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Fünfzehnter Theil
Zweite Rede

Channo

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen.

Um diese Zeit aber hielt sich der ehrwürdige Sāriputto und der ehrwürdige Mahācundo und der ehrwürdige Channo im Gebirge, am Geierkulm auf. Damals war nun der ehrwürdige Channo unwohl geworden, leidend, schwerkrank.

Da begab sich denn der ehrwürdige Sāriputto gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, dorthin wo der ehrwürdige Mahācundo weilte, und er sprach also zu ihm:

»Komm', Bruder Cundo, wir wollen den ehrwürdigen Channo besuchen, nach seinem Befinden uns erkundigen.«

»Gern, Bruder!« erwiderte da der ehrwürdige Mahācundo, dem ehrwürdigen Sāriputto gehorchend.

Und der ehrwürdige Sāriputto begab sich nun mit dem ehrwürdigen Mahācundo dorthin wo der ehrwürdige Channo weilte. Dort angelangt tauschten sie höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit einander und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend wandte sich nun der ehrwürdige Sāriputto also an den ehrwürdigen Channo:

»Fühlst du dich, Bruder Channo, schon wohler, geht es dir etwas besser, nehmen die Schmerzen wieder ab und nicht zu, merkt man, dass sie nachlassen und nicht zunehmen?«

»Nicht fühl' ich mich, Bruder Sāriputto, wohler, es geht mir nicht besser, heftig nehmen die Schmerzen zu und nicht ab, man merkt, dass sie zunehmen und nicht nachlassen. – Zur Waffe, Bruder Sāriputto, werde ich greifen, Nämlich die Ader öffnen. nicht länger begehr' ich das Leben.«

»Nicht möge der ehrwürdige Channo zur Waffe greifen, fristen möge sich der ehrwürdige Channo, wir bitten den ehrwürdigen Channo sich zu fristen. Wenn der ehrwürdige Channo geeigneter Nahrung ermangelt, so werde ich dem ehrwürdigen Channo geeignete Nahrung zu verschaffen suchen; wenn der ehrwürdige Channo geeigneter Arzenei ermangelt, so werde ich dem ehrwürdigen Channo geeignete Arzenei zu verschaffen suchen; wenn der ehrwürdige Channo entsprechender Aufwartung ermangelt, so werde ich dem ehrwürdigen Channo Aufwärter sein. Nicht möge der ehrwürdige Channo zur Waffe greifen, fristen möge sich der ehrwürdige Channo, wir bitten den ehrwürdigen Channo sich zu fristen.«

»Nein, Bruder Sāriputto, ich ermangle keiner geeigneten Nahrung, ermangle keiner geeigneten Arzenei, ermangle keiner entsprechenden Aufwartung. Doch ist nun, Bruder Sāriputto, der Meister seit langem bedient, anmuthig nur, nicht unmuthig: das kommt ja, Bruder Sāriputto, einem Jünger zu, dass er den Meister nur anmuthig bediene, nicht unmuthig. ›Untadelhaft wird Channo der Mönch zur Waffe greifen‹: das magst du, Bruder Sāriputto, also dir merken.«

»Wir hätten noch einige Fragen an den ehrwürdigen Channo, wenn uns der ehrwürdige Channo darauf Antwort geben will.«

»Frage, Bruder Sāriputto: dann werden wir sehn.«

»Beim Auge, Bruder Channo, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen, gewahrst du da wohl: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹? beim Ohre, Bruder Channo, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen, gewahrst du da wohl: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Beim Auge, Bruder Sāriputto, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen gewahr' ich da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹; beim Ohre, Bruder Sāriputto, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen gewahr' ich da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹.«

»Beim Auge, Bruder Channo, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen hast du was gesehn, was verstanden und gewahrst da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst›? beim Ohre, Bruder Channo, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen hast du was gesehn, was verstanden und gewahrst da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹?«

»Beim Auge, Bruder Sāriputto, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen hab' ich die Auflösung gesehn, die Auflösung verstanden und gewahre da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹; beim Ohre, Bruder Sāriputto, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen hab' ich die Auflösung gesehn, die Auflösung verstanden und gewahre da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹.«

Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Mahācundo also an den ehrwürdigen Channo:

»So magst du denn, Bruder Channo,auch diese Weisung von Ihm, dem Erhabenen, unwandelbar im Geiste bewahren: ›Eingepflanzt erzittert man: nicht eingepflanzt erzittert man nicht; erzittert man nicht, ist man still: still geworden neigt man sich nicht; neigt man sich nicht, kommt man und geht man nicht: kommt man und geht man nicht, erscheint und verschwindet man nicht; erscheint und verschwindet man nicht, giebt es kein hüben und kein drüben noch beider inmitten sein: es ist eben das Ende vom Leiden.‹«

Als da nun der ehrwürdige Channo mit dieser Ansprache angesprochen worden, standen Sāriputto und Mahācundo die Ehrwürdigen von ihren Sitzen auf und schritten von dannen.

Bald aber, nachdem Sāriputto und Mahācundo die Ehrwürdigen fortgegangen, hat der ehrwürdige Channo zur Waffe gegriffen.

Da begab sich denn der ehrwürdige Sāriputto zum Erhabenen hin, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Sāriputto zum Erhabenen also:

»Der ehrwürdige Channo, o Herr, hat zur Waffe gegriffen. Wo ist er jetzt, was ist aus ihm geworden?«

»Hat dir denn nicht, Sāriputto, Channo der Mönch selber schon untadelig sein erklärt?«

»Es liegt, o Herr, ein Ort, Pubbajiram geheißen, im Vajji-Gebiete. Dort wohnen die Freunde, wohnen die Genossen des ehrwürdigen Channo: denen gilt es als Tadel.«

»Es giebt ja wohl dort, Sāriputto, solche Freunde, solche Genossen von Channo dem Mönche, denen es als Tadel gilt. Ich sage nicht, Sāriputto, dass man darum Tadel habe. Wer da, Sāriputto, den einen Körper ablegt und einen anderen Körper annimmt, der, sag' ich, ist tadelhaft. Das gilt von Channo dem Mönche nicht. Untadelhaft hat Channo der Mönch zur Waffe gegriffen.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Sāriputto über das Wort des Erhabenen. Zu Mahācundos Hypomnem cf. die 140. Rede i. f.; auch Kaivalyopaniṣat 24: sadasadvihīnas, Mahopaniṣat V, v. 69: sadasator madhye paśyati, ja schon Chāndogyopaniṣat III, ii, 1: Atha tata ūrdhva uditya naivodetā nāstametā, ekala eva rn.adh.ye sthātā. Ebenso Tao-te-king Kap. 33 i. f., Eckhart p. 535: »ûf der mite stên.«
Das letzte Gespräch Channos und das letzte des Atticus mit den Freunden vor seinem freiwilligen Tode zeigt nach Inhalt und Form paarweise Gleichheit, bei Cornelius Nepos XXV, 21. Mythisches Vorbild ist die bhrguide Wanderung durch den Tod zum Leben (vergl. auch das Bhṛgupatanam Bd. 2, Anm. 176); das herakleische Ende; und der Vogel Phoenix. »Mortalis immortalis flere si foret fas, Flerent divae Camœnae Nævium poetam« deutet uns heiter gelassen das altrömische Epitaph an.


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