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25. Januar 1877. Preußische Jahrbücher XXXIX S. 141-156 mit der Überschrift: Friedrich der Große und das katholische Vicariat in Berlin.
Wir Deutschen stehen unter den Gesetzen eines eigenartigen Geschichtsverlaufs. Unsere altnationale Entwicklung ist zu Grunde gegangen an den trostlosen Nachwehen des größesten deutschen Geisteswerks; die kirchliche Reformation hat dem alten Deutschen Reiche das Leben gekostet. Der mächtige Baum hat von den Axtschlägen, die infolgedessen ihn bis in seine Wurzeln trafen, sich nicht wieder erholt; der kränkliche Fortbestand, der ihm nachher beschieden war, war nichts als eine lange Agonie und ein Unglück mehr. Wohl war der quellende Lebenssaft des deutschen Volkes damit nicht erschöpft; aber ihm entwuchs vielmehr ein junger Baum, dem erst nachdem die ehrwürdigen Reste des Urstammes wie die vielen anderen neben ihm emporgesproßten Schößlinge unter gewaltsamen Kämpfen gefallen waren, in unseren Tagen es gelungen ist einigermaßen den Platz einzunehmen und den Raum mit seinen Ästen und Zweigen zu erfüllen, der einst dem Mutterstamm gehört hatte. Und die Folgen dieser Doppelwüchsigkeit, zu der keine andere der heute bestehenden großen Nationen auch nur etwas Ähnliches aufzuweisen hat, dieser Verschiebung des Mittel- und Schwerpunktes der Nation von seinem ursprünglichen Platze werden auf Jahrhunderte hinaus im Soll wie im Haben fühlbar bleiben. Eine der bemerkenswertesten dieser Wirkungen ist es, daß unser Staat der einzige jetzt vorhandene ist, welcher sich nicht ausschließlich empfindet als das spontane Produkt der nationalen Entwickelung, sondern zugleich als eine Schöpfung von Menschenhand, als ein Werk unserer großen Regenten. Ein tief politisches Gefühl ist es, welches unsere Nation insbesondere mit dem gefeiertsten dieser Fürsten, mit Friedrich dem Großen noch heute verknüpft; wir haben, wenn wir seiner gedenken, einigermaßen die Empfindung, welche der Athener und der Spartaner sich in dem Heros Archegetes symbolisierte. Es ist dies unser Sondergut unter den Nationen, wie wir andrerseits ja auch wieder behaftet sind mit jenem Sonderfluch, der bösen Nachwirkung einer böseren Zeit, mit Gegensätzen innerhalb der Nationalität, wie sie kein anderes Volk, nicht einmal das gleich uns politisch erst jüngst geeinigte italienische in seinem eigenen Schoße kennt. Wenn kein Jahr an Tagen arm ist, die dem rechten Deutschen über das, was Mitbürger erstreben und zum Teil vollbringen, den flammenden Zorn und nur zu oft die brennende Scham erregt, so bringt andererseits auch jedes Jahr zu vielen anderen Tagen freudiger Sammlung auch den Gedenktag, welchem die heutige Feier gewidmet ist, den Geburtstag Friedrichs des Großen.
Nach gutem Herkommen begeht unsere Akademie, die noch in einem andern Sinn, als jeder Preuße dies darf, in Friedrich ihren Archegeten feiert, diesen Gedächtnistag nicht mit Auseinandersetzungen allgemeiner Natur, die, einer Persönlichkeit dieser Art und dieses Ruhmes gegenüber, kaum etwas anderes bringen könnten als die Bestätigung dessen, was so richtig und so sicher ist, daß man es ungern abermals hört. Es versucht vielmehr ein jeder an seinem Teil aus dieser weltumfassenden und im einzelnen von keinem vollständig gekannten Individualität die eine oder die andere Beziehung, diese oder jene Tätigkeit hervorzuheben und, wenn die Landschaft dieselbe bleibt, sie in einer anderen Perspektive, in einer neuen Beleuchtung zu zeigen. Heute soll versucht werden Friedrichs Stellung zu der katholischen Kirche, insbesondere dem Bistum des neu gewonnenen schlesischen Landes in kurzen Umrissen nach den vorliegenden Aktenstücken klarzulegen.
Wie die Erwerbung Schlesiens in der Geschichte Preußens überhaupt den Markstein bezeichnet, wo das selbständige Fürstentum sich zur Großmacht zu entwickeln beginnt, so gilt dies auch und vorzugsweise von der Stellung Preußens gegenüber den religiösen Fragen. Das vorfridericianische Preußen war ein streng konfessionelles Staatswesen; nicht als ob in dem weit zerstreuten wenig eingegrenzten Besitztum es an katholischen Untertanen gefehlt hätte; aber die Lebenskraft dieses Gemeinwesens und was hier so eng damit zusammenhing, der in dem Fürstenhause waltende Begriff von Regiment und Regentenpflicht ruhte auf dem Protestantismus. In der Tat, seit das Haus Wettin seine große geschichtliche Aufgabe Schild und Schwert des lutherischen Gedankens zu sein um das Linsengericht der polnischen Erbschaft verhandelt hatte, war dieser hohe Beruf mit all seinen Ehren und all seinen Gefahren übergegangen auf das Brandenburger Fürstengeschlecht. Nie wohl ist dies deutlicher zu Tage getreten als in jener denkwürdigen Epoche, in welcher Ludwig XIV. die Rekatholisierung Frankreichs abschloß und den Weg einschlug, den seitdem der französische Staat allen Gegenströmungen zum Trotz eingehalten hat und heut noch einhält, das politische Übergewicht Frankreichs in Europa in und mit der kirchlichen Alleinherrschaft des romanischen Christentums zu erstreben. Mit bewundernswerter Sicherheit und Klarheit begriff es der Große Kurfürst, daß es ihm zukam in diesem Kampf voranzustehen und mit und in der Freiheit des deutschen Landes zugleich die Freiheit des Gedankens zu schirmen; mit Recht ist von ihm gesagt worden, daß es ihm wie eine Art von geistlicher Mission erschienen ist sich an die Spitze des Protestantismus zu stellen und daß dies der höchste Ehrgeiz gewesen ist, den der erste der großen Herrscher unseres Staates in seiner Seele genährt hat. – Der gleiche ernstliche, nach seiner Art oft starre, harte, gewaltsame Konfessionalismus bezeichnet das Regiment seines Enkels. Nicht als ob er den Katholiken, die unter seiner Herrschaft lebten, die Übung ihrer Religion irgend verkümmert hätte; im Gegenteil, er hat in seiner gewissenhaften Art mancherlei Unbilligkeiten der herrschenden Kirche beseitigt, zum Beispiel den Waisenkindern katholischen Glaubens trotz des lebhaften Widerspruchs der lutherischen Zeloten gestattet in der Religion ihrer Eltern erzogen zu werden, die öffentliche Ausübung der katholischen Ceremonien, wo sie bisher untersagt gewesen war, wie zum Beispiel in Stettin, freigegeben, und die katholischen Missionen in den protestantischen Bezirken häufig aus seinen Mitteln unterstützt, immer freilich unter der Bedingung, daß keine Jesuiten dafür verwendet werden durften. Aber er persönlich war darum nicht minder jeder über dem Dogma stehenden Auffassung der religiösen Dinge abgewandt; man braucht dafür nur daran zu erinnern, welche wichtige Rolle in dem Zerwürfnis und in der Aussöhnung von Vater und Sohn die Meinungsverschiedenheit über die lutherisch-calvinische Kontroverse in Betreff der Gnadenwahl gespielt und wie er für diesen Prozeß sich Rats erholt hat aus den Büchern Samuelis.
War Friedrichs des Zweiten Naturell in allen Stücken das Widerspiel des väterlichen, so gilt dies vor allem auf diesem Gebiet. Keine Seite seines Wesens ist so energisch entwickelt und damit so tief dem Gedächtnis der Nachwelt eingeprägt, wie seine Gleichgültigkeit wenn nicht gegen den Glauben selbst, so doch gegen dessen Façon. Wenn indifferente Toleranz überhaupt die Signatur der Epoche ist, der er angehört und die in seiner Individualität ihren bedeutendsten und vollkommensten Ausdruck fand, so ist es von höchster weltgeschichtlicher Bedeutung, daß derjenige große Regent, welcher Preußen eine Großmachtstellung gab, zugleich der erste Regent sein sollte, der den hohen Gedanken erfaßt hat ein einheitliches Staatsbürgertum neben und über verschiedenen Kirchenverfassungen zu entwickeln. Wohl war die gleiche Aufgabe schon vor ihm an andere Großstaaten herangetreten; in Österreich wie in Frankreich hatte es eine Epoche gegeben, in der die Regierungen berufen erschienen von dem konfessionell gebundenen zu dem freien Staatsregiment fortzuschreiten. Aber weder dort noch hier war der Ruf verstanden worden; nach kürzerem oder längerem Schwanken hatten die Habsburger wie die Bourbons wieder in die alten Bahnen eingelenkt und die kirchlichen Verhältnisse in dem Sinn entwickelt, daß es nur eine Kirche und daneben allenfalls geduldete Sektierer gab. Es verlohnt wohl der Mühe, zu erwägen, wie Friedrich verfahren ist, als das neu gewonnene Schlesien ihn in die Lage versetzte der katholischen Kirche gegenüber Stellung zu nehmen. Wenngleich die Pläne, die er damals gefaßt hat, in der Hauptsache nicht zur Ausführung gelangt sind, vielleicht so, wie sie gefaßt waren, überhaupt nicht ausgeführt werden konnten, so sind doch auch jene Gedanken politisch schöpferischer Naturen, die zunächst ohne praktische Folgen bleiben, eine köstliche Erbschaft der späteren Geschlechter.
In der Tat, abweisen konnte der Eroberer Schlesiens die Auseinandersetzung mit der römischen Hierarchie nicht. Wohl war die geschichtliche Berechtigung für diesen kühnen Griff, die rasch und voll erfüllte Hoffnung aus dem mit den Waffen dem Nachbar entrissenen Lande ein fest dem preußischen Gemeinwesen verwachsenes Glied zu gestalten, zum großen Teil darin gegeben und begründet, daß hier allein in den deutschen Provinzen Österreichs die evangelische Lehre sich, wenn auch geschädigt und gedrückt, doch noch in dem Kern der Bevölkerung und vor allem in der Hauptstadt behauptet hatte. Aber immer war die Hälfte der Bewohner katholischen Glaubens; immer trat mit diesem Erwerb zum erstenmal unter den preußischen Scepter eine jener großen wie im Titel, so auch in der Sache dem deutschen Fürstentum ebenbürtigen Kirchengewalten. Die Ordnung der Beziehungen zwischen dem neuen evangelischen Landesherrn und der katholischen Kirche Schlesiens und ihrem obersten Haupt, dem gefürsteten Bischof von Breslau, der keinem deutschen Prälaten an Glanz und Macht nachstand und der bis vor kurzem zugleich das Land als Statthalter des Kaisers regiert hatte, diese Auseinandersetzung war derjenigen zwischen den Staaten Österreich und Preußen über die Abtretung der Provinz wohl vergleichbar; auch sie war ein politischer Akt zwischen zwei zum Krieg wie zum Vertrag befähigten Mächten.
Es lag nahe den Katholischen der neuen Provinz des protestantischen Staates nichts zu gewähren als eine mehr oder minder prekäre Toleranz, der evangelischen Kirche aber jene herrschende Stellung zu schaffen, welche bis dahin die katholische in Schlesien eingenommen hatte. Diesen Weg sind die katholischen Mächte jener Zeit gegangen, wo sie in den Fall kamen andersgläubige Landschaften zu inkorporieren; und auch die protestantischen Mächte hatten bis dahin ihrerseits das gleiche getan. Schwerlich würde der Große Kurfürst anders verfahren sein, wenn jener merkwürdige Entwurf zur Erwerbung Schlesiens, den er aufgestellt hat, zur Ausführung gelangt wäre. »Es müssen Patenta gedruckt werden«, steht in demselben, »darin den Katholiken versprochen werde, sie bei ihrer Religion frei zu lassen; und muß man sich hüten, das man im Anfang die Römisch Catollische nicht für die Köppe stoße, welche man alsdann gewiß gegen sich haben würde.« Nach diesem bisher in dem protestantischen Deutschland üblichen System, das wohl katholische Untertanen und katholische Geistliche, aber keine katholischen Bischöfe duldete, würde das Bistum Breslau aufgehoben oder doch säkularisiert und für die Bedürfnisse des katholischen Kultus allenfalls durch stillschweigende Duldung einer gewissen Einmischung der Prälatur der katholischen Nachbarstaaten gesorgt worden sein.
Friedrich ist anders verfahren. Ohne Zweifel sind dabei vor allem allgemeine politische Erwägungen maßgebend gewesen, die Beziehungen zu dem feindlichen Österreich sowohl, das ohne die Klausel, welche den konfessionellen status quo in Schlesien garantierte, den Breslauer Frieden sicher nicht abgeschlossen haben würde, wie die zu der verbündeten französischen Macht und zu den katholischen Reichsständen. Hätte Friedrich mit dem Bistum Breslau verfahren wollen, wie einst mit Magdeburg und Halberstadt verfahren worden war, so hätte die ganze Lage der Dinge sich umgestaltet und Friedrichs ohnehin im äußersten Grade schwierige Stellung zwischen all den offenen und geheimen Feinden wäre wohl geradezu unhaltbar geworden. Aber man würde ihn dennoch durchaus falsch beurteilen, wenn man sein Verfahren gegen die schlesischen Katholiken auffaßte als lediglich durch den politischen Notstand ihm abgezwungen und den Hintergedanken bei ihm voraussetzte, bei gelegenerer Zeit den Breslauer Bischofsitz zu beseitigen. Mit der ganzen Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit seines Wesens hat er sich nicht darauf beschränkt die Besorgnisse der neuen katholischen Untertanen nur oberflächlich zu beschwichtigen. Wie er überhaupt seinen Stolz darein setzte in der neu gewonnenen Provinz ein Musterregiment zu schaffen, das das Glück ihrer Bewohner und der Neid der Nachbaren sein sollte, so gehörte dazu vor allen Dingen die freieste Bewegung im Reiche des Meinens und Glaubens. Er fühlte sich stark genug den billigen Ansprüchen der schlesischen Katholiken ebenso vollständig gerecht zu werden wie denen der herrschenden Konfession. Les querelles des prêtres ne sont pas du ressort des princes Aus dem Schreiben vom 29. Oktober 1741, mit dem Friedrich die Unterwerfungserklärung des Fürstbischofs beantwortete; es ist eine Art Programm über seine Stellung zu den Katholiken und verdient ausführlicher mitgeteilt zu werden: La tranquillité de l'exercice libre de la religion faisant selon l'opinion des hommes une partie de leur félicitè, je ne me départirai jamais de la ferme rèsolution que j'ai prise de maintenir chaque religion dans ses droits et ses libertés. Les querelles des prêtres ne sont pas du ressort des princes, et des disputes frivoles pour de vains arguments ou des jeux de mots indignes de têtes pensantes ne me séduiront jamais pour être partial entre les diffèrents partis qui pour la plupart du temps sont furieux les uns contre les autres par fanatisme et par folie.. Ihm erschien der katholische Bischof mit dem preußischen Staatswesen so wenig unverträglich, wie der evangelische Generalsuperintendent; er suchte den Weg, die katholische Kirche innerhalb seines Machtgebiets in einer Weise zu organisieren, welche zugleich ihrem Wesen entsprach und mit dem des Staates sich vertrug. So hat er jenes große Problem hingestellt, dessen Lösung in positiver und negativer Art den folgenden Generationen überkommen ist, an dem wir Lebenden arbeiten und das wir allem Anschein nach zur endlichen Erledigung späteren Geschlechtern überliefern werden.
Die Verhältnisse lagen in vieler Beziehung ungewöhnlich günstig. Stärker als je vor- und nachher lief die Strömung der Zeit gegen den dogmatischen Fanatismus und die hierarchischen Tendenzen; überall wandte die höhere Gesellschaft, und nicht am wenigsten der an Geist und Rang höchststehende Teil der katholischen Prälatur, sich einer freieren Geistesrichtung zu. In dem Geisteskampf, der zwischen Staat und Kirche ewig gefochten worden ist und wohl ewig gefochten werden wird, hat kaum je die letztere mit entschiedenerem Nachteil gestritten als in dem Zeitabschnitt, den die Regierung Friedrichs des Zweiten ausfüllt. Keine Epoche des tausendjährigen Priesterregimentes in Rom hat so zahlreiche und so wichtige Konzessionen desselben an die weltliche Macht aufzuweisen, wie die, welche durch die Namen Benedikts XIV. und des XIII. und XIV. Clemens bezeichnet ist; als Krönung dieser Erfolge, man konnte einen Augenblick meinen, als Schlußstein des den geistlichen Übergriffen auf lange hinaus wehrenden Dammes, erscheint gegen das Ende der Fridericianischen Regierung die Aufhebung des Ordens der Jesuiten. Auf dem Stuhle Petri saß damals der erste jener drei Päpste, Benedikt XIV., nicht der größte, aber gewiß einer der besten Männer, die an jenen Platz gestellt worden sind durch das seltsame Glücksspiel der kollegialischen Wahl, dieses alten Erbstücks des Pontifikal- und Auguralwesens des heidnischen Roms. Wenn er – Friedrich selber erzählt es – sich seinen Kollegen damit zur Wahl empfahl, daß er weder ein sehr heiliger noch ein sehr gelehrter Mann, aber ein guter Geselle sei und Spaß verstehe, so hat er in seiner Amtsführung diese wohlwollende Verständigkeit nach allen Seiten hin betätigt. In einer der satirischen Poesien unseres großen Königs schildert ihn dieser, der keine Ursache hatte sich ihm besonders verpflichtet zu fühlen, mit den nicht eben poetisch vorzüglichen, aber gewiß aufrichtig gemeinten und aus solchem Munde bedeutsamen Worten:
Es herrscht in Rom, wohin ich kam sodann,
Ein Fürst und Priester und ein edler Mann,
Ein starker Kopf, in dessen jungem Ruhm
Neu aufersteht das stolze Altertum,
Wohl ein Prälat, doch ohne Falsch zugleich,
Ein Herrscher, der mit Kraft regiert sein Reich,
Des Lob erklingt gleichmäßig voll und wahr
Wie am Parnasse so auch am Altar.
Man kann in der Tat zum Beispiel die Korrespondenz, die dieser Papst in den schlesischen Angelegenheiten mit seinem Jugendfreund, dem in Rom erzogenen Fürstbischof von Breslau, in seiner Muttersprache geführt hat, nicht lesen ohne hohe Anerkennung für den unbefangenen Blick, die bequeme Anmut, die leichte, freie, sichere Geschäftsbehandlung, die liebevolle Nachsicht und, wo es hingehört, zugleich das strenge und scharfe Pflichtgefühl des Schreibers. Wenige Päpste haben den verschiedensten Regierungen gegenüber sich so nachgiebig und verständig bewiesen; nicht mit Unrecht durfte Friedrich erwarten, daß er auch eines ketzerischen Königs Hand, wenn sie in rechter Weise geboten ward, nicht zurückweisen werde.
Nicht minder mochte Friedrich es als einen Glücksfall betrachten, daß, als Schlesien preußisch ward, es eben Graf Philipp Sinzendorf war, der den fürstbischöflichen Stuhl einnahm. Einem altösterreichischen Adelsgeschlecht entsprossen, in Paris geboren, in Rom erzogen, in jungen Jahren mit dem Kardinalspurpur geschmückt, ein gewandter Unterhändler und Verwalter, ward er weit mehr durch politische als durch specifisch ekklesiastische Motive geleitet und teilte keineswegs die Gesinnungsopposition, welche ein Teil der schlesischen Prälatur, namentlich das Breslauer Domkapitel, dem neuen evangelischen Regiment entgegentrug. Im Gegenteil, lange bevor Österreich öffentlich auf die Fortsetzung des Kampfes verzichtet hatte, schloß der in Österreich weilende Kardinal seinen Separatfrieden mit Preußen, huldigte dem Eroberer, wie er dem Papst mitteilt, mit seinem Kapitel, seinem Klerus, seinen Vasallen und Untertanen und kehrte am 5. Januar 1742 von Olmütz nach Breslau zurück. Dieser auffallende Schritt wurde begreiflicherweise in Wien nie verziehen; um so mehr war der Kardinal der Huld des neuen Herrschers versichert. Friedrich betrachtete ihn seitdem als einen derjenigen, auf die er zählen durfte; der Kardinal verweilte häufig und längere Zeit in Berlin und war auch seiner geistreichen Konversation wegen ein gern gesehener Gast an der königlichen Tafel, während andererseits der Ball, den der geistliche Fürst dem König bei dessen Anwesenheit in Breslau gab, von den Breslauer Domherren als ein schlimmes Sacrilegium der päpstlichen Regierung zur Anzeige gebracht ward. Es ist charakteristisch, daß er sich bei Papst Benedikt mehrfach zu verantworten hatte wegen der allzu freien Äußerungen, die er am Tisch des Königs getan hatte Die erhaltene Korrespondenz bewahrt davon in der Tat drastische Belege; zwei derselben mögen hier stehen, um die Stimmung und die Personen zu charakterisieren. In Beziehung auf die Wahl des Grafen Schaffgotsch zum Koadjutor schreibt der König an den Kardinal als eigenhändige Nachschrift eines offiziellen Erlasses vom 17. Dezember 1743: Le St. Esprit et Moi nous avons résolu ensemble, que le Prélat Schafgotsch serait élu Coadjuteur de Breslau, et ceux de vos chanoines qui s'y opposeront seront regardés comme des ámes dévouées à la cour de Vienne et au Diable, et qui résistant au St. Esprit méritent la plus haute période de damnation. Die Antwort des Kardinals vom 25. Dezember 1743 lautet in demselben Ton: La grande intelligence entre le Saint Esprit et V. M. est quelque chose de fort nouveau pour moi; je ne savais pas seulement que la connaissance fût faite. Je souhaite qu'il envoie au Pape et aux chanoines des inspirations conformes à nos dessins. – Über die Qualifikation desselben Kandidaten äußert sich der König dahin, daß seine Jugend freilich von Verirrungen nicht frei gewesen sei: mais il n'est aucun des plus grands saints et même de ceux qui décorent si bien votre martirologe, qui ne doive dire avec David: »Seigneur, pardonne-moi les pêchés et les fautes de ma jeunesse.« Je me souviens même d'avoir oui dire qu'il était bon qu'un homme d'église eût quelque expérience des pêchés, puisque alors il les peignait d'autant plus atroces et savait plutôt ramener son troupeau à la pénitence. Auch auf diesen bedenklichen Ton geht der Kardinal ein: Éclairé que vous êtes, Sire, en toutes choses, vous n'ignorez pas les détails de notre martirologe; un saint tourné comme ce candidat serait assez de votre goût. Je ne désespère pas que la postérité la plus reculée n'ait un jour occasion de l'invoquer. Bis auf einen gewissen Grad ist die Prophezeiung in Erfüllung gegangen; Graf Schaffgotsch gilt jetzt als eine Säule der katholischen Kirche und es sind Bücher in diesem Sinn zu seiner Ehre geschrieben worden., und daß er dabei für sich geltend machte, daß sein und des Königs geläufiges Französisch von den meisten der Zuhörer nicht gehörig verstanden werde.
Wie durchaus der König bemüht war sich der Persönlichkeit zu versichern, die den Platz des Fürstbischofs einnahm, zeigt sehr deutlich die Wahl des Grafen Philipp Schaffgotsch zum Koadjutor des Bistums Breslau. Wenn einer, war er für diese Stellung ungeeignet; nicht bloß als der jüngste unter den Breslauer Domherren und schon dadurch ausgeschlossen, daß ihm zur Zeit das kanonische Alter von 30 Jahren mangelte, sondern vor allem, weil er durch nichts bekannt war als durch zahllose mehr als leichtfertige Reden und Handlungen, die der guten Stadt Breslau und insonderheit seinen geistlichen Kollegen wieder und wieder Ärgernis gaben. Von den nach Rom deswegen gesandten Denunziationen mag wohl ein beträchtlicher Teil in Abzug kommen. Aber wie er an der Tafel des Königs geredet hat, zeigt ein Beispiel, daß in seinen offiziellen Schreiben in unseren Akten die ehrwürdigen Nonnen von S. Clara in Breslau figurieren als ces Vestales; anderer nicht minder aktenmäßig bezeugter viel schlimmerer Dinge hier zu geschweigen. Darüber liegt der Akt im Vatikan, daß Graf Schaffgotsch am 25. August 1742 die Freimaurerei zum zweiten Male abschwor und diesmal, zur Bezeigung seines ernsten Entschlusses, die lederne Schürze in die Hände des Kardinals zu feierlicher Vernichtung ablieferte. Es war in der Tat ein Verstoß nicht bloß gegen das formale Recht, sondern vielmehr gegen die gute Ordnung und Sitte, daß der König seinen positiven Befehl diesen Domherrn zum Koadjutor des Fürstbischofs von Breslau zu wählen gegen das Kapitel sowohl wie gegen den wohlberechtigten Widerstand des Papstes dennoch mit Hülfe des vom König gewonnenen Kardinals am 16. März 1744 durchsetzte. Aber ebendieser ärgerliche Handel zeigt, wie wichtig die Breslauer Bischofsstelle für Friedrichs Pläne war. Graf Schaffgotsch war, wie der Kardinal, von dem König persönlich wohl gelitten; aber man würde sehr irren, wenn man meinte, daß er die Koadjutorstelle seinen lockeren Tischgesprächen zu verdanken habe. Der Fürstbischof war zwar nicht bejahrt, aber sehr kränklich; und es war für den König notwendig sich eines Nachfolgers zu versichern, der ebenso wie Graf Sinzendorf auf die politischen Pläne des Königs einging. Dafür aber kam in der Tat nur Graf Schaffgotsch in Betracht; denn unter den übrigen Domkapitularen wäre nicht einer dazu fähig und willig gewesen.
Der Plan, den Friedrich durchführen wollte und dessen eigentlicher Urheber der Großkanzler Cocceji ist Schon Friedrich Wilhelm hatte, im Anschluß an die in den Niederlanden bestehenden Ordnungen, für seine angrenzenden Gebiete einen ähnlichen Plan gefaßt; in einem Reskript von ihm an die Geldrische Kommission vom 8. Febr. 1732 resolviert er dort »einen eigenen Vicarius in spiritualibus anzuordnen, der nach der römisch-katholischen Kirche ihren principiis die iurisdictionem ecclesiasticam exercire«. Dies gab die nächste Veranlassung für die neu gewonnene Provinz eine ähnliche Einrichtung in Vorschlag zu bringen., ging darauf hinaus für die preußischen Katholiken in den östlichen Provinzen, soweit dieselben dem deutschen Reichsverbande angehörten, ein katholisches Vikariat in Berlin zu errichten, und liegt uns abgeschlossen vor in der Instruktion für den ersten also anzustellenden Vicarius, den Fürstbischof Sinzendorf vom 2. Februar 1743. Es war nach langen Verhandlungen dem König gelungen sich mit dem Bischof zu verständigen und war diese Instruktion zwischen beiden vereinbart. Der ausgesprochene Zweck war, wie es in derselben heißt, »daß die causae ecclesiasticae unter keinem Vorwand zur Beschwerde unserer Untertanen außer unseren Landen gezogen, noch außer denenselben cum strepitu iudiciario ventiliret werden, viel weniger fremde uns mit keinem Eide zugethane Personen sich in dergleichen Anliegenheiten einmischen mögen«. Es sollte nicht apostolisches, sondern katholisches Vikariat heißen – die anfangs von Friedrich gestellte Forderung dasselbe ausdrücklich als königliches zu bezeichnen, hatte er später fallen lassen – und der Vikar nicht von dem Papst, sondern von dem König ernannt werden. König Friedrich hatte nicht vergessen, was sein Ahn in seinem politischen Testament seinen Söhnen in Beziehung auf die clevischen Katholiken eingeschärft hatte: »Wann die römisch catollische Geistlichkeit Euch allein für Ihren supremum episcopum halten, wie sie allezeit die vorigen Herzogen von Cleve dafür habe erkennen müssen, des Babstes und der Bischoffen Bullen, decreta und Befehl nicht pariren, sondern sich einig und allein an Euch halten, so seid Ihr schuldig ihnen allen Schutz zu leisten.« Die dem protestantischen Landesherrn nach dem Westfälischen Frieden auch über seine katholischen Untertanen zustehende geistliche Jurisdiktion hatte er ausdrücklich in die Instruktion hineingesetzt und dem Sträuben des Kardinals dagegen nur insofern nachgegeben, daß das bischöfliche Recht des Königs über seine katholischen Untertanen wenigstens aus der Eidesformel des Vicarius wegblieb. In strenger Konsequenz dieser Anschauung wurden die dem neuen Generalvikar überwiesenen Befugnisse als königliche Gestattung aufgefaßt und in der Form einer königlichen Instruktion niedergelegt, und hatte der Vikar bei der Annahme des Amtes dem König den Amtseid zu schwören, in welchem die Klausel nicht fehlte, daß er Dispensation von diesem Eid weder begehren noch annehmen werde.
Dieser Vikar sollte nach der Absicht des Königs die gesamte Gewalt über die Katholiken der östlichen Provinzen in seiner Hand vereinigen; der König will, wie der Kardinal in seinem Schreiben an den Papst sich ausdrückt, den gesamten Klerus unter einer Mütze haben. Vor allem soll das von dem Vikar präsidierte Tribunal die geistliche Jurisdiktion in zweiter und dritter Instanz ausüben, da aber, wo es an einem geistlichen Gericht erster Instanz fehlt, auch für diese eintreten. Auswärtige Nuntii, Provinciales, Visitatores, Commissarii oder iudices delegati, sollen in den preußischen Staaten keiner Jurisdiktion in personas et causas catholicorum, unter was vor einem Prätext es seie, sich anmaßen; »in unseren Reichslanden sollen alle causae contentiosae ecclesiasticae, welche bishero an fremde Gerichte evociret waren, bei dem geistlichen Vicariat angebracht und verhandelt werden«. – Nicht minder soll der Generalvikar die oberste Leitung des gesamten Kultus in die Hand nehmen, insbesondere die Klöster visitieren und beaufsichtigen, bei wichtigeren Vermögensgeschäften um seine Einwilligung befragt werden, die Wahlen der Prioren und Äbte bestätigen. In dieser Hinsicht soll er an den Platz der auswärtigen Ordensgenerale treten, denen jede Einwirkung auf die preußischen Klöster entzogen wird. Es ist einleuchtend, da zumal der König dieses Berliner Generalvikariat mit dem Breslauer Bistum in eine Art Personalunion brachte, daß er diesem Prälaten eine Macht und einen Rang zu geben beabsichtigte, welche ihm selbst Rom gegenüber eine gewisse Selbständigkeit gesichert haben würden.
Merkwürdig sind die Instruktionen, die König Friedrich und sein hierbei tätiger Minister, der strenge Hüter des Rechts und der Würde des Staats gegenüber allen hierarchischen Tendenzen, der Kanzler Cocceji dem Generalvikar gegenüber für nötig erachteten In der zur Führung dieser Verhandlungen mit dem Bischof am 26. März 1742 an Cocceji erteilten königlichen Vollmacht heißt es: »Wir zweifeln keineswegs, Ihr werdet nach der tiefen Einsicht, die Ihr in die Geistlichen Rechte sowohl als von denen Ränken der päpstlichen Clerisei besitzet, dagegen alle ersinnlichen praecautionen nehmen und die Sache dergestalt zu fassen wissen daß sothane Clerisei auf der einen Seite keinen gegründeten Anlaß habe sich zu beklagen, an der anderen Seite aber außer Stand gesetzt werden möge künftighin einige Uns und Unserem Staat oder auch dem Publico präjüdicirliche und gefährliche Absichten zu formen und auszuführen«.. Im ganzen verfuhr Friedrich sehr liberal, in vielen Stücken wohl liberaler, als es dem Pedanten Cocceji, wie der König ihn gelegentlich nannte, zweckmäßig erscheinen mochte. Natürlich verlor der Bischof von Breslau die geistliche Gerichtsbarkeit über die Evangelischen Schlesiens, welche er unter österreichischer Herrschaft monströserweise ausgeübt hatte. Aber den Gedanken, den man anfangs gehegt hatte, dem Bischof von Breslau das neue Konsistorium daselbst als Appellationsinstanz überzuordnen und dasselbe demnach mit Räten beider Konfessionen zu besetzen, gab die Regierung bald auf; ebendafür sollte das neu zu errichtende Vikariat eintreten. Selbst die Gerichtsbarkeit in rein civilen und in Kriminalsachen der katholischen Geistlichen Schlesiens, wie sie dem Breslauer Bischof nach bisheriger Ordnung zukam, entschloß sich der König ihm zu belassen, obwohl er nicht gemeint war, wie der Kardinal es wünschte, die Kompetenz des neuen Generalvikars auch auf dies Gebiet zu erstrecken. Was er sich vorbehielt, war im wesentlichen nur das freie Beaufsichtigungsrecht der Vermögensverwaltung der geistlichen Stiftungen neben der durch den Generalvikar zu führenden Specialinspektion; die Bestätigung der neugewählten Äbte und Prioren und das Recht, daß der Generalvikar keine Exkommunikation ohne Vorwissen der Regierung publiziere. Wenn er hiermit im wesentlichen nur die auch von dem bisherigen Landesherrn geübten Rechte festhielt, so tritt neu hinzu – und es ist dies eine von dem König persönlich hinzugesetzte Bestimmung –, daß, wie der Generalvikar selbst preußischer Untertan sein muß, so ihm auch anbefohlen wird, keinen anderen als »unsere eingeborenen Unterthanen« zu einigen geistlichen Ämtern und Benefizien zuzulassen. Auch soll das für die Ehedispense gezahlte Geld nicht an die Datarie in Rom fließen, sondern im Staate verbleiben. Man sieht, es war Friedrichs Absicht einem preußisch-katholischen Kirchenregiment den freiesten Spielraum zu gestatten, der mit der Aufrechthaltung der Staatssuprematie irgend vereinbar ist, aber dieses Regiment dann schlechthin auf sich selbst zu stellen und jede direkte oder indirekte Ingerenz des römischen Bischofs ein für allemal abzuschneiden.
Bis auf einen gewissen Punkt war Friedrichs Plan gelungen. Es war nichts Geringes und schon mancher Opfer wert über diese tiefgreifende Reform mit dem zunächst beteiligten Kirchenfürsten sich geeinigt, es dahin gebracht zu haben, daß dieser den Entwurf mitgezeichnet hatte und dessen Annahme bei der päpstlichen Regierung, deren Einwilligung vorbehalten worden war, allem Anschein nach im aufrichtigen eigenen Interesse betrieb. Die allgemeine Lage der Dinge wie die Individualität des damaligen Papstes durften als günstig betrachtet werden; wenn man erwägt, in welchem Grade die katholischen Untertanen protestantischer Fürsten durch den Westfälischen Frieden von der Willkür des Landesherrn abhingen, so wird man auch nicht sagen dürfen, daß es Friedrich an Mitteln fehlte auf die päpstliche Regierung einen sehr fühlbaren Druck auszuüben.
Alles kam an auf die Erklärung des päpstlichen Stuhles. Wir besitzen das Schreiben, das Benedikt XIV. am 27. April 1743 an den Kardinal in dieser Angelegenheit richtete; mild und versöhnend, wie es gehalten ist, offenbar bestimmt, dem Souverän – er ist hier nicht mehr der Markgraf von Brandenburg – vorgelegt zu werden, läuft es doch auf unbedingte Ablehnung hinaus. Der Papst erklärt sich zwar im allgemeinen bereit auf die Errichtung eines Vikariats in Berlin und dessen Besetzung durch einen preußischen, dem König genehmen Untertan einzugehen; aber auf das entschiedenste weigert er sich auf das Recht der Ernennung dieses Vikars zu verzichten. »Wir wollen gewähren«, schreibt er dem Kardinal, »einen von uns erwählten Vicarius, der sich nicht scheut, uns als das sichtbare Oberhaupt der Kirche und unsern Primat anzuerkennen und der sich wohl überzeugt hält, daß er und sein Amt nichts sind und nichts vermögen als in Abhängigkeit von uns und von unserer Gestattung«. Schlesien betreffend geht der Papst begreiflicherweise noch weiter und macht die Klausel des Berliner Friedens geltend, welche in dem status quo der katholischen Kirche in Schlesien zugleich die bisherige Stellung des Papstes zu der dortigen Kirche gewährleiste. Indem Benedikt sich erbietet den begründeten Übelständen im einzelnen möglichst abzuhelfen, weist er doch dem Wesen nach das ihm vorgelegte Projekt in der entschiedensten Weise zurück. Diese Zurückweisung des zwischen dem König und dem Bischof vereinbarten Vikariats erscheint um so mehr als definitiv, als sie offenbar auf der ehrlichen Überzeugung des Papstes beruht, daß dessen Ausführung dem Wesen der katholischen Kirche Abbruch tun und mit den Pflichten seines Amtes unvereinbar sein würde.
Wahrscheinlich hatte, wenn nicht der Kardinal, so doch der König zunächst nichts anderes erwartet. Der nächste Gegenzug seinerseits ging dahin die bisher stillschweigend geduldete Einmischung der römischen Kurie in die Angelegenheiten der preußischen Katholiken ernstlich zu verbieten und vorkommenden Falls streng zu bestrafen; wie der König dies auseinandersetzt in dem geharnischten Schreiben, womit er die von dem Papst angerufene Intervention des Kardinals Fleury beantwortet und nun seinerseits die befreundete französische Regierung ersucht de rectifier l'Evêque de Rome Si l'Evêque de Rome refuse de qualifier mon vicaire, il sera l'unique cause de tous les inconvénients qui en pourraient résulter, puisqu'il me mettra dans la nécessité d'interdire à tous mes sujets, a tous les convents sous peine de sequestration de leurs revenues de ne recevoir aucun officier ecclesiastique ni aucun mandement ou Bulle de qui que ce soit sinon de la main de mon Vicaire Général.. »Seine Majestät«, heißt es in dem amtlichen Erlaß an den Kardinal Auf das Schreiben des Kardinals, worin er dem König die abschlägige Antwort des Papstes mitteilt, erwidert derselbe unter dem 23. Juni 1743: Non obstant toutes les difficultés que le Pape tâche de faire par rapport au Vicariat, je ne laisserai point d'aller mon chemin, ne doutant pas de trouver en tout cas des moyens convenables pour rendre le Pape plus docile sur une affaire, où il va plutôt du salut et de la conservation de la religion catholique dans mon pays que de sa destruction., »werden dieses System nun um so mehr befolgen, da Sie mit Verwunderung aus des Bischofs zu Rom Schreiben ersehen, daß derselbe durch seine heimliche und bishero S. K. M. ganz unbekannt gewesene Intriguen per indirectum Dero mit soviel Blut acquirirten iura circa sacra bishero violiret haben, allermaßen er selber zugestehet, daß die auswärtigen katholischen Bischöfe in S. M. Landen eigene Diöceses hätten, daß diese Bischöfe bisher das freie Gouvernement über S. K. M. Lande exerciret, daß S. K. M. katholische Unterthanen an diese Bischöfe apelliret haben.« Demgemäß sollte zunächst dem Kardinal zu wissen getan werden, daß, wenn binnen zwei Monaten a dato die päpstliche Konfirmation des Generalvicarius nicht erfolge, eine Generalordre an alle in den Reichslanden befindlichen geistlichen Stifter und Untertanen römisch-katholischer Religion ergehen werde des Inhalts, daß sie von keinem iudice ecclesiastico extraneo, er sei wer er wolle, einige Bulle oder Befehle annehmen noch vor demselben Prozesse führen dürften, bei Strafe der Konfiskation ihres Vermögens. Während der Kardinal seinerseits die Publikation jener ihm in seiner schlesischen Kompetenz sehr günstigen Instruktion, natürlich vergeblich, zu erwirken bemüht war, drang Cocceji im Sommer und im Herbst des Jahres 1743 wiederholt auf den Erlaß jenes Edikts. Aber die eigentlich politischen Berater des Königs rieten vielmehr (23. Nov. 1743) diesen Aufsehen machenden Schritt zu vermeiden und vielmehr den einzelnen Regierungen aufzugeben, den katholischen Geistlichen ihres Sprengels das Erforderliche zu eröffnen, da »bei denen gegenwärtigen höchst verworrenen Zeiten« – es ist die Epoche zwischen dem ersten und dem zweiten Schlesischen Krieg – es vermieden werden muß, die katholischen Reichsstände gegen S. K. M. aufzubringen, »als welches gewisser Ursachen und Absichten wegen nicht de tempore sei, dem Wienerischen Hofe auch nur zur Gelegenheit dienen dürfte sich von dergleichen soupçons zu prävaliren«. So kam der gegen die Kurie beabsichtigte Feldzug zunächst zum Stocken.
Aber aufgegeben hat der König den Plan keineswegs, wie dies schon die fast gewaltsame Durchsetzung des Grafen Schaffgotsch als Koadjutors im Jahre darauf zu erkennen gibt, die doch sicher mit diesen weitaussehenden Plänen in Zusammenhang steht. Wie Friedrich die Sachlage auffaßte, zeigt eine Randnote von ihm, die sich auf einem Aktenstück dieses Jahres befindet: que la cour de Rome était, pour ainsi dire, comme un vieux cheval rétif, dont on avait mille peines à le faire remuer ou aller; mais qu'avec de la patience et du temps on y réussit pourtant pour le mener au but qu'on visait. Noch im Jahre 1747 bei Gelegenheit einer von einer Katholikin in einer Ehesache nach Rom gerichteten Appellation kam Kardinal Sinzendorf dem Heiligen Stuhl gegenüber auf den Vikariatsplan zurück, zunächst freilich nur um demselben zu zeigen, daß dieses Schwert noch immer über dem Haupte des Pontifex hing, und durch diese Drohung die Abweisung jener Appellation nach Rom zu erreichen, die der König auf das strengste untersagt habe und deren Gewährung denselben auf das äußerste reizen werde. In der Tat ging Benedikt auf die Überweisung des Handels an die geistlichen Gerichte Schlesiens ein.
Wie es ursprünglich des Königs Absicht gewesen war den Generalvicarius ohne Vorbehalt der päpstlichen Genehmigung zu bestellen, was er nur auf den entschiedensten Widerspruch des Kardinals aufgegeben hatte, so scheint er nach der Ablehnung des Papstes wieder auf den Gedanken zurückgekommen zu sein von allen Verhandlungen mit Rom abzusehen und den Vicarius allein kraft seiner königlichen Machtvollkommenheit einzusetzen; wenigstens sprach er sich in diesem Sinne in jenem an den Kardinal Fleury gerichteten Schreiben aus. In der Tat, wie er bei den Schwierigkeiten, auf die die Koadjutorwahl bei den Breslauer Domherren stieß, dem Kardinal schrieb, daß dieselben Grenadiere, die den Kurfürst von Brandenburg zum Herzog von Schlesien gemacht hätten, auch wohl die Wahl eines Koadjutors für das Bistum Breslau fertig bringen würden S'il n'y a pas moyen de rendre raisonnable le pape là dessus, les mêmes grenadiers, qui ont su faire d'un Électeur de Brandebourg un Souverain Duc de Silésie, sauront aussi faire élire un Coadjuteur à l'Evêché de Breslau tel que je le désire. , so wäre er in diesen Jahren wohl auch im stande gewesen es mit dem ersten besten Prälaten, der sich ihm in die Arme warf, gegen den Bischof von Rom zu wagen. Ob er daran wohlgetan hätte, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall hat er es nicht getan und hat seinen Plan wenigstens tatsächlich aufgegeben.
Zu entwickeln, warum König Friedrich den Gedanken einer staatlichen Organisation der katholischen Kirche in Preußen fallen gelassen hat, würde weit über die Grenzen dieser Ausführungen hinausgreifen. Im allgemeinen wird man vermuten dürfen, daß er in seinen späteren und weiseren Jahren erkannt hat auch hier, wie auf so manchem anderen Gebiet, über das Maß des Erreichbaren hinaus gewollt und geplant zu haben. Es gehört zu der eigenartigen Größe dieses merkwürdigen Geistes, daß der politischen Genialität seiner Jugend, die sich nicht immer in den Grenzen des Möglichen hielt, jenes ernste Erwachen zu voller Klarheit über seine Mittel und seine Ziele gefolgt ist, oder sachlich ausgedrückt, daß aus dem Friedrich des ersten Schlesischen Krieges der Feldherr des Siebenjährigen hervorgegangen ist. Was er geschaffen hat, gehört nicht minder der ersten dieser Epochen an wie der zweiten; man muß vielleicht das Unmögliche wollen oder doch gewollt haben, um das Mögliche zu erreichen. Immer bleibt jener Versuch, das Verhältnis der katholischen Kirche zu dem preußischen Staat zu ordnen, für die Späteren in hohem Grade lehrreich, auch wenn man zu der Überzeugung kommen sollte, daß der Plan selbst undurchführbar und insofern fehlerhaft war. Die Frage, ob die römisch-katholische Hierarchie innerhalb des preußischen Staates möglich sei, hat Friedrich, wenn man nur auf das Gesamtergebnis seines Regiments sieht, einfach bejaht; in gewissem Sinn darf das heutige preußische Episkopat in ihm seinen Stifter erkennen. Aber jener Entwurf des Königlich katholischen Generalvikariats zeigt mit größter Bestimmtheit, daß, als das Problem zuerst an ihn herantrat, er ebendiese Frage vielmehr verneint hat, indem er die Zulassung eines Episkopats innerhalb des protestantischen Preußens an eine Bedingung knüpfte, die man vom katholischen Standpunkte aus zu allen Zeiten als eine unmögliche theoretisch angesehen und praktisch behandelt hat. In jenem merkwürdigen Entwurf ist offenbar der leitende Gedanke, daß katholische Bischöfe in Preußen nur insofern zulässig seien, als sie unter eine höhere geistliche nicht vom Papst, sondern von der Regierung eingesetzte Autorität gestellt würden, oder, wie man es auch ausdrücken kann, daß wie die Evangelischen so auch die Katholischen sich dem souveränen Episkopatrecht des Landesherrn unterwürfen. Die Voraussetzung aber, auf die Friedrichs Plan gebaut war, entweder die Zustimmung des Papstes durch gütliche, wenn auch langwierige Verhandlungen erlangen oder, wenn diese unerreichbar sein sollte, eine derartige Einrichtung ohne und gegen die römische Kurie durchführen zu können, mag Friedrich wohl selbst später zu den Illusionen seiner Jugendzeit gezählt und wohl erkannt haben, daß kein Nachfolger Petri und kein römischer Prälat ihm hierbei die Hand bieten konnte, daß wenn nicht die katholische Kirche, doch das Papsttum sich damit selbst aufgegeben haben würde. Ob er zugleich jene ursprüngliche Anschauung geändert und das Bestehen der katholischen Hierarchie in den Staaten eines nichtkatholischen Monarchen auch ohne Erfüllung jener Vorbedingung als auf die Dauer möglich anerkannt hat, oder ob er vielmehr seitdem in derselben nur ein zur Zeit zu tolerierendes Provisorium gesehen hat, diese schwerwiegende Frage zu beantworten, ist dieses Ortes nicht; wenn überhaupt diese Frage also gestellt werden darf und nicht vielleicht Friedrich, der wie alle wahrhaft große Naturen die Welt für genialer gehalten hat als sein Genie, die Antwort auf das große Dilemma seinerseits den kommenden Geschlechtern und der Weisheit der tatsächlichen Entwicklung anheimgestellt hat.