Alexander Moszkowski
Ernste und heitere Paradoxe
Alexander Moszkowski

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Propheten und Kabbalisten.

Wir besitzen eine Anzahl prognostischer Schriften aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende, deren Verfasser sich zweifellos nicht nur als sehr hellsichtig, sondern auch als recht verwegen vorkamen. Allein fast alles, was sie uns als Ergebnis einer aufgepeitschten Phantasie vorstellen, erweist sich im Licht der späteren Wirklichkeit als matt, flügellahm und falsch. Staubtücher haben sie geschüttelt, da sie den Schleier der Maja zu lüften wähnten, und als sie das Licht der Zukunft herabzuholen gedachten, fuhren sie mit der Stange im Nebel umher.

Unter diesen Schriften sei hier nur eine erwähnt: ein Stück von Kotzebue, des gar nicht übeln Lustspieldichters aber sehr übeln Politikers. Dieses Stück betitelt sich: »Die hundertjährigen Eichen oder das Jahr 1914«, es gipfelt in einer Ansage vom vollendeten Völkerfrühling, vom Aufhören aller Rüstungen, vom ewigen Frieden. Unter diesem Zeichen sah der Komödienmann von damals das von uns durchlebte Völkerdrama des Jahres 1914, und er war nicht der einzige falsche Prophet seiner Zeit. Mit den andern teilt er die Kurzsichtigkeit in allen Dingen der Kultur und Technik: Keine Ahnung dämmert ihm vom Zeitalter des Dampfes, der Elektrizität, der Kraftübertragung auf weite Entfernung. Die in diesen Prophezeiungen auftretenden Eilboten erledigen ihre Aufträge mit der Postkutsche; als die Vertreter eines Schneckenganges, der den Verfassern jener Jahre als unabänderlich galt.

Wer von der hohen Warte einer erfüllten Zeit auf solche Ansagen zurückblickt, der wird die Eingebungen, denen sie entquollen, nicht höher bewerten als den Bleiguß der Silvesternacht und den Kaffeesatz alter Wahrsagefrauen; auch nicht höher als die Darm- und Vogelflugdeutungen der Auguren und die Orakel von Delphi und Dodona, nur mit dem Unterschied, daß diese Orakel vorwiegend auf bewußte Täuschung der Fragenden angelegt waren, während vor hundert Jahren die Selbsttäuschung überwog. Napoleon des Ersten stärkstes Orakel lautete: In fünfzig Jahren wird Europa entweder kosakisch oder republikanisch sein! und dieser Fehlspruch wurzelte in einer Überzeugung.

Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto häufiger begegnen wir stichhaltigen Ansagen der Zukunft. Der Doktor Faust des alten Puppenspiels reist nicht mit der Postkutsche, sondern er nimmt das Luftschiff vorweg in Form des Zaubermantels mit Feuerluft. Zahlreiche Wunder der deutschen und indischen Sage muten wie Prophezeiungen unserer Technik an, und ein Deuter von der Einbildungskraft eines Edgar Poe hat es tatsächlich unternommen, die Zauber von 1001 Nacht unter diesem Gesichtswinkel auszufolgern. Wer heute, mehr als siebzig Jahre nach Poe, diesen Versuch fortsetzt, wird finden, daß der größere Teil der Gegenwartswunder sich von der Erfüllung uralter Ansagen nur noch wenig unterscheidet.

Aber schon damals durfte es heißen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen. In einem Seher aus dem Abendland gewahren wir den zielbewußten Sproß einer Prophetengilde, die einst von Mesopotamien heraufkam:

Vom dunkeln Gewande einer absichtlich verschnörkelten Sprache umschleiert, erscheinen die Prophezeiungen des Nostradamus. Es ist indes vielfach gelungen, den Kern sinngemäß herauszuschälen, und je mehr die Nostradamus-Kunde fortschreitet, desto staunenswerter wächst der Wahrheitsgehalt dieser Ansagen. Nostradamus, Michel de Notredame, geboren 1503 in der Provence, hat seine Prophezeiungen im Jahre 1565 veröffentlicht, mit einer Geltungsdauer bis 3797, also mit Einschluß unserer Zeiten und weit darüber hinaus. Er gab ihnen die Form gereimter Vierzeiler (Quatrains), die er in Gruppen von je hundert zu »Centuries« vereinigte. Um den Wert dieser auf Astrologie und innerem Schauen aufgebauten Verse für unsere Gegenwart abschätzen zu können, wird man vergleichsweise einige Stichproben herausgreifen dürfen, die sich auf längst Erfülltes beziehen.

Achtzig Jahre nach Erscheinen des Strophenwerkes bewahrheitete sich das Schicksal des letzten aus dem Hauptzweige der Montmorencey buchstäblich bis zu den kleinsten Begleitumständen, die Nostradamus angesagt hatte. Sogar der Name des Soldaten, der die Hinrichtung an Montmorencey vollzog – er hieß Clèrepeyne – war dem Seher nicht entgangen, der den betreffenden Quatrain mit den Worten schloß: »délivré à Clère peyne«; was man ja wörtlich mit »der berühmten Strafe ausgeliefert« übersetzen kann. Aber an ein reines Zufallsspiel zu glauben, hält doch recht schwer, wenn man daneben eine Reihe anderer Vierzeiler von Nostradamus beobachtet, in denen gleichwertige Merkwürdigkeiten die Annahme eines blanken Zufalls eigentlich ausschließen:

Nahezu ein Vierteljahrtausend vor der Französischen Revolution prophezeite Nostradamus mit verblüffender Genauigkeit Daten und Taten dieser Epoche: Der Angriff der Fünfhundert auf die Tuilerien wird mit den Worten angesagt: »conflict passera sur le thuille par cinq cens«; wobei zu beachten, daß das Königsschloß als Bauwerk noch gar nicht vorhanden war, als jene Worte erschienen, und daß vollends die von tuilerie (Ziegelbrennerei) abgeleitete Bezeichnung einer späteren Zeit angehört. Mit derselben Treffsicherheit behandelt der Prophet des sechzehnten Jahrhunderts den Revolutionskalender; bei Nostradamus heißt es: »Im Jahre 1792 wird man glauben, eine neue Zeitrechnung einzuführen.« Daß jener Kalender schon nach kurzer Zeit wieder abgeschafft wurde, findet seine ausreichende Andeutung in dem »glauben«. Den Korsischen Eroberer verkündet Nostradamus also: »Ein Kaiser wird nahe bei Italien geboren werden, der seinem Reiche teuer zu stehen kommen wird. Er wird von der tributspflichtigen Seestadt (Toulon) die Herrschaft an sich reißen, vierzehn Jahre die Tyrannei innehaben, nach seiner Heirat zusammenbrechen.« Ein gedrängter Abriß der Napoleonischen Geschichte, der mit vielen anderen Begleitstellen aus Nostradamus' Werk besonders durch die verdienstvolle Forschung von Dr. Max Kemmerich den deutschen Lesern nahegebracht wurde.

Bei den Versuchen, die Quatrains auch mit der neuesten Zeitgeschichte in Verbindung zu setzen, mußte der Deutung und Übersetzungsfreiheit allerdings ein weiterer Spielraum verstattet werden, und es ist nicht zu verkennen, daß sich hier streckenweis ein Tummelplatz für recht gewagte Mutmaßungen geöffnet hat. Die Schwierigkeit liegt besonders darin, daß in den folgenden Centuries der Hinweis auf bestimmte Zeiten fehlt und von Nostradamus durch die bedingte Form der delphischen Orakel umschrieben wird. Nach der Art des pythischen Spruches »Wenn Krösus über den Halys geht, wird er ein großes Reich zerstören«, – beginnt Nostradamus mehrfach mit einem schwierig verkleideten »Wenn«, bei dessen Auslegung Phantasie und Deutungswunsch kräftig mitreden. Eine große Getreideteuerung wird angesagt, »wenn man die Stimme des ungewöhnlichen Vogels gleich dem Ton der Orgelpfeifen hören wird«; und den Deutern war es nicht zweifelhaft, daß mit dem absonderlichen Vogel (insolit oyseau) das Militärluftschiff gemeint war, dessen Propellergebraus an den Orgelton erinnern soll. Ein auf diesem Gebiet erfahrener Sonderforscher, Arthur Grobe-Wutischky, zog aus dem Nostradamus eine Sammlung dicht verschleierter Verse, von denen die nachstehenden, verkürzt wiedergegebenen, zweifellos Interesse beanspruchen: »Albion, wenn der Berg aus der Luft kommt, und die Glocke in der Röhre, das Schiff in der Glocke, dann naht deine letzte Stunde!«

Die verwegene Deutung wollte herauslesen: »Berg aus der Luft«: dichterische Umschreibung des Zeppelin, »Schiff in der Glocke«: das Unterseeboot; »Glocke in der Röhre«: das moderne Hohlgeschoß; wobei die Erinnerung an das geflügelte Wort aus Preciosa lebendig wird: »Herrlich, etwas dunkel zwar, aber 's klingt recht wunderbar!«

In der fünften und neunten Centurie wird geweissagt, daß Brabant, Flandern, Gent, Brüssel und Boulogne dermaleinst den Deutschen zufallen; und daß der »Fürst mit künstlich gekräuseltem Bart« eine hochmütige Nation mit Hilfe des Mondbanners (Halbmond) bezwingen werde. In den von uns durchlebten Zeiten kam's ja freilich anders, allein vielleicht beziehen sich diese Aussagen des Nostradamus auf eine spätere Epoche; die Weltgeschichte ist ja noch nicht zu Ende, und auf ein Jahrhundert kommt es ihr nicht an.

Soweit des Nostradamus Sprüche auf Astrologie zurückgehen, stehen sie mit Maß und Zahl in Zusammenhang, suchen sie das zahlenmäßig Erfaßbare im Sinne einer Welt-Deutung zu verwenden. Auf demselben Hintergrunde bewegten sich die Pythagoreer des Altertums, die Kabbalisten und in weiterem Umfang alle Seher, Mystiker, Symbolisten, die im Kern ihres Bewußtseins eine Ahnung von Wissenschaftlichkeit trugen oder verbargen. Ihnen allen ist die Zahl das Grundlegende, Bestimmende, den Zusammenhang aller Dinge und Ereignisse Verkündende. Die Zahl ist das Wesen aller Dinge, sagt Pythagoras, dem sich Plato mit dem Wort anschließt: auf Zahl- und Verhältnisbestimmung ruht alle Wissenschaft. Ein unendlicher Zauber strahlt von den Zahlproportionen aus, dem sie alle wie hypnotisiert nachstarren, die reinen Wissenschaftler, die mit Werkzeug, Experiment und Algebra die Zukunft zu errechnen trachteten – und in der Astronomie wirklich errechnet haben – nicht minder die träumerisch gerichteten Außenseiter, welche die Zahl mit magischen Elementen zusammenquirlten und aus dem Gebräu neue Weisheiten aufsteigen sehen wollten. Hundertfältige Proben ihrer Kunst liegen uns vor, die jedoch bei allem Scharfsinn zuviel Spielerisches, sogar Taschenspielerisches verraten, um irgendwie als Anhalt für die Zukunft gebrauchsfähig zu werden. In überwiegender Fülle beschäftigen sie sich auch gar nicht mit der Zukunft, sondern mit der Vergangenheit; aber es ist nicht zu leugnen, daß sie mit rückwärts gewendetem Blick dem Geheimnis der Zahl allerlei symbolische Triumphe bereitet haben. Sehen wir uns daraufhin einige wenig bekannte Beispiele an:

Die als Unglückszahl zu Unrecht beschrieene Primzahl 13 liefert den Schlüssel zum Leben mehrerer Größen; so wird das Dasein Richard Wagners von ihr geradezu beherrscht. Wagner wurde im Jahre 1813 geboren und starb am 13. Februar. Sein Festspielhaus in Bayreuth wurde am 13. August eröffnet. Er schrieb (einschließlich der Jugendwerke) 13 Tondramen, sein Name setzt sich aus 13 Buchstaben zusammen, die Ziffern seines Geburtsjahrs ergeben als Quersumme 1+8+1+3 wiederum 13. Den ersten Anstoß zum Ergreifen des musikalischen Berufes empfing er durch eine Vorstellung des Freischütz am 13. Oktober. Tannhäuser endete am 13. März 1861 in Paris mit dem bekannten Theaterkrach und kam am 13. Mai 1895 dort wieder zu Ehren. Das Rigaer Theater, an dem Wagner als Kapellmeister begann, wurde am 13. September 1837 eröffnet; Tannhäuser am 13. April 1844 vollendet. Wagners Verbannung vom Mutterlande währte 13 Jahre. Der letzte Tag, den er in Bayreuth verlebte, war der 13. September. Liszt besuchte ihn zum letzten Mal in Venedig am 13. Januar 1883, und das Jahr, in dem Wagner starb, war das 13. Jahr der Deutschen Reichseinheit.

Nicht ganz frei von Willkür trat eine Zahlensymbolik auf, die in das Leben des ersten deutschen Kaisers rechnerisch eindringen wollte. Sie fußt nämlich auf dem geschichtlich keineswegs ausschlaggebenden Jahr 1829, dem Hochzeitsjahr Wilhelms I., und verfährt addierend, indem sie die einzelnen Ziffern fortgesetzt dem erzielten Gesamtdatum zuzählt. Danach ergibt sich folgendes:

1829
1
8
2
9

1849
Bewältigung des Aufstands in der Pfalz und in Baden.
1849
1
8
4
9

1871
Annahme der deutschen Kaiserwürde.
1871
1
8
7
1

1888
Todesjahr.

Die ganze umständliche Kabbala beweist also nichts sonderlich Überraschendes, da sie allzu weit ausholen muß, um zu den bedeutsamsten Geschichtswerten zu gelangen.

Nach einer anderen Methode verfuhren die Propheten, um im großen Völkerringen unserer Zeit den Frieden zu errechnen. Sie begannen zunächst wiederum rückwärts blickend mit den Geschichtszahlen 70 und 71, wobei eine doppelte Zusammenzählung das Ergebnis liefert:

18 70
18 71

37 41
3 + 7 = 10 4 + 1 = 5

was auf den 10. Tag des 5. Monats hinleitet, also auf den 10. Mai, (von 1871, wie stillschweigend vorausgesetzt wird), der tatsächlich als Datum des Frankfurter Friedens die deutsche Chronik ziert. Und nun schloß man mit jener Zuversicht, die zum alten Rüstzeug der Symboliker gehört: stimmts für das Gewesene, dann wird's wohl auch für's Kommende stimmen; also wagte man die schematische Fortsetzung:

19 14
19 15

38 29
3 + 8 = 11 2 + 9 = 11

in Worten: der 11. November 1915 sollte den Frieden bringen. Vom arithmetischen Standpunkt gesehen war die Sache in bester Ordnung; aber die Geschichte ging ihren eigenen Weg und zermalmte das hübsche Exempel des Zahlenwunders.

Um so eifriger stürzten sich die Symboliker auf eine andere Möglichkeit, der auch ein geborener Skeptiker eine gewisse Offenbarungsstärke nicht abstreiten wird. Man betrachtete mit Aufmerksamkeit das mathematische Gesicht der Weltgeschichte und entdeckte darin als einen hervorstechenden Zug: – die Primzahl.

Als bekannt darf vorausgesetzt werden, was eine Primzahl ist: eine ganze Zahl, die sich durch keine andere restlos teilen läßt, also z. B. 11, 13, 17, 19, 23, 29 usw. Je höher man hinaufsteigt, desto seltener werden sie bei anscheinend regelloser Anordnung. Das Gesetz ihrer Aufeinanderfolge ist bis heute nicht gefunden worden. Wohl aber ein gewisser Zusammenhang mit den Weltereignissen; und zwar, zum Ruhme der Primzahl sei es gesagt, ganz besonders zu den friedlichen.

Und hier meldet sich unsere Statistik mit folgender Aufmachung:

Der Westfälische Friede, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, wurde 1648 geschlossen. Die Quersumme dieser Jahreszahl ergibt 19, eine Primzahl.

Erster Friede von Saint-Germain war 1570; Quersumme: Primzahl 13; zweiter Friede von Saint-Germain zwischen Frankreich und Brandenburg war 1679; Quersumme: Primzahl 23.

Der bedeutsame Friede von Ryswik, der den neunjährigen Krieg Ludwigs XIV. gegen die Koalition beendete, fiel auf das Jahresdatum 1697. Quersumme: Primzahl 23.

Der Rastatter Friede nach dem Spanischen Erbfolgekriege war 1714; Quersumme: Primzahl 13.

Friede zu Rystadt 1721 zwischen Rußland und Schweden; Quersumme: Primzahl 11.

Friede zu Passarowitz zwischen der Türkei und Österreich-Venedig 1718; Quersumme: Primzahl 17.

Ende des zweiten Schlesischen Krieges durch den Frieden von Dresden, 1745. Quersumme: Primzahl 17.

Schluß des Siebenjährigen Krieges im Frieden zu Hubertusburg 1763; Quersumme 17.

Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika im Frieden von Versailles 1783; Quersumme: Primzahl 19.

Friede zu Amiens zwischen England, Frankreich, Spanien usw. 1802; Quersumme: Primzahl 11.

Friede von Villafranca und Zürich (nach Magenta und Solferino) 1859. Quersumme: Primzahl 23.

Friede zu Wien zwischen Dänemark-Osterreich-Preußen 1864; Quersumme: Primzahl 19.

1871 der Friede zu Frankfurt a. M. – Quersumme: Primzahl = 17.

1895 Friede von Schimonoseki zwischen China und Japan; Quersumme: Primzahl 23.

Friede von Peking, 1901; Quersumme: Primzahl 11.

Rechnet man hierzu noch die Genfer Konvention von 1864 (Quersumme 19), so überblickt man einen recht stattlichen Friedenssaldo. Allerdings gibt es auch eine Gegenrechnung, die sich indes in ziemlich engen Grenzen hält. Sie betrifft vornehmlich den Frieden von Utrecht und die Friedensschlüsse aus der Napoleonischen Zeit von Tilsit bis Paris.

Man erkennt, daß unter den Sonderzahlen die 17 wiederum eine ganz besondere Rolle spielt; und das geschichtliche Kuriosum ihrer Häufigkeit ergänzt sich durch die Tatsache, daß die 17 auch in arithmetischer Hinsicht eine höchst auffallende und bevorzugte Stellung behauptet. Die Fürsten der Größenkunde, Fermat, Euler und Gauß haben ihr liebevolle Fürsorge zugewendet. Ja, man witterte in der 17 überhaupt eine Art von Stein der Weisen, einen Heilbringer der Erkenntnis für das feste Gerippe aller Zahlen. Dieses Gerippe zu konstruieren, das heißt, das begreifliche Gesetz für die Folge und Ordnung der Primzahlen aufzufinden, war ein heißes – ein vergebliches Bemühen; und der Weise im stillen Gemach mit seinen bedeutenden Zirkeln sucht noch immer dieses Gesetz in des Zufalls grausenden Wundern.

Und dabei gerät er auch auf Nebenwege, er nähert sich den geheimnisvollen Methoden des Nostradamus und sucht die 17 auf geschichtlichen Pfaden zu beschleichen. So hat ein ganz scharfer Denker, Fr. Hartmann in Leipzig, in einer sonst vortrefflichen Abhandlung über ein mathematisches Problem zum Schlusse sich der Magie ergeben: er sah in den Friedensschlüssen von 1763 und 1871 die geheimnisvolle 17 aufblitzen und schloß seine schwierigen Ausführungen mit den horoskopischen Worten: »Der gegenwärtige Weltkrieg wird 1916 – Quersumme 17 – enden . . .« wobei die Rechnung allerdings ein Loch bekommen hat.

Trotzdem wird die wunderbare 17 noch vielfach umherspuken und zu manchen Extratouren auf dem Gebiet der Orakel Veranlassung geben. Deutlich genug hat sie verkündet, daß sie sich in wunderbarer Weise abhebt von ihren Schwestern im Zahlenreiche. Einst gab es in der Friedensstadt Haag einen Frieden zwischen Spanien, Savoyen und Österreich; der wurde geschlossen am siebzehnten Februar siebzehnhundertundsiebzehn. Mehr kann man nicht verlangen.

In den abenteuerlichen Zufällen, die der wirkliche Ablauf der Dinge bietet, sucht sich der prophetische Trieb zu verankern. Er wird nie aufhören, die Unwahrscheinlichkeiten der Vergangenheit gegen die Wahrscheinlichkeiten der Zukunft auszuspielen. Wir alle finden neben Stunden des Zweifels und des Mißtrauens, Sekunden mystischer Willigkeit. Und in solchen Augenblicken legen wir uns vielleicht selbst auf's Ansagen, da uns aus dem Unterbewußtsein eine Stimme zuruft: Wer viel prophezeit, wird auch manchmal das Richtige treffen!

 


 


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