Johann Nestroy
Höllenangst
Johann Nestroy

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Dreizehnte Szene

Wendelin, Pfrim.

Pfrim. Du wirst schon g'merkt haben, Sohnerl, wir hab'n 's hier mit ein' paar Bösewichter zu tun.

Wendelin. Na ob!

Pfrim. Die Bösewichter haben das Gute, daß sie sich so häufig durch Schriften blamieren.

Wendelin. Mit solche Papiere kann man sie beherrschen, martern, razen – was man will.

Pfrim. Das hat deine Mutter auf 'n G'wissen, wir wär'n ja gar nie ang'standen auf 'n Teufel.

Wendelin. Jawohl! Aber wie jetzt die Aktien stehn, woll'n wir wenigstens die Frevler zermalmen.

Pfrim. Mit was denn?

Wendelin. Mit die Papiere.

Pfrim. Ja, hab'n wir s' denn?

Wendelin. In mein' Jankerl –

Pfrim. Is der Baron Reichthal auf und davon!

Wendelin. Na, dann sind die Papiere in die rechten Händ'.

Pfrim. Aber wir zwei könnten da in unrechte Händ' kommen. Nix wird leichter wütend als ein g'foppter Bösewicht. Die Wut sucht Opfer, da wär'n wir grad recht dazu. Drum les' g'schwind den Brief, und dann, chassé passé!

Wendelin. Von wem –?

Pfrim. Vom Baron Reichthal.

Wendelin (liest). »Lieber Wendelin! Die Schriften, die mir ein glücklicher Zufall durch deine Jacke in die Hände gespielt, setzen mich in den Stand, meine Feinde zu entlarven, zu vernichten.«

Pfrim. Was, glücklicher Zufall! Das Jankerl war's!

Wendelin (zitternd, nachdem er im stillen weitergelesen). O weh – Vater –!

Pfrim. Was is dir denn?

Wendelin. Jetzt kommt was Abscheuliches.

Pfrim. Hör' auf, ich will sagen: Fang an, les!

Wendelin (weiterlesend). »Der Gemahl meiner Nichte –« auweh!

Pfrim (ungeduldig). Na –?

Wendelin. Das is ja der Teufel.

Pfrim. Unglaublich!

Wendelin. Was is dem nicht möglich; er hat die Gestalt des Oberrichters angenommen.

Pfrim. Nicht möglich!?

Wendelin. Na, ich werd' doch wissen, wer mir erschienen is. Aber jetzt hör' der Vater. – (Weiterlesend.) »Der Gemahl meiner Nichte sagte mir, daß du ihm ergeben bist, und gibt dir den Auftrag, seine Gemahlin in aller Stille zu deiner Mutter zu bringen. Heute nacht wird er erscheinen, sie abzuholen –

Pfrim. Das is gräßlich –!

Wendelin (weiterlesend). »Und auch dich –« (sprechend) das hin nämlich ich – (weiterlesend) »will er auf immer den Seinen nennen.« (Spricht.) Mir klappern die Zähn'.

Pfrim. Mir schnappen die Knie zusamm' –! (Beide drücken in sprachloser Pantomime die höchste Angst aus.)

Wendelin. Wir haben keine Zeit bestimmt im Kontrakt; er kann mich jede Minuten holen.

Pfrim. Und ich hab' glaubt: zehn Jahr'! Was fangen wir an?!

Wendelin. Fort, auf die Pilgerfahrt, da gibt's kein anderes Mittel!

Pfrim. Das is recht, so entgehst du dem Beelzebub, und ich komm' per Rekreation auf a Weil' von meiner Alten los. (Eilt zur Mitte ab.)

Vierzehnte Szene

Wendelin.

Wendelin. Aber so g'schwind! Daß er mich heut' schon holt – so indiskret hat er sich noch gegen niemand benommen. Wie haben die alle die Welt genossen, die satansbündigen Ritter, diese Don Juans, diese Doktor Fäuste – und nur ich –! Sonst heißt's ja immer: »Leben, Taten und Höllenfahrt« – und ich hab' nicht gelebt, ich hab' nichts getan, und doch – ich komm' gar so als Unschuld in die Höll'. Schauderhaft!

Fünfzehnte Szene

Leni, Wendelin; später Pfrim und Portier.

Leni (durch die Mitte eintretend). Is es erlaubt –? (Für sich.) Keine Antwort is auch eine. (Tritt näher.) Was is das? Eine finstere Stirn – düstre Gedanken? Is Ihnen die Geliebte untreu word'n?

Wendelin. An was erinnern Sie mich?! Sie sind ein Frau'nzimmer –

Leni. Aufzuwarten.

Wendelin. Sie werden am besten wissen, wie das is. Kann einem eine nach 'n Tod noch treu sein?

Leni. Da müssen S' eine fragen, der schon einer g'storben is, und nicht a Mädl, die heut oder morgen erst fühlen wird, was erste Liebe heißt.

Wendelin. Ah, so is das? Nehmen Sie's nicht übel –

Leni. Übelnehmen? Ihnen was übelnehmen? Das brächt' ich gar nicht übers Herz –

Wendelin. Dieser Seufzer- dieser Blick-?! Ich glaub' gar –

Leni. Was is Ihnen denn?

Wendelin. Darf ich um den werten Namen bitten?

Leni. Leni heiß' ich.

Wendelin. Leni? Das is Verstellung! Gestehn Sie's, Sie heißen Helene –!

Leni. Nein, Magdalena.

Wendelin (kopfschüttelnd). Magdalene war eine Büßende.

Leni. Das kann ich auch noch werden.

Wendelin. Und – was is das?! Meiner Seel', ich riech' ein' Schwefel, einen unbändigen Schwefel! – Geht schon z'samm. Ich hab' früher von meiner Unschuld g'red't – hast es nicht g'sehn, is die Verlockerin da. Weiche von mir! Du bist ein Trugbild aus höllischem Dunst! Kein Zweifel, verführen will man mich –! Das is eine höllische Idee!

Leni (beiseite). Ich kenn' mich nicht recht aus – (Laut.) Gehn S', Sie machen eim völlig Angst.

Quodlibet

Leni.
Alles biete ich dir an,
O Trauter, komm und sei mein Mann.
Gehörten Indiens Schätze mein,
Ja, wär' ich König dieser Welt,
Die schönste Perl' im Diadem
Wärst du allein, wärst du allein.

Wendelin.
Sie geht sehr scharf drein, die Beelzebubischi,
Sie denkt sich, na wart', dich erwisch' i!
Es nutzt dir nix, höllische Leni,
Du plagst dich umsonst, schad' um die Müh'.

Leni.
Schaun S' nit gar so drein,
Tun S' nit trauri sein,
Sagen Sie mir, was fällt Ihnen ein.

Leni.
Wir sind ganz allein,
Sei'n S' galant und fein,
Schlagen Sie jetzt ein.

Wendelin (zugleich).
Schwefeldunst allein
Dringt auf d' Brust mir ein,
Is müßt' nur Phosphor sein.

Leni.
Fühlten Sie denn noch nie Liebesschmerzen,
Die so süß durchglühn die Herzen?

Wendelin.
Diese junge Teuf'lin spricht noch von Herzen,
Fräul'n Helene, sonst hab'n S' keine Schmerzen?

Leni.
Er hat kein Gefühl, das is gewiß,
Schad', daß er so sauber is,
Er hat kein Gefühl –

Leni.
Er hat kein Gefühl, das is gewiß,
Schad', daß er so sauber is.

Wendelin (zugleich). Ja, ja, das is gewiß,
Daß sie a junge Teuf'lin is.

Pfrim (tritt zitternd ein).

Wendelin und Leni.
Was ist's denn?
Was hab'n S' denn?
Was is's,
Dieses Beben?
(Pfrim will sich setzen, fällt auf die Erde neben den Stuhl.)
Ha! daneben!
Sagen S' uns doch, was 's is?

Pfrim.
Das Bildnis is bezaubernd schön,
Wann die Portiers beim Tor in Gala stehn,
Ich fühl' es – ich fühl' es –
Doch wenn das Götterbild
Zum Grobwerd'n anfangt,
Wird's wild –

Leni.
Mein Papa –

Wendelin.
Ihr Papa!

Leni.
Is so resch!

Wendelin.
Is so resch!

Leni.
Im Dienst ist er allweil so –

Wendelin (zugleich).
Ja, er war mit mir auch a so.

Leni.
Machen Sie –

Wendelin.
Machen Sie –

Leni.
Sich nichts daraus, ein seelenguter Mensch is er do!

Wendelin.
Sich nichts daraus, 's is halt a so –

Alle drei.
Lo lo lo lo.

Portier (tritt auf).
Ich hab' ihn g'sehn, er is über d' Stiegen herauf'kraxelt,
Doch ihn ereilt mein Stock.
Ha, mein Kind! Und der Mensch in dem ellenlangen Rock!

Pfrim, Wendelin und Leni.
Ach Gott!
Die Not!
Er droht!

Portier.
Da ist er ja, hast du ihn vielleicht herauf'zaxelt,
Der Vater spricht zu dir.
Reiz' mich nicht, sonst erwachet in mir der Portier.

Leni.
Da wird eim völlig entrisch –

Wendelin, Pfrim und Portier.
Entrisch!

Alle vier.
Ja, entrisch.
Da setzt's noch Fisch.

Leni.
Da wird eim völlig entrisch.

Alle. Ja, entrisch!

Leni.
Wenn ich nur nix dawisch'

Alle.
Dawisch'.

Leni.
Ich les' in seinem G'sicht!

Alle.
Im G'sicht?
Verflixte G'schicht –

Leni.
Ich weiß, er schenkt mir's nicht.

Alle.
Ihr's nicht,
Daß sie weiß von dieser G'schicht.

Leni, Pfrim und Wendelin.
Ich bin still,
Red', wer will,
Mir steigen schon die Grausbirn' auf,
Er kommt uns ganz gewiß noch drauf.
Ich bin still, red', wer will etc.

Wendelin.
Willst verschließen
Gefühlen süßen
's Herz, du Soltel auf zwei Füßen,
Knurrst die Leut' an
Und hast dein' Freud' dran,
In deiner Herrschaftshaus-
Anlümmelungs-Permanenz.

Portier.
Ich bin sonsten in der Regel
Ein ausgemachter Flegel,
Wie erklär' ich mir das,
Meine Augen werden naß,
Tochter, komm in meinen Arm,
An das Vaterherz so warm,
Meine Tochter, meine Leni.

Alle.
Lo lo lo lo.

Portier.
Ich bin reich jetzt wie ein Köni.

Alle.
Lo lo lo lo.

Leni.
Welche Seligkeit strömt durch meine Brust
Und erfüllt mein Herz, füllt mein Herz mit Götterlust.
Ja, 's fehlt zu meinem Glück
Nur von ihm ein Blick,
Von ihm, ja von ihm ein Blick!

Alle drei.
's Madl freut si,
Selig schreit sie,
Soll'n das Kindestriebe sein?
's scheint, 's fallt ihr gar nit ein.

Leni.
Ja, ein Blick von ihm, von ihm wär' Seligkeit.

Alle drei.
Sollen das die Kindestriebe sein?
's scheint, 's fallt ihr gar nit ein.

Pfrim.
's is a Freud',
Die is g'scheit,
Sie zielt mit den Blicken,
Weiß in Eil'
Pfeil auf Pfeil
Aus dem Aug' zu schicken.
Ohne Ruh'
Immerzu
Tut sie kokettieren,
Lauert schlau,
Zielt genau,
Will mein' Sohn verführen.
Aber das verschmitzte Kind
Nicht so g'schwind ihn gewinnt,
Das verschmitzte Kind
Nicht so g'schwind ihn gewinnt.

Alle.
Ja, ich (sie) fanget ihn nicht so g'schwind.

Alle vier.
Ich tät' gern drum was geben,
Wüßt' ich, was wir erleben,
Wie wird alles sich noch wenden,
Wie wird sich die G'schicht' noch enden.

Leni.
Lo lo lo.

Alle vier.
Fragen wir nicht, was geschicht,
Kümmern wir uns um das nicht.
Denn morgen ist auch noch ein Tag,
Drum lass'n wir auf morgen die Plag'
Lo lo lo.

Portier.
Jubel schreit und springt man –

Pfrim, Wendelin.
Wer nicht benutzt den Augenblick der Freud',
G'hört unter die Narren und wird niemals nit g'scheit.
Lacht eim so 's Herz im Leib lustig und froh,
Wünscht man sich, wär' es nur alleweil so!


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