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Dreizehnter Theil
Buch der Armuth

121

Dreizehnter Theil
Erste Rede

Armuth

I

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Osthaine, auf Mutter Migāros Terrasse.

Da nun begab sich der ehrwürdige Ānando eines Abends, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Ānando also zum Erhabenen:

»Es war einmal, o Herr, da weilte der Erhabene im Lande der Sakyer, bei Nagarakam, einer Burg im Sakyergebiete. Damals hab' ich, o Herr, vom Erhabenen selbst es gehört, selbst es vernommen: ›Armuth erfahren hab' ich, Ānando, in dieser Zeit am meisten gemocht.‹ Hab' ich es wohl, o Herr, recht gehört, recht vernommen, recht gemerkt, recht behalten?«

»Gewiss hast du es, Ānando, recht gehört, recht vernommen, recht gemerkt, recht behalten. So damals, Ānando, wie heute hab' ich Armuth erfahren am meisten gemocht. – Gleichwie etwa, Ānando, diese Terrasse Mutter Migāros ohne Elephanten, Rinder und Rosse ist, ohne Gold und Silber, ohne Gesellschaft von Weibern und Männern, und nur einen Reichthum aufweist an einer Schaar Mönche als einzigen Gegenstand: ebenso nun auch, Ānando, hat ein Mönch den Gedanken ›Dorf‹ entlassen, den Gedanken ›Mensch‹ entlassen; den Gedanken ›Wald‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Wald‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Dorf’ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Mensch’ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist geblieben, nämlich der Gedanke ‘Wald’ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Dorf’‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Mensch’; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‘Wald’ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Mensch‹ entlassen, den Gedanken ›Wald‹ entlassen: den Gedanken ›Erde‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Erde‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Gleichwie etwa, Ānando, eine Stierhaut mit dem Falzeisen wohl abgeschabt, von den Falten geglättet wird: ebenso nun auch, Ānando, hat der Mönch was es auf dieser Erde an Erhebungen und Vertiefungen, an Flussläufen, an wüstem und waldigem Gebiet, an Bergen und Thälern giebt, das alles aus seinem Geiste entlassen: den Gedanken ›Erde‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Es ist, wie der siam. Text richtig hat, vigatavalikam und khāṇukaṇṭakaddhānam zu lesen. Desgl. adhimuccati etc. etc. etc. – Vergl. die 127. Rede. Im Gedanken ›Erde‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Mensch’ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus Hptti Gedanken ‘Wald’ entständen, die giebt es da nicht: und nur eine Spaltung ist geblieben, nämlich der Gedanke ‘Erde’ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Mensch’ weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Wald’: und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‘Erde’ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Wald‹ entlassen, den Gedanken ›Erde‹ entlassen; den Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Wald’ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Erde’ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‘Unbegränzte Raumsphäre’ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Wald’‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Erde’; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‘Unbegränzte Raumsphäre’ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Erde‹ entlassen, den Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ entlassen; den Gedanken ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Erde’ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Unbegränzte Raumsphäre’ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‘Unbegränzte Bewusstseinsphäre’ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Erde’‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Unbegränzte Raumsphäre’; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‘Unbegränzte Bewusstseinsphäre’ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ entlassen, den Gedanken ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ entlassen; den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Unbegränzte Raumsphäre’ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Unbegränzte Bewusstseinsphäre’ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‘Nichtdaseinsphäre’ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Unbegränzte Raumsphäre’‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Unbegränzte Bewusstseinsphäre’; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‘Nichtdaseinsphäre’ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ entlassen, den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ entlassen; den Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Unbegränzte Bewusstseinsphäre’ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Nichtdaseinsphäre’ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‘Gränzscheide möglicher Wahrnehmung’ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Unbegränzte Bewusstseinsphäre’‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Nichtdaseinsphäre’: und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‘Gränzscheide möglicher Wahrnehmung’ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ entlassen, den Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ entlassen; geistige Einheit ohne Vorstellung nimmt er auf als einzigen Gegenstand. In geistiger Einheit ohne Vorstellung erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Nichtdaseinsphäre’ entständen, die gibt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‘Gränzscheide möglicher Wahrnehmung’ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich dieser Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Nichtdaseinsphäre’‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‘Gränzscheide möglicher Wahrnehmung’; und nur einen Reichthum weist sie auf an diesem Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ entlassen, den Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ entlassen; geistige Einheit ohne Vorstellung nimmt er auf als einzigen Gegenstand. In geistiger Einheit ohne Vorstellung erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Auch diese geistige Einheit ohne Vorstellung ist zusammengesetzt, zusammengesonnen: was aber irgend zusammengesetzt, zusammengesonnen ist, das ist wandelbar, muss untergehn‹: das erkennt er. In solcher Kunde, solchem Anblicke löst sich ihm das Herz vom Wunscheswahn ab, und löst sich ihm das Herz vom Daseinswahn ab, und löst sich ihm das Herz vom Nichtwissenswahn ab. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus Wunscheswahn entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus Daseinswahn entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus Nichtwissenswahn entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich dieser Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Er weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um Wunscheswahn‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um Daseinswahn‹, weiß: ›Ärmer geworden ist diese Denkart um Nichtwissenswahn; und nur einen Reichthum weist sie auf an diesem Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine, allerhöchste Armuth über ihn herab.

»Wer aber auch immer, Ānando, in vergangener Zeit als ein Asket oder Priester durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen hatte, ein jeder solche hatte eben diese durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen. Wer aber auch immer, Ānando, in künftiger Zeit als ein Asket oder Priester durchaus reine, allerhöchste Armuth erringen wird, ein jeder solche wird eben diese durchaus reine, allerhöchste Armuth erringen. Wer aber auch immer, Ānando, in dieser Zeit als ein Asket oder Priester durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen hat, ein jeder solche hat eben diese durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen.

»Darum aber, Ānando: ›Durchaus reine,allerhöchste Armuth wollen wir erringen‹: so habt ihr, Ānando. euch wohl zu üben.« Die parisuddhā, paramānuttarā suññatā findet sich in einigen Upanischaden, wie Tejabindūp. v. 11 als sarvaṃ tat paramaṃ śūnyam, Ātmaprabodhop. ed. Bomb. p. 397a ādiśūnyas »Der Urarme«, Maitryup. II, 4 sa vā eṣa śuddaḥ pūtaḥ śūnyādi.
Vergl. Eckhart, p. 418: »Daz ist diu allernêhste armuot des geistes, wan ez ist nieman rehte arm, wan der niht enwil unde niht enweiz unde niht enhât, weder ûzwendic noch inwendic.« Ib. 283: Diu hœhste, diu klâreste unde diu nêhste armuot; 22: Sîns selbes und aller dinge wüeste sîn; 27: »Aller stillest stân und aller lêrest ist dâ dîn allerbestez.« Etc. – Cf. noch zur Antwort auf Ānandos Frage, S. 275, das bündige Wort des Makarios, bei Floss p. 163: »melior omnibus est paupertas«; sowie die Anm. 214.

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.


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