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Fünfzehnter Theil
Dritte Rede

Puṇṇo

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāmapiṇḍikos.

Da nun begab sich der ehrwürdige Puṇṇo gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Puṇṇo zum Erhabenen also:

»Huldreich, o Herr, möge mir der Erhabene in der Kürze eine Anleitung geben, dass ich, vom Erhabenen recht gewiesen, einsam, abgesondert, unermüdlich, in heißem, innigem Ernste weilen kann.«

»Wohlan denn, Puṇṇo, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagte da der ehrwürdige Puṇṇo aufmerksam zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Es giebt, Puṇṇo, durch das Gesicht ins Bewusstsein tretende Formen, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in Liebe und Freude und Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in Liebe und Freude und Neigung sich zukehrt, Lust auf; ist Lust aufgegangen geht Leid auf: das, Puṇṇo, sage ich. Es giebt, Puṇṇo, durch das Gehör ins Bewusstsein tretende Töne, durch den Geruch ins Bewusstsein tretende Düfte, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretende Säfte, durch das Getast ins Bewusstsein tretende Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretende Dinge, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in Liebe und Freude und Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während, er diesen in Liebe und Freude und Neigung sich zukehrt, Lust auf; ist Lust aufgegangen geht Leid auf: das, Puṇṇo, sage ich. – Es giebt, Puṇṇo, durch das Gesicht ins Bewusstsein tretende Formen, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung sich zukehrt, Lust unter; ist Lust untergegangen geht Leid unter: das, Puṇṇo, sage ich. Es giebt, Puṇṇo, durch das Gehör ins Bewusstsein tretende Töne, durch den Geruch ins Bewusstsein tretende Düfte, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretende Säfte, durch das Getast ins Bewusstsein tretende Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretende Dinge, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung sich zukehrt, Lust unter; ist Lust untergegangen geht Leid unter: das, Puṇṇo, sage ich. – So hab' ich nun, Puṇṇo, dir in der Kürze eine Anleitung gegeben. In was für einem Lande wirst du weilen?«

»Da ich, o Herr, vom Erhabenen in der Kürze eine solche Anleitung erhalten, werde ich mich nach dem Lande der westlichen Suner, wie man sie nennt, begeben und dort weilen.«

»Ein wildes Volk, Puṇṇo, sind die westlichen Suner, ein rohes Volk, Puṇṇo, sind die westlichen Suner. Wenn dich, Puṇṇo, die westlichen Suner schelten und beschimpfen werden, wie wird dir dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner schelten und beschimpfen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Fäusten schlagen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Fäusten schlagen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Fäusten schlagen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Steinen werfen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Sun er mit Steinen werfen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Steinen werfen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Stöcken prügeln.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Stöcken prügeln werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Stöcken prügeln werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Säbeln treffen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Säbeln treffen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Säbeln treffen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Säbelhieben umbringen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Säbelhieben umbringen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Säbelhieben umbringen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Es giebt Jünger des Erhabenen, die Leib und Leben verabscheuen und verachten, tödtliche Waffe zu finden suchen: die hab' ich nun, diese tödtliche Waffe, und ohne sie zu suchen, gefunden.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Recht so, recht so, Puṇṇo. Imstande sein wirst du, Puṇṇo, mit so milder Geduld begabt, im Lande der westlichen Suner zu weilen. Wie es dir nun, Puṇṇo, belieben mag.«

Und der ehrwürdige Puṇṇo, durch des Erhabenen Rede erfreut und befriedigt, stand von seinem Sitze auf, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum, räumte sein Lager zusammen, nahm Mantel und Almosenschaale und zog hinweg, dem Lande der westlichen Suner entgegen. Von Ort zu Ort weiter wandernd kam er allmälig hin.

Da war denn nun der ehrwürdige Puṇṇo im Lande der westlichen Suner gesiedelt. Und der ehrwürdige Puṇṇo hatte da schon während der Regenzeit gegen fünfhundert Anhänger zu gewinnen vermocht, hatte da schon während der Regenzeit gegen fünfhundert Anhängerinen zu gewinnen vermocht, hatte da schon während der Regenzeit das dreifache Wissen sich offenbar gemacht. Zum dreifachen Wissen cf. e. g. Bd. II, S. 571 f. Und der ehrwürdige Puṇṇo war nach einiger Zeit vom Wahne erloschen.

Aber gar manche Mönche begaben sich nun zum Erhabenen hin, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen sie zum Erhabenen also:

»Der da, o Herr, Puṇṇo genannt war, der edle Sohn, dem der Erhabene in der Kürze eine Anleitung gegeben hatte, der ist gestorben. Wo ist er jetzt, was ist aus ihm geworden?«

»Weise, ihr Mönche, ist Puṇṇo der edle Sohn gewesen, nachgefolgt ist er der Lehre gelehrig, und nicht hat er an meiner Belehrung Anstoß genommen. Vom Wahne erloschen, ihr Mönche, ist Puṇṇo der edle Sohn.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen. Die westlichen Suner sind in der Legende des zweiten Divyāvadānam, bei Wiedergabe unseres obigen Berichtes, zu Śroṇāparāntakās geworden: in Wirklichkeit aber wird an die Hunu des Avesta und des Ptolemäus Χουνοι, zu denken sein, zu welchen die Lage von Sāvatthī als Ausgang wohl passt.
Es ist bei diesem Dialoge kaum nöthig wiederum auf das berühmte Gespräch des S. Francesco im 8. Fioretto hinzuweisen, wiewohl auf Tao-te-king Kap. 13. – Zur kurzen Anleitung S. 580 f., ib. Kap. 58. Vergl. Lothars Wahlspruch »Ubi mel, ibi fel«, den der vielerfahrene Kaiser vielleicht einst von S. Bernard vernommen; dann später von Hartmannem› im Gregorius v. 284, 286 als »nach liebe leit – daz honec mit der gallen« vorgetragen; zumal aber cf. Eckhart, p. 424: »Allez leit kumet von liebi unt minne; wan minne unt liebi ist leides anevanc ont ûzganc.«


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