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Fette vlämische Gesundheit ist auch das Kennzeichen der anderen, die zur nämlichen Zeit in Flandern arbeiteten. Mögen sie nackte Weiber, Tiere oder Landschaften malen, alle sind handfeste Arbeiter, sinnlich und derb, Männer, die mit wollüstigem Behagen die Materie in ihrer strotzenden Gesundheit umschlingen.
Jacob Jordaens namentlich ist ein echter vlämischer Bär, steht dem Aristokraten Rubens als schwerfälliger Plebejer gegenüber. Schon sein Selbstporträt deutet den Unterschied an. Rubens trägt auf allen seinen Bildnissen Sammetrock und goldene Kette. Jordaens, aus einer Trödlerfamilie stammend, sieht aus wie ein vierschrötiger, plumper Prolet. Auch daß er Calvinist war, giebt seiner Malerei ein anderes Gepräge. Sie hat nur die vlämische Schwere, nicht den rauschenden Schwung, das festlich Pomphafte der Jesuitenkunst. Massige Schultern liebt er, feiste Körper, die braune fettige Haut der Satyrn und den Geruch des Kuhstalls. Fische, Gänse, Hühner, Schweine, Würste, Eier, Milch, Brot, fette schwere Nahrung häuft er neben den Figuren an. Auf seiner Anbetung der Hirten drängen wettergebräunte Kerle, ungewaschene, ungekämmte Gesellen sich an eine dicke Bäuerin heran. Ein Kind in gelber Jacke, das Christkind vorstellend, hält ein Ei und ein Vogelnest. Ein großer Hund und eine Frau mit einem riesigen Milchtopf stehen daneben. Unter dem Titel »Der verlorene Sohn« oder »Die Arche Noah« malt er kraftstrotzende Tierstücke. Das Thema, wie der zwölfjährige Jesus im Tempel lehrt, verwandelt sich in eine Kneipe, wo ein junger Bursche dicken Spießbürgern durch seine Antworten imponiert. Selbst das einzige antike Bild, das er malte, ist ein Zechgelage: wie der kleine Jupiter durch die Ziege Amalthea genährt wird. Diese dicke quammige Nymphe, diese Ziege mit ihren strotzenden Eutern, dieser fette kleine Jupiter, der, obwohl er die Milchflasche hält, noch nach Nahrung schreit, dieser braune Satyr und all die saftigen Dinge, die auf dem Boden liegen – das ist der ganze Jordaens, der Maler der Schlemmerei und der Liebe.
Denn gewöhnlich verzichtet er überhaupt auf den biblischen und mythologischen Titel. Kirmesorgien sind seine wahre Domäne. Da wird das Dreikönigsfest gefeiert. Ein alter Schmerbauch schlürft aus seinem Römer. Ein Soldat umhalst ein dickes Mädchen. Alle saufen, johlen, fressen. Einer ist so weit, daß sein Wanst die Ladung nicht mehr faßt. Selbst die Katze wälzt sich betrunken auf dem Boden. Ist statt des Dreikönigsfestes das Sprichwort behandelt »Wie die Alten sungen, zwitschern die Jungen«, so ändert das wenig. Er malt nur mit der Wollust des Vielfraßes, wie der Mensch ißt, trinkt und verdaut: ein Gargantua gleichsam mit ungeheuerem Appetit, der sich im Nabel der nährenden Erde festsetzte.
Mehr im pomphaft schwungvollen Rubensstil arbeiteten Abraham van Diepenbeeck, Theodor van Thulden, Cornelis Schut und Jasper de Crayer. Diepenbeeck benutzt das Thema der Flucht der Cloëlia, Thulden den Triumphzug der Galatea dazu, Weiberkörper von allen Seiten zur Schau zu stellen. Schut und Crayer deckten den Bedarf an Kirchenbildern: anfangs naturalistisch derb, später prunkhaft blendend.
Als Porträtmaler entfaltete neben Rubens Cornelis de Vos eine große Thätigkeit, und seine Bildnisse sind bezeichnend für den höfisch repräsentierenden Geist, der unter dem Einfluß spanischer Etikette in das flandrische Familienleben kam. Selten malt er Einzelporträts, fast immer nur monumentale Familienbilder. Und alle diese Leute scheinen in Schlössern zu wohnen. Eine pomphafte Säulenarchitektur baut sich auf, mit kühn gebauschtem, breit herabwallendem Vorhang. Oder sie haben auf einer Veranda sich niedergelassen, die die Aussicht auf Schloß und Garten freiläßt. Vos ist älter als Diepenbeeck und Jordaens. Das verrät sich in seiner strengen, beinahe starren Art. Statt der malerischen Breite der Jüngeren herrscht bei ihm noch zeichnerische Scharfe, der Stil des Antonis Mor und Frans Pourbus. Von seinen kleineren Bildnissen ist das des Hausmeisters der Lucasgilde im Antwerpener Museum und das seiner Töchterchen in der Berliner Galerie berühmt. Der alte Kellermeister putzt das Tafelgeschirr des Gildenhauses – also ein Hinweis darauf, welch üppiges Leben die Künstler in dem lustigen Antwerpen führten. Seine Kinder malt er, wie sie ihre Kirschen und Pfirsiche verzehren. Also auch hier, wie bei allen Vlaamen, spielt das Essen eine Rolle.
Die Familienbilder des Gonzales Coques unterscheiden sich von denen des Vos nur durch ihr kleineres Format. Die repräsentierende Eleganz ist die gleiche. Feierliche Hoftracht hat sich jeder angelegt. Mit Gobelins und Bildern sind die Wände geschmückt. Säulen und wallende Vorhänge scheinen zum notwendigen Möblement jeder Kaufmannswohnung zu gehören.
Welche Wandlung die Landschaftsmalerei unter dem Einfluß des Rubens durchmachte, zeigt ein Vergleich der Werke, die vor und nach dem Auftreten des Meisters entstanden. Lucas van Balckenborch, Joos de Momper, Jan Brueghel, Hendrik van Balen, Roelant Savery, Sebastian Brancx, David Vinckboons und Alexander Keirinx haben, obwohl sie ins 17. Jahrhundert hereinlebten, mehr mit Patinir als mit Rubens gemein. Auch sie waren Neuerer. Patinir und Bles hatten noch nicht versucht, Fernsichten zu geben. Der Hintergrund geht nicht zurück, sondern baut sich über dem Vordergrund auf. Daß in der Ferne die Umrisse verschwimmen und die Farben sich ändern, wollten sie, an mikroskopisches Sehen gewöhnt, nicht bemerken. In meilenweiter Entfernung behalten Aestchen und Blättchen dieselben festumrissenen Formen, dieselben scharfen Farben, wie die Dinge des Vordergrundes. Da wurde durch Gillis van Coninxloo eine wichtige Anregung gegeben. Er zuerst von den vlämischen Landschaftern empfand, welche Einwirkung Luft und Licht auf die Erscheinung der Dinge hat, und suchte das Verschwimmen der Umrisse, die Abtönung, die die Farben in größerer Entfernung erleiden, zeichnerisch und koloristisch auszudrücken. Im Vordergrund glänzt alles in scharfen braunen, grünen und blauen Farben. Im zweiten Plan ist das Laubwerk nicht Blatt für Blatt, sondern büschelartig gezeichnet. Das Dunkelgrün geht in helleres Blaugrün, die Farbe der Baumstämme von braun ins grünliche über. Weiter hinten werden die Farben noch heller und fahler. Stolz auf diese »Entdeckung der drei Pläne« ließ nun aber Coninxloo die Abtönung der Farben nicht allmählich eintreten. Er markierte sie so, als ob braune, grüne und graue Coulissen die Natur in gesonderte Abteilungen zerlegten. Und an dieser Anschauung hielten auch die Folgenden fest. Statt daß ihre Bildchen einfarbiger wurden, nahm die Buntheit immer mehr zu. Ein grauer Hintergrund mit hellblauer Fernsicht und dunkelblauen Bergen, in scharfem Gegensatz dazu im Vordergrund leuchtendes Grün und inmitten dieser farbenprangenden Natur kleine Figürchen in schillernden Gewändern – das ist der gewöhnliche Inhalt ihrer Bilder. Mit jauchzender Freude stellen sie aus bunten Pflanzen und bunten Kostümen, aus buntgefiederten Papageien und olympischen Göttern, aus Ruinen, Felsen und Wasserfällen flimmernde Farbenbouquets von rot, grün und blau zusammen. Jedes Bild gleicht einer Palette, auf der die lautesten Farben toll durcheinander klingen.
In dieser Vorliebe für schöne saftige, sinnlich üppige Farben sind sie echte vlämische Meister. Nur der Detailreichtum, das Saubere, Puppenhafte ihrer Werkchen entsprach nicht mehr dem Geschmack der späteren Zeit. »Ich bekenne, daß ich infolge einer natürlichen Begabung mehr geeignet bin, sehr große Bilder zu malen, als kleine Kuriositäten.« Diese Worte des Rubens kennzeichnen auch die Werke der Folgenden.
Einen Einzigen, Jan Silberechts, würde man nicht als Vlaamen erkennen. Denn seine Landschaften sind weder schwungvoll, noch leuchten sie in saftiger Buntheit. Eine Kuhmagd und ein kleines Mädchen, am Wege schlafend, sind auf einem Münchener Bilde gemalt. Das blecherne Milchgeschirr steht vor ihnen. Ein paar Schafe grasen. Aus Weiß, Blau, Hellgrün und Grau setzt sich das Ganze zusammen. Ein Bauernhof in Brüssel und ein Kanal in Hannover sind gleichfalls Naturausschnitte von einer Unmittelbarkeit und Wahrheit, die an die Freilichtmalerei der Gegenwart streift. Silberechts, als einer der ersten Landschafter, entdeckte, daß das Sonnenlicht die Dinge nicht goldig, sondern silbern tönt, und hat in seinen schlichten kühl grauen Bildern Werke von sehr moderner Feinheit geschaffen.
Alle übrigen sind breite Bravourmaler, die eine pomphaft festliche Wirkung erstreben. Ueppige Palettentöne mischen sie, metergroße Leinwandflächen bedecken sie mit Bäumen und Flüssen, mit Bergen und Thälern. Der prangend leuchtende, rauschend bewegte Stil der Figurenmalerei ist auch für sie maßgebend. Zwei Hügel, dazwischen ein sandiger Hohlweg, auf dem zwei Reiter in rotem Wams daherkommen, in der Ferne blaue Berge unter tiefbraunem Himmel – das ist eine Landschaft des Lodewyk de Vadder. Jacques d'Artois fand im Park bei Brüssel imposante, prunkvolle Scenerien. Lucas van Uden malte Waldlichtungen, schilfbewachsene Teiche und üppige Wiesen, auf denen fettes Hornvieh lagert. Die beiden Huysmans ließen italienische Landschaften in warmer Farbenglut leuchten, und Jan Peeters, der Marinemaler, folgt gleichfalls dem Programm des Rubens, indem er die See nie im Zustand der Ruhe, nur in Momenten dramatischer Erregung malt.
Die Tier- und Stilllebenmalerei ist durch Frans Snyders, Jan Fyt, Paul de Vos, Pieter Boel und Adriaen van Utrecht vertreten. In ihren Tierstücken stellen sie wie Rubens Löwen und Tiger, Hirsche und Wölfe in wildem Kampf, in schnaubender Leidenschaft dar. In ihren Stillleben häufen sie totes Wildbret und totes Geflügel, Früchte und Hummern, Austern und Fische, Fasanen und Truthühner zu mächtigen Dekorationsstücken zusammen. Wie in den Tierbildern die vlämische Lust an Bewegung und Pathos, kommt bei der Darstellung solch saftiger Leckerbissen die wollüstige Genußfreudigkeit des vlämischen Stammes zum Ausdruck. Mit der Gourmandise des Lebemannes betrachten sie das Schillern der Dinge, die man essen kann, fühlen das Wasser im Munde zusammenlaufen, wenn sie Delikatessen zum Gabelfrühstück anhäufen. Selbst die Blumen, die die üppig ausladenden Barockvasen des Daniel Seghers umschlingen, scheinen unter einer übermächtigen Fülle von Lebenskraft zu ersticken.
Die ganze vlämische Kunst gleicht einem vollblütigen, von kräftiger Nahrung angeschwemmten Körper. Alle malen eine Schöpfung, die gesund ist bis zum Bersten, die überschäumt in fetter Behäbigkeit. Saftige Blumenguirlanden und glanzvolle Stoffe, nackte Menschenleiber und wilde Tiere, Heilige, Genien und Bacchanten weben sie keck sinnenfroh zu farbenfreudigen Bouquets zusammen. Erst van Dyck, der Benjamin der Rubensschule, ging einen anderen Weg.