Karl Philipp Moritz
61-107
Karl Philipp Moritz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Kinderlehre

Während Hartknopf durch seinen Fichtenwald auf Nesselrode zuwanderte, war der Küster Ehrenpreiß schon wieder über das Torfmoor nach Ribbeckenau zurückgekehrt, um dort den Nachmittagsgottesdienst zu halten. –

Als nun die Kinder des Dorfes um den Altar versammelt standen, faltete er seine Hände und betete:

– Erhalt uns, o Herr, die reine Lehre. Alle Irrläubigen aber, welche Dein Wort verderben, mache zuschanden um der Liebe willen!

Nun war die erste Frage:

Ehrenpreiß: – Als Lucifer oder der Teufel von Gott abfiel; wer stieß ihn da vom Himmel herunter?

Die Kinder; – Gott!

Ehrenpreiß: – Wie kam er also vom Himmel herunter?

Ein Bauernknabe: – Plötzlich!

Ehrenpreiß: – Aber wie oft soll ich euch noch sagen: ihr müßt auf das Vorhergehende merken! Ihr begreift nicht! – Wenn ich frage; wie kam er vom Himmel herunter? so heißt ja die Antwort nach dem Vorhergehenden; Gott stieß ihn herunter?! Merkt doch auf die Worte! Es heißt ja; Gott stieß ihn herunter!

Wie kam er also vom Himmel?

Die Kinder: – Gott stieß ihn herunter.

Ehrenpreiß: – Was ist durch den Teufel in die Welt gekommen?

Die Kinder: – Die Sünde.

Ehrenpreiß: – Durch wen sind wir von der Sünde erlöst?

Die Kinder: – Durch Christum!

Ehrenpreiß: – Wen sandte Christus seinen Jüngern, da er gen Himmel fuhr?

Die Kinder: – Den Tröster!

Ehrenpreiß: – Als aber der Heilige Geist bei der Taufe Christi in Gestalt einer Taube vom Himmel herabkam, wer sandte ihn da vom Himmel?

Die Kinder: – Gott!

Ehrenpreiß: – Wie kam also der Heilige Geist vom Himmel herunter? (Hier merkte er sorgfältig auf die Antwort)

Einige Kinder: – Gott stieß ihn herunter!

Ehrenpreiß: – Nein Kinder (fiel er als wäre es abgeredet ein), Menschen stießen ihn herunter, die den dreieinigen Gott nicht erkennen und des Herrn Wort verdrehen, welche Sünde nicht vergeben werden soll, weder in dieser noch in jener Welt! – Gehet hin in Frieden!


 << zurück weiter >>