Augen. War sie doch eine sentimentale Deutsche, die die Liebe ernst und als etwas Heiliges betrachtete, während ich den Herrn Louis schon oft über die dummen deutschen Gänse, die alles ernsthaft nahmen, lachen hörte. Aber was vermochte ich gegen diese zierlichen Reden? Ich mußte stumm bleiben, und es auch ertragen, daß der Franzose mich die Treppe hinunter und in den Garten trug. Der lag hinter unserem Hause, und war so voll von Bäumen und Blüten, daß man sehr heimlich darin sitzen konnte. Es stand, unter Pfeifenkraut, eine kleine Bank, und auf der saß manchmal Madame Schleppegrell, wenn sie sich der frischen Luft erfreuen wollte, aber diese stand so, daß die Sonne auf ihr liegen konnte, und auch die Strahlen deines Lichtes, guter Mond. Das war also nichts für den Franzosen, und außerdem war ihm die Bank zu hart. Ich hatte ein schönes, handgesticktes Polster, und war so breit, daß ein paar dünne Menschen auf mir Platz fanden. Da mußte ich also manchmal in den Büschen stehen, und die zwei horchten auf den Gesang der Nachtigall. Denn es war damals gerade ein später Frühling gekommen, der die Stadt sehr hübsch machte. Gab es doch überall Gärten hinter den Häusern, Lauben darin, viele, viele Vogelstimmen. Sogar die Herzogin, die sonst nichts lobte, war einigermaßen mit der Nachtigall zufrieden, obgleich sie natürlich sagte, daß diese Vögel in Frankreich viel schönere Stimmen hätten als die deutschen. Die Herzogin war nämlich wieder gesund geworden und recht unternehmend. Auf die Straße mochte sie nicht gehen, weil sie fürchtete, Menschen zu begegnen, die sie nicht zu grüßen wünschte, aber vom Garten nahm sie vollständig Besitz, ließ auf die Bank ein paar Kissen von Madame Schleppegrell holen, und wunderte sich nur, wenn sie diese selbst im Garten fand. Sie wies sie nicht gerade hinaus, aber sie sah sie starr an, und sprach davon, daß es unangenehm wäre, immer gestört zu werden. Madame Schleppegrell verstand sie gottlob nicht. Die konnte wenig Französisch, und die Herzogin kein Deutsch. So vertrugen sich die beiden ganz gut: nur, wenn Madame Schleppegrell jedes Vierteljahr Riekchen schickte, um nach der Miete zu fragen, dann wunderte sie sich, wenn Riekchen immer mit leeren Händen wiederkehrte und berichtete, die Frau Herzogin wollte demnächst mit dem Bischof zusammen über diesen Fall nachdenken. Herzoginnen befaßten sich meistens nicht mit diesen für sie überflüssigen Angelegenheiten.«

»Vornehme Leute haben ihre Haushofmeister, die ihnen alles besorgen!« warf die Laute ein, und der Stuhl knisterte, daß es wie Lachen klang. »Der Haushofmeister der Frau Herzogin war aber nicht mit in die Verbannung gegangen. Der saß irgendwo in Paris, und sorgte dafür, daß den Herrschaften, vor denen er ehemals gedienert hatte, der Kopf abgeschlagen wurde. Von ihm wurde gelegentlich bei der Herzogin geredet, und er immer wieder verwünscht. Der Bischof sagte dann wohl, man müßte seinen Feinden verzeihen, aber von Herzen kam ihm diese Lehre nicht. Jedenfalls mußte die Herzogin jetzt ohne Haushofmeister fertig werden, und ich habe schon berichtet, daß sie gern Geld einnahm, es aber ungern ausgab. Madame Schleppegrell wartete geduldig auf die Zahlung ihrer Miete, und Riekchen mochte natürlich noch weniger von ihr sprechen: sie dachte nur an den Herrn Louis, und daß sie mit ihm glücklich werden wollte. Wie gesagt, im Garten habe ich manches Liebeswort gehört, und muß gestehen, daß es nicht übel klang. Es gibt böse und gute Menschen, aber die Liebe wirft einen goldenen Schleier über alle Fehler. Wenn der Herr Louis die Hand von Rieckchen an seine Lippen zog, und sie dabei feurig und schmachtend ansah, dann glaubte ich selbst, daß er seine Versprechungen halten würde.


 << zurück weiter >>