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18. Kapitel.

Der geheimnisvolle Dicke hatte im Hof ein Pferd stehen, das er bestieg, um den Klosterberg hinabzureiten. Fast unten angekommen, begegnete er zwei Reitern, die aufwärts kamen. Ihre Tiere waren abgetrieben, und sie selbst hatten das Aussehen von Leuten, die die Anstrengung einer schnellen Reise hinter sich haben. Sie hielten vor ihm an, und der eine fragte:

»Nicht wahr, Señor, dieses Städtchen dort ist Santa Jaga?« – »Ja, Señor«, lautete der Bescheid. – »Und die Gebäude da oben gehören zu dem Kloster della Barbara?« – »Ja.« – »Seid Ihr da oben vielleicht bekannt?« – »Ein klein wenig.« – »So könnt Ihr uns vielleicht Auskunft geben. Gibt es einen Bewohner des Klosters, der Pater Hilario genannt wird?« – »Freilich gibt es den«, antwortete der Dicke, heimlich die beiden Leute musternd. »Wollt Ihr mit ihm sprechen?« – »Ja. Ist er daheim?« – »Er ist in seinem Zimmer. Reitet nur immer in den Klosterhof, dessen Tor offen steht, und fragt nach ihm. Man wird Euch zu ihm führen. Er ist bekannt als tüchtiger Arzt. Seid Ihr krank?« – »Nein. Warum haltet Ihr uns für Patienten?« – »Weil Euch beiden die Gesichtshaut abblättert und das Fleisch aus den Falten fällt. Wer an solchen Flechten leidet, der darf sich so wenig wie möglich sehen lassen, sonst denken die Leute, es sei nicht Krankheit, sondern er habe sich mit Hilfe künstlicher Mittel ein falsches Gesicht gemacht. Und wenn sie nun zweien zugleich passiert, so wird der Verdacht um so stärker. Merkt Euch das! Adios!«

Der Dicke ritt den Berg hinab. Unterwegs murmelte er:

»Diese Kerle hatten sich die Gesichter geschminkt. Sie wollten zum Pater. Ich denke, der Kerl treibt allerhand Allotria, wovon wir anderen noch gar nichts wissen. Man wird es ihm abgewöhnen.«

Und die beiden Reiter, Cortejo und Landola natürlich, blieben halten, um ihm nachzublicken.

»Der Mensch hat uns durchschaut«, sagte Landola. – »Ist es mir denn so leicht anzusehen?« fragte Cortejo. – »O nein. Es gibt einige ganz feine, winzige Risse in der Schminke, und es gehört ein ungeheuer scharfes Auge dazu, es zu bemerken.« – »Bei Ihnen ist es ebenso. Man hat sich vorzusehen. Wer mag der Kerl sein? Er sah wie ein verkappter Geistlicher aus.« – »Vielleicht erfahren wir es von diesem Pater Hilario. Wollen machen, daß wir das Kloster erreichen.«

Sie taten ganz so, wie der kleine Dicke gesagt hatte. Sie fanden das Tor offen, ritten in den Hof und fragten dort einen Bediensteten nach dem Pater. Zufälligerweise war der Neffe des letzteren, Manfredo, bei der Hand, und dieser erbot sich, sie zu seinem Oheim zu führen.

Der Pater saß noch in seinem Zimmer, über den Auftrag nachdenkend, der ihm geworden war; da brachte sein Neffe die beiden Männer herein und entfernte sich sofort wieder.

Hilario betrachtete sie aufmerksam, da ihm ihre Namen nicht genannt worden waren und er sie auch nicht kannte, und fragte dann:

»Wer seid Ihr, Señores?«

Cortejo ergriff das Wort.

»Das werdet Ihr erfahren, Señor«, meinte er, »wenn Ihr uns vorher gestattet habt, eine Erkundigung einzuziehen.« – »So redet!« – »Ist Euch vielleicht der Name Cortejo bekannt?«

Der Pater wurde aufmerksam und erhob sich von seinem Stuhl.

»Warum?« fragte er. – »Weil wir im Interesse dieses Namens kommen.« – »Was versteht Ihr unter diesem Interesse?« – »Das können wir Euch nicht eher sagen, als bis wir gehört haben, ob er Euch überhaupt bekannt ist.«

Der vorsichtige Pater schüttelte langsam den Kopf und entgegnete:

»Er ist mir allerdings bekannt, aber ...« – »Was, aber?« – »Ich habe sagen wollen, daß mir der Name allerdings bekannt ist, weiter aber nichts.« – »Nicht auch die Person?« – »Nein.«

Cortejo blickte den Pater scharf und forschend an und meinte:

»Man pflegt meist auch die Person zu kennen, wenn einem der Name bekannt ist.«

Da zog der Pater die Brauen finster zusammen und antwortete:

»Señores, Ihr kommt mir zum mindesten höchst eigentümlich vor. Ihr tretet hier ein und inquiriert mich, als ob Ihr Richter seid und einen Verbrecher vor Euch hättet. Vergeßt nicht, daß ich hier Herr bin und daß Ihr Euch bei mir befindet!«

Cortejo sah natürlich ein, daß Hilario recht hatte, und antwortete:

»Verzeiht, Señor! Wir können nicht gut anders handeln, da die Angelegenheit, in der wir kommen, sehr heikler Natur ist. Ihr sagt, daß Euch der Name Cortejo bekannt sei?« – »Ja. Wer kennt nicht diesen Namen! Sein Besitzer hat selbst dafür gesorgt, daß er in ganz Mexiko und auch außerhalb dieses Landes bekannt geworden ist.« – »Nun, so werdet Ihr auch einsehen, daß jemand, der sich mit den Angelegenheiten dieses Cortejo abzugeben hat, sehr vorsichtig sein muß.« – »Ich gebe das zu.« – »So ersuche ich Euch noch einmal, mir zu sagen, ob Ihr ihn kennt.« – »Persönlich nicht.« – »Wirklich? Ihr habt ihn nicht gesehen?« – »Nein.« – »Also auch nicht mit ihm gesprochen?« – »Niemals.« – »Und doch bin ich, und sind wir beide, ja, wir alle drei, ganz vom Gegenteil überzeugt« – »Da dürftet Ihr Euch denn doch irren!« – »Wohl nicht. Um Euch zu beweisen, daß ich recht habe, bitte ich um die Erlaubnis, Euch noch einen zweiten Namen nennen zu dürfen.«

Dabei fixierte Cortejo den Pater scharf; dieser aber ließ sich durch diesen forschenden Blick nicht aus der Fassung bringen und antwortete ruhig:«

»Sprecht ihn in Gottes Namen aus!« – »Es ist der Name Grandeprise.« – »Was soll es mit diesem Namen?« – »Kennt Ihr den?« – »Ja.« – »Woher?« – »Oh, er ist doch berühmt oder vielmehr berüchtigt genug. Es gab vor einiger Zeit einen Piraten dieses Namens, von dem ja alle Welt erzählte und redete. Ich habe damals von ihm gehört.« – »Diesen meinen wir nicht.« – »Wen sonst?« – »Einen Jäger, der ebenso hieß.«

Der Pater machte eine nachdenkliche Miene und antwortete:

»Einen Jäger? Hm. Ich müßte mich besinnen. Ah, jetzt, jetzt habe ich's! Ich bin nämlich Arzt. Vor Jahren kam einmal ein kranker Jäger zu mir, den ich heilte. Wenn ich mich recht besinne, hieß er Grandeprise.« – »Er war ein Amerikaner?« – »Ja, ein Yankee.« – »Und Ihr habt ihn nicht wieder gesehen?« – »Nein.« – »Denkt nach, Señor! Ich bin überzeugt, daß Ihr ihn wiedergesehen habt.«

Der Pater fühlte sich doch einigermaßen verlegen, aber er verscheuchte diese schwache Anwandlung und entgegnete:

»Ihr scheint Euch außerordentlich gut unterrichtet in dem zu haben, was ich kenne oder nicht kenne.« – »In diesem Fall bin ich es allerdings.« – »Und doch irrt Ihr Euch sehr.« – »Wohl nicht. Dieser Jäger Grandeprise ist erst kürzlich hier in Santa Jaga bei Euch gewesen.« – »Dann müßte ich es auch wissen.« – »Ihr wißt es ja auch.«

Der Pater machte ein noch finstereres Gesicht als vorher und entgegnete:

»Señor, wollt Ihr mich etwa Lügen strafen?«

Cortejo hielt seinen Blick fest auf ihn gerichtet und antwortete:

»Beinahe, Señor!« – »Mit welchem Recht?« – »Dieser Grandeprise hat es uns ja selbst gesagt!« – »So ist er der Lügner. Er hat Euch getäuscht.«

Diese Worte waren mit solcher Bestimmtheit gesprochen, daß man an der Wahrheit derselben nicht gut zu zweifeln vermochte. Cortejo blickte Landola betroffen an und fragte diesen.

»Ah! Was sagen Sie dazu?«

Auch Landola fühlte sich verlegen. Er antwortete stockend:

»Möglich ist es immerhin. Aber eine ganz verfluchte Geschichte wäre es!« – »Wenn uns dieser Mensch am Ende gar betrogen hätte!« – »Das wäre ein Streich, wie er uns schlimmer nicht gespielt werden könnte. Wir hätten unsere kostbare Zeit verloren.« – »Und den weiten, beschwerlichen Weg hierher umsonst gemacht!«

Cortejo und Landola befanden sich beide in einer Art von Verlegenheit oder vielmehr Bestürzung. Pater Hilario bemühte sich, ein gleichgültiges Gesicht zu machen, obgleich die gehörten Worte sein höchstes Interesse erregten. Er hatte von Pablo Cortejo vernommen, daß Gonsalvo Verdillo in Verakruz dessen Agent sei, bei dem allein etwas über Landola zu erfahren sei. Diese Adresse hatte er dem Jäger Grandeprise mitgeteilt, einfach, um ihn loszuwerden. Der Jäger war nach Verakruz gereist, und nun kamen die beiden Menschen und behaupteten, mit demselben gesprochen zu haben. Hatte er sie hierher geschickt? Wer waren sie? Hatten sie ihn bei Gonsalvo Verdillo getroffen? In diesem Fall waren sie Freunde von Cortejo und Landola. War einer von ihnen vielleicht gar dieser letztere? Da fragte Cortejo:

»Señor, sprecht aufrichtig! Ihr habt diesen amerikanischen Jäger Grandeprise wirklich nicht wiedergesehen?«

Hilario beschloß einzulenken, damit sie ihm nicht unverrichteter Sache entwischen möchten, und antwortete:

»Hm. Es ist lange Zeit her, daß ich ihn behandelte. Da ist es möglich, daß ich ihn nicht mehr kenne. Ich habe sehr viele Kranke unter meinen Händen gehabt, daß es kein Wunder sein würde, wenn ich das Äußere eines einzelnen vergessen hätte.« – »Das ist allerdings möglich, aber er würde Euch doch seinen Namen genannt haben!« – »Vielleicht auch nicht. Er kann ja Gründe gehabt haben, ihn mir zu verschweigen.« – »Welche Gründe sollten das sein?« – »Wer kann das wissen? Vielleicht persönliche oder auch politische.« – »Politische? Ein einfacher Jäger?« – »O doch! Wißt Ihr denn nicht, daß sich im Heer des Juarez viele Amerikaner befinden? Ihr habt diesen Jäger wohl in Durango gesprochen, wo sich Juarez befindet?« – »Nein, sondern in Verakruz.« – »Und er will vor kurzer Zeit hier bei mir gewesen sein?« – »Ja, er will direkt von Euch nach Verakruz gegangen sein.« – »Nun, Señores, da seht Ihr es. Er hat die Provinzen berühren müssen, die von Franzosen und Kaiserlichen besetzt sind. Er konnte leicht als Spion ergriffen werden. Das ist ja ein sehr triftiger Grund, seinen Namen zu verschweigen, falls er wirklich bei mir gewesen wäre.« – »Aber er will unter Umständen bei Euch gewesen sein, unter denen er nicht nötig gehabt hätte, sich einen falschen Namen beizulegen. Ja, er wäre sogar gezwungen gewesen, Euch den richtigen zu nennen.« – »Inwiefern? Welches waren die Umstände?« – »Er hat Euch einen Kranken zur Heilung gebracht, weil Ihr ihn selbst einst so gut heiltet.« – »Den Kranken kenne ich nicht. Welche Krankheit war es?« – »Eine Verletzung der Augen.« – »Das ist nicht wahr. Ich habe seit langer Zeit kein krankes Auge behandelt.« – »Das ist wunderbar. Aber vielleicht erinnert Ihr Euch noch eines anderen Umstandes, der dabei in Frage kommt. Ihr habt einen Verwandten, einen Neffen?« – »Ja. Es ist derselbe junge Mann, der Euch zu mir brachte.« – »Nun, dieser Neffe hat in Gemeinschaft mit diesem Jäger Grandeprise den Augenkranken zu Euch gebracht.« – »Das ist mir unbekannt. Aber darf ich denn erfahren, wer dieser Augenkranke gewesen sein soll?«

Cortejo blickte Landola fragend an, und als dieser zustimmend nickte, antwortete er:

»Cortejo soll es gewesen sein.«

Der Pater stellte sich erschreckt und antwortete:

»Cortejo? Ist das wahr?« – »Ja.« – »Jener Pablo Cortejo, der sowohl gegen Juarez, als auch gegen den Kaiser konspiriert hat?« – »Derselbe. Grandeprise sagte es uns.« – »So hat er allerdings fürchterlich gelogen.« – »Verdammt und abermals verdammt!« fluchte Cortejo. »Wißt Ihr vielleicht, daß Pablo Cortejo eine Tochter hat?« – »Das weiß hier jedermann.« – »Nun, auch diese Tochter will Grandeprise zu Euch gebracht haben.« – »Abermals Lüge.« – »Alle tausend Donner! Hätte ich diesen Kerl hier, so sollte er sehen, welch eine Geschichte er sich da eingerührt hat. Wenn es wirklich so ist, wie Ihr sagt, so können wir weiter nichts tun, als Euch um Verzeihung bitten, daß wir Euch gestört haben.« – »Oh, bitte, Señor, das hat nichts zu bedeuten. Aber nun darf ich wohl auch fragen, wen ich bei mir empfangen habe?«

Cortejo fühlte sich in einer nichts weniger als angenehmen, ja sogar fatalen Lage. Er hatte gehofft, zum Ziel zu gelangen, und nun zeigte es sich, daß er getäuscht worden war. Was sollte er tun? Er mußte seinen Bruder auf alle Fälle finden, wenn nicht dieser und auch er verloren sein sollte. Aber wo ihn nun suchen? Im Norden, wo Juarez bereits wieder Herr war? Um keinen Preis! Im Süden, wo man ihn von der Hauptstadt aus bereits verfolgte? Unmöglich! Er befand sich in einer so ratlosen und gefährlichen Lage, daß ihm der Schweiß ausbrach. Leider aber konnte diese Feuchtigkeit nicht den natürlichen Abfluß finden, da das Gesicht durch künstliche Mittel verändert worden war. Cortejo fühlte diesen Schweiß, er dachte nicht an die Gefahr, in die er sich brachte, und zog sein Taschentuch hervor, um sich abzutrocknen.

»Wer wir sind, wollt Ihr wissen, Señor?« fragte er, dabei sich vor Verlegenheit fest abreibend. »Hm, das tut, da wir unseren Zweck nicht erreicht haben, wohl auch nichts zur Sache.« – »O doch«, meinte der Pater unter einem bedeutungsvollen Lächeln. – »Warum?« – »Ich beginne sehr großes Interesse für Euch zu hegen.« – »Aus welchem Grund?« – »Weil Ihr die Maskenscherze ebenso zu lieben scheint wie ich.« – »Maskenscherze? Ich verstehe Euch nicht!« – »Wirklich nicht? Das wundert mich! Ihr seid nicht der, für den Ihr Euch auf Eurer Reise ausgegeben haben werdet.«

Cortejo blickte den Redner erstaunt an. Auch Landola war betroffen, aber er stand hinter Cortejo und konnte also nicht sehen, welche Veranlassung der Pater zu seinen Worten hatte.

»Ich soll nicht derjenige sein, Señor?« fragte Cortejo. »Wißt Ihr denn, für wen ich mich ausgegeben habe?« – »Allerdings nicht.« – »Wie kommt Ihr also zu dieser sonderbaren Annahme?« – »Wer sein Gesicht entstellt, will nicht erkannt sein!« – »Sein Gesicht? Señor, glaubt Ihr etwa, daß dieses Gesicht nicht das meinige ist?« – »Oh, das glaube ich gern. Aber Ihr habt einiges daran, was nicht dazugehört.« – »Alle Teufel! Wie kommt Ihr auf solche sonderbare Gedanken?« – »Hm, Señor, es ist stets mit Gefahr verbunden, Schminke und Puder zu lange auf der Haut zu lassen. Solche Ingredienzien müssen öfters entfernt und dann wieder erneuert werden. Man schwitzt sehr leicht, und der Bart wächst; dadurch wird die falsche Kruste abgestoßen. Das ist auf alle Fälle höchst unangenehm.« – »Aber wie kommt Ihr dazu, gerade mir das zu sagen?«

Der Pater lachte.

»Ihr ahnt das nicht?« fragte er. – »Nicht im mindesten.« – »Und fühlt es auch nicht?« – »Nein.« – »So bitte, seht Euch einmal Euer Taschentuch da an!«

Cortejo folgte dieser Weisung.

»Himmeldonnerwetter!« rief er in allerhöchster Verlegenheit.

Sein Taschentuch hatte sich gefärbt.

»Und blickt einmal hier hinein«, sagte der Pater.

Dabei faßte er Cortejo bei den Schultern und führte ihn zum Spiegel. Cortejo warf einen Blick hinein und fuhr erschrocken zurück. Was für ein fürchterliches Gesicht war es, das ihm da entgegenblickte!

Der Schweiß hatte den Überzug aufgelöst, und dieser letztere war inzwischen mit dem Taschentuch über das ganze Gesicht gerieben worden. Dasselbe sah aus wie ein schlecht oder frisch mit Wasserfarben angestrichener Puppenkopf, an welchem das spielende Kind eifrig herumgeleckt hatte.

Der Pater lachte aus vollem Hals.

»Señor«, sagte er, »seid Ihr ein Komantsche oder Apache?« – »Warum diese Frage«, stammelte Cortejo. – »Weil Ihr Euch mit den Kriegsfarben angemalt habt. Kommt her und wascht Euch!«

Hilario führte Cortejo zum Waschtisch und öffnete denselben.

»Danke«, lautete die Antwort. »Ich muß augenblicklich fort!« – »Pah! So könnt Ihr unmöglich gehen!« – »Aber ich darf Euch ebensowenig inkommodieren!«

Cortejo wußte nicht, was er sagte. Er hatte vor Schreck fast die Besinnung verloren.

»Inkommodieren?« antwortete Hilario. »Inkommodieren würdet Ihr mich nur dann, wenn Ihr in diesem Zustand von mir fortgehen wolltet. Was würde man von mir denken, wenn man Euch draußen begegnete?«

Er drückte dem Verlegenen mit Gewalt den Schwamm in die Hand.

»Waschen Sie sich!« befahl auch Landola.

Seiner Stimme hörte man den Ärger an, der in ihm kochte. Er hätte seinen Genossen ermorden können.

Cortejo gehorchte. Als er fertig war, fixierte der Pater sein Gesicht. Dann meinte er, indem er eine Überraschung zu verbergen suchte:

»Nun, hatte ich nicht recht, als ich annahm, daß Ihr nicht derjenige seid, für den Ihr jedenfalls gelten wollt?«

Cortejo hatte endlich seine Fassung leidlich wiedererlangt.

»Ihr mögt recht haben«, antwortete er unter einem erzwungenen Lachen. »Ich hoffe jedoch, daß wir auf Eure Diskretion rechnen dürfen.« – »Wir?« fragte Hilario. »Das klingt ja, als ob dieser andere Señor sein Gesicht auch entstellt habe!«

Dabei fixierte Hilario Landola mit scharfem Auge. Dieser versuchte, rasch in den Schatten zu treten, doch war es bereits zu spät. Er antwortete mit barscher Stimme:

»Ihr irrt Euch! Mein Kamerad hat einen Scherz geplant; er wollte einen Bekannten überraschen. Das ist aber doch bei mir nicht der Fall.« – »Und doch scheint auch Ihr Verwandte zu haben?« meinte der Pater. – »Wie?« – »Die Ihr überraschen wollt?« – »Wieso?« – »Auch Ihr habt Euch das Gesicht angemalt.« – »Fällt mir nicht ein!«

Landola suchte seine Verlegenheit hinter seinem barschen Ton zu verbergen. Es gelang ihm nur schlecht. Der Pater war nicht der Mann, sich täuschen oder gar einschüchtern zu lassen.

»Señor«, sagte er in einem gutgelungen, freundlich-eindringlichen Ton, »seid doch so gut und gebt der Wahrheit die Ehre! Auch Ihr schwitzt. Aus welchem Grund, das weiß ich allerdings nicht. Aber obgleich Ihr Euch in den Schatten zurückgezogen habt, ist dies doch so langsam geschehen, um mich noch bemerken zu lassen, daß auch Ihr Euch waschen müßt.« – »Hole Euch der Teufel!« – »Nur nicht gleich! Also bitte, tretet auch Ihr näher!«

Hilario zeigte mit der Hand nach dem Waschtisch.

»Ich sage Euch aber, daß Ihr Euch irrt«, rief Landola, vor Zorn mit dem Fuß aufstampfend.

Da griff der Pater in einen Kasten seines Schreibtisches und zog einen kleinen Gegenstand hervor. Dann trat er an die Tür, so daß er den Ausgang mit seiner Gestalt versperrte und sagte:

»Señores, Ihr werdet einsehen, daß es mich frappieren muß, von Männern besucht zu werden, die falsche Gesichter tragen. Wascht Ihr Euch, so erfahre ich vielleicht, daß es sich nur um einen Scherz handelt; tut Ihr dies aber nicht, so muß ich annehmen, daß ich mich in einer Gefahr befinde, gegen die ich meine Maßregeln ergreifen muß.« – »Gefahr?« fragte Landola. »Denkt kein Mensch daran!« – »Oh, ich denke dennoch daran!« – »Welche Maßregel meint Ihr?« – »Diese hier.«

Hilario streckte den Arm mit dem kleinen Gegenstand aus. Es war ein Revolver. Und mit der anderen Hand ergriff er die Klingel.

»Weigert Ihr Euch, so rufe ich Hilfe herbei!« drohte er. – »Verdammt!« rief Landola. »Ihr habt gar nichts zu befürchten!« – »Das glaube ich Euch nicht eher, als bis Ihr es mir dadurch beweist, daß Ihr meiner Aufforderung nachkommt.« – »Ah! Ihr wollt mich zwingen?« – »Allerdings.« – »Gut! Auch wir haben Waffen!« – »Ehe Ihr dieselben zieht, drückte ich los.«

Landola fuhr mit der Hand nach seinem Gürtel.

»Halt!« drohte der Pater. »Oder ich schieße!«

Das erregte bei Cortejo Angst.

»Geben Sie nach!« bat er seinen Genossen. – »Fällt mir nicht ein«, zürnte dieser. – »Bedenkt, Señor«, meinte der Pater, »daß Ihr Euch in einem von Mauern umgebenen Kloster befindet, das einer Festung gleicht.« – »Ist mir gleich.« – »Glaubt Ihr, zu entkommen, selbst wenn es Euch gelingen sollte, mich zu überwältigen?« – »Er hat recht! Gebt nach!« wiederholte Cortejo.

Landola ballte die Fäuste.

»Soll ich mich von einem Pater zwingen lassen?« meinte er. – »Wollt Ihr Euch von Eurem Starrsinn ins Verderben stürzen lassen?« entgegnete der Pater.

Landola sah doch ein, daß es unklug gehandelt sein würde, seinen Willen mit Gewalt durchzusetzen.

»So mag es denn in des Teufels Namens sein!« murrte er.

Er trat zum Waschtisch. Während er sich reinigte, entstand eine Pause, die dem Pater Gelegenheit gab, Cortejo noch genauer zu betrachten, als es vorher geschehen war. Ein eigentümliches, siegesgewisses Lächeln breitete sich um seine Lippen.

Nun war Landola fertig und trat näher.

»So!« sagte er. »Seid Ihr nun zufrieden?«

Diese Worte waren in einem nicht sehr freundlichen Ton an den Pater gerichtet, der desto freundlicher antwortete:

»Ja, Señor.« – »Ihr hattet Angst ...« – »O nein, ich war nur vorsichtig«, unterbrach ihn Hilario. – »Das war ganz unnötig. Oder sehe ich wie ein Räuber aus?« – »Beinahe«, meinte der Pater unter einem halben Lächeln. – »Was wollt Ihr damit sagen?« fuhr Landola auf. – »Nicht anderes, als was meine Worte bedeuten.« – »Also Ihr meint, daß ich beinahe wie ein Räuber aussehe?« – »Ja.« – »Donnerwetter! Wißt Ihr, daß dies eine Beleidigung ist?« – »Wenn ich nicht das Richtige getroffen habe, so mag es so etwas Ähnliches sein. Aber seid Ihr nicht wie ein Räuber bei mir aufgetreten?« – »Ich? Ist mir nicht eingefallen.« – »O doch. Zunächst hattet Ihr Euch das Gesicht verändert.« – »Das galt nicht Euch!« – »Sodann kamt Ihr bewaffnet.« – »Jedermann hier trägt Waffen.« – »Ihr drohtet mir!« – »Weil Ihr vorher eine Drohung ausspracht.« – »Ich hatte Veranlassung dazu.« – »Nicht die mindeste. Wir kamen als friedliche Leute, um eine Erkundigung bei Euch einzuziehen ...« – »Verweigertet mir aber jede Auskunft über Eure Personen und Eure Namen.« – »Weil unsere Erkundigungen kein Resultat hatten, so konnte es Euch auch nichts nützen, unsere Namen zu erfahren.« – »Hätte ich Euch also eine befriedigende Antwort geben können, so hätte ich erfahren, wer Ihr seid?« – »Ja.« – »Vielleicht erfahre ich es ohnedies?« – »Wohl nicht.« – »O doch. Ihr müßt mir schon aus Höflichkeit Eure Namen nennen.« – »Aus Höflichkeit? Wir haben gar keine Veranlassung zu derselben. Oder seid etwa Ihr höflich gegen uns gewesen?« – »Anfangs sogar sehr. Ich habe Euch alle Auskunft gegeben und jede Eurer Fragen beantwortet, obgleich ich auf die meinigen keine Antwort erhielt. War das etwa unhöflich?« – »Selbst wenn wir Euch Namen nennen, könnt Ihr nicht darauf schwören, daß es die richtigen sind!« – »Oh, was das betrifft, so rühme ich mich eines gewissen Scharfblickes, der mich noch niemals im Stich gelassen hat Ich würde genau wissen, was ich von den Namen zu halten habe. Wollen wir wetten?« – »Pah! Ihr würdet die Wette verlieren.« – »Das wäre erst zu beweisen. Darf ich um Euren Namen bitten?« – »Ich heiße Bartholomeo Diaz und bin Haziendero.« – »Wo?« – »In der Gegend von Parsedillo.« – »Und hier Euer Kamerad?« – »Heißt Antonio Lifetta.« – »Und ist ...« – »Advokat. Wir suchten eben diesen Pablo Cortejo, weil ich einen Prozeß mit ihm habe. Señor Antonio begleitet mich, weil ich keine juristischen Kenntnisse besitze und also seiner Hilfe bedarf.« – »Und warum verändert Ihr dabei Eure Gesichter?« – »Weil wir mit Cortejo als Fremde über den Prozeß sprechen wollten. Wir glaubten, wenn er uns nicht kenne, würde er sich zu irgendeiner Äußerung verleiten lassen, die uns eine Handhabe geben würde, ihn zu fassen und den Prozeß zu gewinnen.« – »Damit beweist Ihr allerdings, daß Ihr sehr kluge Leute seid.« – »Also sagt, ob Ihr glaubt oder nicht, daß die angegebenen Namen die echten und richtigen sind.«

Der Pater trat von der Tür zurück und steckte seinen Revolver wieder in den Tischkasten.

»Ah! Ihr entwaffnet Euch!« lachte Landola. »Ihr seid also überzeugt, daß ich Euch die Wahrheit gesagt habe?«

Hilario lehnte sich an die Tischkante, kreuzte die Arme über die Brust und antwortete:

»Ich entwaffne mich, weil meine Besorgnis verschwunden ist; ich sehe ein, daß ich von Euch nichts zu befürchten habe. Was aber die angegebenen Namen betrifft – hm! Habe ich Euch nicht sehr kluge Leute genannt?« – »Allerdings.« – »Das schließt aber nicht aus, daß andere noch klüger sein können.« – »Möglich.« – »Nun, zu diesen Klügeren möchte ich vor allen Dingen mich selbst zählen. So geschickt Ihre Eure Verteidigung auch geführt habt, bei mir verfängt sie nicht.« – »Alle Teufel! Wollt Ihr so gut sein und dies beweisen?« – »Wenn es Euch Vergnügen macht, ja. Zunächst was Euch betrifft, Señor, so gabt Ihr Euch für einen Haziendero aus. Das glaube ich nicht.« – »Warum nicht?« – »Weil Ihr nicht das Aussehen eines solchen habt. Ein Haziendero ist ein ganz anderer Mensch als Ihr. Euer Auge ist nicht das eines Landmannes, eines Maisbauers und Viehzüchters.« – »Das Auge wessen ist es denn?« fragte Landola sichtlich belustigt von der Menschenkenntnis, die der Pater zeigen wollte. – »Es ist so scharf, so – so in die Weite sehend, wie man es nur bei Präriejägern und Seeleuten findet. Ich möchte darauf schwören, daß Ihr zu den letzteren gehört.« – »Da irrt Ihr Euch gewaltig.« – »Werden sehen! Und dann sagtet Ihr, daß Ihr aus der Gegend von Parsedillo seid. Zufälligerweise kenne ich diese Stadt und ihre Umgebung sehr genau. Einen Haziendero, der Bartholomeo Diaz heißt, gibt es dort nicht. Welchen Namen führt denn Eure Hazienda?« – »Es ist die Hazienda Mercedes.« – »Ah, eine solche gibt es weder dort, noch sonst irgendwo im ganzen Land Mexiko.« – »Alle Teufel! Ich werde doch meine Besitzung kennen.« – »Sie wird anders heißen und anderswo liegen. Vielleicht ist es eine wüste Insel im Stillen Ozean.«

Diese Worte waren mit einer so eigentümlichen Betonung gesprochen, daß Landola aufmerksam wurde.

»Was wollt Ihr damit sagen?« – »Nur, daß ich Euch für einen Seemann halte, und Seeleute haben ihre Reichtümer und Besitzungen doch im Meer liegen. Sagt, habt Ihr jemals etwas von der Kunst gehört, aus der Hand eines Menschen zu lesen?« – »Pah, das ist Humbug.« – »Nein, man liest daraus die Geburt, den Charakter, das Temperament, die Schicksale, den Tod, ja sogar den Namen eines Menschen.« – »Unsinn.« – »Ich meine besonders den Vornamen. Zeigt einmal her, Señor!«

Ehe Landola es verhindern konnte, hatte der Pater seine Hand ergriffen, hielt sie fest, betrachtete sie lange und sagte dann:

»Ja, hier steht deutlich Euer Vorname. Soll ich ihn Euch ablesen?« – »Haltet mich doch um Gottes willen für keinen Dummkopf!« – »Oh, ich habe bereits zweimal gesagt, daß ich Euch beide für kluge Leute halte, daß es aber allerdings noch klügere gibt. Dieses letztere beweise ich durch meine Kunst, Euren Vornamen ganz genau aus Eurer Hand zu lesen.« – »Nun, zum Teufel, wie lautet also dieser Vorname?« – »Henrico.«

Landola war sehr überrascht, daß er seine Hand schleunigst aus derjenigen des Paters zog und zurückwich.

»Donnerwetter!« rief er aus. – »Nicht wahr, es ist richtig?« fragte Hilario. – »Ja.« – »Nun seht also! Später vielleicht werde ich beweisen, daß ich auch Euren Zu- oder Familiennamen zu lesen vermag. Zunächst aber zu Eurem Kameraden. Ihr nanntet ihn Antonio Lifetta?« – »Ja.« – »Er ist Advokat?« – »Ja. Das glaubt Ihr wohl auch nicht?« – »O ja, das glaube ich. Er hat ganz das Äußere eines solchen. Aber darf ich fragen, woher er ist?« – »Aus Parlesa.« – »Das glaube ich nicht. Ihr selbst sprecht nicht wie einer aus Parsedillo. Ihr sprecht das Spanische wie ein geborener Amerikaner, der auch Englisch, Französisch und andere Sprachen versteht. Und Euer Kamerad spricht das Spanische wie ein geborener Spanier, und zwar wie einer, der in der nordöstlichen Gegend dieses Landes zu Hause ist.«

Dies alles stimmte so genau, daß die beiden sich einander aufs höchste betroffen anblickten. Aber Hilario fuhr unbeirrt fort:

»Nun gilt es, seinen Vornamen zu lesen. Zeigt her, Señor!«

Er ergriff die Hand Cortejos und betrachtete sie. Dann fragte er:

»Nicht wahr, Ihr nennt Euch Gasparino?« – »Das ist höchst sonderbar«, rief der Gefragte. – »Ich habe also recht gelesen? Also nun auch zu den Familiennamen. Zeigt her!«

Er hielt Cortejos Hand fest und ergriff dazu auch diejenige Landolas. Zu dem letzteren sagte er nach einer Weile:

»Bei Euch ist es schwerer als bei Eurem Kameraden. Habt Ihr Euch vielleicht zweier Namen bedient?« – »Ist mir niemals eingefallen«, antwortete Landola. »Aber lassen wir den Unsinn. Er ist gar nicht nötig.«

Er versuchte, seine Hand freizumachen, aber der Pater hielt sie fest und sagte nach einer abermaligen Pause, während der er die Hände genau betrachtet hatte:

»Ah! Ich habe es! Jeder einzelne Buchstabe ist genau zu lesen. Beide Namen bestehen aus drei Silben, und bei beiden Namen hat die erste Silbe drei Laute, während die beiden anderen nur je zwei zeigen. Ihr, Señor, heißt Landola, und Euer Name, Señor, ist Cortejo.«

Es läßt sich gar nicht beschreiben, welchen Eindruck diese Worte auf die beiden Männer machte. Hatten sie es hier mit einem Wunder zu tun? Gab es wirklich eine Wissenschaft, die es bis zu einem solchen außerordentlichen und erstaunlichen Resultat gebracht hatte? War dieser Pater ein Zauberer oder war er ein Scharlatan, der sie zufälligerweise kannte und sie auf diese Weise zu düpieren versuchte?

In beiden Fällen war ihre Lage keineswegs eine angenehme. Leugnen war das allerbeste, ganz entschiedenes Leugnen; das erkannten beide sofort von selbst.

»Alle Wetter!« rief Henrico Landola ganz bestürzt. – »Alle tausend Teufel und Heiligen!« folgte ihm Gasparino Cortejo. – »Nicht wahr, es ist richtig?« triumphierte der Pater. – »Nein, es trifft nicht zu«, behauptete Cortejo. – »Es ist falsch, es stimmt nicht«, fügte Landola bei. – »Oh, meine Wissenschaft betrügt mich nie«, meinte Hilario. – »Und dennoch betrügt sie Euch«, entgegnete Cortejo. – »Könnt Ihr mir das beweisen?« – »Ja, sofort!« – »So tut es! Oder vielmehr versucht es, denn gelingen wird es Euch auf keinen Fall.« – »Auf alle Fälle! Ihr behauptet also, daß ich Cortejo heiße?« – Ja. Ich behaupte es nicht nur, sondern ich bin sogar ganz überzeugt davon.« – »Und doch suche ich diesen Cortejo. Kann ich also er selbst sein?«

Der Pater warf einen unaussprechlich selbstbewußten Blick auf ihn und meinte dann lächelnd:

»Sucht Ihr nicht Pablo Cortejo?« – »Ja.« – »Und habe ich Euch nicht gesagt, daß Euer Name Gasparino sei?« – »Donnerwetter«, fluchte Cortejo.

An den Vornamen hatte er nicht gedacht. Nun war es mit seinem Gegenbeweis allerdings schlecht bestellt Dennoch versuchte er, sich zu verteidigen, indem er entgegnete:

»Das ist nur eine Vermutung; das ist ein Irrtum. Ich heiße nicht Cortejo, sondern ...«

Er hielt mitten in der Rede stockend inne und blickte hilfesuchend zu Landola hinüber. Aber der Pater fiel sofort ein:

»Ah, Ihr habt den Namen vergessen, den Euch Señor Landola zulegte. Das beweist, daß meine Wissenschaft mich nicht getäuscht hat.« – »Oh, ich habe den Namen nicht vergessen; Ihr habt mich nur nicht aussprechen lassen; Ihr seid mir in das Wort gefallen.« – »Ja«, beeilte sich Landola beizustimmen; »es ist ein Unsinn, an diese sogenannte Wissenschaft zu glauben. Der Beweis, daß sie Schwindel ist, ist ja geliefert. Ich – ich soll Landola heißen!«

Er stieß ein höhnisches Lachen aus.

»Und mein Name soll Cortejo sein!«

Der Pater aber schüttelte ernst den Kopf und sagte:

»Señores, denkt ja nicht, daß Ihr mich in Irrtum bringt. Was ich sage, ist wahr. Ich bin imstande, Euch zu beweisen, daß ich stets die Wahrheit spreche.« – »So beweist es!« forderte Cortejo ihn auf. – »Gut. Ihr wollt es haben.«

Hilario zog ein kleines Fach seines Schreibtisches auf und entnahm demselben zwei Karten. Er hielt ihnen die eine hin und fragte:

»Kennt Ihr diese Dame?«

Beide sahen sich, nachdem sie einen Blick auf die Karte geworfen hatten, mit bedeutungsvollen Augen an.

»Ich kenne sie nicht«, sagte Landola. – »Und ich auch nicht«, fügte Cortejo hinzu. – »Da sagt Ihr die Unwahrheit, Señores. Wenn Ihr Mexikaner seid, müßt Ihr dieses Mädchen kennen. Vorhin gabt Ihr Euch für Kinder dieses Landes aus, und diese Fotografie sollte Euch unbekannt sein? Entweder habt Ihr vorher gelogen, oder Ihr lügt jetzt.« – »Señor«, meinte da Landola in drohendem Ton, »ich ersuche Euch, solche und ähnliche Worte zu vermeiden!« – »Wir sind nicht zu Euch gekommen, um uns Lügner nennen zu lassen!« fügte Cortejo in demselben Ton bei.

Der Pater behielt seine Ruhe und antwortete:

»Ihr seid wirklich unverbesserlich! Aber bitte, seht Euch nun auch dieses zweite Bild an.«

Er hielt ihnen dasselbe entgegen, und abermals konnten sie ihr Staunen nicht verbergen.

»Kennt Ihr es?« – »Ich nicht«, meinte Landola. – »Ich auch nicht«, beteuerte Cortejo. – »Sehr sonderbar! Ihr kennt diese beiden Fotografien nicht, und doch sehe ich beim Anblick derselben in Euren Gesichtern deutlich Zeichen des Erstaunens, ja, des Schrecks. Diese Dame ist Señorita Josefa Cortejo. Sie ließ sich fotografieren, um ihre Bilder unter die Anhänger ihres Vaters verteilen zu lassen. Der Herr ist eben ihr Vater, Pablo Cortejo. Auch er ließ sich fotografieren, aber nicht für eine solche Menge, sondern nur für nähere, intimere Bekannte.«

Da fragte Cortejo rasch:

»Ihr habt sein Bild. Also gehört Ihr auch zu diesen Bekannten?« – »Pah! Ich habe Euch ja gesagt, daß ich ihn nie gesehen habe. Also Ihr gebt nicht zu, die Originale dieser Fotografien zu kennen?« – »Nein«, antworteten alle beide. – »Nun, kennt Ihr auch nicht diesen da?«

Hilario griff wieder in das Fach und zog eine Fotografie hervor, die er seinen Besuchern zeigte. Eine Pause trat ein; weshalb, das verrieten die beiden nicht, sie gaben sich im Gegenteil Mühe, ihre Gesichtszüge zu beherrschen.

»Nun, Señores, wollt Ihr mir keine Antwort geben?« fragte der Pater. »Ist Euch dieser Mann vielleicht unbekannt?« – »Vollständig!« stieß Cortejo endlich hervor. – »Mir ebenso«, meinte auch Landola. – »Das bedaure ich«, sagte der Pater mit ironischem Lächeln. »Das ist nämlich ein sehr interessanter Herr. Es ist der junge Graf Alfonzo de Rodriganda, der erst in Mexiko wohnte, später aber nach Spanien ging. Doch leider sagt man, daß er nicht der richtige Erbe, sondern ein fremdes, untergeschobenes Kind sei. Ich glaubte, Ihr würdet ihn kennen. Desto mehr aber bin ich überzeugt, daß Euch die vierte und letzte Fotografie bekannt ist, die ich Euch zeigen kann. Hier ist sie!«

Hilario griff zum dritten Mal in das Fach und zog abermals ein Bild hervor, das er jenen entgegenhielt.

»Tod und Teufel!« rief dieses Mal Landola. – »Verdammt!« rief auch Cortejo. – »Nun?« fragte der Pater, sich mit übermütigem Lächeln an dem bestürzten Ausdruck ihrer Gesichter weidend. – »Ich kenne ihn doch nicht!« meinte Landola. – »Und ich ebensowenig!« meinte Cortejo. – »Wirklich nicht? Aber fällt Euch nicht vielleicht etwas an dieser Fotografie auf?« – »Allerdings«, gestand Cortejo zu. »Sie sieht mir ein wenig ähnlich.« – »Ein wenig nur?« – »Nun ...« stockte der Gefragte, »es mag meinetwegen etwas mehr als wenig sein.« – »Auch das nicht. Wenn Ihr Euch heute fotografieren laßt, so könnt Ihr gar nicht besser getroffen werden, als es hier der Fall ist.« – »Aber ich bin es doch nicht!« – »Ihr behauptet das wirklich?« – »Ich muß es behaupten, denn es ist die Wahrheit.« – »Nun, dann sind wir allerdings fertig miteinander«, meinte der Pater, indem er ruhig und wie bedauernd die Achsel zuckte.

Er steckte die Fotografien gemächlich in das Fach zurück, schob dasselbe zu und fuhr fort:

»Wir haben uns alle drei getäuscht. Ihr habt nicht geglaubt, daß man die Namen lesen könne, und ich habe nicht geglaubt, daß es ein so merkwürdiges Naturspiel, eine solche Ähnlichkeit geben könne. Das letzte Bild war dasjenige des Advokaten Gasparino Cortejo aus Manresa oder Rodriganda. So aber ist es, wenn man sich einer vorgefaßten Meinung zu sehr anvertraut; die Enttäuschung kommt sicher nach. Scheiden wir also in Zufriedenheit voneinander. Adios, Señores!«

Hilario winkte unter einem höflichen Lächeln ihnen mit der Hand entlassend zu und drehte sich ab, wie um sich in das Nebengemach zurückzuziehen. Die beiden blickten sich verlegen an, dann aber trat Cortejo vor und entgegnete:

»Halt, Señor! Ehe wir gehen, werde ich Euch ersuchen, mir noch eine Frage zu gestatten.«

Der Pater drehte sich verwundert wieder um und antwortete:

»Eine Frage? Wozu? Ich glaube, daß wir miteinander fertig sind und daß jede weitere Frage zwecklos zu nennen ist.« – »Vielleicht doch nicht.« – »Nun, so sprecht Eure Frage aus, Señor!« – »Sind die Fotografien, die Ihr uns zeigtet, Euer Eigentum?« – »Was anderes sollen sie sonst sein?« – »Ihr könnt sie ja gefunden haben.« – »Dann hätte ich sie abgegeben.« – »Oder sie können Euch zur einstweiligen Aufbewahrung anvertraut worden sein!« – »Dann hätte ich kein Recht, sie Euch zu zeigen.« – »Ihr habt sie also geschenkt erhalten?« – »Ja.« – »Eine jede Fotografie von der Person, die sie darstellt?«

Es war ein eigener, sarkastischer Zug, der über das Gesicht des Paters glitt. Er schüttelte den Kopf und antwortete nur:

»Nein, Señor.« – »Von wem sonst?« – »Interessiert Euch das?« – »Sehr sogar.« – »Das ist mir nun allerdings höchst unbegreiflich!« – »Warum?« – »Ihr kennt ja alle diese Personen nicht. Ihr seid ein Advokat, und Euer Gefährte ist ein Pflanzer. Ihr beide steht jenen allen sehr fern. Wie könnt Ihr Euch für sie interessieren?«

Cortejo blickte sich hilfesuchend um. Er wußte nicht, was er auf diesen berechtigten Einwurf antworten sollte. Da kam ihm Landola zu Hilfe.

»Wir wundern uns darüber, daß Ihr diese Bilder besitzt.« – »Wundern? Aus welchem Grund denn, Señor?« – »Weil Ihr diesen Pablo Cortejo und seine Tochter Josefa nicht kennt.« – »Das ist doch kein Grund zur Verwunderung! Ich habe Euch ja gesagt, daß diese Fotografien im ganzen Land zirkulieren. Man kommt sehr billig zu ihnen, man bekommt sie sogar geschenkt.« – »Aber wie kommt Ihr zu den andern beiden?« – »Ihr meint die von Gasparino Cortejo und dem Grafen Alfonzo de Rodriganda? Oh, durch einen Zufall. Ich habe einen Patienten hier, der sie bei sich hatte und mir schenkte.« – »Darf man fragen, wer dieser Patient ist?« – »Ein gewisser Mariano.« – »Mariano?« fragte Landola rasch. »Woher ist er?« – »Er ist ein geborener Spanier und hat höchst seltene Schicksale hinter sich. Früher hat er sich einmal Alfred de Lautreville genannt« – »Wie ist er zu Euch gekommen?« – »Ein Kollege übergab ihn mir zur Weiterbehandlung.« – »Ein Arzt?« – »Ja, ein deutscher Arzt.« – »Ah! Wie hieß er?« – »Doktor Sternau!« – »Doktor Sternau!« rief Cortejo. »Wißt Ihr, wo sich dieser Euer Kollege befindet?« – »Ja. Interessiert Ihr Euch für ihn? Kennt Ihr ihn vielleicht?« – »Ich habe von ihm gehört. Man rühmt ihn als einen der besten ...«

Cortejo wurde unterbrochen. Landola nämlich faßte ihn am Arm, stampfte den Boden mit dem Fuß und rief, indem seine Augen förmliche Blitze auf den Pater schleuderten:

»Halt, reden Sie kein Wort weiter! Sehen Sie denn nicht endlich ein, daß dieser Pater mit uns spielt wie die Katze mit der Maus?«

Diese Überzeugung war Cortejo auch gekommen, doch hatte er versuchen wollen, mit Behutsamkeit weiterzugehen. Das aber paßte für Landolas heißes Temperament nicht. Der Pater blickte den letzteren mit überlegenem Lächeln an und fragte:

»Wie, Señor, Ihr meint, ich spiele mit Euch?« – »Ja«, antwortete Landola zornig. – »Ihr verwechselt die Rollen. Ihr seid es, die mit mir spielen. Ihr kamt nicht mit offenem Visier!« – »Wir durften nicht.« – »Ist es nicht ein Spielen mit mir, wenn Ihr Euch hinter einer Maske versteckt?« – »Das war Vorsicht.« – »Mir falsche Namen nennt!« – »Lauter Vorsicht!« – »Und so tut, als ob Ihr keine einziger der Personen kennt, nach denen Ihr Euch bei mir erkundigen wolltet.« – »Das geschah aus ganz demselben Grund. Warum sagtet aber Ihr uns die Unwahrheit?« – »Weil Ihr nicht aufrichtig gewesen seid. Ich hoffe aber, Ihr seht endlich ein, daß es besser ist, offen zu sein. Nicht wahr, Ihr seid Henrico Landola, der frühere Kapitän Grandeprise?«

Der Gefragte zögerte noch immer.

»Donnerwetter!« sagte er. »Muß ich Euch denn nun wirklich eine Antwort geben?« – »Ja, und zwar eine sehr bestimmte.« – »Nun, bei allen Heiligen oder Teufeln, mir soll es einmal ganz gleich sein, ob ich in das Verderben fahre oder reite. Ja, ich bin dieser Landola.« – »Schön. Und Ihr, Señor, seid Gasparino Cortejo.« – »Ja«, antwortete der Gefragte. – »Na, endlich! Aber sagt mir doch aufrichtig, was Ihr eigentlich hier in Mexiko wollt?« – »Ihr wißt dies ja bereits ganz genau«, antwortete Landola. »Wer hat es Euch verraten? Wer?«

Er schlug mit der Faust auf den Tisch und nahm eine sehr drohende Miene an. Der Pater wehrte mit der Hand ab und antwortete:

»Das verfängt bei mir nicht. Andonnern lasse ich mich noch lange nicht! Wer bei mir etwas erreichen will, der hat mir höflich zu kommen. Merkt Euch das! Wir haben bisher gestanden. Setzt Euch! Auf diese Weise läßt sich unser interessantes Thema viel leichter und friedlicher besprechen, als wenn wir uns einander mit Drohungen gegenüberstehen.«

Die beiden Kumpane kamen seiner Aufforderung nach, und der Pater fuhr fort:

»Ich befinde mich bei mir selbst und bin voraussichtlich derjenige, von dem Ihr irgendeine Auskunft und Gefälligkeit erwartet. Darum ist es wohl nicht mehr als recht und billig, daß ich es bin, auf dessen Erkundigungen Ihr zunächst antworten werdet.«

Landola schlug mit einer finsteren Miene die Beine übereinander und antwortete:

»Fragt, Señor!« – »Ja, fragt! Wir werden nach Möglichkeit antworten«, fügte Cortejo hinzu. – »Wer hat Euch zu mir gesandt?« – »Der Jäger Grandeprise«, entgegnete Landola. – »Wo habt Ihr diesen getroffen?« – »In Verakruz bei unserem Agenten Gonsalvo Verdillo.« – »Wohin ist er dann gegangen?« – »Nach der Hauptstadt, wo er sich noch befindet.« – »Was treibt er da?« – »Allotria, die ihn um Kopf und Kragen bringen werden. Übrigens war es ein sehr dummer Streich von Euch, diesen Menschen zu schicken.« – »Warum?« – »Weil er nicht ehrlich und zuverlässig ist.«

Der Pater lächelte leise.

»Haltet Ihr einen Piraten für ehrlicher als ihn?« fragte er. – »Ja, zum Donnerwetter!« brauste Landola auf. »Meint Ihr, daß ein Pirat ein Schuft, ein Halunke sein muß? Ein braver Pirat wird mit seinen Leuten stets ehrlich sein.« – »Und dieser Grandeprise ist es nicht?« – »Nein und abermals nein.« – »Ah! So ist er unehrlich gegen Euch gewesen?« – »Ja.« – »In welcher Weise?« – »Das zu beantworten ist mir noch ganz unmöglich.« – »Warum?« – »Ich kenne Euch nicht.« – »Man nennt mich Pater Hilario.« – »Das genügt noch lange nicht. Wir wissen noch nicht im mindesten, was wir von Euch zu denken haben.« – »Das könnt Ihr sehr leicht erfahren.« – »Das ist auch unsere Absicht. Wir müssen unbedingt wissen, ob wir einen Freund oder einen Feind in Euch zu suchen haben.« – »Natürlich einen Freund!« – »Könnt Ihr uns das beweisen?« – »Ja.« – »So tut es!« – »Habt Ihr nicht bemerkt, daß ich in Eure Geheimnisse eingeweiht bin?« – »Es scheint allerdings so, als ob Ihr einiges wüßtet.« – »Einiges? Pah! Ich weiß alles!«

Landola schüttelte ungläubig den Kopf.

»Das möchte ich doch nicht so wörtlich nehmen«, meinte er. – »Und doch ist es so!«

Landolas Gesicht verfinsterte sich. Wer hatte diesen Pater zum Mitwisser gemacht? Es war dies auf alle Fälle eine große Unvorsichtigkeit gewesen.

»Nun«, sagte er, »so zählt einmal alles auf, was Ihr wißt.« – »Ihr sollt es hören«, antwortete der Pater lächelnd. »Ein Knabe wurde von einer gewissen Marie Hermoyes und einem gewissen Pedro Arbellez geholt. In Barcelona wurde dieser Knabe mit einem Sohn eines gewissen Gasparino Cortejo und einer gewissen Schwester Clarissa vertauscht.« – »Zum Henker, wer hat Euch das gesagt?« fragte Cortejo. – »Ihr werdet es erfahren. Dieser falsche Alfonzo wurde in Mexiko vom Grafen Ferdinando erzogen. Doch, laßt es mich kurz machen. Ich weiß alles. Der scheinbare Tod der beiden Grafen Emanuel und Ferdinando, der Aufenthalt des letzteren in Harrar, das Eingreifen dieses Sternau, seine Verheiratung mit Rosa, die famose Reise nach der Insel im Meer, die Rettung durch einen deutschen Kapitän, das alles ist mir bekannt.«

Die beiden Zuhörer vermochten nicht, ihren Ärger zu unterdrücken. Sie blickten einander an, endlich fragte Landola:

»Aber Señor, so sagt mir doch, von wem Ihr das wißt!« – »Ihr gebt also zu, daß alles stimmt?« – »Leider ja.« – »Leider? Ah, Ihr werdet bald hören, daß ich nur zu Eurem Nutzen mit in das Geheimnis gezogen worden bin. Señor Pablo und Señorita Josefa haben mir alles erzählt.« – »Also die beiden! Wie ist das gekommen?« – »Nun, welche unvorsichtige, politische Rolle sie gespielt haben, das ist Euch ja bekannt. Sie wurden des Landes verwiesen. Ihr Kopf stand auf dem Spiel. Da sie das Verbot nicht beachten wollten, so suchten sie nach einem sicheren Versteck und ...« – »Haben sie es gefunden?« fragte Cortejo rasch. – »Ja.« – »Bei wem?« – »Bei mir.« – »Wo?« – »Hier im Kloster.« – »Gott sei Dank!« atmete Cortejo auf. »Sie befinden sich hier?« – »Freilich!« – »So ist mir eine große Sorge vom Herzen. Kann ich sie sprechen?« – »Natürlich, Señor.« – »So holt sie herbei, aber rasch!« – »Nur nicht so sehr hitzig, Señor!« meinte der Pater. »Ich darf sie nicht nach diesem Zimmer bringen.« – »Warum nicht?« – »Denkt Ihr etwa, ich bewohne dieses Kloster allein? Natürlich darf kein Mensch ihre Gegenwart ahnen.« – »Ah, so sind sie also gut versteckt?« – »So, daß kein Mensch außer mir sie zu sehen bekommt.« – »Wo?« – »Unterirdisch.« – »Pfui Teufel!« – »Es geht nicht anders, Señor. Übrigens dürft Ihr Euch unser Unterirdisches ganz und gar nicht grausig vorstellen. Habt Ihr einen kleinen Begriff von dem Leben in früheren Klöstern?« – »Hm. Das sehr wohl.« – »Nun, so werdet Ihr wissen, daß es da unten oft Kabinette gab, die besser und bequemer waren als diejenigen, die über der Erde lagen. In solchen Räumen sind Euer Bruder und Eure Nichte untergebracht.« – »Sie leiden doch nicht etwa Mangel?« – »Nicht den mindesten. Sie haben im Gegenteil Überfluß an allem, leider aber auch an Langeweile.« – »Dem werden wir schon abhelfen. Aber sagt, wie kamt denn Ihr dazu, von den beiden in das Geheimnis gezogen zu werden?« – »Das ist sehr einfach und hat doch auch seine ganz besonderen Gründe. Ich muß Euch nämlich sagen, daß ich keineswegs ein Freund des Grafen Ferdinando de Rodriganda bin. Ich habe mit ihm eine sehr alte und ebenso bedeutende Rechnung abzumachen. Es ist mir dies niemals gelungen, obgleich ich mich danach gesehnt habe, wie die Seele im Fegefeuer nach Erlösung. Euer Bruder aber hat mir die Erfüllung dieses Wunsches gebracht.« – »Dadurch, daß er Euch zum Mitwisser machte?« – »Ja. Er hat mit seiner Tochter fliehen müssen. Mein Neffe gehörte zu seinen Anhängern, hat an seiner Seite gekämpft und ihn und seine Tochter vom Tode errettet. Er verhalf ihnen zur Flucht und brachte sie zu mir.« – »Ah! Ist es so? Da sind wir Euch allerdings zur allergrößten Dankbarkeit verpflichtet.« – »Wenigstens denke ich, Euer Mißtrauen nicht verdient zu haben. Ich gewährte Señor Pablo und Señorita Josefa meinen Schutz und verbarg sie vor den Verfolgern. Natürlich mußten sie mir diese nennen, damit ich wußte, wie ich mich gegebenen Falles zu verhalten habe.« – »Wer waren diese Verfolger?« fiel Landola ein. – »Zunächst sind da seine politischen Gegner zu nennen, unter denen ich alle Anhänger des Juarez und des Kaisers Max, sowie auch alle Franzosen verstehe, aber das sind bei weitem nicht die gefährlichsten. Zehnmal gefährlicher waren seine privaten Feinde.« – »Und diese waren?« – »Sternau, Mariano, Büffelstirn, Bärenherz und alle, die zu diesen gehören.« – »Ah, ja! Sie waren hinter ihm her?« – »Natürlich! Sie hatten Señorita Josefa ja bereits an einen Baum gehängt. Mein Neffe rettete sie. Da ich selbst eine Sache mit Don Ferdinando abzumachen hatte, was Euer Bruder erfuhr, so entschloß er sich, mich in das Vertrauen zu ziehen und mir alles zu erzählen. Er hat wohl daran getan.« – »Ich will es glauben«, sagte Cortejo, indem er dem Pater die Hand hinstreckte. »Ich danke Euch! Ihr könnt versichert sein, daß wir uns bemühen werden, Euch unseren Dank auch durch die Tat zu beweisen.« – »Oh, bitte! Ich brauche nichts. Mein Lohn besteht darin, daß Eure Affäre mir Gelegenheit bietet, meine Rechnung mit dem Grafen endlich einmal quitt zu machen.« – »Aber wo befinden sich Sternau und Konsorten?« fragte Landola, auf das höchste gespannt. – »Ah, darauf seid Ihr neugierig! Nicht wahr, Señor?« – »Ungeheuer. Natürlich.« – »Ja, es mag kein geringer Schreck für Euch gewesen sein, als Ihr in Erfahrung brachtet, daß auf jener Insel die Mäuse während der Abwesenheit der Katze entkommen seien.« – »Eine verdammte Geschichte!« – »Ja, diese Geschichte hat mir viele Sorgen gemacht und alle Pläne über den Haufen geworfen«, meinte Cortejo. »Also wo sind diese Menschen jetzt, Señor?« – »Oh, gar nicht weit«, antwortete der Pater lächelnd. – »Wohl im Hauptquartier des Juarez?« – »Nein, sondern in dem meinigen.« – »In dem Eurigen? Was soll das heißen?« – »Nun, könnt Ihr Euch nicht denken, was ich unter meinem Hauptquartier verstehe?« – »Doch nicht etwa dieses Kloster?« – »Natürlich!« – »Was?« rief Cortejo aufspringend. »Sie befinden sich hier?« – »Ja.« – »Hier bei Euch im Kloster?« fragte Landola, ebenfalls vor freudiger Überraschung in die Höhe fahrend. – »Natürlich!« – »Sapperment! Was tun sie da?« – »Was sollen sie tun? Sie hoffen, daß es ihnen doch noch einmal ebenso gelingen werde wie auf jener Insel.« – »Fliehen zu können vielleicht?« rief Cortejo. – »Wieder frei zu werden etwa?« fragte auch Landola.

Beide hatten den Sinn der Worte des Paters zugleich erraten.

»Ja, freilich«, antwortete dieser. – »So sind sie gefangen?« jubelte Cortejo. – »Ja.« – »Dank, Dank, tausendfacher Dank sei den Heiligen dafür gewidmet. Wer hat denn dieses Kunststück fertiggebracht?« – »Ich, Señores«, antwortete der Pater stolz. – »Ihr? Ah, so gebührt Euch noch viel größerer Dank als diesen Heiligen. Aber wie habt Ihr es angefangen?« – »Oh, das ging eigentlich sehr leicht.« – »Erzählt es. Erzählt es!« – »Da gibt es gar nicht viel zu erzählen. Euer Bruder und dessen Tochter waren den beiden Indianerhäuptlingen und diesem Helmers, den sie Donnerpfeil nennen, entkommen. Diese drei jagten ihnen nach und kamen hierher. Euer Bruder hatte mich inzwischen zu seinem Vertrauten gemacht, und so lockte ich diese Kerle in die Falle und steckte sie in eins unserer geheimen Gefängnisse.« – »Prächtig! Prächtig!« riefen die beiden. »Weiter!« – »Sternau merkte, daß den dreien etwas geschehen sein müsse, und machte sich mit den anderen auf, um sie zu suchen. Er fand ihre Spur. Er muß überhaupt ein tüchtiger, respektabler Kerl sein.« – »Ja, das ist er, ein verdammt schlauer Kopf und zugleich ein Wagehals sondergleichen. Er kam auch nach dem Kloster?« – »Freilich!« – »Und Ihr stecktet ihn ebenfalls ein?« – »Natürlich!« – »Das war der beste Streich von Euch. Sternau ist die Seele des Ganzen. Fehlt er, so fehlt der Kopf. Weiter!« – »Nun ginge mir noch die Hauptperson ab, der alte Graf.« – »Ah, das ist wahr. Er dürfte nicht wieder nach Mexiko kommen.« – »Er hat auf Fort Guadeloupe krank gelegen und kam später. Gerade als er sich auf der Hacienda del Elina am sichersten wähnte, sandte ich meinen Neffen hin.« – »Der tötete ihn?« – »Nein. Ich wollte mich persönlich rächen. Ich mußte ihn lebendig haben. Mein Neffe mußte ihn bringen.« – »Durch List?« – »Nein, sondern durch Gewalt. Er schlich unter einer falschen Vorspiegelung ein, gab dem Alten des Nachts einen Hieb, der ihn besinnungslos machte, und brachte ihn hierher.« – »Also lebendig?« – »Ja.« – »Und er lebt noch?« – »Natürlich. Er steckt unten bei den anderen.« – »Das ist herrlich! Das ist prächtig!« jubelte Cortejo. »Also wir dürfen hinab und sie sehen?« – »Das versteht sich, Señor. Sobald Ihr Eure beiden Verwandten gesehen habt, zeige ich Euch die Gefangenen.« – »Ah, das wird eine Genugtuung! Was werden sie sagen, wenn sie mich sehen?« – »Und mich«, knirschte Landola. – »Die Freude wird allerdings sehr groß sein«, lachte der Pater. – »Also sagt, welche Personen es sind, die Ihr als Gefangene habt.«

Hilario zählte sie auf und erklärte seinen Gästen dabei die Anwesenheit des Kleinen André. Landola blickte nachdenklich vor sich nieder, endlich sagte er:

»Das ist alles sehr gut. Ihr habt Eure Sache herrlich gemacht, Señor, leider aber genügt das nicht.« – »Wieso?« – »Es handelt sich nicht nur um die Hauptpersonen. Es ist auch höchst notwendig, daß keine Zeugen vorhanden sind. Wer von Sternau, Mariano und dem Grafen Ferdinando oder irgendeinem anderen in das Geheimnis gezogen worden ist, der ist uns ebenso gefährlich wie die Genannten selbst.« – »Ja, was wäre da zu tun?« – »Sie müssen unschädlich gemacht werden.« – »Sie müssen verschwinden, alle, alle«, stimmte Cortejo bei. – »Wer wäre das alles?« fragte der Pater, der bei dieser Erwähnung sehr nachdenklich geworden war. – »Denken wir einmal nach«, meinte Landola. »Zunächst die beiden Frauen, die mit auf der Insel waren.« – »Emma und Karja?« – »Ja. Sodann Pedro Arbellez und die alte Marie Hermoyes. Auch gilt zu erforschen, was auf Fort Guadeloupe geschehen ist. Wer dort Mitwisser oder Mitwisserin wurde, muß auch sterben.« – »Da gibt es allerdings viel neue Arbeit«, meinte Hilario. – »Das ist wahr. Aber damit sind wir leider nicht fertig. Es gilt ferner, einen Eurer Fehler gutzumachen, Señor.« – »Welchen?« – »Daß Ihr diesen Grandeprise schicktet!« – »Der? Oh, der weiß nichts!« – »Oh, er weiß alles!« – »Er hat von mir kein Wort erfahren.« – »Das mag sein, aber er ist bei uns gewesen und hat uns durchschaut und dann verraten.«

Diese Angabe war eine wissentliche Lüge. Es kam Landola darauf an, seinen Stiefbruder zu verderben.

»Verraten?« fragte der Pater. »In welcher Weise denn?« – »Ihr sollt es hören«, antwortete Landola. »Drüben in Deutschland leben Personen, die auch alles zu wissen scheinen ...« – »Ah«, fiel Hilario ein, »ich errate sie.« – »Nun?« – »Gräfin Rosa und alle Verwandten dieses Sternau und Helmers.« – »Richtig. Mit ihnen rechnen wir später ab. Der Sohn dieses einen Helmers ist mit einem Menschen, der sich Geierschnabel nennt, und mit einem dritten herübergekommen, um unsere Geheimnisse aufzudecken. Ich wollte den leeren Sarg des alten Grafen mit einer Leiche versehen. Wir brauchten einen dritten, und da Ihr diesen Grandeprise geschickt hatte, so glaubten wir, ihm Vertrauen schenken zu können ...« – »Welche Unvorsichtigkeit!« rief der Pater. – »Allerdings! Aber es ist nun nicht zu ändern. Grandeprise verriet uns diesem Helmers. Wir nahmen eine Leiche aus einem Begräbnis, und als wir gerade darüber waren, diese in den Sarg des Grafen zu legen, wurden wir überfallen.« – »Sapperment«, rief der Pater. »Wie gut, daß ich Euch hier sehe.« – »Warum?« – »Nun«, lachte er, »das ist doch der beste Beweis, daß Ihr entkommen seid.« – »Das ist wahr. Aber die ganze Hauptstadt kennt nun die Sache.« – »Verflucht!« – »Und diese verdammten Kerle, dieser Helmers und seine Genossen, werden uns bis hierher folgen.« – »Wissen sie denn, daß hier Euer Ziel war?« – »Natürlich!« – »Von wem denn?« – »Von Grandeprise, das versteht sich doch von selbst.« – »Ah, Ihr hattet ihm gesagt, daß Ihr zu mir wolltet?« – »Ja.« – »Das ist allerdings fatal, höchst fatal!« sagte der Pater. »Ich kann dadurch in eine schlimme Lage geraten.« – »Pah! Der Jäger kann gelogen haben.« – »Auf alle Fälle müssen auch diese Kerle verschwinden!« – »Ja, dann fehlt die Handhabe. Außerdem gibt es jedoch noch zwei, die wir bisher vergessen haben, diesen verfluchten Sir Lindsay und seine Tochter Amy.« – »Ah, den Engländer? Richtig«, stimmte der Pater bei. – »Aber, wo mag er zu finden sein?« – »Auf der Hacienda del Erina.« – »Wirklich?« – »Ja. Mein Neffe war ja dort. Lindsay ist als Begleiter des Juarez dort angekommen.« – »So scheint die Hazienda das Nest zu sein, in dem sich die meisten unserer Stichwespen versammeln. Man muß es ausnehmen.« – »Damit wäre uns nicht geholfen«, entgegnete der Pater. »Die Hazienda ist von großem Umfang und von Stein gebaut.« – »Was aber dann tun?« – »Ich wüßte etwas«, meinte Cortejo. »Ihr seid ja Arzt, Señor Hilario.« – »Allerdings. Aber was hat das mit der Hazienda zu tun?« – »Sehr viel. Es müßte einer hinreiten, gerade so, wie es Euer Neffe gemacht hat und ah, ich weiß nicht, ob das gehen wird. Wie kocht man auf einer solchen Hazienda? Wohl für verschiedene Personen auch verschieden?«

Hilario ahnte sofort, was Cortejo meinte.

»Zuweilen essen die Herrschaften anders als die Vaqueros und Dienenden«, antwortete er, »stets aber wird das zum Kochen nötige Wasser aus dem großen Kessel genommen, der entweder in den Herd gemauert ist oder an einer Kette über dem offenen Feuer hängt.« – »Das ist gut, sehr gut. So ist also mein Plan auszuführen.« – »Welchen Plan meint Ihr?« – »Es müßte einer ein Pülverchen in diesen Kessel werfen.«

Beide, Cortejo und Landola, blickten den Pater erwartungsvoll an. Dieser hielt den Kopf gesenkt und sagte nichts.

»Es müßte doch ein solches Pülverchen geben«, meinte Landola. – »Ah, Gifte gibt es genug«, antwortete Hilario. – »Es müßte eins sein, das bei der Sektion nicht nachzuweisen wäre.« – »Auch solche gibt es.« – »Kennt Ihr sie?« – »Ja.« – »Nun, was sagt Ihr dazu?« – »Der Gedanke ist nicht übel, aber die Ausführung, da hapert es. Wen sollte man hinschicken?« – »Ich kann nicht hin«, meinte Cortejo. – »Ich auch nicht«, fügte Landola hinzu. »Diese Amy Lindsay würde mich sofort erkennen.« – »Mich ebenso.« – »Aber meinen Neffen kann ich auch nicht schicken«, sagte der Pater nachdenklich. »Er hat den Grafen geholt.« – »Hm«, brummte Landola, indem er einen prüfenden Blick auf Hilario warf. »Wir dürfen doch niemanden in das Geheimnis ziehen.« – »Unmöglich«, antwortete dieser. – »Einer von uns muß also gehen.« – »Das ist richtig.« – »Wie wäre es mit Euch, Señor Hilario?«

Der Gefragte schüttelte den Kopf; aber das Lächeln, das er dabei nicht zu unterdrücken vermochte, war doch seltsam.

»Oder mit Euch?« fragte er. – »Ich habe meinen Grund gesagt. Man würde mich erkennen.« – »Und ich kann nicht fort von hier. Habt Ihr nicht noch einen kleinen Vorrat von Schminke, oder was es ist, mit deren Hilfe Ihr Euer Gesicht verändern könnt?« – »Versehen sind wir allerdings noch damit.« – »Nun, so ist uns doch gleich geholfen.« – »Ihr würdet also das Gift geben?« – »Ja. Aber das besprechen wir schon noch. Jetzt haben wir es mit der Gegenwart zu tun. Wie seid Ihr gekommen? Doch zu Pferde?« – »Ja.« – »Wo seid Ihr abgestiegen? In der Stadt?« – »Nein. Im Kloster.« – »So stehen Eure Pferde noch hier?« – »Ja.« – »Hm! Man darf natürlich nicht wissen, daß Ihr hier seid.« – »Werdet Ihr uns ein Asyl geben?« – »Gern.« – »Bei meinem Bruder und meiner Nichte?« fragte Cortejo. – »Ihr werdet mit ihnen zusammenwohnen. Aber wir müssen sehr vorsichtig sein. Hat Euch jemand nach dem Kloster reiten sehen?« – »Alle Wetter, ja«, antwortete Landola. »Wir wollten Euch fragen. Eben fällt es mir erst ein.« – »Wer war es?« – »Kurz vor dem Kloster begegnete uns ein kleiner, dicker Kerl, den wir nach Euch fragten.«

Der Pater entfärbte sich denn doch ein wenig.

»Das ist höchst unangenehm«, sagte er. »Dieser Mann war bei mir.« – »Er sagte es. Was ist er?«

Der Pater mußte die beiden Schurken in Besorgnis setzen, ohne daß er notwendig hatte, die Wahrheit zu sagen, darum antwortete er:

»Was er ist? Das ist ja eben das Unangenehme! Er ist ein geheimer Polizeispion.« – »Donnerwetter, in wessen Dienst?« – »Er dient jeder Partei, die gerade am Ruder steht.« – »Desto schlimmer und gefährlicher ist er. Er sah mir wie ein verkappter Mönch aus. Ich habe ihm nichts Gutes zugetraut. Und ein Polizistenauge hatte dieser verteufelte Kerl, denn er machte uns darauf aufmerksam, daß wir die Haut von unseren Gesichtern verlören.«

Der Pater erschrak abermals, und zwar noch mehr als vorher.

»Das sagte er?« fragte er. – »Ja. Ich hätte ihn niederschießen mögen!« – »Das ist fataler, als Ihr wissen und ahnen könnt!« – »Könnte man nichts dagegen tun?«

Der Pater sann eine Weile nach. Dann hellten sich seine Mienen wieder auf. Er fragte:

»Also Eure Gesichter sind ihm aufgefallen?« – »Ja.« – »Er hat bemerkt, daß sie bemalt waren?« – »Freilich.« – »So wird er den Ort nicht verlassen, ohne zu erfahren, wo Ihr bleibt, und möglichenfalls auch noch, wer Ihr seid.« – »Wo wartet er da?« – »Gerade wenn Ihr vom Kloster nach dem Ort hinunterreitet, ist das erste Haus rechter Hand der ersten Gasse eine Venta. Von dort aus kann man den Klosterweg genau übersehen, und dort wird er sitzen, um seine Beobachtungen anzustellen.« – »Wir müßten zum Schein hinunterreiten und dort einkehren.« – »Das ist mein Plan.« – »Aber wir haben uns ja die Gesichter gewaschen!« – »Dafür habe ich mir bereits eine Ausrede erdacht.« – »Welche?« – »Diese hier.«

Hilario öffnete abermals eine Schublade seines Tisches, suchte darin und brachte schließlich zwei Medaillen zum Vorschein, die er den Männern hinzeigte.

»Ah«, lachte Cortejo, als er die Inschriften gelesen hatte. »Zwei Polizeimedaillen aus der Hauptstadt. Wie kommt Ihr dazu?« – »Hm«, brummte der Pater lächelnd. »Man hat sich in meiner Stellung mit gar mancherlei zu versehen, was andere Leute, Spitzbuben und dergleichen, gut gebrauchen können.« – »Hört, Pater, Ihr seid ein geistreicher Kerl!« meinte Landola sehr gut gelaunt. »Ihr seid wunderbar gut zu gebrauchen, und ich habe allen Respekt vor Euch, was ich in den ersten Minuten unseres Zusammentreffens gar nicht geahnt hätte!« – »Ja, man täuscht sich sehr oft«, schmunzelte der Pater, »und zwar meist in den besten und bravsten Menschen!« – »Also, wie ist Euer Plan? Ich muß ihn doch hören, obgleich ich ihn bereits ahne.« – »Sehr einfach. Habt Ihr das Wasser gesehen, das unten neben dem Weg hinfließt?« – »Ja. Unsere durstigen Pferde haben daraus getrunken.« – »Nun, sobald Ihr da unten ankommt, steigt Ihr ab, wascht Euch die Gesichter und trocknet sie. Er wird das von der Venta aus sehen und denken, daß Ihr erst jetzt den Bewurf Eurer Gesichter entfernt. Dann reitet Ihr zur Venta, laßt Euch ein Glas Wein geben, und das übrige läßt sich denken.« – »Schön. Ihr meint, wir zeigen ihm die Medaillen?« – »Nur wenn es notwendig ist.« – »Und sagen, daß wir einen bei Euch suchten?« – »Ja, einen, von dem Ihr hörtet, daß er sich krank stelle.« – »Natürlich haben wir ihn aber nicht gefunden.« – »Das versteht sich!« – »Hat der Kerl auch eine Medaille?«

Da der kleine Dicke ja gar kein Polizist war, so antwortete der Pater:

»Ich glaube nicht, daß er sie hier, wo er sie gar nicht braucht, bei sich trägt. Übrigens verlasse ich mich auf Eure Klugheit« – »Und dann, wenn wir ihn los sind?« – »Ihr dürft die Venta nicht eher verlassen, als bis er fort ist. Ihr seht, wohin er reitet, und sorgt dafür, ihm nicht wieder in den Weg zu kommen. Bis zum Abend bleibt Ihr fort. Dann kommt Ihr wieder zum Kloster, aber nicht herein, denn kein Bewohner desselben darf wissen oder auch nur ahnen, daß ich zwei Gäste bekommen habe. Ihr laßt Eure Pferde an der hinteren Ecke der Klostermauer angebunden, und einer von Euch kommt heimlich unter dieses Fenster, wo er leise klatscht. Ich sende Euch meinen Neffen. Das übrige ist meine Sache. Jetzt geht, Señores!«


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